Dienstag, 29. Mai 2018

Das "Alte Zeiten - Museum" in Hohenems

Die kleine Vorarlberger Stadt Hohenems ist eine Museumsstadt wie keine zweite. Ein Nibelungenmuseum gibt es da, ein Schubertmuseum, ein "Museum auf Zeit", ein Irmgard-Seefried-Museum und nicht zu vergessen natürlich das Jüdische Museum. Das ist eine sehr unvollständige Aufzählung. Statistisch ist Hohenems vermutlich die Gemeinde mit den meisten Museen pro Bewohner in Österreich.
Und jetzt das "Alte Zeiten - Museum". 2016 wurde es gegründet. Und das kam so.
Da wo der Emsbach aus den Bergen kommend langsam flacher wird und sich durch unregelmäßig stehende Häuser schlängelt, verläuft etwa dem Bach entlang die Sägerstraße. Und da steht ein altes Haus. Das verfiel zusehends und niemand war an Kauf und Erhalt interessiert und da kann man ja so was auch gleich ganz abreissen und den Autos Gelegenheit geben etwas rasanter die Kurve zu kratzen.
Also erließ die Gemeinde einen Abruchbescheid. Das störte aber Viele, die in der Umgebung des Haus wohnten, schließlich war das ein über 400 Jahre altes Gebäude.
Wie bringt man einen Bürgermeister davon ab, ein Haus abzubrechen, einen Bescheid zurückzuziehen? In einer kleinen Gemeinde redet man direkt mit ihm. Und wo findet man ihn mit Sicherheit? In der Kirche. So wurde mir die Geschichte jedenfalls erzählt. Und der Bürgermeister meinte, wenn ihr mir ein schlüssiges Konzept bringt, hebe ich den Bescheid auf.
Und die Anrainer brachten ihm ein Konzept und schlossen sich zu einem Trägerverein zusammen und begannen in ehrenamtlicher Arbeit mit dem Rückbau und der Sanierung des Baues. Auf die Art, wie man das an vielen Orten in Vorarlberg sehen kann - in sehr subtiler, zurückhaltender Bastelei, die das Neue kenntlich läßt und das Alte nicht unbedingt vollständig rekonstruiert oder auch halb beschädigt stehen lassen kann.
Und was macht man un mit einem alten Haus, in dem ja niemend wohnen will oder wohnen solll? Man richtet ein Museum ein. Also schon ein Alibi für etwas anderes. Ein Museum, um das Haus erhalten zu können. Da hätte vieles schief gehen können. Zu amateurhaft, zu ehrgeizig, zu unpassend das Thema.


Aber so kams nicht. Das kleine Museum (im Erdgeschoss) wurde gestalterisch ebenso klug errichtet, wie die Sanierung des Hauses erfolgte. Mit großer Zurückhaltung, Sparsamkeit, Einfachheit. Erzählt wird die Geschichte der Stadt, und wenn man wenig Platz hat für Grafiken, Fotografien oder Texte, dann konzentriert man sich auf strukturelle Fragen. Zum Beispiel auf "Herrschaft und Untertanen".
Die gestalterische Schlichtheit und die inhaltliche Knappheit sind in diesen Räumen sehr angenehm zu konsumieren, es macht Spaß, sich mal nicht mit 3000 Objekten ermüdend herumschlagen zu müssen, sondern in kurzer Zeit dichte Informationen zu bekommen.

Nun hat ja Hohenems schon ein Museum, das von der Gemeinde und ihrer Geschichte handelt - das Jüdische. Aber dort liegt der Schwerpunkt auf der Jüdischen Gemeinde, ihrer Gründung, ihrer Geschichte, ihrer Vertreibung. Man kann das "Alte Zeiten - Museum" also als eine Art von Ergänzung lesen, als eine Erweiterung. Beide Museen zusammen ergeben nun auch so etwas wie ein Stadtmuseum.
An diesem kleinen Museum sieht man, wie wenig es auf Geld und Ressourcen, auf Größe und Repräsentation ankommt, sondern auf Engagement, Ideen, Konzepte. Es ist ein schönes Beispiel, daß ehrenamtliche Museumsarbeit nicht von der Hypothek der Amateurhaftigekeit beschädigt oder erdrückt werden muß.
Ich weiß nicht, ob an einen weiteren Ausbau des Hauses und des Museums gedacht ist, wenn ja, dann würde das sich als kleines, feines Stadtmuseum weiter entwickeln. Vielleicht auch als Ort, wo man über den Ort und seine Entwicklung redet.




Mittwoch, 16. Mai 2018

Steirische Museumsalchemie

Im April wurde bekannt, daß das Freilichtmuseum in Stübing in das Universalmuseum Joanneum eingegliedert werden soll. Ursprünglich wurde dieses Museum von allen österreichischen Bundesländern und Südtirol in einer Stiftungskonstruktion finanziert. Dann nur noch von der Steiermark. Zuletzt mit einem Subventionsbedarf von 1,5 Mio Euro.

Das Museum Joanneum hat seinen Betrieb auf Grund der Sparmaßnahmen des Landes seinen Betrieb einschränken müssen, z.B. die Öffnungszeiten. Es ist auch zum Sparen gezwungen.
Nach steirischer Logik ist Minus und Minus ein Plus. Darum bemüht sich das Museum darum, die Länder wieder ins Finanzierungsboot zu holen. Schließlich war Stübing ja mal so etwas wie ein Österreich-Museum.

