Die kleine Vorarlberger Stadt Hohenems ist eine Museumsstadt wie keine zweite. Ein Nibelungenmuseum gibt es da, ein Schubertmuseum, ein "Museum auf Zeit", ein Irmgard-Seefried-Museum und nicht zu vergessen natürlich das Jüdische Museum. Das ist eine sehr unvollständige Aufzählung. Statistisch ist Hohenems vermutlich die Gemeinde mit den meisten Museen pro Bewohner in Österreich.
Und jetzt das "Alte Zeiten - Museum". 2016 wurde es gegründet. Und das kam so.
Da wo der Emsbach aus den Bergen kommend langsam flacher wird und sich durch unregelmäßig stehende Häuser schlängelt, verläuft etwa dem Bach entlang die Sägerstraße. Und da steht ein altes Haus. Das verfiel zusehends und niemand war an Kauf und Erhalt interessiert und da kann man ja so was auch gleich ganz abreissen und den Autos Gelegenheit geben etwas rasanter die Kurve zu kratzen.
Also erließ die Gemeinde einen Abruchbescheid. Das störte aber Viele, die in der Umgebung des Haus wohnten, schließlich war das ein über 400 Jahre altes Gebäude.
Wie bringt man einen Bürgermeister davon ab, ein Haus abzubrechen, einen Bescheid zurückzuziehen? In einer kleinen Gemeinde redet man direkt mit ihm. Und wo findet man ihn mit Sicherheit? In der Kirche. So wurde mir die Geschichte jedenfalls erzählt. Und der Bürgermeister meinte, wenn ihr mir ein schlüssiges Konzept bringt, hebe ich den Bescheid auf.
Und die Anrainer brachten ihm ein Konzept und schlossen sich zu einem Trägerverein zusammen und begannen in ehrenamtlicher Arbeit mit dem Rückbau und der Sanierung des Baues. Auf die Art, wie man das an vielen Orten in Vorarlberg sehen kann - in sehr subtiler, zurückhaltender Bastelei, die das Neue kenntlich läßt und das Alte nicht unbedingt vollständig rekonstruiert oder auch halb beschädigt stehen lassen kann.
Und was macht man un mit einem alten Haus, in dem ja niemend wohnen will oder wohnen solll? Man richtet ein Museum ein. Also schon ein Alibi für etwas anderes. Ein Museum, um das Haus erhalten zu können. Da hätte vieles schief gehen können. Zu amateurhaft, zu ehrgeizig, zu unpassend das Thema.
Aber so kams nicht. Das kleine Museum (im Erdgeschoss) wurde gestalterisch ebenso klug errichtet, wie die Sanierung des Hauses erfolgte. Mit großer Zurückhaltung, Sparsamkeit, Einfachheit. Erzählt wird die Geschichte der Stadt, und wenn man wenig Platz hat für Grafiken, Fotografien oder Texte, dann konzentriert man sich auf strukturelle Fragen. Zum Beispiel auf "Herrschaft und Untertanen".
Die gestalterische Schlichtheit und die inhaltliche Knappheit sind in diesen Räumen sehr angenehm zu konsumieren, es macht Spaß, sich mal nicht mit 3000 Objekten ermüdend herumschlagen zu müssen, sondern in kurzer Zeit dichte Informationen zu bekommen.
Nun hat ja Hohenems schon ein Museum, das von der Gemeinde und ihrer Geschichte handelt - das Jüdische. Aber dort liegt der Schwerpunkt auf der Jüdischen Gemeinde, ihrer Gründung, ihrer Geschichte, ihrer Vertreibung. Man kann das "Alte Zeiten - Museum" also als eine Art von Ergänzung lesen, als eine Erweiterung. Beide Museen zusammen ergeben nun auch so etwas wie ein Stadtmuseum.
An diesem kleinen Museum sieht man, wie wenig es auf Geld und Ressourcen, auf Größe und Repräsentation ankommt, sondern auf Engagement, Ideen, Konzepte. Es ist ein schönes Beispiel, daß ehrenamtliche Museumsarbeit nicht von der Hypothek der Amateurhaftigekeit beschädigt oder erdrückt werden muß.
Ich weiß nicht, ob an einen weiteren Ausbau des Hauses und des Museums gedacht ist, wenn ja, dann würde das sich als kleines, feines Stadtmuseum weiter entwickeln. Vielleicht auch als Ort, wo man über den Ort und seine Entwicklung redet.
Dienstag, 29. Mai 2018
Samstag, 26. Mai 2018
Mittwoch, 16. Mai 2018
Steirische Museumsalchemie
Im April wurde bekannt, daß das Freilichtmuseum in Stübing in das
Universalmuseum Joanneum eingegliedert werden soll. Ursprünglich wurde
dieses Museum von allen österreichischen Bundesländern und Südtirol in
einer Stiftungskonstruktion finanziert. Dann nur noch von der
Steiermark. Zuletzt mit einem Subventionsbedarf von 1,5 Mio Euro.
Das Museum Joanneum hat seinen Betrieb auf Grund der Sparmaßnahmen des Landes seinen Betrieb einschränken müssen, z.B. die Öffnungszeiten. Es ist auch zum Sparen gezwungen.
Nach steirischer Logik ist Minus und Minus ein Plus. Darum bemüht sich das Museum darum, die Länder wieder ins Finanzierungsboot zu holen. Schließlich war Stübing ja mal so etwas wie ein Österreich-Museum.
„Stübing hat für 33 seiner 98 Gebäude einen erhöhten Förderbedarf" sagt der zuständige Landesbeamte, "diese Häuser müssen ständig saniert und restauriert werden."
Wird ein Museum "billiger", wenn es expandiert? „Ich habe aber den intensiven Willen, das sehr sorgsam zu machen." Sagt ("voller Tatendrang", die Kleine Zeitung) Alexia Getzinger, Leiterin des Universalmuseums. "Wir wollen Synergien finden.“
Übers Finanzielle hinaus fragt man sich, was denn das strategisch und inhaltlich fürs Joanneum bedeutet, ein Museum dieses Typs und dieser Größe sich einzugliedern. Wird es "universaler", und dann, mit der Einrichtung eines Science Center, noch mal ein Stückchen mehr als universal.
Erst vor wenigen Monaten wurde ernsthaft überlegt, das Volkskundemuseum praktisch aufzulasssen und jetzt integriert man die "nimmermüde Stätte zur Pflege des Brauchtums"? So liest mans in der Kleinen Zeitung. Und dort auch das: "Spannend ist auch, dass an eine eigene Abteilung Volkskultur im Joanneum gedacht wird." Wie jetzt?
Das Museum Joanneum hat seinen Betrieb auf Grund der Sparmaßnahmen des Landes seinen Betrieb einschränken müssen, z.B. die Öffnungszeiten. Es ist auch zum Sparen gezwungen.
Nach steirischer Logik ist Minus und Minus ein Plus. Darum bemüht sich das Museum darum, die Länder wieder ins Finanzierungsboot zu holen. Schließlich war Stübing ja mal so etwas wie ein Österreich-Museum.
„Stübing hat für 33 seiner 98 Gebäude einen erhöhten Förderbedarf" sagt der zuständige Landesbeamte, "diese Häuser müssen ständig saniert und restauriert werden."
Wird ein Museum "billiger", wenn es expandiert? „Ich habe aber den intensiven Willen, das sehr sorgsam zu machen." Sagt ("voller Tatendrang", die Kleine Zeitung) Alexia Getzinger, Leiterin des Universalmuseums. "Wir wollen Synergien finden.“
Übers Finanzielle hinaus fragt man sich, was denn das strategisch und inhaltlich fürs Joanneum bedeutet, ein Museum dieses Typs und dieser Größe sich einzugliedern. Wird es "universaler", und dann, mit der Einrichtung eines Science Center, noch mal ein Stückchen mehr als universal.
