Samstag, 13. April 2013
Freitag, 12. April 2013
Unerwünschte Nebenwirkungen
"Inklusion" gehört zu den museologischen Modewörtern, mit denen der Anspruch auf Einschluß bislang nicht beachteter Gruppen ins Museum bezeichnet wird.
Unerwartete Effekte hatte eine über den Eintrittspreis regulierte Liberalsisierung des Zutritts beim Louvre, die Personen bis zum 26. Lebensjahr freien Eintritt gewährt.
Seither machen Jugendliche (Zeitung 1), Jugendbanden (Zeitung 2) oder Roma-Banden (Zeitung 3) die Schauräume unsicher. Immerhin ist dieses Problem so virulent, daß das Aufsichtspersonal einen Tag lang gestreikt hat.
Man darf gespannt sein, wie der Louvre die Grenzziehung und -überwachung an seiner inneren sozialen Demarkationslinie zwischen Bildungsbeflissenen und "bildungsfernen Schichten" bewerkstelligen wird.
Jetzt wurde erst mal die Polizei geholt.
Unerwartete Effekte hatte eine über den Eintrittspreis regulierte Liberalsisierung des Zutritts beim Louvre, die Personen bis zum 26. Lebensjahr freien Eintritt gewährt.
Seither machen Jugendliche (Zeitung 1), Jugendbanden (Zeitung 2) oder Roma-Banden (Zeitung 3) die Schauräume unsicher. Immerhin ist dieses Problem so virulent, daß das Aufsichtspersonal einen Tag lang gestreikt hat.
Man darf gespannt sein, wie der Louvre die Grenzziehung und -überwachung an seiner inneren sozialen Demarkationslinie zwischen Bildungsbeflissenen und "bildungsfernen Schichten" bewerkstelligen wird.
Jetzt wurde erst mal die Polizei geholt.
Donnerstag, 11. April 2013
Dienstag, 9. April 2013
Fröhliche Wissenschaft
Eine äußerst kurzweilige Auffassung von kuratorialer Museumsforschung trägt Kees Moeliker vom Rotterdamer Naturmuseum vor - eine Zusammenfassung seiner Forschungen über Vögel, die gegen Glas fliegen und sehr seltsame Sachen machen ...
Hier der Link: http://video.ted.com/talk/podcast/2013/None/KeesMoeliker_2013.mp4
Hier der Link: http://video.ted.com/talk/podcast/2013/None/KeesMoeliker_2013.mp4
Freitag, 5. April 2013
Das Wiener Völkerkundemuseum wird zum "Weltmuseum". Museumstransformationen im Zeitalter der Museumsvermarktung
Das Wiener Völkerkundemuseum soll demnächst "Weltmuseum Wien" heißen. Inspiriert ist die Umbenennung wohl von einigen, schon vor vielen Jahren umbenannten ethnologischen Museen, wie dem Haus der Kulturen in Berlin oder den Museen der Weltkulturen in Frankfurt oder Mannheim, oder dem Basler Museum der Kulturen. Diese kleine Aufzählung zeigt, daß es immer um Kulturen geht, nie nur um Welt. Die Koppelung von Welt und Wien, semantisch ohnehin zweideutig, hat wohl auch mit der angekündigten Neupositionierung des Museums zu tun, aber in erster Linie doch eher damit, irgendein Alleinstellungsmerkmal - nicht über Ziele, Strategien oder Konzepte -, sondern über die Benennung zu bekommen. Es geht um eine "neue Marke" und es ist bezeichnend daß sie zuerst zusammen mit einem neuen Logo und einem Internetauftritt vorgestellt wird, ehe in einigen Wochen das Konzept für das "neue" Museum vorgestellt werden wird.
Was ist ein Weltmuseum? Was ist ein Universalmuseum? Das Landesmuseum Joanneum in Graz hat sich vor nicht allzulanger Zeit diesen Namen gegeben. Dabei war eine Variante "Universalmuseum Steiermark" in Diskussion, aber der Verzicht auf die historische Benennung nach dem Gründer wurde von so manchem Kurator als Verzicht auf ein Stück historisch fundierter Identität des Museums aufgefasst. So koppelte man schließlich das Universale mit dem Joanneum. Begründet wurde die Umbenennung mit der Vielfalt der Sammlungen und, was möglicherweise bezeichnender ist, mit der besseren Übersetzbarkeit von Universalmuseum ins Englische im Unterschied zu Landesmuseum. Auch hier ging es also um die Schaffung einer neuen Marke, die von der Schaffung eines aufwändigen neuen Corporate Design einherging.