„Stübing hat für 33 seiner 98 Gebäude einen erhöhten Förderbedarf" sagt der zuständige Landesbeamte, "diese Häuser müssen ständig saniert und restauriert werden."
Wird ein Museum "billiger", wenn es expandiert? „Ich habe aber den intensiven Willen, das sehr sorgsam zu machen." Sagt ("voller Tatendrang", die Kleine Zeitung) Alexia Getzinger, Leiterin des Universalmuseums. "Wir wollen Synergien finden.“

Übers Finanzielle hinaus fragt man sich, was denn das strategisch und inhaltlich fürs Joanneum bedeutet, ein Museum dieses Typs und dieser Größe sich einzugliedern. Wird es "universaler", und dann, mit der Einrichtung eines Science Center, noch mal ein Stückchen mehr als universal.

Erst vor wenigen Monaten wurde ernsthaft überlegt, das Volkskundemuseum praktisch aufzulasssen und jetzt integriert man die "nimmermüde Stätte zur Pflege des Brauchtums"? So liest mans in der Kleinen Zeitung. Und dort auch das: "Spannend ist auch, dass an eine eigene Abteilung Volkskultur im Joanneum gedacht wird." Wie jetzt?





Wer weiß etwas über die Tätigkeit von Alexia Getzinger als Leiterin des Universalmuseum Joanneum?

Unlängst habe ich (hier) nach dem Verbleib und der Tätigkeit der neuen Joanneums-Direktorin Alexia Getzinger gefragt und dabei rasch von der den Blog nutzenden schwarmintelligenz profitiert: Sehr viel mehr als ein Statement zur Einliederung des Stübinger Freilichtmuseums (hier) und die Anwesenheit bei der ein oder andren Ausstellungseröffnung hat sich dabei nicht ergeben.
Aber warum sollen/wollen wir wissen, was die Leiterin des größten Kultur- und Museumsinstitutes des Landes macht und vorhat?

Der Fairneß halber hüllen wir uns hier (auch) in Schweigen und überlassen Alexia Getzinger in "Mein Bezirk" das Wort: "Kultur als Lebenselixier: "Gefragte Frauen" mit Alexia Getzinger". Hier der Link.

Freitag, 11. Mai 2018

Sigmund Freud Museum 2020. Renovation and Reorganisation


Sigmund Freud Museum 2020

As of 2020, Sigmund Freud’s former place of work at Vienna’s Berggasse 19—the birthplace of psychoanalysis—will be presented to the public in a form that does justice to the standards of this unique museum and scientific venue.
Renovation of Berggasse 19
Plans include the renovation of the façade. The historical entrance as it welcomed Sigmund Freud’s patients and visitors at the beginning of the last century will continue to admit museum visitors to Berggasse 19, an address in Vienna that is steeped in history.
In line with elemental international museum standards, a reception and ticket desk area will be installed on the ground floor, adjoined by a small café and museum shop, with cloakrooms and toilets below, to provide appropriate facilities for more than 100,000 visitors a year. The exhibition area of the Sigmund Freud Museum on the mezzanine is to be extended to 400 m2 and further enlarged by around 150 m2 by additional exhibition areas on the upper ground floor.
Access to the Museum and library will be barrier-free with a lift and cater for the needs of disabled people while observing the requirements of monument preservation and current building legislation.
Reorganisation of the Museum
The Museum as a place of experience: Respecting the character of Sigmund Freud’s workplace and home from the Gründerzeit period, the aim is also to make the family’s private rooms open to the public for the first time. These rooms give an insight into the family’s eventful history and tell the story of the everyday life of a Viennese family at the turn of the century, putting Freud’s work in the social context of his day. In Sigmund Freud’s psychoanalytic office the original furnishings of the waiting room give visitors a sense of the atmosphere of a 19th-century interior that is so characteristic of Vienna. The museum presentation in the office’s study focuses on the formation of psychoanalytic theory and Freud’s writings on cultural theory. The display recalls his wide-ranging correspondence with colleagues, friends and patients, comprising a total of almost 20,000 letters. In Freud’s treatment room we deal with core aspects of the psychoanalytic treatment method and practice. The empty space left behind by the absence of the couch in this room plays a special role in the new permanent exhibition. The absence of this piece of furniture, that has meanwhile become an icon of psychoanalysis, characterises the Museum as a vestigial memory space and is a symbol of the losses written in our history: Freud’s flight from the Nazis stands pars pro toto for millions of refugees and murdered people.
Freud’s “first office” on the upper ground floor at Berggasse 19, where he treated patients such as “Dora” between 1896 and 1908, is also where the “father of psychoanalysis” wrote the central works in the formative phase of his science such as The Interpretation of Dreams or Three Essays on the Theory of Sexuality. Here, a selection of works from the collection of contemporary conceptual art of the Sigmund Freud Museum—including pieces by Paolo Calzolari, Joseph Kosuth, Franz West, Heimo Zobernig, Sherri Levine and Georg Herold—will help illuminate key aspects of psychoanalysis and the history of its effects in the sphere of art production.
The new concept of the Museum allows us to explore the former importance and function of the historic rooms at Berggasse 19. With the aid of modern educational instruments the show deals with the many different aspects of this cultural site—from presenting the development of psychoanalysis as a science of the unconscious to the danger of its eradication in the Nazi era and a discussion of its current importance—in a form commensurate with the subject matter, subjecting them to critical scrutiny and presenting them to a wide public.
The architects Hermann Czech, Walter Angonese and ARTEC, Bettina Götz and Richard Manahl sum up the concept of their design for the “SIGMUND FREUD MUSEUM 2020” as follows:
The information content of the Sigmund Freud Museum comprises two aspects:
Information about the subject: scientific, historical and biographical information about psychoanalysis and its origins, its creator Sigmund Freud and his family, particularly Anna Freud. This aspect is not tied to the Freud house or certain rooms.