Erst vor wenigen Monaten wurde ernsthaft überlegt, das Volkskundemuseum praktisch aufzulasssen und jetzt integriert man die "nimmermüde Stätte zur Pflege des Brauchtums"? So liest mans in der Kleinen Zeitung. Und dort auch das: "Spannend ist auch, dass an eine eigene Abteilung Volkskultur im Joanneum gedacht wird." Wie jetzt?
Wer weiß etwas über die Tätigkeit von Alexia Getzinger als Leiterin des Universalmuseum Joanneum?
Unlängst habe ich (hier) nach dem Verbleib und der Tätigkeit der neuen Joanneums-Direktorin Alexia Getzinger gefragt und dabei rasch von der den Blog nutzenden schwarmintelligenz profitiert: Sehr viel mehr als ein Statement zur Einliederung des Stübinger Freilichtmuseums (hier) und die Anwesenheit bei der ein oder andren Ausstellungseröffnung hat sich dabei nicht ergeben.
Aber warum sollen/wollen wir wissen, was die Leiterin des größten Kultur- und Museumsinstitutes des Landes macht und vorhat?
Der Fairneß halber hüllen wir uns hier (auch) in Schweigen und überlassen Alexia Getzinger in "Mein Bezirk" das Wort: "Kultur als Lebenselixier: "Gefragte Frauen" mit Alexia Getzinger". Hier der Link.
Aber warum sollen/wollen wir wissen, was die Leiterin des größten Kultur- und Museumsinstitutes des Landes macht und vorhat?
Der Fairneß halber hüllen wir uns hier (auch) in Schweigen und überlassen Alexia Getzinger in "Mein Bezirk" das Wort: "Kultur als Lebenselixier: "Gefragte Frauen" mit Alexia Getzinger". Hier der Link.
Sonntag, 13. Mai 2018
Ein museumsgeschichtliches Déjà-vu
Freitag, 11. Mai 2018
Sigmund Freud Museum 2020. Renovation and Reorganisation
Sigmund Freud Museum 2020
As of 2020, Sigmund Freud’s former place of work at
Vienna’s Berggasse 19—the birthplace of psychoanalysis—will be presented to the
public in a form that does justice to the standards of this unique museum and
scientific venue.
Renovation of Berggasse 19
Plans include the renovation of the façade.
The historical entrance as it welcomed Sigmund Freud’s patients and visitors at
the beginning of the last century will continue to admit museum visitors to
Berggasse 19, an address in Vienna that is steeped in history.
In line with elemental international museum
standards, a reception and ticket desk area will be installed on the
ground floor, adjoined by a small café and museum shop, with cloakrooms and
toilets below, to provide appropriate facilities for more than 100,000
visitors a year. The exhibition area of the Sigmund Freud Museum on the
mezzanine is to be extended to 400 m2 and further
enlarged by around 150 m2 by additional
exhibition areas on the upper ground floor.
Access to the Museum and
library will be barrier-free
with a lift and cater for the needs of disabled people while observing the
requirements of monument preservation and current building legislation.
Reorganisation of the Museum
The Museum as a place of experience: Respecting the
character of Sigmund Freud’s workplace and home from the Gründerzeit period,
the aim is also to make the family’s private rooms open to the public for the
first time. These rooms give an insight into the family’s eventful history and
tell the story of the everyday life of a Viennese family at the turn of the
century, putting Freud’s work in the social context of his day. In Sigmund
Freud’s psychoanalytic office the original furnishings of the waiting
room give visitors a sense of the atmosphere of a 19th-century interior that is
so characteristic of Vienna. The museum presentation in the office’s study
focuses on the formation of psychoanalytic theory and Freud’s writings on
cultural theory. The display recalls his wide-ranging correspondence with
colleagues, friends and patients, comprising a total of almost 20,000 letters.
In Freud’s treatment room we deal with core aspects of the
psychoanalytic treatment method and practice. The empty space left behind by
the absence of the couch in this room plays a special role in the new permanent
exhibition. The absence of this piece of furniture, that has meanwhile become
an icon of psychoanalysis, characterises the Museum as a vestigial memory
space and is a symbol of the losses written in our history: Freud’s flight
from the Nazis stands pars pro toto for millions of refugees and murdered
people.
Freud’s “first
office” on the upper ground floor at Berggasse 19, where he treated patients
such as “Dora” between 1896 and 1908, is also where the “father of
psychoanalysis” wrote the central works in the formative phase of his science
such as The Interpretation of Dreams or Three Essays on the Theory of
Sexuality. Here, a selection of works from the collection of
contemporary conceptual art of the Sigmund Freud Museum—including pieces by
Paolo Calzolari, Joseph Kosuth, Franz West, Heimo Zobernig, Sherri Levine and
Georg Herold—will help illuminate key aspects of psychoanalysis and the history
of its effects in the sphere of art production.
The new concept of
the Museum allows us to explore the former importance and function of the
historic rooms at Berggasse 19. With the aid of modern educational
instruments the show deals with the many different aspects of this cultural
site—from presenting the development of psychoanalysis as a science of the
unconscious to the danger of its eradication in the Nazi era and a discussion
of its current importance—in a form commensurate with the subject matter,
subjecting them to critical scrutiny and presenting them to a wide public.
The architects Hermann
Czech, Walter Angonese and ARTEC, Bettina Götz and Richard Manahl sum up
the concept of their design for the “SIGMUND FREUD MUSEUM 2020” as follows:
The information content of the Sigmund Freud Museum comprises two aspects:
Information about the subject: scientific, historical and biographical
information about psychoanalysis and its origins, its creator Sigmund Freud and
his family, particularly Anna Freud. This aspect is not tied to the Freud house
or certain rooms.
Local and spatial presence: the physical experience of the most important
authentic locality where this scientific work and the personal lives of the
protagonists took place. In this respect, the house is a museum of itself. This
aspect can only be perceived in the Freud house and by understanding its rooms
and their context.
The two aspects are presented and experienced concurrently and as a whole
at the Sigmund Freud Museum; in some cases there will even be a direct link.
However, it is nevertheless important to keep them distinct so as to ensure the
methodical clarity and comprehensibility of the content being presented.
In principle, the aspect of general information and the aspect of the
locality itself should thus not be mingled with regard to presentation.
Translated into exhibition terms, this means that information not pertaining to
a particular room should generally be removed from the walls. The only
information left on the walls will be facts concerning the rooms themselves and
their former use, furnishings and their surfaces (and findings regarding
conservation and restoration).
On the one hand, the pathway through the Museum therefore allows visitors
to experience the rooms and their layout, their former use and history,
providing information about their one-time appearance, while on the other
presenting graduated general information in the form of texts and images that
is largely independent of the rooms in terms of content.
Visitors should to a large extent be left to take their own route; however,
they should be able to form a mental map as early as possible that encourages
finding their own way back and between different areas.
(Excerpt from the concept of the competition entry by Hermann Czech, Walter
Angonese and ARTEC, Bettina Götz and Richard Manahl, 2017)
“Library of Psychoanalysis”—renovation and
reorganisation
The storey above the Museum will be fully devoted to the extensive
scientific activities of the Sigmund Freud Private Foundation: the “Science
Floor” will accommodate the Archive and the Library of Psychoanalysis.