Beim Wiener Museum darf man auf das neue Konzept deshalb gespannt sein, weil es ja dort unter anderem um den Aufbau einer neuen Dauerausstellung geht und um die Frage, ob "Neupositionierung" sich nur auf den "Museumsmarkt" beziehen wird, oder auch auf Ziele und Methoden der Museumsarbeit.
Mit "Museumsmarkt" meine ich den Umstand, daß Museen immer stärker untereinander konkurrieren, um Besucher, um Aufmerksamkeit, um mediales Echo. Die Wahl, das Völkerkundemuseum "Weltmuseum" zu nennen, hat nicht nur mit dem lokalen wiener Museumsmarkt zu tun, sondern mit der internationalen Konkurrenz. Gerade weil die Koppelung von "Welt" und "Kulturen" schon mehrfach "vergeben" war, kam man wohl aufs "Weltmuseum". Damit aus dem "Weltmuseum" nicht ein "Allerweltsmuseum" wurde, war die Spezifizierung "Wien" nötig. Die erst schafft Unverwechselbarkeit aber auch Vergleichbarkeit mit Basel, Mannheim oder Berlin - wo ja das geplante Museum im Schloß im Verbund mit der Museumsinsel bereits als "Universalmuseum" gehandelt wird.
In diesen Zusammenhang gehört auch die Entscheidung, die kunstgewerblichen (früher noch: kunstindustriellen) Sammlungsbestände unter dem Namen "Kunstkammer" auszustellen. Sicher, die Objekte kommen aus verschiedenen habsburgischen Kunstkammern, aber die Art und Weise ihrer Ausstellung hat nichts mit einer Kunstkammer zu tun. Schwerer wiegt, daß diese Sammlung nicht mehr identisch ist mit denen des 16. und 17. Jahrhunderts. Die allmähliche Auflösung der Kunstkammern ging mit einer neuen Klassifikation, Bewertung und Aufteilung in Sammlungsgruppen einher. Kunstkammerbestände gibt es in Ambras und - im Völkerkundemuseum und im Naturhistorischen Museum. Die Bestände der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums sind also Indizien eines sammlungsgeschichtlichen Bruchs, nicht einer Tradition.
Wenn die Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums die Kunstkammer als Wiege des Kunsthistorischen Museums bezeichnet, dann ignoriert sie nicht nur ältere habsburgische Sammlungsbestände in den beiden Schatzkammern sondern auch die grundlegende Transformation die nötig war, um aus den unzähligen Sammlungstypen der frühen Neuzeit (unter denen die Kunstkammer nur eine war) das Museum der Moderne hat entstehen lassen.
Wenn jetzt, wie bestellt oder inszeniert, Untersuchungen an der Hofburg Baureste der dortigen Kunstkammer zutage fördern, wird das als Sensation gemeldet und man ist sofort mit der Formulierung vom "ältesten Museum nördlich der Alpen" zur Hand. Das suggeriert zusätzlich zur Konstruierbarkeit einer jahrhundertelangen sammlungsgeschichtlichen Tradition, deren Fragwürdigkeit ich eben erwähnt habe, die Existenz einer "Museumsarchitektur". Doch Kunstkammern waren in der Regel höchst bescheidene Zimmer oder Gewölbe mit ebenso bescheidener Ausstattung, nüchterne Nutzräume und weit entfernt von dem, was als "Museum" bautypologisch seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden ist.