Local and spatial presence: the physical experience of the most important authentic locality where this scientific work and the personal lives of the protagonists took place. In this respect, the house is a museum of itself. This aspect can only be perceived in the Freud house and by understanding its rooms and their context.
The two aspects are presented and experienced concurrently and as a whole at the Sigmund Freud Museum; in some cases there will even be a direct link. However, it is nevertheless important to keep them distinct so as to ensure the methodical clarity and comprehensibility of the content being presented.
In principle, the aspect of general information and the aspect of the locality itself should thus not be mingled with regard to presentation. Translated into exhibition terms, this means that information not pertaining to a particular room should generally be removed from the walls. The only information left on the walls will be facts concerning the rooms themselves and their former use, furnishings and their surfaces (and findings regarding conservation and restoration).
On the one hand, the pathway through the Museum therefore allows visitors to experience the rooms and their layout, their former use and history, providing information about their one-time appearance, while on the other presenting graduated general information in the form of texts and images that is largely independent of the rooms in terms of content.
Visitors should to a large extent be left to take their own route; however, they should be able to form a mental map as early as possible that encourages finding their own way back and between different areas.
(Excerpt from the concept of the competition entry by Hermann Czech, Walter Angonese and ARTEC, Bettina Götz and Richard Manahl, 2017)
 “Library of Psychoanalysis”—renovation and reorganisation
The storey above the Museum will be fully devoted to the extensive scientific activities of the Sigmund Freud Private Foundation: the “Science Floor” will accommodate the Archive and the Library of Psychoanalysis. With almost 40,000 titles, the library is the largest specialist psychoanalytic library in Europe—and the second-largest in the world. For the first time, all books and sections will be combined on one level and will be accessible to all readers. With its open-shelf system ordered by subject, the borrowing library gives access to historical journals from the early days of psychoanalysis, numerous current specialist journals, and all new international publications that reflect the current state of international research pertaining to the theory and practice of psychoanalysis. Works that link psychoanalysis and other disciplines, for example cultural studies, gender studies, film theory, art history, literary studies, etc., complement the emphasis of collection.
The study library will feature workstations available to its own science staff and visitors from Austria and abroad: cooperation partners, psychoanalysts, researchers from university and non-university facilities, and private individuals. The library runs special programmes for young academics including research workshops for students and provides assistance to school-goers doing their VWA course (pre-scientific paper for A-levels).
The centrepiece of the science section is the lecture and reading room: the “historical salon” on the first floor facing Berggasse is to be carefully renovated, equipped with modern infrastructure and equipment and thus made multifunctional for library users and for various scientific events—lectures, conferences, workshops and film screenings.

LIBRARY OF PSYCHOANALYSIS #FREUD2020 In order to keep the important scientific location Berggasse 19 alive, the “Freud spenden auf respekt.net” scheme was initiated on the RESPEKT.NET platform — please join in and help harness the knowledge of the “Viennese science” of psychoanalysis for the future: respekt.net/freudspenden