With almost 40,000 titles, the library is the largest specialist psychoanalytic
library in Europe—and the second-largest in the world. For the first time, all
books and sections will be combined on one level and will be accessible to all
readers. With its open-shelf system ordered by subject, the borrowing library
gives access to historical journals from the early days of psychoanalysis,
numerous current specialist journals, and all new international publications
that reflect the current state of international research pertaining to the
theory and practice of psychoanalysis. Works that link psychoanalysis and other
disciplines, for example cultural studies, gender studies, film theory, art
history, literary studies, etc., complement the emphasis of collection.
The study library will feature workstations
available to its own science staff and visitors from Austria and abroad:
cooperation partners, psychoanalysts, researchers from university and
non-university facilities, and private individuals. The library runs special
programmes for young academics including research workshops for students and
provides assistance to school-goers doing their VWA course (pre-scientific
paper for A-levels).
The centrepiece of the science section is the lecture
and reading room: the “historical salon” on the first floor facing
Berggasse is to be carefully renovated, equipped with modern infrastructure
and equipment and thus made multifunctional for library users and
for various scientific events—lectures, conferences, workshops and film
screenings.
LIBRARY OF
PSYCHOANALYSIS #FREUD2020 In order to keep the important scientific location
Berggasse 19 alive, the “Freud spenden auf respekt.net” scheme was initiated on the RESPEKT.NET platform — please join in and help harness the knowledge
of the “Viennese science” of psychoanalysis for the future: respekt.net/freudspenden
Sigmund Freud - Museum, Mai 2018
Sigmund Freud Museum 2020
Sigmund Freud Museum 2020
Sigmund Freuds ehemalige Wirkungsstätte in der
Wiener Berggasse 19, der Ursprungsort der Psychoanalyse, wird sich ab 2020 der
Öffentlichkeit in einer Form präsentieren, die den Ansprüchen dieses
einzigartigen Museums- und Wissenschaftsstandorts gerecht wird.
Renovierung Haus Berggasse 19
Die Planung sieht die Sanierung der Fassade vor. Das historische Eingangsportal, wie es zu
Beginn des vorigen Jahrhunderts den PatientInnen und BesucherInnen von Sigmund
Freud offen stand, wird weiterhin dem
Museumspublikum Einlass zur geschichtsträchtigen Wiener Adresse Berggasse 19 gewähren.
Grundlegenden internationalen Museumsstandards
entsprechend werden mit der Einrichtung eines Empfangs- und Kassaraumes im Erdgeschoss, dem auch ein kleines Café
und ein Museumsshop angeschlossen sind, und
den darunter liegenden Garderoben-
und Sanitäranlagen adäquate Bedingungen für die mehr als 100.000
BesucherInnen jährlich geschaffen. Die Ausstellungsfläche
des Sigmund Freud Museums im Mezzanin des Hauses wird auf 400 m2 erweitert und durch zusätzlich gewonnene Ausstellungsflächen
im ersten Halbstock eine weitere Vergrößerung um ca. 150 m2 erfahren.
Der Zugang
zu Museum und Bibliothek wird durch einen Aufzug barrierefrei erschlossen
und unter Wahrung der Auflagen
des Denkmalschutzes und der aktuellen Bauordnung den Bedürfnissen für
Menschen mit Behinderung angepasst.
Re-Organisation des Museums
Das Museum als Erfahrungsort: Unter Berücksichtigung des gründerzeitlichen
Charakters von Sigmund Freuds Wohn- und Arbeitsräumen werden erstmals auch die
privaten Räume der Familie für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Sie geben
Aufschluss über die bewegte Familiengeschichte, erzählen vom Alltag einer
Wiener Familie um die Jahrhundertwende und schreiben Freuds Wirken in den gesellschaftlichen
Kontext seiner Zeit ein. In der psychoanalytischen
Praxis von Freud vermittelt die im Original erhaltene Möblierung des
Wartezimmers die für Wien so kennzeichnende Atmosphäre eines Interieurs des 19.
Jahrhunderts. Die museale Präsentation im Arbeitszimmer
der Praxis widmet sich der psychoanalytischen Theoriebildung wie auch Freuds
kulturtheoretischen Schriften. Seine vielfältigen Korrespondenzen mit
KollegInnen, FreundInnen und PatientInnen, die insgesamt ein Konvolut von knapp
20.000 Briefen umfassen, werden hier vergegenwärtigt. In Freuds Behandlungsraum werden Kernthemen der
psychoanalytischen Behandlungsmethode und Praxis verhandelt. Der Leerstelle,
die durch die Abwesenheit der Couch in diesem Raum zurückgeblieben ist, kommt
in der neuen Dauerausstellung besondere Bedeutung zu. Das Fehlen dieses zur
Ikone der Psychoanalyse avancierten Möbels kennzeichnet das Museum als einen entkernten Erinnerungsort und liefert
den Verlusten, die unsere Geschichte schrieb, ein Sinnbild: Freuds Flucht vor
dem Nationalsozialismus steht pars pro toto für Millionen Geflüchteter und
Ermordeter.
Freuds „erste Ordination“ im Hochparterre der Berggasse 19, in der er zwischen 1896 und 1908 PatientInnen wie „Dora“ behandelte, ist auch jener Ort, an dem der „Vater der Psychoanalyse“ die zentralen Texte der Entstehungsphase seiner Wissenschaft wie Die Traumdeutung oder Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie verfasste. Hier werden ausgewählte Werke der Zeitgenössischen Konzept-Kunstsammlung des Sigmund Freud Museums – unter anderem Arbeiten von Paolo Calzolari, Joseph Kosuth, Franz West, Heimo Zobernig, Sherri Levine und Georg Herold wesentliche Aspekte der Psychoanalyse wie auch deren Wirkungsgeschichte im Bereich der Kunstproduktion beleuchten.
Freuds „erste Ordination“ im Hochparterre der Berggasse 19, in der er zwischen 1896 und 1908 PatientInnen wie „Dora“ behandelte, ist auch jener Ort, an dem der „Vater der Psychoanalyse“ die zentralen Texte der Entstehungsphase seiner Wissenschaft wie Die Traumdeutung oder Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie verfasste. Hier werden ausgewählte Werke der Zeitgenössischen Konzept-Kunstsammlung des Sigmund Freud Museums – unter anderem Arbeiten von Paolo Calzolari, Joseph Kosuth, Franz West, Heimo Zobernig, Sherri Levine und Georg Herold wesentliche Aspekte der Psychoanalyse wie auch deren Wirkungsgeschichte im Bereich der Kunstproduktion beleuchten.
Die Neukonzeption des
Museums ermöglicht es, der einstigen Bedeutung und Funktion der historischen
Räume in der Berggasse 19nachzuspüren. Durch zeitgemäße Vermittlungsinstrumente
werden die vielschichtigen Inhalte dieses Kulturstandortes – von der
Darstellung der Entwicklung der Psychoanalyse als Wissenschaft des Unbewussten
über die Gefahr ihrer Auslöschung im Nationalsozialismus bis hin zur Befragung ihrer
aktuellen Bedeutung – fachgerecht aufbereitet, kritisch beleuchtet und einer
breiten Öffentlichkeit vermittelt.
Die ArchitektInnen Hermann Czech, Walter Angonese und ARTEC,
Bettina Götz und Richard Manahl fassen das Konzeption ihres Museumsentwurfs „SIGMUND FREUD MUSEUM
2020“ wie folgt zusammen:
Der
Informationsgehalt des Sigmund Freud Museums beinhaltet zwei Aspekte:
Sachliche
Information: die wissenschaftliche, historische und biografische Information
über die Psychoanalyse und ihre Entstehung, über ihren Schöpfer Sigmund Freud
und seine Familie, besonders auch über Anna Freud. Dieser Aspekt ist nicht an
das Freud-Haus bzw. an bestimmte Räume darin gebunden.