Was ist ein Weltmuseum? Was ist ein Universalmuseum? Das Landesmuseum Joanneum in Graz hat sich vor nicht allzulanger Zeit diesen Namen gegeben. Dabei war eine Variante "Universalmuseum Steiermark" in Diskussion, aber der Verzicht auf die historische Benennung nach dem Gründer wurde von so manchem Kurator als Verzicht auf ein Stück historisch fundierter Identität des Museums aufgefasst. So koppelte man schließlich das Universale mit dem Joanneum. Begründet wurde die Umbenennung mit der Vielfalt der Sammlungen und, was möglicherweise bezeichnender ist, mit der besseren Übersetzbarkeit von Universalmuseum ins Englische im Unterschied zu Landesmuseum. Auch hier ging es also um die Schaffung einer neuen Marke, die von der Schaffung eines aufwändigen neuen Corporate Design einherging.
Beim Wiener Museum darf man auf das neue Konzept deshalb gespannt sein, weil es ja dort unter anderem um den Aufbau einer neuen Dauerausstellung geht und um die Frage, ob "Neupositionierung" sich nur auf den "Museumsmarkt" beziehen wird, oder auch auf Ziele und Methoden der Museumsarbeit.
Mit "Museumsmarkt" meine ich den Umstand, daß Museen immer stärker untereinander konkurrieren, um Besucher, um Aufmerksamkeit, um mediales Echo. Die Wahl, das Völkerkundemuseum "Weltmuseum" zu nennen, hat nicht nur mit dem lokalen wiener Museumsmarkt zu tun, sondern mit der internationalen Konkurrenz. Gerade weil die Koppelung von "Welt" und "Kulturen" schon mehrfach "vergeben" war, kam man wohl aufs "Weltmuseum". Damit aus dem "Weltmuseum" nicht ein "Allerweltsmuseum" wurde, war die Spezifizierung "Wien" nötig. Die erst schafft Unverwechselbarkeit aber auch Vergleichbarkeit mit Basel, Mannheim oder Berlin - wo ja das geplante Museum im Schloß im Verbund mit der Museumsinsel bereits als "Universalmuseum" gehandelt wird.
In diesen Zusammenhang gehört auch die Entscheidung, die kunstgewerblichen (früher noch: kunstindustriellen) Sammlungsbestände unter dem Namen "Kunstkammer" auszustellen. Sicher, die Objekte kommen aus verschiedenen habsburgischen Kunstkammern, aber die Art und Weise ihrer Ausstellung hat nichts mit einer Kunstkammer zu tun. Schwerer wiegt, daß diese Sammlung nicht mehr identisch ist mit denen des 16. und 17. Jahrhunderts. Die allmähliche Auflösung der Kunstkammern ging mit einer neuen Klassifikation, Bewertung und Aufteilung in Sammlungsgruppen einher. Kunstkammerbestände gibt es in Ambras und - im Völkerkundemuseum und im Naturhistorischen Museum. Die Bestände der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums sind also Indizien eines sammlungsgeschichtlichen Bruchs, nicht einer Tradition.
Wenn die Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums die Kunstkammer als Wiege des Kunsthistorischen Museums bezeichnet, dann ignoriert sie nicht nur ältere habsburgische Sammlungsbestände in den beiden Schatzkammern sondern auch die grundlegende Transformation die nötig war, um aus den unzähligen Sammlungstypen der frühen Neuzeit (unter denen die Kunstkammer nur eine war) das Museum der Moderne hat entstehen lassen.
Wenn jetzt, wie bestellt oder inszeniert, Untersuchungen an der Hofburg Baureste der dortigen Kunstkammer zutage fördern, wird das als Sensation gemeldet und man ist sofort mit der Formulierung vom "ältesten Museum nördlich der Alpen" zur Hand. Das suggeriert zusätzlich zur Konstruierbarkeit einer jahrhundertelangen sammlungsgeschichtlichen Tradition, deren Fragwürdigkeit ich eben erwähnt habe, die Existenz einer "Museumsarchitektur". Doch Kunstkammern waren in der Regel höchst bescheidene Zimmer oder Gewölbe mit ebenso bescheidener Ausstattung, nüchterne Nutzräume und weit entfernt von dem, was als "Museum" bautypologisch seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts entstanden ist.
Mittwoch, 3. April 2013
Wieder mal: Das Wien Museum
Eigentlich hätte die "Standortfrage" des Wien Museums Ende 2012 geklärt sein sollen. Zur Erinnerung: es geht um die Entscheidung, ob in der Nähe des neuen Zentralbahnhofes ein Neubau errichtet werden soll oder ob das Museum bleibt, wo es ist, am Karlsplatz, und unter Umständen erweitert wird, wie ist offen.