Sigmund Freud - Museum, Mai 2018

Sigmund Freud Museum 2020


Sigmund Freud Museum 2020

Sigmund Freuds ehemalige Wirkungsstätte in der Wiener Berggasse 19, der Ursprungsort der Psychoanalyse, wird sich ab 2020 der Öffentlichkeit in einer Form präsentieren, die den Ansprüchen dieses einzigartigen Museums- und Wissenschaftsstandorts gerecht wird.
Renovierung Haus Berggasse 19
Die Planung sieht die Sanierung der Fassade vor. Das historische Eingangsportal, wie es zu Beginn des vorigen Jahrhunderts den PatientInnen und BesucherInnen von Sigmund Freud offen stand, wird  weiterhin dem Museumspublikum Einlass zur geschichtsträchtigen Wiener Adresse Berggasse 19 gewähren.
Grundlegenden internationalen Museumsstandards entsprechend werden mit der Einrichtung eines Empfangs- und Kassaraumes im Erdgeschoss, dem auch ein kleines Café und ein Museumsshop angeschlossen sind, und den darunter liegenden Garderoben- und Sanitäranlagen adäquate Bedingungen für die mehr als 100.000 BesucherInnen jährlich geschaffen. Die Ausstellungsfläche des Sigmund Freud Museums im Mezzanin des Hauses wird auf 400 m2 erweitert und durch zusätzlich gewonnene Ausstellungsflächen im ersten Halbstock eine weitere Vergrößerung um ca. 150 m2 erfahren.
Der Zugang zu Museum und Bibliothek wird durch einen Aufzug barrierefrei erschlossen und unter Wahrung der Auflagen des Denkmalschutzes und der aktuellen Bauordnung den Bedürfnissen für Menschen mit Behinderung angepasst.
Re-Organisation des Museums
Das Museum als Erfahrungsort: Unter Berücksichtigung des gründerzeitlichen Charakters von Sigmund Freuds Wohn- und Arbeitsräumen werden erstmals auch die privaten Räume der Familie für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Sie geben Aufschluss über die bewegte Familiengeschichte, erzählen vom Alltag einer Wiener Familie um die Jahrhundertwende und schreiben Freuds Wirken in den gesellschaftlichen Kontext seiner Zeit ein. In der psychoanalytischen Praxis von Freud vermittelt die im Original erhaltene Möblierung des Wartezimmers die für Wien so kennzeichnende Atmosphäre eines Interieurs des 19. Jahrhunderts. Die museale Präsentation im Arbeitszimmer der Praxis widmet sich der psychoanalytischen Theoriebildung wie auch Freuds kulturtheoretischen Schriften. Seine vielfältigen Korrespondenzen mit KollegInnen, FreundInnen und PatientInnen, die insgesamt ein Konvolut von knapp 20.000 Briefen umfassen, werden hier vergegenwärtigt. In Freuds Behandlungsraum werden Kernthemen der psychoanalytischen Behandlungsmethode und Praxis verhandelt. Der Leerstelle, die durch die Abwesenheit der Couch in diesem Raum zurückgeblieben ist, kommt in der neuen Dauerausstellung besondere Bedeutung zu. Das Fehlen dieses zur Ikone der Psychoanalyse avancierten Möbels kennzeichnet das Museum als einen entkernten Erinnerungsort und liefert den Verlusten, die unsere Geschichte schrieb, ein Sinnbild: Freuds Flucht vor dem Nationalsozialismus steht pars pro toto für Millionen Geflüchteter und Ermordeter.
Freuds „erste Ordination“ im Hochparterre der Berggasse 19, in der er zwischen 1896 und 1908 PatientInnen wie „Dora“ behandelte, ist auch jener Ort, an dem der „Vater der Psychoanalyse“ die zentralen Texte der Entstehungsphase seiner Wissenschaft wie Die Traumdeutung oder Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie verfasste. Hier werden ausgewählte Werke der  Zeitgenössischen Konzept-Kunstsammlung des Sigmund Freud Museums – unter anderem Arbeiten von Paolo Calzolari, Joseph Kosuth, Franz West, Heimo Zobernig, Sherri Levine und Georg Herold wesentliche Aspekte der Psychoanalyse wie auch deren Wirkungsgeschichte im Bereich der Kunstproduktion beleuchten.
Die Neukonzeption des Museums ermöglicht es, der einstigen Bedeutung und Funktion der historischen Räume in der Berggasse 19nachzuspüren. Durch zeitgemäße Vermittlungsinstrumente werden die vielschichtigen Inhalte dieses Kulturstandortes – von der Darstellung der Entwicklung der Psychoanalyse als Wissenschaft des Unbewussten über die Gefahr ihrer Auslöschung im Nationalsozialismus bis hin zur Befragung ihrer aktuellen Bedeutung – fachgerecht aufbereitet, kritisch beleuchtet und einer breiten Öffentlichkeit vermittelt.
Die ArchitektInnen Hermann Czech, Walter Angonese und ARTEC, Bettina Götz und Richard Manahl fassen das Konzeption ihres  Museumsentwurfs „SIGMUND FREUD MUSEUM 2020“ wie folgt zusammen:
Der Informationsgehalt des Sigmund Freud Museums beinhaltet zwei Aspekte:
Sachliche Information: die wissenschaftliche, historische und biografische Information über die Psychoanalyse und ihre Entstehung, über ihren Schöpfer Sigmund Freud und seine Familie, besonders auch über Anna Freud. Dieser Aspekt ist nicht an das Freud-Haus bzw. an bestimmte Räume darin gebunden.