Örtliche
und räumliche Präsenz: die physische Erfahrung der wichtigsten authentischen
Lokalität, in der diese wissenschaftliche Arbeit und die persönliche
Lebensführung der beteiligten Menschen stattgefunden hat. Insofern ist das Haus
ein Museum seiner selbst. Dieser Aspekt
kann nur im Freud-Haus und im Verständnis seiner Räume und ihres Zusammenhangs
wahrgenommen werden.
Die beiden
Aspekte werden im Sigmund Freud Museum gleichzeitig und als Einheit dargeboten
und erfahren; in einzelnen Fällen werden sie sogar in Zusammenhang treten. Es
dient aber doch der methodischen Klarheit und Verständlichkeit der vermittelten
Inhalte, sie gedanklich auseinanderzuhalten.
Im Prinzip
sollten daher der allgemeine Informationsaspekt und der Örtlichkeitsaspekt
nicht medial vermischt werden. In die Mittel der Ausstellung übersetzt,
bedeutet das, die nicht den Raum betreffende Information im Regelfall von den
Raumwänden abzulösen. Auf den Raumwänden verbleiben ausschließlich die Hinweise
zu den Hausräumen und ihrer ehemaligen Nutzung, Einrichtung, ihren Oberflächen
(und deren konservatorisch-restauratorischen Befunden).
Der Weg
durch das Museum liefert also einerseits eine Erfahrung der Räume und ihrer
Anordnung, ihrer ehemaligen Nutzung und Geschichte, sowie Hinweise zu ihrem
ehemaligen Aussehen, andererseits liefert er eine abgestufte allgemeine
Information durch Texte und Bilder, die von den Räumen inhaltlich weitgehend
unabhängig ist.
Der
Parcours sollte dem Besucher weitgehend freigestellt werden; möglichst früh
sollte jedoch eine Orientierung (mental map) entstehen können, die
eigenständige Rück- und Querwege begünstigt.
(Auszug
aus dem Konzept der Weittbewerbseinreichung von Hermann Czech, Walter Angonese
und ARTEC, Bettina Götz und Richard Manahl, 2017)
„Bibliothek der Psychoanalyse“ – Sanierung und
Neuaufstellung
Das über dem Museum befindliche Stockwerk wird zur
Gänze den umfassenden wissenschaftlichen Aktivitäten der Sigmund Freud
Privatstiftung gewidmet: Der „Wissenschaftsstock“ wird neben dem Archiv die Bibliothek der Psychoanalyse beherbergen, die mit ihrem Bestand von
knapp 40.000 Titeln die größte psychoanalytische
Fachbibliothek Europas darstellt – weltweit die zweitgrößte. Erstmals werden
sämtliche Bücher und Bestandsgruppen auf einer Ebene zusammengeführt und allen
LeserInnen zugänglich gemacht. Mit ihrer inhaltlich geordneten
Freihandaufstellung bietet die Entlehnbibliothek Zugang zu historischen
Zeitschriften der frühen Psychoanalyse, zu zahlreichen gegenwärtigen
Fachjournals sowie zu sämtlichen internationalen Neuerscheinungen, die den
gegenwärtigen internationalen Forschungsstand rund um Theorie und Praxis der
Psychoanalyse abbilden. Werke, die
Verbindungslinien zwischen der Psychoanalyse und anderen Disziplinen herstellen,
etwa Kulturwissenschaften, Gender Studies, Filmtheorie, Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft
etc., ergänzen den Sammelschwerpunkt.
In die Studienbibliothek werden Arbeitsplätze
integriert, die dem eigenen Wissenschaftspersonal sowie Gästen aus dem In- und
Ausland zur Verfügung stehen: KooperationspartnerInnen, PsychoanalytikerInnen, ForscherInnen
universitärer und außeruniversitärer Einrichtungen sowie privaten
InteressentInnen. Für den wissenschaftlichen Nachwuchs werden zusätzlich
spezielle Programme wie Rechercheworkshops für Studierende und die Betreuung
von SchülerInnen im Rahmen ihrer vorwissenschaftlichen Arbeiten (VWA)
angeboten.
Das Herzstück des Wissenschaftsbereichs bildet der Vortrags- und Lesesaal: Der berggassenseitig
gelegene „historische Salon“ im
ersten Obergeschoß wird umsichtig renoviert, mit zeitgemäßer Infrastruktur und Technik ausgestattet und so multifunktional für die
BibliotheksnutzerInnen wie für unterschiedliche wissenschaftliche Veranstaltungsformate
– Vorträge, Konferenzen, Workshops und Filmscreenings – nutzbar gemacht.
BIBLIOTHEK DER PSYCHOANALYSE #FREUD2020 Um den
bedeutenden Wissenschaftstandort Berggasse 19 lebendig zu halten wurde auf der Plattform
RESPEKT.NET die Aktion „Freud spenden auf respekt.net“ initiiert – helfen auch
Sie mit, das Wissen der „Wiener Wissenschaft“ Psychoanalyse für unsere Zukunft
nutzbar zu machen: respekt.net/freudspenden
Zur Verfügung gestellt vom Freud-Museum
Mittwoch, 9. Mai 2018
Eine Einladung zur zweiten Nenzinger Klausur. Dinge - Funde und Erfindungen. Juli 2018
EINLADUNG
Dinge.
Funde und Erfindungen
Zweite Nenzinger Klausur
Im Juli 2018 wird zum zweiten Mal die Nenzinger Klausur stattfinden. Unter dem Titel „Dinge. Funde und Erfindungen“ werden Objekte des Dachboden-Depots der Artenne Ausgangspunkt einer Erzählung mit offenem Ausgang sein.
Die TeilnehmerInnen sind eingeladen, diese Objekte auf künstlerische, wissenschaftliche oder spielerische Weise zu befragen. Welche Geschichten spiegeln sich in den Objekten wieder?
Arbeitsweise In performativer Arbeitsweise werden wir versuchen, die auf dem Dachboden entdeckten Dinge zum Sprechen zu bringen. Dabei können neue Assoziationsketten gebildet werden und eine andere Wahrnehmung der Dinge möglich werden. Biografische Informationen können auf fiktive Assoziationen treffen, wissenschaftliche Aussagen auf die detaillierte Betrachtung figurativer Details. Dinge können zu seltsamen Unbekannten werden. Inspiriert von Daniel Spoerris Idee des „Musée Sentimental“ und anderen, verwandten Projekten hören wir auf die Geschichten hinter den Gegenständen und assoziieren frei dazu.
Wir arbeiten übrigens draußen und drinnen, in den mehrfach für seine Qualität preisgekrönten Ausstellungsräumen und im wunderbaren Wiesen- und Gartengelände ums Haus. Mit Texten, Übungen, Mini-Referaten, Diskussionen und allerlei das sich aus der Gruppe heraus spontan entwickeln
Auf Grund der schönen Erfahrungen in der Klausur 2017 hoffen wir wiederum auf freundliche Arbeits-Atmosphäre und ein entspanntes und trotzdem ergebnisreiches Arbeitstreffen.
Termin Die Klausur beginnt am Montag 16.07. 2018 um 16 Uhr und endet am Freitag 20.07. 2018 Mittag.
Kosten Der Unkostenbeitrag beträgt 250 Euro p.P. Darin enthalten sind die Übernachtungen, ein reichhaltiges Frühstücksbuffet, Verpflegung über den Tag, gemeinsame Abendessen im Gasthaus, die Moderation der Klausur und ein umfangreicher Reader als Bastelbu.