Nun liegt alles bei der Wiener Baudirektion (!), die einen "Vorgehenskonzept" erarbeitet und jede Idee, sie würde nun entscheiden, was weiter geschieht, von sich weist.
Wie schiebt man etwas auf die lange Bank, wie lange delegiert man etwas, wie weit reicht man etwas durch die Verwaltung, bis, ja bis was eigentlich...? Denn: was ist ein "Vorgehenskonzept"? Ein Plan für das, was man tun sollte? Ich weiß zwar nicht was ich will, aber dafür lass ich mir ein Konzept machen? Von der Baudirektion?
Nun liegt alles bei der Wiener Baudirektion (!), die einen "Vorgehenskonzept" erarbeitet und jede Idee, sie würde nun entscheiden, was weiter geschieht, von sich weist.
Wie schiebt man etwas auf die lange Bank, wie lange delegiert man etwas, wie weit reicht man etwas durch die Verwaltung, bis, ja bis was eigentlich...? Denn: was ist ein "Vorgehenskonzept"? Ein Plan für das, was man tun sollte? Ich weiß zwar nicht was ich will, aber dafür lass ich mir ein Konzept machen? Von der Baudirektion?
Dienstag, 2. April 2013
Fundsache "Wie mans (nicht) macht"
Montag, 1. April 2013
Wozu Museen. Eine andere Antwort (Das Museum Lesen 33)
Das Museum im eigentlichen Sinne wird paradoxale Synthese dieses doppelten Ursprungs vollziehen, des Kultes und des Raubs, indem es das Kunstwerk in einen heiligen Schatz, d.h. im Grunde genommen ein Monster situiert auf der Kreuzung von Kontemplation und Konsumation, etwas, das man besitzt, aber wovon man sich verbietet, es zu berühren, etwas, das ihnen einen Genuß verschafft, aber ganz symbolisch und abgeleitet. B. Deloche
Warum Museen. Eine Antwort (Das Museum lesen 32)
»Das
Volk wird nicht vergessen, daß die Vernunft sich durch eine solide und wahre Bildung
stärkt. Die Bildung, die ihm zugänglich gemacht worden ist, ist für es schon
zum wirksamsten Mittel der Erneuerung und des Ruhms geworden; sie hat ihm einen
Hebel von ungeheurer Kraft in die Hand gegeben, dessen es sich bedient, um die
Völker sich erheben zu lassen, um die Throne ins Wanken zu bringen und auf
immer die Monumente des Irrtums umzustoßen. [...] Niemals hat sich den Nationen
ein großartigeres Schauspiel geboten. All diese Objekte, die man vom Volk
fernhielt oder die man ihm nur zeigte, um es in Erstaunen zu versetzen und mit
Respekt zu erfüllen, all diese Reichtümer gehören ihm. Künftig werden sie der
Volksbildung dienen; sie werden dazu dienen, philosophische Gesetzgeber,
aufgeklärte Beamte, gebildete Landwirte und Künstler heranzubilden, Künstler,
deren Genie ein großes Volk nicht vergeblich gebietet, seine Erfolge würdig zu
feiern; sie werden dazu dienen, Professoren heranzubilden, die nur das lehren
werden, was nützlich ist, und schließlich Lehrer, die energisch und mit einer
einfachen Methode stramme Verteidiger der Republik und unerbittliche Feinde der
Tyrannen heranziehen werden. Wer erkennt nicht die Bedeutung, die dieses schöne
Unternehmen für alle Völker und für alle Zeitalter hat.«
Instruction sur la manière d’inventorier et de conserver (...). Paris 1794
Sonntag, 31. März 2013
Freitag, 29. März 2013
Revolutionsmuseum (Texte im Museum 392)
Geburtstagsgruß an Klaus Albrecht
Lesenswert: Alexander Horwaths (Direktor des Österreichischen Filmmuseums und leidgeplagter "Untermieter" im Albertinagebäude) ingrimmige, an Klaus Albrecht Schröder gerichtete Geburtstagsgratulation im STANDARD (hier) unter dem Titel
Zehn Jahre Albertina neu: Glückwunsch, kleiner Rowdy!