Örtliche und räumliche Präsenz: die physische Erfahrung der wichtigsten authentischen Lokalität, in der diese wissenschaftliche Arbeit und die persönliche Lebensführung der beteiligten Menschen stattgefunden hat. Insofern ist das Haus ein Museum seiner selbst.  Dieser Aspekt kann nur im Freud-Haus und im Verständnis seiner Räume und ihres Zusammenhangs wahrgenommen werden.
Die beiden Aspekte werden im Sigmund Freud Museum gleichzeitig und als Einheit dargeboten und erfahren; in einzelnen Fällen werden sie sogar in Zusammenhang treten. Es dient aber doch der methodischen Klarheit und Verständlichkeit der vermittelten Inhalte, sie gedanklich auseinanderzuhalten.
Im Prinzip sollten daher der allgemeine Informationsaspekt und der Örtlichkeitsaspekt nicht medial vermischt werden. In die Mittel der Ausstellung übersetzt, bedeutet das, die nicht den Raum betreffende Information im Regelfall von den Raumwänden abzulösen. Auf den Raumwänden verbleiben ausschließlich die Hinweise zu den Hausräumen und ihrer ehemaligen Nutzung, Einrichtung, ihren Oberflächen (und deren konservatorisch-restauratorischen Befunden).
Der Weg durch das Museum liefert also einerseits eine Erfahrung der Räume und ihrer Anordnung, ihrer ehemaligen Nutzung und Geschichte, sowie Hinweise zu ihrem ehemaligen Aussehen, andererseits liefert er eine abgestufte allgemeine Information durch Texte und Bilder, die von den Räumen inhaltlich weitgehend unabhängig ist.
Der Parcours sollte dem Besucher weitgehend freigestellt werden; möglichst früh sollte jedoch eine Orientierung (mental map) entstehen können, die eigenständige Rück- und Querwege begünstigt.
(Auszug aus dem Konzept der Weittbewerbseinreichung von Hermann Czech, Walter Angonese und ARTEC, Bettina Götz und Richard Manahl, 2017)
 „Bibliothek der Psychoanalyse“ – Sanierung und Neuaufstellung
Das über dem Museum befindliche Stockwerk wird zur Gänze den umfassenden wissenschaftlichen Aktivitäten der Sigmund Freud Privatstiftung gewidmet: Der „Wissenschaftsstock“ wird neben dem Archiv die Bibliothek der Psychoanalyse beherbergen, die mit ihrem Bestand von knapp 40.000 Titeln die größte psychoanalytische Fachbibliothek Europas darstellt – weltweit die zweitgrößte. Erstmals werden sämtliche Bücher und Bestandsgruppen auf einer Ebene zusammengeführt und allen LeserInnen zugänglich gemacht. Mit ihrer inhaltlich geordneten Freihandaufstellung bietet die Entlehnbibliothek Zugang zu historischen Zeitschriften der frühen Psychoanalyse, zu zahlreichen gegenwärtigen Fachjournals sowie zu sämtlichen internationalen Neuerscheinungen, die den gegenwärtigen internationalen Forschungsstand rund um Theorie und Praxis der Psychoanalyse abbilden. Werke, die Verbindungslinien zwischen der Psychoanalyse und anderen Disziplinen herstellen, etwa Kulturwissenschaften, Gender Studies, Filmtheorie, Kunstgeschichte, Literaturwissenschaft etc., ergänzen den Sammelschwerpunkt.
In die Studienbibliothek werden Arbeitsplätze integriert, die dem eigenen Wissenschaftspersonal sowie Gästen aus dem In- und Ausland zur Verfügung stehen: KooperationspartnerInnen, PsychoanalytikerInnen, ForscherInnen universitärer und außeruniversitärer Einrichtungen sowie privaten InteressentInnen. Für den wissenschaftlichen Nachwuchs werden zusätzlich spezielle Programme wie Rechercheworkshops für Studierende und die Betreuung von SchülerInnen im Rahmen ihrer vorwissenschaftlichen Arbeiten (VWA) angeboten.
Das Herzstück des Wissenschaftsbereichs bildet der Vortrags- und Lesesaal: Der berggassenseitig gelegene „historische Salon“ im ersten Obergeschoß wird umsichtig renoviert, mit zeitgemäßer Infrastruktur und Technik ausgestattet und so multifunktional für die BibliotheksnutzerInnen wie für unterschiedliche wissenschaftliche Veranstaltungsformate – Vorträge, Konferenzen, Workshops und Filmscreenings – nutzbar gemacht.

BIBLIOTHEK DER PSYCHOANALYSE #FREUD2020 Um den bedeutenden Wissenschaftstandort Berggasse 19 lebendig zu halten wurde auf der Plattform RESPEKT.NET die Aktion „Freud spenden auf respekt.net“ initiiert – helfen auch Sie mit, das Wissen der „Wiener Wissenschaft“ Psychoanalyse für unsere Zukunft nutzbar zu machen: respekt.net/freudspenden
 Zur Verfügung gestellt vom Freud-Museum

Mittwoch, 9. Mai 2018

Eine Einladung zur zweiten Nenzinger Klausur. Dinge - Funde und Erfindungen. Juli 2018




EINLADUNG


Dinge. Funde und Erfindungen
Zweite Nenzinger Klausur

Im Juli 2018 wird zum zweiten Mal die Nenzinger Klausur stattfinden. Unter dem Titel „Dinge. Funde und Erfindungen“ werden Objekte des Dachboden-Depots der Artenne Ausgangspunkt einer Erzählung mit offenem Ausgang sein.

Die TeilnehmerInnen sind eingeladen, diese Objekte auf künstlerische, wissenschaftliche oder spielerische Weise zu befragen. Welche Geschichten spiegeln sich in den Objekten wieder?

Arbeitsweise In performativer Arbeitsweise werden wir versuchen, die auf dem Dachboden entdeckten Dinge zum Sprechen zu bringen. Dabei können neue Assoziationsketten gebildet werden und eine andere Wahrnehmung der Dinge möglich werden. Biografische Informationen können auf fiktive Assoziationen treffen, wissenschaftliche Aussagen auf die detaillierte Betrachtung figurativer Details. Dinge können zu seltsamen Unbekannten werden. Inspiriert von Daniel Spoerris Idee des „Musée Sentimental“ und anderen, verwandten Projekten hören wir auf die Geschichten hinter den Gegenständen und assoziieren frei dazu.

