Montag, 15. April 2013

Der Projektmacher als Untoter

Alt aber gut. Chris Dercons Interview aus dem Jahr 2010 über die Fallen der Projektmacherei und das Prekariat im Kunst- und Kunstvermittlerbetrieb ist sehr lesenswert.
Kostprobe: "Der Zombie oder der Untote ist nicht in erster Linie eine Verkörperung des Bösen, sondern ein Leidender, der seine Opfer mit einer bizarren Beharrlichkeit verfolgt, gefärbt von einer Art unendlicher Traurigkeit. Die melancholischen Toten kehren zurück, weil sie nicht richtig begraben wurden. Wenn ich an Geister oder Zombies denke, denke ich an ältere, erfolglose kreative Individuen wie Schriftsteller, DJs, Webdesigner oder Innenarchitekten. Ihre Rückkehr – die Rückkehr der Toten – belegt, dass sie nicht ihren Platz in der Tradition finden können."

Und hier der ganze Text im Magazin Monopol: http://www.monopol-magazin.de/artikel/20101584/-chris-dercon-kuenstlerprekariat.html

Samstag, 13. April 2013

Texte im Museum 393


Der mathematisch physikalische Salon in Dresden wird wiedereröffnet

Sooft ich in den letzten Jahren in Dresden war, immer stand ich enttäuscht vor den Toren einer der wunderlichsten Sammlungen, die ich je - noch zu Zeiten der DDR - gesehen habe. Jetzt ist der Mathematisch physikalische Salon im Zwinger wieder eröffnet und Eckhard Fuhr hat ihm in DIE WELT einen schönen Artikel gewidmet, der über die wissenschaftsgeschichtliche Bedeutung solcher naturwissenschaftlicher Sammlungen informiert (hier).

Objet trouvé: Selbstmusealisierung

Der hallesche Anatom Philipp Friedrich Theodor Meckel (1756–1803) verfügte, dass sein eigener Körper nach seinem Tod seziert und sein Skelett zusammengesetzt aufbewahrt werden solle. Es wird bis heute zusammen mit den Schädeln seines Sohnes und zweier Enkel in einem offenen Schrank gezeigt, während andere Teile seines Körpers auf dem Stadtgottesacker beigesetzt wurden.

Freitag, 12. April 2013

Unerwünschte Nebenwirkungen

"Inklusion" gehört zu den museologischen Modewörtern, mit denen der Anspruch auf Einschluß bislang nicht beachteter Gruppen ins Museum bezeichnet wird.
Unerwartete Effekte hatte eine über den Eintrittspreis regulierte Liberalsisierung des Zutritts beim Louvre, die Personen bis zum 26. Lebensjahr freien Eintritt gewährt.
Seither machen Jugendliche (Zeitung 1), Jugendbanden (Zeitung 2) oder Roma-Banden (Zeitung 3) die Schauräume unsicher. Immerhin ist dieses Problem so virulent, daß das Aufsichtspersonal einen Tag lang gestreikt hat.
Man darf gespannt sein, wie der Louvre die Grenzziehung und -überwachung an seiner inneren sozialen Demarkationslinie zwischen Bildungsbeflissenen und "bildungsfernen Schichten" bewerkstelligen wird.
Jetzt wurde erst mal die Polizei geholt.

Dienstag, 9. April 2013

Fröhliche Wissenschaft

Eine äußerst kurzweilige Auffassung von kuratorialer Museumsforschung trägt Kees Moeliker vom Rotterdamer Naturmuseum vor - eine Zusammenfassung seiner Forschungen über Vögel, die gegen Glas fliegen und sehr seltsame Sachen machen ...

Hier der Link: http://video.ted.com/talk/podcast/2013/None/KeesMoeliker_2013.mp4

Freitag, 5. April 2013

Das Wiener Völkerkundemuseum wird zum "Weltmuseum". Museumstransformationen im Zeitalter der Museumsvermarktung