Wenn das Wetter mitspielt, ist ein Nachmittags-Ausflug in den Nenzinger Himmel geplant.
Moderation Die Klausur wird moderiert von den beiden Hamburger Künstlerinnen Nicole Noack und Dorothea Koch mit der Unterstützung des Leiters der Artenne, Helmut Schlatter und des Grazer Museologen Gottfried Fliedl.
Anmeldungen oder Nachfragen richten Sie bitte an: Helmut Schlatter. Artenne Nenzing. Plattform für Kunst und Kultur. Kirchgasse 6, Im Walgau. A-6710 Nenzing.
Mobil: 0043 (0)664 73574514 Mail: ARTENNE Homepage Artenne: http://www.artenne.at/news.htmlhttp://www.artenne.at/news.html
Im Juli 2018 wird zum zweiten Mal die Nenzinger Klausur stattfinden. Unter dem Titel „Dinge. Funde und Erfindungen“ werden Objekte des Dachboden-Depots der Artenne Ausgangspunkt einer Erzählung mit offenem Ausgang sein.
Die TeilnehmerInnen sind eingeladen, diese Objekte auf künstlerische, wissenschaftliche oder spielerische Weise zu befragen. Welche Geschichten spiegeln sich in den Objekten wieder?
Arbeitsweise In performativer Arbeitsweise werden wir versuchen, die auf dem Dachboden entdeckten Dinge zum Sprechen zu bringen. Dabei können neue Assoziationsketten gebildet werden und eine andere Wahrnehmung der Dinge möglich werden. Biografische Informationen können auf fiktive Assoziationen treffen, wissenschaftliche Aussagen auf die detaillierte Betrachtung figurativer Details. Dinge können zu seltsamen Unbekannten werden. Inspiriert von Daniel Spoerris Idee des „Musée Sentimental“ und anderen, verwandten Projekten hören wir auf die Geschichten hinter den Gegenständen und assoziieren frei dazu.
Wir arbeiten übrigens draußen und drinnen, in den mehrfach für seine Qualität preisgekrönten Ausstellungsräumen und im wunderbaren Wiesen- und Gartengelände ums Haus. Mit Texten, Übungen, Mini-Referaten, Diskussionen und allerlei das sich aus der Gruppe heraus spontan entwickeln
Auf Grund der schönen Erfahrungen in der Klausur 2017 hoffen wir wiederum auf freundliche Arbeits-Atmosphäre und ein entspanntes und trotzdem ergebnisreiches Arbeitstreffen.
Termin Die Klausur beginnt am Montag 16.07. 2018 um 16 Uhr und endet am Freitag 20.07. 2018 Mittag.
Kosten Der Unkostenbeitrag beträgt 250 Euro p.P. Darin enthalten sind die Übernachtungen, ein reichhaltiges Frühstücksbuffet, Verpflegung über den Tag, gemeinsame Abendessen im Gasthaus, die Moderation der Klausur und ein umfangreicher Reader als Bastelbu.
Wenn das Wetter mitspielt, ist ein Nachmittags-Ausflug in den Nenzinger Himmel geplant.
Moderation Die Klausur wird moderiert von den beiden Hamburger Künstlerinnen Nicole Noack und Dorothea Koch mit der Unterstützung des Leiters der Artenne, Helmut Schlatter und des Grazer Museologen Gottfried Fliedl.
Anmeldungen oder Nachfragen richten Sie bitte an: Helmut Schlatter. Artenne Nenzing. Plattform für Kunst und Kultur. Kirchgasse 6, Im Walgau. A-6710 Nenzing.
Mobil: 0043 (0)664 73574514 Mail: ARTENNE Homepage Artenne: http://www.artenne.at/news.htmlhttp://www.artenne.at/news.html
Das Museum der Völker Schwaz. Eine Transformation auf der Höhe museologischer Debatten
Das Museum der Völker in Schwaz wurde 1995 vom Fotografen und Autor Gert Chesi gegründet, der auf zahllosen Reisen eine ethnologische Sammlung mit dem Schwerpunkt Afrika und Asien zusammenstellte. 2013 erhielt das Museum einen Erweiterungsbau und wurde inzwischen zu einem von der Stadt Schwaz und dem Land Tirol finanziell unterstütztem öffentlichen Museum. Im September gab es den ersten Leitungswechsel und eine Wiedereröffnung mit neuem Konzept.
Die neue Leiterin Lisa Noggler-Gürtler hat es also mit der Transformation eines typischen Sammlermuseums in eine öffentliche Institution zu tun. Dazu gehört die wissenschaftliche Basisarbeit, die Inventarisierung und Klärung von Provenienzfragen, für die inzwischen Gelder durch den Bund und das Land bereitgestellt wurden. Und ein Ausstellungskonzept, das neue Wege im Ansprechen von Besuchern geht.
Seit meinem ersten Besuch, da das Museum (vor seiner baulichen Erweiterung) noch ganz Gert Chesis Reich war, mit seinen Fotografien und Filmen und einer geografischen Gliederung der Ausstellung, hat sich sehr viel geändert. In nur vier Monaten ist ein einschneidender Wechsel nicht bloß bezüglich der Konzeption sondern auch der Haltung des Museums vollzogen worden.
Nun wird Grundfragen nachgegangen, dem Sterben und dem Tod, der Erinnerung, der Formierung von Identität. Das erlaubt die Auflösung der bislang dominierenden geografischen Ordnung der Sammlung und der vergleichenden Zusammenstellung von Objekten und Ensembles aus völlig unterschiedlichen Herkünften und Zeiten. Objekte - viele davon ästhetisch faszinierend -, werden nun nicht mehr als „Kunst“ gezeigt, sondern als semantisch vielfältige Zeugnisse.
Dabei ist völlig neu das Einbeziehen der eigenen Kultur und damit automatisch auch unserer Gegenwart, was ja angesichts der großen Fragen unausweichlich stattfinden muß. Themen wie Erinnerung oder Tod kann sich wohl niemand entziehen und so eröffnet die Ausstellung reiche Möglichkeiten, sich als Besucher und Betrachter mit eigenen Erfahrungen oder Ängsten zu konfrontieren.
Mir scheint, daß das, was hier gemacht wird, eine jener Möglichkeiten ist, mit der absoluten Fremdheit vieler ethnologischer Sammlungen umzugehen. Sie löst sich zwar nicht auf und muß das gar nicht tun. Das Museum generell und erst ein ethnologisches hat eine seiner besten Aufgaben darin, „Schule des Befremdens“ (Peter Sloterdijk) zu sein. Aber der Vergleich mit dem - mehr oder weniger - Vertrauten des „Eigenen“, schafft einen reziproke Wahrnehmung ermöglichenden „Bedenkraum“, in dem sich im glücklichsten Fall auch der (post)koloniale und hegemoniale Blick aufweicht. Es geht eben nicht nur darum, den „Anderen“ verstehen zu lernen (etwas, was ohnehin immer unvollkommen bleibt), sondern in der Beziehung dazu sich selbst als Individuum, als Kollektiv, als „Stammesangehöriger“ kennenzulernen.
Witzig auf den Punkt gebracht ist dieses Ausstellungsprinzip in einer Grafik, in einer schematischen Landkarte, in der die Ewe, Fante, Ga, Yoruba geografisch verortet werden aber auch die - Tiroler_innen. Diese Gleichsetzung kann einen auf die Idee bringen, das „Eigene“ mit dem Blick der „Anderen“ zu sehen, also eine radikale Vertauschung von (beobachtendem) Subjekt und (beobachtetem, beforschten, beurteilten) Objekt zu versuchen. Ganz so wie das ein schöner ironischer Film, „Das Fest des Huhnes“ (1992) gezeigt hat, wo einige afrikanische „Forscher“ die oberösterreichischen Bierzeltfeste unter die wissenschaftliche Lupe nehmen.
