Das Panorama schien ein Medium des 19. Jahrhunderts zu sein, aber in vielen, vor allem jungen gationalstaaten, hat man es als Medium der Selbstdarstellung und Identifizierung wiederentdeckt. Ein Beispiel dafür ist das erst 2009 eröffnete "Panorama 1453 Historisches Museum" in Istanbul. Das in beachtlich illusionistischer Qualität gemalte Rundgemälde stellt die Eroberung Konstantinopels durch Sultan Mehmet II. dar, also den welthistorischen Augenblick des Falls des Byzantinischen Reiches unter dem Ansturm ottomanischer Truppen. Das Gemälde zeigt den turning point des Angriffs - den Einbruch der Angreifer durch die mit Hilfe riesiger Kanonen Sturmtief geschossene Befestigung.
Es ist das erste Rundgemälde, das ich gesehen habe, das mit martialischen Kampfegeräuschen untermalt ist, mit Militärmusik, Geschrei, Zischen, Krachen und dem Wummern der schweren Kanonen. Anders als fragmentierte Museumsszeneroen bietet ein Panorama ein buchstäblich immersives Erlebnis, eine Art "Totalerfahrung", bei der die relative Primitivität des Mediums keine Rolle zu spielen scheint, deren pädagogischer Mehrwert aber um so mehr. Der Großteil der Besucher des 1453-Panorams waren denn auch Kinder und Jugendliche, in Gruppen, vermutlich Schulklassen. Wobei ich nicht so sicher bin, ob der ideologische Zweck hier wirklich durchschlagend ist. Der Modus, in dem die Kids das historisch-gloriose Getümmel wahrnehmen, ist der Handy-Snapshot, bei dem das staatstragenden Ereignis zum Hintergrund wird für Freund oder Freundin.
Ministerpräsident Erdogan betreibt eine historisierende Retropolitik, womit er im Gezipark eine mittlere Staatskrise ausgelöst hat. Zu dieser Politik gehört wohl auch dieses sonderbare "patriotische" Museum.