Wir arbeiten übrigens draußen und drinnen, in den mehrfach für seine Qualität preisgekrönten Ausstellungsräumen und im wunderbaren Wiesen- und Gartengelände ums Haus. Mit Texten, Übungen, Mini-Referaten, Diskussionen und allerlei das sich aus der Gruppe heraus spontan entwickeln

Auf Grund der schönen Erfahrungen in der Klausur 2017 hoffen wir wiederum auf freundliche Arbeits-Atmosphäre und ein entspanntes und trotzdem ergebnisreiches Arbeitstreffen.

Termin Die Klausur beginnt am Montag 16.07. 2018 um 16 Uhr und endet am Freitag 20.07. 2018 Mittag.

Kosten Der Unkostenbeitrag beträgt 250 Euro p.P. Darin enthalten sind die Übernachtungen, ein reichhaltiges Frühstücksbuffet, Verpflegung über den Tag, gemeinsame Abendessen im Gasthaus, die Moderation der Klausur und ein umfangreicher Reader als Bastelbu.

Wenn das Wetter mitspielt, ist ein Nachmittags-Ausflug in den Nenzinger Himmel geplant.

Moderation
Die Klausur wird moderiert von den beiden Hamburger Künstlerinnen Nicole Noack und Dorothea Koch mit der Unterstützung des Leiters der Artenne, Helmut Schlatter und des Grazer Museologen Gottfried Fliedl.

Anmeldungen oder Nachfragen richten Sie bitte an: Helmut Schlatter. Artenne Nenzing. Plattform für Kunst und Kultur. Kirchgasse 6, Im Walgau. A-6710 Nenzing.

Mobil: 0043 (0)664 73574514 Mail: ARTENNE Homepage Artenne: http://www.artenne.at/news.htmlhttp://www.artenne.at/news.html







Das Museum der Völker Schwaz. Eine Transformation auf der Höhe museologischer Debatten

Das Museum der Völker in Schwaz wurde 1995 vom Fotografen und Autor Gert Chesi gegründet, der auf zahllosen Reisen eine ethnologische Sammlung mit dem Schwerpunkt Afrika und Asien zusammenstellte. 2013 erhielt das Museum einen Erweiterungsbau und wurde inzwischen zu einem von der Stadt Schwaz und dem Land Tirol finanziell unterstütztem öffentlichen Museum. Im September gab es den ersten Leitungswechsel und eine Wiedereröffnung mit neuem Konzept.
Die neue Leiterin Lisa Noggler-Gürtler hat es also mit der Transformation eines typischen Sammlermuseums in eine öffentliche Institution zu tun. Dazu gehört die wissenschaftliche Basisarbeit, die Inventarisierung und Klärung von Provenienzfragen, für die inzwischen Gelder durch den Bund und das Land bereitgestellt wurden. Und ein Ausstellungskonzept, das neue Wege im Ansprechen von Besuchern geht.

Seit meinem ersten Besuch, da das Museum (vor seiner baulichen Erweiterung) noch ganz Gert Chesis Reich war, mit seinen Fotografien und Filmen und einer geografischen Gliederung der Ausstellung, hat sich sehr viel geändert. In nur vier Monaten ist ein einschneidender Wechsel nicht bloß bezüglich der Konzeption sondern auch der Haltung des Museums vollzogen worden.
Nun wird Grundfragen nachgegangen, dem Sterben und dem Tod, der Erinnerung, der Formierung von Identität. Das erlaubt die Auflösung der bislang dominierenden geografischen Ordnung der Sammlung und der vergleichenden Zusammenstellung von Objekten und Ensembles aus völlig unterschiedlichen Herkünften und Zeiten. Objekte - viele davon ästhetisch faszinierend -, werden nun nicht mehr als „Kunst“ gezeigt, sondern als semantisch vielfältige Zeugnisse.


Dabei ist völlig neu das Einbeziehen der eigenen Kultur und damit automatisch auch unserer Gegenwart, was ja angesichts der großen Fragen unausweichlich stattfinden muß. Themen wie Erinnerung oder Tod kann sich wohl niemand entziehen und so eröffnet die Ausstellung reiche Möglichkeiten, sich als Besucher und Betrachter mit eigenen Erfahrungen oder Ängsten zu konfrontieren.

Mir scheint, daß das, was hier gemacht wird, eine jener Möglichkeiten ist, mit der absoluten Fremdheit vieler ethnologischer Sammlungen umzugehen. Sie löst sich zwar nicht auf und muß das gar nicht tun. Das Museum generell und erst ein ethnologisches hat eine seiner besten Aufgaben darin, „Schule des Befremdens“ (Peter Sloterdijk) zu sein. Aber der Vergleich mit dem - mehr oder weniger - Vertrauten des „Eigenen“, schafft einen reziproke Wahrnehmung ermöglichenden „Bedenkraum“, in dem sich im glücklichsten Fall auch der (post)koloniale und hegemoniale Blick aufweicht. Es geht eben nicht nur darum, den „Anderen“ verstehen zu lernen (etwas, was ohnehin immer unvollkommen bleibt), sondern in der Beziehung dazu sich selbst als Individuum, als Kollektiv, als „Stammesangehöriger“ kennenzulernen.