„Der Standort des Betrachters gehört zum beschriebenen Sujet, wie der Aussichtspunkt zur Landschaft“ erfahren wir schon im Foyer. Unterstützt wird der „Blickwechsel“ durch Leihgaben des Innsbrucker Volkskunstmuseums, mit dem das Schwazer Museum eng kooperiert. Die Museumsleiterin im Interview: „Wir arbeiten hier mit dem Volkskunstmuseum Innsbruck zusammen, das auch im wissenschaftlichen Kuratorium des Museums vertreten ist. Das Museum wird künftig nicht mehr geographisch, sondern thematisch geordnet sein. So werden Themen wie Göttervorstellung, Religion, Ahnenkult und vieles mehr miteinander verglichen und in Verbindung gesetzt.“
Mit der Vereinigung ethnologischer und volkskundlicher Sammlungsbestände knüpft das Museum der Völker an ein seit 1878 im Musée d'Ethnographie du Trocadéro in Paris (seit 1937 Musée de l’Homme) an, anthropologische, urgeschichtliche und ethnografische Sammlungen, (die eben auch Frankreich selbst umfassten), zu vereinen. Das wurde nach und nach aufgelöst, endgültig mit der Gründung des Musée du Quai Branly. Die französische ethnografische Sammlung war längst in eine eigenes Museum ausgewandert und vor einigen Jahren nach Marseille übersiedelt. Das Musée de l’Homme wurde im Vorjahr als urgeschichtlich-anthropologisches Museum wieder eröffnet.
Beim seit Jahren heftig umstrittenen riesigen Projekt des „Humboldt-Forums“ in Berlin, das mit der Hypothek (einer unter mehreren) leben muß im teilrekonstruierten Schloß unterkommen zu müssen, wird die Zusammenführung der ethnologischen Sammlung aus Dahlem mit den „volkskundlichen“ heftig eingefordert. Dort wird also die Wiederherstellung einer Einheit aller Kulturen gefordert, während man in Paris gerade die einer Aufsplitterung in mehrere Museen geopfert hat.
Auch in Wien war vor Jahren mal die Zusammenlegung der beiden ethnologischen Museen, Völkerkundemuseum und Volkskundemuseum versucht worden - und scheiterte.
In Schwaz macht man sich also grade dran, genau das, einen so weit als möglich egalitären, vergleichenden Blick, zu entwickeln. Als Vorbild könnte das Musée d’Ethnografie in Neuchatel gelten, das seit vielen Jahren herausragende Ausstellungen macht, die allesamt nichts mehr mit herkömmlicher Präsentation ethnologischer Museen zu tun haben, sondern ungewöhnliche Themen mit ungewöhnlichen Konzepten und ebenso ungewöhnlichen Gestaltungen ausstellen. Bis hin zur die Institution Museum radikal in Frage stellenden Ausstellung „Le Musée cannibale“ (2002/03). Allein der Titel ist schon ingeniös, weil er ein europäisches Vorurteil, die Zuschreibung als unmenschlicher eingestufter kultureller Praktiken gegen die eigenen hochkulturelle Institution kehrt, die ja gerade hinsichtlich ihres expliziten wie impliziten Kolonialismus wahrlich als kannibalisch eingestuft werden kann.
Das Museum in Schwaz wird sich langsam entwickeln und vortasten und hat, so glaube ich, dadurch Vorteile, daß seine Sammlungen und seine räumlichen Ressourcen überschaubar sind und ein flexibles, modulares Entwickeln begünstigen.
Bei meinem kürzlichen Besuch hat mir der Ausstellungsteil zum Erinnern besonders gut gefallen. Es geht um die Beziehung der Lebenden zu den Toten, um das Nicht-Vergessens (ein fundamentale Aufgabe des Museums, die man auch mal selbstreflexiv einbeziehen könnte…), um - erstaunliche - Praktiken, den Tod in Erinnerungspraktiken und -ritualen zu umgehen, zu überlisten, ums Abschiednehmen, um Formen des Bestattens.
Hier hatte ich nicht nur viele und unglaubliche Informationen vor mir, nicht nur eine Vermischung „ferner, exotischer“ Riten und heutiger, tirolischer oder österreichischer Zeugnisse, sondern alles als Spuren, das eigenes Erinnern und Nachdenken in Bewegung zu setze. Und: ein solches Thema läßt sich in viele Richtungen erweitern, weiter entwickeln, im Detail zuspitzen und, so glaube ich, als „Alltagsthema“ (das freilich von Ängsten und Tabus umstellt ist) auch in Diskussionen wunderbar entfalten läßt. Noggler-Gürtler: „Ich möchte vermehrt wieder die lokale Bevölkerung ins Museum herein holen und mit ihnen über Veränderungen sprechen, nicht nur, was das Museum betrifft, sondern auch in einen Dialog treten, was die Veränderungen in unserer Gesellschaft, in den Kulturen betrifft.“
Mit der Berufung von Lisa Noggler-Gürtler hat man einen Glücksgriff gemacht. Sie kommt aus Schwaz und kennt die lokalen v.a. politischen Verhältnisse gut. Sie bringt eine komplexe Ausbildung und vielfältige Erfahrungen mit, und hat als Abteilungsleiterin am Technischen Museum und als Mitarbeiterin am ZOOM-Kindermuseum verantwortungsvolle Positionen gehabt. Sie ist in der Vermittlungs- und Forschungsarbeit versiert. Und sie ist, das ist meine persönliche Einschätzung, einer der besten Ausstellungsmacherin in Österreich. Die noch laufende Ausstellung im vorarlberg museum „Römer oder so“ gehört zum Besten und Gewitztesten, was in den letzten Jahren in Österreich produziert wurde. Im Vorjahr hat sie in der großen Islam-Ausstellung auf der Schallaburg den überhitzten öffentlichen Debatten eine nüchterne, wissensbasierte, viele authentische Stimmen einbeziehende Ausstellung gemacht. In Erinnerung ist mir auch die 1911 in der Haller Psychiatrie gezeigte Ausstellung „Ich lasse mich nicht länger zum Narren halten“ wegen des erstaunlich kreativen Umgangs mit einem spröden, schwierig vermittelbaren Thema in Konzept und Gestaltung.
Eben kommt mit einer vom Frauenmuseum Hittisau übernommenen, von der Architektin Cornelia Faißt kuratierten Ausstellung eine weitere, für das Museum völlig neue Facette zum Konzept des Museums hinzu. „Baumeisterinnen aus Ololosokwan“ führt eine eine Kultur des Serengeti-Hochlandes vor, wo sich Maasai-Frauen den Bau und den Erhalt ihrer Behausungen selbst verantwortlich sehen. Die Ausstellung führt vor Augen, dass es eine "andere Geschichte" der Maasai gibt - jenseits des vielfach völlig außer Raum und Zeit gehandelten Klischees des "edlen Kriegers".
In nur wenigen Monaten hat sich eine dichte Packung an experimentellen Vermitteln, neuartigen Themen, klugem Ausschöpfen des Sammlungspotentials und sich selbst und das Publikum fordernden Ansprüchen entwickelt. Für derart rabiate Konzepte eines Völkerkundemuseums neu ist Tirol nicht grade das ideale Umfeld.