Leseprobe: "Seit 2003 ist die "Albertina neu" nicht nur, wie ihre Website sagt, " Wiens exklusivste Event-Adresse" geworden. Sie wurde viel mehr: ein massiges Flaggschiff des industriellen Tourismus, ein rassiger Untersatz für die neofeudalen Herrenreiter Österreichs, ein gleichermaßen erst-, zweit- und letztklassiges Museum."Donnerstag, 28. März 2013
Warum Museen? (Das Museum lesen 31)
Es gibt Texte, die Lücken lassen, in die man sich mit seinen eigenen Assoziationen - auch manchmal gegen die Argumentation des Autors - vortasten kann und muss. Leerstellen, Brüche, Widersprüche einer Argumentation sind dann paradoxerweise keine Schwächen sondern Einladungen, das Gedachte, wenn die Thesen stark und riskant sind, weiter zu entwickeln, von ihm wegzudriften, neue Abzweigungen zu eröffnen.
Ein solcher Text ist Boris Groys kaum mehr als eine Seite langer Text mit der bombastischesten aller museologischen Fragen "Warum Museen"?
Ich stelle hier in noch mal kürzerer, aber hoffentlich nicht verkürzter Form seine Thesen dar - als Anregung seinen Text im eben erschienenen Lettre International nachzulesen (Heft 100, 2013, S.140f.).
Museen verlieren ihre "traditionelle gesellschaftliche" Legitimation, die bislang (Groys spricht nur von Kunstmuseen) in ihrer Privilegiertheit lag, über Kunst zu informieren. Dieses Informationsmonopol wurde vom Internet gebrochen, wobei der offensichtliche Verlust von Aura und Originalität nicht zu beklagen sei, weil er längst schon durch "Museifizierung" stattgefunden habe.
Warum haben die digitalen Medien das Museum aber nicht schon längst besiegt? Im Gegenteil, immer mehr Museen entstünden - gerade für zeitgenössiche Kunst und auch herkömmliche Museen zeigten immer mehr zeitgenössiche Kunst.
Museen zehren zwar nicht mehr von ihrer Funktion der Information über Kunst, die auf das Internet übergegangen ist, sondern von jener Individualität, die gerade durch den Vergleich der Museen untereinander, der ja durch ebenfalls das Internet ermöglicht werde, wichtig werde. "Mit anderen Worten: Die Museen stellen heute nicht mehr Kunst aus, sondern sich selbst; sie präsentieren ihre eigene Selektivität, ihre eigenen Auswahlstrategien."
Damit sei auch klar, warum Musen für zeitgenössiche Kunst so attraktiv werden. Ältere Kunst sei "fixiert" (Groys verwendet nicht das Wort Kanon), zeitgenössische Kunst nicht. Anders gesagt, das Museum ist nicht mehr normativ, aber es gibt ein Modell dafür ab, wie man (s)eine individuelle Wahl treffen kann. "Das Interesse des Betrachters verschiebt sich hierbei vom individuellen ausgestellten Objekt zu der Art und Weise, in der es vom Museum kontextualisiert und historisiert wird - und zu der Frage, warum es überhaupt in die Ausstellung aufgenommen und nicht von ihr ausgeschlossen wurde."
Was aber ist immer noch so attraktiv an "Objekten"? Groys zieht dazu die Unterscheidung von heissen und kalten Medien zu Rate, die er von Marshall McLuhan übernimmt. Ausstellung seien "in der heutigen Zeit" ein heißes Medium. "Denn sie verschiebt die Aufmerksamkeit des Besuchers vom konzentrierten Betrachten auf den Kontext, die Organisation und die Architektur des öffentlichen Raums, auf Strategien der In- und Exklusion usw. (...) Deshalb ist die Kunstausstellung in der Lage, alle Formen von "heißen" Medien - Texte, Filme, Videos, Musik oder einzelne Bilder - einzubeziehen und "herunterzukühlen", das heißt den Blick der Besucher für den sozialen und räumlichen Kontext zu öffnen, in dem sich ihre Körper bewegen."