Das Wiener Völkerkundemuseum soll demnächst "Weltmuseum Wien" heißen. Inspiriert ist die Umbenennung wohl von einigen, schon vor vielen Jahren umbenannten ethnologischen Museen, wie dem Haus der Kulturen in Berlin oder den Museen der Weltkulturen in Frankfurt oder Mannheim, oder dem Basler Museum der Kulturen. Diese kleine Aufzählung zeigt, daß es immer um Kulturen geht, nie nur um Welt. Die Koppelung von Welt und Wien, semantisch ohnehin zweideutig, hat wohl auch mit der angekündigten Neupositionierung des Museums zu tun, aber in erster Linie doch eher damit, irgendein Alleinstellungsmerkmal - nicht über Ziele, Strategien oder Konzepte -, sondern über die Benennung zu bekommen. Es geht um eine "neue Marke" und es ist bezeichnend daß sie zuerst zusammen mit einem neuen Logo und einem Internetauftritt vorgestellt wird, ehe in einigen Wochen das Konzept für das "neue" Museum vorgestellt werden wird.
Was ist ein Weltmuseum? Was ist ein Universalmuseum? Das Landesmuseum Joanneum in Graz hat sich vor nicht allzulanger Zeit diesen Namen gegeben. Dabei war eine Variante "Universalmuseum Steiermark" in Diskussion, aber der Verzicht auf die historische Benennung nach dem Gründer wurde von so manchem Kurator als Verzicht auf ein Stück historisch fundierter Identität des Museums aufgefasst. So koppelte man schließlich das Universale mit dem Joanneum. Begründet wurde die Umbenennung mit der Vielfalt der Sammlungen und, was möglicherweise bezeichnender ist, mit der besseren Übersetzbarkeit von Universalmuseum ins Englische im Unterschied zu Landesmuseum. Auch hier ging es also um die Schaffung einer neuen Marke, die von der Schaffung eines aufwändigen neuen Corporate Design einherging.
Beim Wiener Museum darf man auf das neue Konzept deshalb gespannt sein, weil es ja dort unter anderem um den Aufbau einer neuen Dauerausstellung geht und um die Frage, ob "Neupositionierung" sich nur auf den "Museumsmarkt" beziehen wird, oder auch auf Ziele und Methoden der Museumsarbeit.
Mit "Museumsmarkt" meine ich den Umstand, daß Museen immer stärker untereinander konkurrieren, um Besucher, um Aufmerksamkeit, um mediales Echo. Die Wahl, das Völkerkundemuseum "Weltmuseum" zu nennen, hat nicht nur mit dem lokalen wiener Museumsmarkt zu tun, sondern mit der internationalen Konkurrenz. Gerade weil die Koppelung von "Welt" und "Kulturen" schon mehrfach "vergeben" war, kam man wohl aufs "Weltmuseum".  Damit aus dem "Weltmuseum" nicht ein "Allerweltsmuseum" wurde, war die Spezifizierung "Wien" nötig. Die erst schafft Unverwechselbarkeit aber auch Vergleichbarkeit mit Basel, Mannheim oder Berlin - wo ja das geplante Museum im Schloß im Verbund mit der Museumsinsel bereits als "Universalmuseum" gehandelt wird.
In diesen Zusammenhang gehört auch die Entscheidung, die kunstgewerblichen (früher noch: kunstindustriellen) Sammlungsbestände unter dem Namen "Kunstkammer" auszustellen. Sicher, die Objekte kommen aus verschiedenen habsburgischen Kunstkammern, aber die Art und Weise ihrer Ausstellung hat nichts mit einer Kunstkammer zu tun. Schwerer wiegt, daß diese Sammlung nicht mehr identisch ist mit denen des 16. und 17. Jahrhunderts. Die allmähliche Auflösung der Kunstkammern ging mit einer neuen Klassifikation, Bewertung und Aufteilung in Sammlungsgruppen einher. Kunstkammerbestände gibt es in Ambras und - im Völkerkundemuseum und im Naturhistorischen Museum. Die Bestände der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums sind also Indizien eines sammlungsgeschichtlichen Bruchs, nicht einer Tradition.
Wenn die Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums die Kunstkammer als Wiege des Kunsthistorischen Museums bezeichnet, dann ignoriert sie nicht nur ältere habsburgische Sammlungsbestände in den beiden Schatzkammern sondern auch die grundlegende Transformation die nötig war, um aus den unzähligen Sammlungstypen der frühen Neuzeit (unter denen die Kunstkammer nur eine war) das Museum der Moderne hat entstehen lassen.
Wenn jetzt, wie bestellt oder inszeniert, Untersuchungen an der Hofburg Baureste der dortigen Kunstkammer zutage fördern, wird das als Sensation gemeldet und man ist sofort mit der Formulierung vom "ältesten Museum nördlich der Alpen" zur Hand. Das suggeriert zusätzlich zur Konstruierbarkeit einer jahrhundertelangen sammlungsgeschichtlichen Tradition, deren Fragwürdigkeit ich eben erwähnt habe, die Existenz einer "Museumsarchitektur". Doch Kunstkammern waren in der Regel höchst bescheidene Zimmer oder Gewölbe mit ebenso bescheidener Ausstattung, nüchterne Nutzräume und weit entfernt von dem, was als "Museum" bautypologisch seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden ist.

Mittwoch, 3. April 2013

Wieder mal: Das Wien Museum

Eigentlich hätte die "Standortfrage" des Wien Museums Ende 2012 geklärt sein sollen. Zur Erinnerung: es geht um die Entscheidung, ob in der Nähe des neuen Zentralbahnhofes ein Neubau errichtet werden soll oder ob das Museum bleibt, wo es ist, am Karlsplatz, und unter Umständen erweitert wird, wie ist offen.
Nun liegt alles bei der Wiener Baudirektion (!), die einen "Vorgehenskonzept" erarbeitet und jede Idee, sie würde nun entscheiden, was weiter geschieht, von sich weist.
Wie schiebt man etwas auf die lange Bank, wie lange delegiert man etwas, wie weit reicht man etwas durch die Verwaltung, bis, ja bis was eigentlich...? Denn: was ist ein "Vorgehenskonzept"? Ein Plan für das, was man tun sollte? Ich weiß zwar nicht was ich will, aber dafür lass ich mir ein Konzept machen? Von der Baudirektion?

Dienstag, 2. April 2013

Fundsache "Wie mans (nicht) macht"

Beobachtungsserie des Bostoner Museumsmannes Benjamin Ives Gillman zu unbequemer Anordnung von Vitrinen und Beschriftungen. Gefunden im Buch 21er Haus. Zurück in die Zukunft. Berlin 2011