Kurt Tucholsky hat mal geschrieben „Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel“. Das könnte man paraphrasierend auf die Museumsarbeit in Schwaz anwenden (beileibe nicht nur in Schwaz, dergleichen passiert regelmäßig). „Wenn bei uns einer tolle Museumsarbeit macht, dann sitzt die halbe Bevölkerung auf dem Sofa und nimmt übel.“
Im Ernst: Die Transformation, von der ich gesprochen habe, die notwendig ist, die überfällig war, hat vor der Bestellung von Lisa Noggler-Gürtler keineswegs planvoll begonnen. Daß ein wesentlicher Teil einer Sammlung aus einem von der öffentlichen Hand (mit)finanzierten Museum heraus verkauft und dadurch wieder privatisiert wurde, ist schwer nachvollziehbar. Auch scheint die rechtliche Konstruktion des Museums schwierig zu handhaben sein und öffnet Missverständnissen und Konflikten manche Hintertür. Außerdem ist das Museum unterdotiert und hat eindeutig zu wenig Personal.
Die zuständigen öffentlichen Instanzen in Politik und Verwaltung, die mit der Finanzierung der nötigen Grundlagenforschung schon ein positives Zeichen gesetzt haben, tun gut daran, das Museum und seine Leiterin zu unterstützen und mit jenem vollen Vertrauen auszustatten, die eine zentrale Grundlage guter Museumsarbeit ausmacht. Dann gäbe es bald etwas, wovon es in Österreich nicht genug geben könnte: ein Museum, das weit über die Grenzen hinaus Bekanntheit und Anerkennung findet. Und das vielleicht noch etwas mehr und anderes leistet. Kaum ein Museumstyp ist derzeit so breit in Diskussion und auch umstritten wie das sogenannte Völkerkundliche Museum. Ein modellhaftes Museum - ist das kein Motiv für (Kultur)Politiker, das Projekt energisch und nachhaltig zu fördern?
Nachdem in Wien eine erstaunlich tiefgreifende Transformation stattgefunden hat und das dortige „Weltmuseum“ im deutschsprachigen Raum ziemlich konkurrenzlos und vorbildlich dasteht, könnte im lokalen Zusammenhang ein zweiter, ein anderer Modellfall gelingen, an dem etwas Neues und Aufregendes verwirklicht wird.
Die neue Leiterin Lisa Noggler-Gürtler hat es also mit der Transformation eines typischen Sammlermuseums in eine öffentliche Institution zu tun. Dazu gehört die wissenschaftliche Basisarbeit, die Inventarisierung und Klärung von Provenienzfragen, für die inzwischen Gelder durch den Bund und das Land bereitgestellt wurden. Und ein Ausstellungskonzept, das neue Wege im Ansprechen von Besuchern geht.
Seit meinem ersten Besuch, da das Museum (vor seiner baulichen Erweiterung) noch ganz Gert Chesis Reich war, mit seinen Fotografien und Filmen und einer geografischen Gliederung der Ausstellung, hat sich sehr viel geändert. In nur vier Monaten ist ein einschneidender Wechsel nicht bloß bezüglich der Konzeption sondern auch der Haltung des Museums vollzogen worden.
Nun wird Grundfragen nachgegangen, dem Sterben und dem Tod, der Erinnerung, der Formierung von Identität. Das erlaubt die Auflösung der bislang dominierenden geografischen Ordnung der Sammlung und der vergleichenden Zusammenstellung von Objekten und Ensembles aus völlig unterschiedlichen Herkünften und Zeiten. Objekte - viele davon ästhetisch faszinierend -, werden nun nicht mehr als „Kunst“ gezeigt, sondern als semantisch vielfältige Zeugnisse.
Dabei ist völlig neu das Einbeziehen der eigenen Kultur und damit automatisch auch unserer Gegenwart, was ja angesichts der großen Fragen unausweichlich stattfinden muß. Themen wie Erinnerung oder Tod kann sich wohl niemand entziehen und so eröffnet die Ausstellung reiche Möglichkeiten, sich als Besucher und Betrachter mit eigenen Erfahrungen oder Ängsten zu konfrontieren.
Mir scheint, daß das, was hier gemacht wird, eine jener Möglichkeiten ist, mit der absoluten Fremdheit vieler ethnologischer Sammlungen umzugehen. Sie löst sich zwar nicht auf und muß das gar nicht tun. Das Museum generell und erst ein ethnologisches hat eine seiner besten Aufgaben darin, „Schule des Befremdens“ (Peter Sloterdijk) zu sein. Aber der Vergleich mit dem - mehr oder weniger - Vertrauten des „Eigenen“, schafft einen reziproke Wahrnehmung ermöglichenden „Bedenkraum“, in dem sich im glücklichsten Fall auch der (post)koloniale und hegemoniale Blick aufweicht. Es geht eben nicht nur darum, den „Anderen“ verstehen zu lernen (etwas, was ohnehin immer unvollkommen bleibt), sondern in der Beziehung dazu sich selbst als Individuum, als Kollektiv, als „Stammesangehöriger“ kennenzulernen.
Witzig auf den Punkt gebracht ist dieses Ausstellungsprinzip in einer Grafik, in einer schematischen Landkarte, in der die Ewe, Fante, Ga, Yoruba geografisch verortet werden aber auch die - Tiroler_innen. Diese Gleichsetzung kann einen auf die Idee bringen, das „Eigene“ mit dem Blick der „Anderen“ zu sehen, also eine radikale Vertauschung von (beobachtendem) Subjekt und (beobachtetem, beforschten, beurteilten) Objekt zu versuchen. Ganz so wie das ein schöner ironischer Film, „Das Fest des Huhnes“ (1992) gezeigt hat, wo einige afrikanische „Forscher“ die oberösterreichischen Bierzeltfeste unter die wissenschaftliche Lupe nehmen.
„Der Standort des Betrachters gehört zum beschriebenen Sujet, wie der Aussichtspunkt zur Landschaft“ erfahren wir schon im Foyer. Unterstützt wird der „Blickwechsel“ durch Leihgaben des Innsbrucker Volkskunstmuseums, mit dem das Schwazer Museum eng kooperiert. Die Museumsleiterin im Interview: „Wir arbeiten hier mit dem Volkskunstmuseum Innsbruck zusammen, das auch im wissenschaftlichen Kuratorium des Museums vertreten ist. Das Museum wird künftig nicht mehr geographisch, sondern thematisch geordnet sein. So werden Themen wie Göttervorstellung, Religion, Ahnenkult und vieles mehr miteinander verglichen und in Verbindung gesetzt.“
Mit der Vereinigung ethnologischer und volkskundlicher Sammlungsbestände knüpft das Museum der Völker an ein seit 1878 im Musée d'Ethnographie du Trocadéro in Paris (seit 1937 Musée de l’Homme) an, anthropologische, urgeschichtliche und ethnografische Sammlungen, (die eben auch Frankreich selbst umfassten), zu vereinen. Das wurde nach und nach aufgelöst, endgültig mit der Gründung des Musée du Quai Branly. Die französische ethnografische Sammlung war längst in eine eigenes Museum ausgewandert und vor einigen Jahren nach Marseille übersiedelt. Das Musée de l’Homme wurde im Vorjahr als urgeschichtlich-anthropologisches Museum wieder eröffnet.
Beim seit Jahren heftig umstrittenen riesigen Projekt des „Humboldt-Forums“ in Berlin, das mit der Hypothek (einer unter mehreren) leben muß im teilrekonstruierten Schloß unterkommen zu müssen, wird die Zusammenführung der ethnologischen Sammlung aus Dahlem mit den „volkskundlichen“ heftig eingefordert. Dort wird also die Wiederherstellung einer Einheit aller Kulturen gefordert, während man in Paris gerade die einer Aufsplitterung in mehrere Museen geopfert hat.