Diese Theatralisierung des Museums, um die "abgekühlten" Medien herum, stifte eine besondere Art von Gemeinschaft, wie sie typisch sei für die "Massenkultur" der Gegenwart, "...Gemeinschaften jenseits jeder gemeinsamen Vergangenheit - bedingungslose Gemeinschaften eines neuen Typs."
Während einer Kinovorführung oder einem Popkonzert ist der Blick nach vorne gerichtet und der Raum, in dem man sich befindet, wird nicht ausreichend wahrgenommen und als Bedingung der Gemeinschaft nicht reflektiert. Ausstellung (Groys schränkt wiederum ein: auf dem Gebiet der bildenden Kunst) bieten diese Reflexion. Die relative räumliche Trennung des Besuchers / Betrachters "bedeutet hier keine Abwendung von der Welt, sondern die Delokalisierung, Deterritorialisierung temporärer Gemeinschaften der Massenkultur, die ihnen hilft, sich a l s Gemeinschaften zu reflektieren, indem sie ihnen Gelegenheit gibt, sich selbst zu präsentieren. Indem sie alle anderen Medien "herunterkühlt", bietet die heutige Ausstellungspraxis der bildenden Kunst den Besuchern die Möglichkeit zur Selbstreflexion - und die Reflexion des unmittelbaren Kontextes ihrer Existenz, die andere Medien ihnen nicht im selben Maß bieten können."
Groys Überlegungen haben einige überraschende, ohne Umschweife auf gegenwärtige Entwicklungen gut passende Aspekte. Und die Einwände liegen auf der Hand: findet nicht auch im Feld der zeitgenössischen Kunst eine fortschreitende Kanonisisierung statt, die einschlägige Museen und Kunthallen so austauschbar werden läßt? Ist die Fokussierung, das Sich-Versenken ins einzelne Werk (dem "kalten" Medium) tatsächlich verschwunden oder gibt es nicht Ausstellungstypen, die das wiederum forcieren? Ist die "Theatralsierung" des Museums (unter den Stichworten Performativität oder Ritualisierung längst Gegenstand der museologischen Theorie), wenn man sie z.B. auf die Architektur bezieht (wie es Groys auch, aber nicht ausschließlich tut) nicht so alt wie das Museum selbst und stand diese nicht immer auch im Dienste des Gemeinschftstiftenden. Und last but not least: vor welcher gesellschaftlichen Veränderung vollzieht sich dieser Wandel des Ausstellens denn? Und wie hoch ist die Bedeutung einer bildungselitären Arkanpraxis "Museumsbesuch" denn jenseits der vier (weissen) Ausstellungswände?
Wie mir scheint - ein interessanter Text!
Ein solcher Text ist Boris Groys kaum mehr als eine Seite langer Text mit der bombastischesten aller museologischen Fragen "Warum Museen"?
Ich stelle hier in noch mal kürzerer, aber hoffentlich nicht verkürzter Form seine Thesen dar - als Anregung seinen Text im eben erschienenen Lettre International nachzulesen (Heft 100, 2013, S.140f.).
Museen verlieren ihre "traditionelle gesellschaftliche" Legitimation, die bislang (Groys spricht nur von Kunstmuseen) in ihrer Privilegiertheit lag, über Kunst zu informieren. Dieses Informationsmonopol wurde vom Internet gebrochen, wobei der offensichtliche Verlust von Aura und Originalität nicht zu beklagen sei, weil er längst schon durch "Museifizierung" stattgefunden habe.
Warum haben die digitalen Medien das Museum aber nicht schon längst besiegt? Im Gegenteil, immer mehr Museen entstünden - gerade für zeitgenössiche Kunst und auch herkömmliche Museen zeigten immer mehr zeitgenössiche Kunst.
Museen zehren zwar nicht mehr von ihrer Funktion der Information über Kunst, die auf das Internet übergegangen ist, sondern von jener Individualität, die gerade durch den Vergleich der Museen untereinander, der ja durch ebenfalls das Internet ermöglicht werde, wichtig werde. "Mit anderen Worten: Die Museen stellen heute nicht mehr Kunst aus, sondern sich selbst; sie präsentieren ihre eigene Selektivität, ihre eigenen Auswahlstrategien."