Witzig auf den Punkt gebracht ist dieses Ausstellungsprinzip in einer Grafik, in einer schematischen Landkarte, in der die Ewe, Fante, Ga, Yoruba geografisch verortet werden aber auch die - Tiroler_innen. Diese Gleichsetzung kann einen auf die Idee bringen, das „Eigene“ mit dem Blick der „Anderen“ zu sehen, also eine radikale Vertauschung von (beobachtendem) Subjekt und (beobachtetem, beforschten, beurteilten) Objekt zu versuchen. Ganz so wie das ein schöner ironischer Film, „Das Fest des Huhnes“ (1992) gezeigt hat, wo einige afrikanische „Forscher“ die oberösterreichischen Bierzeltfeste unter die wissenschaftliche Lupe nehmen.
„Der Standort des Betrachters gehört zum beschriebenen Sujet, wie der Aussichtspunkt zur Landschaft“ erfahren wir schon im Foyer. Unterstützt wird der „Blickwechsel“ durch Leihgaben des Innsbrucker Volkskunstmuseums, mit dem das Schwazer Museum eng kooperiert. Die Museumsleiterin im Interview: „Wir arbeiten hier mit dem Volkskunstmuseum Innsbruck zusammen, das auch im wissenschaftlichen Kuratorium des Museums vertreten ist. Das Museum wird künftig nicht mehr geographisch, sondern thematisch geordnet sein. So werden Themen wie Göttervorstellung, Religion, Ahnenkult und vieles mehr miteinander verglichen und in Verbindung gesetzt.“


Mit der Vereinigung ethnologischer und volkskundlicher Sammlungsbestände knüpft das Museum der Völker an ein seit 1878 im Musée d'Ethnographie du Trocadéro in Paris (seit 1937 Musée de l’Homme) an, anthropologische, urgeschichtliche und ethnografische Sammlungen, (die eben auch Frankreich selbst umfassten), zu vereinen. Das wurde nach und nach aufgelöst, endgültig mit der Gründung des Musée du Quai Branly. Die französische ethnografische Sammlung war längst in eine eigenes Museum ausgewandert und vor einigen Jahren nach Marseille übersiedelt. Das Musée de l’Homme wurde im Vorjahr als urgeschichtlich-anthropologisches Museum wieder eröffnet.
Beim seit Jahren heftig umstrittenen riesigen Projekt des „Humboldt-Forums“ in Berlin, das mit der Hypothek (einer unter mehreren) leben muß im teilrekonstruierten Schloß unterkommen zu müssen, wird die Zusammenführung der ethnologischen Sammlung aus Dahlem mit den „volkskundlichen“ heftig eingefordert. Dort wird also die Wiederherstellung einer Einheit aller Kulturen gefordert, während man in Paris gerade die einer Aufsplitterung in mehrere Museen geopfert hat.
Auch in Wien war vor Jahren mal die Zusammenlegung der beiden ethnologischen Museen, Völkerkundemuseum und Volkskundemuseum versucht worden - und scheiterte.
In Schwaz macht man sich also grade dran, genau das, einen so weit als möglich egalitären, vergleichenden Blick, zu entwickeln. Als Vorbild könnte das Musée d’Ethnografie in Neuchatel gelten, das seit vielen Jahren herausragende Ausstellungen macht, die allesamt nichts mehr mit herkömmlicher Präsentation ethnologischer Museen zu tun haben, sondern ungewöhnliche Themen mit ungewöhnlichen Konzepten und ebenso ungewöhnlichen Gestaltungen ausstellen. Bis hin zur die Institution Museum radikal in Frage stellenden Ausstellung „Le Musée cannibale“ (2002/03). Allein der Titel ist schon ingeniös, weil er ein europäisches Vorurteil, die Zuschreibung als unmenschlicher eingestufter kultureller Praktiken gegen die eigenen hochkulturelle Institution kehrt, die ja gerade hinsichtlich ihres expliziten wie impliziten Kolonialismus wahrlich als kannibalisch eingestuft werden kann.


Das Museum in Schwaz wird sich langsam entwickeln und vortasten und hat, so glaube ich, dadurch Vorteile, daß seine Sammlungen und seine räumlichen Ressourcen überschaubar sind und ein flexibles, modulares Entwickeln begünstigen.
Bei meinem kürzlichen Besuch hat mir der Ausstellungsteil zum Erinnern besonders gut gefallen. Es geht um die Beziehung der Lebenden zu den Toten, um das Nicht-Vergessens (ein fundamentale Aufgabe des Museums, die man auch mal selbstreflexiv einbeziehen könnte…), um  - erstaunliche - Praktiken, den Tod in Erinnerungspraktiken und -ritualen zu umgehen, zu überlisten, ums Abschiednehmen, um Formen des Bestattens.
Hier hatte ich nicht nur viele und unglaubliche Informationen vor mir, nicht nur eine Vermischung „ferner, exotischer“ Riten und heutiger, tirolischer oder österreichischer Zeugnisse, sondern alles als Spuren, das eigenes Erinnern und Nachdenken in Bewegung zu setze. Und: ein solches Thema läßt sich in viele Richtungen erweitern, weiter entwickeln, im Detail zuspitzen und, so glaube ich, als „Alltagsthema“ (das freilich von Ängsten und Tabus umstellt ist) auch in Diskussionen wunderbar entfalten läßt. Noggler-Gürtler: „Ich möchte vermehrt wieder die lokale Bevölkerung ins Museum herein holen und mit ihnen über Veränderungen sprechen, nicht nur, was das Museum betrifft, sondern auch in einen Dialog treten, was die Veränderungen in unserer Gesellschaft, in den Kulturen betrifft.“