Auch in Wien war vor Jahren mal die Zusammenlegung der beiden ethnologischen Museen, Völkerkundemuseum und Volkskundemuseum versucht worden - und scheiterte.
In Schwaz macht man sich also grade dran, genau das, einen so weit als möglich egalitären, vergleichenden Blick, zu entwickeln. Als Vorbild könnte das Musée d’Ethnografie in Neuchatel gelten, das seit vielen Jahren herausragende Ausstellungen macht, die allesamt nichts mehr mit herkömmlicher Präsentation ethnologischer Museen zu tun haben, sondern ungewöhnliche Themen mit ungewöhnlichen Konzepten und ebenso ungewöhnlichen Gestaltungen ausstellen. Bis hin zur die Institution Museum radikal in Frage stellenden Ausstellung „Le Musée cannibale“ (2002/03). Allein der Titel ist schon ingeniös, weil er ein europäisches Vorurteil, die Zuschreibung als unmenschlicher eingestufter kultureller Praktiken gegen die eigenen hochkulturelle Institution kehrt, die ja gerade hinsichtlich ihres expliziten wie impliziten Kolonialismus wahrlich als kannibalisch eingestuft werden kann.
Das Museum in Schwaz wird sich langsam entwickeln und vortasten und hat, so glaube ich, dadurch Vorteile, daß seine Sammlungen und seine räumlichen Ressourcen überschaubar sind und ein flexibles, modulares Entwickeln begünstigen.
Bei meinem kürzlichen Besuch hat mir der Ausstellungsteil zum Erinnern besonders gut gefallen. Es geht um die Beziehung der Lebenden zu den Toten, um das Nicht-Vergessens (ein fundamentale Aufgabe des Museums, die man auch mal selbstreflexiv einbeziehen könnte…), um - erstaunliche - Praktiken, den Tod in Erinnerungspraktiken und -ritualen zu umgehen, zu überlisten, ums Abschiednehmen, um Formen des Bestattens.
Hier hatte ich nicht nur viele und unglaubliche Informationen vor mir, nicht nur eine Vermischung „ferner, exotischer“ Riten und heutiger, tirolischer oder österreichischer Zeugnisse, sondern alles als Spuren, das eigenes Erinnern und Nachdenken in Bewegung zu setze. Und: ein solches Thema läßt sich in viele Richtungen erweitern, weiter entwickeln, im Detail zuspitzen und, so glaube ich, als „Alltagsthema“ (das freilich von Ängsten und Tabus umstellt ist) auch in Diskussionen wunderbar entfalten läßt. Noggler-Gürtler: „Ich möchte vermehrt wieder die lokale Bevölkerung ins Museum herein holen und mit ihnen über Veränderungen sprechen, nicht nur, was das Museum betrifft, sondern auch in einen Dialog treten, was die Veränderungen in unserer Gesellschaft, in den Kulturen betrifft.“
Mit der Berufung von Lisa Noggler-Gürtler hat man einen Glücksgriff gemacht. Sie kommt aus Schwaz und kennt die lokalen v.a. politischen Verhältnisse gut. Sie bringt eine komplexe Ausbildung und vielfältige Erfahrungen mit, und hat als Abteilungsleiterin am Technischen Museum und als Mitarbeiterin am ZOOM-Kindermuseum verantwortungsvolle Positionen gehabt. Sie ist in der Vermittlungs- und Forschungsarbeit versiert. Und sie ist, das ist meine persönliche Einschätzung, einer der besten Ausstellungsmacherin in Österreich. Die noch laufende Ausstellung im vorarlberg museum „Römer oder so“ gehört zum Besten und Gewitztesten, was in den letzten Jahren in Österreich produziert wurde. Im Vorjahr hat sie in der großen Islam-Ausstellung auf der Schallaburg den überhitzten öffentlichen Debatten eine nüchterne, wissensbasierte, viele authentische Stimmen einbeziehende Ausstellung gemacht. In Erinnerung ist mir auch die 1911 in der Haller Psychiatrie gezeigte Ausstellung „Ich lasse mich nicht länger zum Narren halten“ wegen des erstaunlich kreativen Umgangs mit einem spröden, schwierig vermittelbaren Thema in Konzept und Gestaltung.
Eben kommt mit einer vom Frauenmuseum Hittisau übernommenen, von der Architektin Cornelia Faißt kuratierten Ausstellung eine weitere, für das Museum völlig neue Facette zum Konzept des Museums hinzu. „Baumeisterinnen aus Ololosokwan“ führt eine eine Kultur des Serengeti-Hochlandes vor, wo sich Maasai-Frauen den Bau und den Erhalt ihrer Behausungen selbst verantwortlich sehen. Die Ausstellung führt vor Augen, dass es eine "andere Geschichte" der Maasai gibt - jenseits des vielfach völlig außer Raum und Zeit gehandelten Klischees des "edlen Kriegers".
In nur wenigen Monaten hat sich eine dichte Packung an experimentellen Vermitteln, neuartigen Themen, klugem Ausschöpfen des Sammlungspotentials und sich selbst und das Publikum fordernden Ansprüchen entwickelt. Für derart rabiate Konzepte eines Völkerkundemuseums neu ist Tirol nicht grade das ideale Umfeld.
Kurt Tucholsky hat mal geschrieben „Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel“. Das könnte man paraphrasierend auf die Museumsarbeit in Schwaz anwenden (beileibe nicht nur in Schwaz, dergleichen passiert regelmäßig). „Wenn bei uns einer tolle Museumsarbeit macht, dann sitzt die halbe Bevölkerung auf dem Sofa und nimmt übel.“
Im Ernst: Die Transformation, von der ich gesprochen habe, die notwendig ist, die überfällig war, hat vor der Bestellung von Lisa Noggler-Gürtler keineswegs planvoll begonnen. Daß ein wesentlicher Teil einer Sammlung aus einem von der öffentlichen Hand (mit)finanzierten Museum heraus verkauft und dadurch wieder privatisiert wurde, ist schwer nachvollziehbar. Auch scheint die rechtliche Konstruktion des Museums schwierig zu handhaben sein und öffnet Missverständnissen und Konflikten manche Hintertür. Außerdem ist das Museum unterdotiert und hat eindeutig zu wenig Personal.
Die zuständigen öffentlichen Instanzen in Politik und Verwaltung, die mit der Finanzierung der nötigen Grundlagenforschung schon ein positives Zeichen gesetzt haben, tun gut daran, das Museum und seine Leiterin zu unterstützen und mit jenem vollen Vertrauen auszustatten, die eine zentrale Grundlage guter Museumsarbeit ausmacht. Dann gäbe es bald etwas, wovon es in Österreich nicht genug geben könnte: ein Museum, das weit über die Grenzen hinaus Bekanntheit und Anerkennung findet. Und das vielleicht noch etwas mehr und anderes leistet. Kaum ein Museumstyp ist derzeit so breit in Diskussion und auch umstritten wie das sogenannte Völkerkundliche Museum. Ein modellhaftes Museum - ist das kein Motiv für (Kultur)Politiker, das Projekt energisch und nachhaltig zu fördern?
Nachdem in Wien eine erstaunlich tiefgreifende Transformation stattgefunden hat und das dortige „Weltmuseum“ im deutschsprachigen Raum ziemlich konkurrenzlos und vorbildlich dasteht, könnte im lokalen Zusammenhang ein zweiter, ein anderer Modellfall gelingen, an dem etwas Neues und Aufregendes verwirklicht wird.
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