Damit sei auch klar, warum Musen für zeitgenössiche Kunst so attraktiv werden. Ältere Kunst sei "fixiert" (Groys verwendet nicht das Wort Kanon), zeitgenössische Kunst nicht. Anders gesagt, das Museum ist nicht mehr normativ, aber es gibt ein Modell dafür ab, wie man (s)eine individuelle Wahl treffen kann. "Das Interesse des Betrachters verschiebt sich hierbei vom individuellen ausgestellten Objekt zu der Art und Weise, in der es vom Museum kontextualisiert und historisiert wird - und zu der Frage, warum es überhaupt in die Ausstellung aufgenommen und nicht von ihr ausgeschlossen wurde."
Was aber ist immer noch so attraktiv an "Objekten"? Groys zieht dazu die Unterscheidung von heissen und kalten Medien zu Rate, die er von Marshall McLuhan übernimmt. Ausstellung seien "in der heutigen Zeit" ein heißes Medium. "Denn sie verschiebt die Aufmerksamkeit des Besuchers vom konzentrierten Betrachten auf den Kontext, die Organisation und die Architektur des öffentlichen Raums, auf Strategien der In- und Exklusion usw. (...) Deshalb ist die Kunstausstellung in der Lage, alle Formen von "heißen" Medien - Texte, Filme, Videos, Musik oder einzelne Bilder - einzubeziehen und "herunterzukühlen", das heißt den Blick der Besucher für den sozialen und räumlichen Kontext zu öffnen, in dem sich ihre Körper bewegen."
Diese Theatralisierung des Museums, um die "abgekühlten" Medien herum, stifte eine besondere Art von Gemeinschaft, wie sie typisch sei für die "Massenkultur" der Gegenwart, "...Gemeinschaften jenseits jeder gemeinsamen Vergangenheit - bedingungslose Gemeinschaften eines neuen Typs."
Während einer Kinovorführung oder einem Popkonzert ist der Blick nach vorne gerichtet und der Raum, in dem man sich befindet, wird nicht ausreichend wahrgenommen und als Bedingung der Gemeinschaft nicht reflektiert. Ausstellung (Groys schränkt wiederum ein: auf dem Gebiet der bildenden Kunst) bieten diese Reflexion. Die relative räumliche Trennung des Besuchers / Betrachters "bedeutet hier keine Abwendung von der Welt, sondern die Delokalisierung, Deterritorialisierung temporärer Gemeinschaften der Massenkultur, die ihnen hilft, sich a l s Gemeinschaften zu reflektieren, indem sie ihnen Gelegenheit gibt, sich selbst zu präsentieren. Indem sie alle anderen Medien "herunterkühlt", bietet die heutige Ausstellungspraxis der bildenden Kunst den Besuchern die Möglichkeit zur Selbstreflexion - und die Reflexion des unmittelbaren Kontextes ihrer Existenz, die andere Medien ihnen nicht im selben Maß bieten können."
Groys Überlegungen haben einige überraschende, ohne Umschweife auf gegenwärtige Entwicklungen gut passende Aspekte. Und die Einwände liegen auf der Hand: findet nicht auch im Feld der zeitgenössischen Kunst eine fortschreitende Kanonisisierung statt, die einschlägige Museen und Kunthallen so austauschbar werden läßt? Ist die Fokussierung, das Sich-Versenken ins einzelne Werk (dem "kalten" Medium) tatsächlich verschwunden oder gibt es nicht Ausstellungstypen, die das wiederum forcieren? Ist die "Theatralsierung" des Museums (unter den Stichworten Performativität oder Ritualisierung längst Gegenstand der museologischen Theorie), wenn man sie z.B. auf die Architektur bezieht (wie es Groys auch, aber nicht ausschließlich tut) nicht so alt wie das Museum selbst und stand diese nicht immer auch im Dienste des Gemeinschftstiftenden. Und last but not least: vor welcher gesellschaftlichen Veränderung vollzieht sich dieser Wandel des Ausstellens denn? Und wie hoch ist die Bedeutung einer bildungselitären Arkanpraxis "Museumsbesuch" denn jenseits der vier (weissen) Ausstellungswände?
Wie mir scheint - ein interessanter Text!
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