Mit der Berufung von Lisa Noggler-Gürtler hat man einen Glücksgriff gemacht. Sie kommt aus Schwaz und kennt die lokalen v.a. politischen Verhältnisse gut. Sie bringt eine komplexe Ausbildung und vielfältige Erfahrungen mit, und hat als Abteilungsleiterin am Technischen Museum und als Mitarbeiterin am ZOOM-Kindermuseum verantwortungsvolle Positionen gehabt. Sie ist in der Vermittlungs- und Forschungsarbeit versiert. Und sie ist, das ist meine persönliche Einschätzung, einer der besten Ausstellungsmacherin in Österreich. Die noch laufende Ausstellung im vorarlberg museum „Römer oder so“ gehört zum Besten und Gewitztesten, was in den letzten Jahren in Österreich produziert wurde. Im Vorjahr hat sie in der großen Islam-Ausstellung auf der Schallaburg den überhitzten öffentlichen Debatten eine nüchterne, wissensbasierte, viele authentische Stimmen einbeziehende Ausstellung gemacht. In Erinnerung ist mir auch die 1911 in der Haller Psychiatrie gezeigte Ausstellung „Ich lasse mich nicht länger zum Narren halten“ wegen des erstaunlich kreativen Umgangs mit einem spröden, schwierig vermittelbaren Thema in Konzept und Gestaltung.

Eben kommt mit einer vom Frauenmuseum Hittisau übernommenen, von der Architektin Cornelia Faißt kuratierten Ausstellung eine weitere, für das Museum völlig neue Facette zum Konzept des Museums hinzu. „Baumeisterinnen aus Ololosokwan“ führt eine eine Kultur des Serengeti-Hochlandes vor, wo sich Maasai-Frauen den Bau und den Erhalt ihrer Behausungen selbst verantwortlich sehen. Die Ausstellung führt vor Augen, dass es eine "andere Geschichte" der Maasai gibt - jenseits des vielfach völlig außer Raum und Zeit gehandelten Klischees des "edlen Kriegers".

In nur wenigen Monaten hat sich eine dichte Packung an experimentellen Vermitteln, neuartigen Themen, klugem Ausschöpfen des Sammlungspotentials und sich selbst und das Publikum fordernden Ansprüchen entwickelt. Für derart rabiate Konzepte eines Völkerkundemuseums neu ist Tirol nicht grade das ideale Umfeld.
Kurt Tucholsky hat mal geschrieben „Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel“. Das könnte man paraphrasierend auf die Museumsarbeit in Schwaz anwenden (beileibe nicht nur in Schwaz, dergleichen passiert regelmäßig). „Wenn bei uns einer tolle Museumsarbeit macht, dann sitzt die halbe Bevölkerung auf dem Sofa und nimmt übel.“
Im Ernst: Die Transformation, von der ich gesprochen habe, die notwendig ist, die überfällig war, hat vor der Bestellung von Lisa Noggler-Gürtler keineswegs planvoll begonnen. Daß ein wesentlicher Teil einer Sammlung aus einem von der öffentlichen Hand (mit)finanzierten Museum heraus verkauft und dadurch wieder privatisiert wurde, ist schwer nachvollziehbar. Auch scheint die rechtliche Konstruktion des Museums schwierig zu handhaben sein und öffnet Missverständnissen und Konflikten manche Hintertür. Außerdem ist das Museum unterdotiert und hat eindeutig zu wenig Personal.


Die zuständigen öffentlichen Instanzen in Politik und Verwaltung, die mit der Finanzierung der nötigen Grundlagenforschung schon ein positives Zeichen gesetzt haben, tun gut daran, das Museum und seine Leiterin zu unterstützen und mit jenem vollen Vertrauen auszustatten, die eine zentrale Grundlage guter Museumsarbeit ausmacht. Dann gäbe es bald etwas, wovon es in Österreich nicht genug geben könnte: ein Museum, das weit über die Grenzen hinaus Bekanntheit und Anerkennung findet. Und das vielleicht noch etwas mehr und anderes leistet. Kaum ein Museumstyp ist derzeit so breit in Diskussion und auch umstritten wie das sogenannte Völkerkundliche Museum. Ein modellhaftes Museum - ist das kein Motiv für (Kultur)Politiker, das Projekt energisch und nachhaltig zu fördern?
Nachdem in Wien eine erstaunlich tiefgreifende Transformation stattgefunden hat und das dortige „Weltmuseum“ im deutschsprachigen Raum ziemlich konkurrenzlos und vorbildlich dasteht, könnte im lokalen Zusammenhang ein zweiter, ein anderer Modellfall gelingen, an dem etwas Neues und Aufregendes verwirklicht wird.