Sonntag, 12. August 2012

Alarm! (Texte im Museum 308)


Ein Museum: Architekturmuseum Chandigarh


Chandighar ist Indiens erste Planstadt. Sie entstand nach der Abtrennung Pakistans 1947 und war Ausdruck einer zukunftsoffenen Politik, für die die von Grund auf neu geplante Stadt für eine halbe Million Einwohner ein nationales Symbol für Indiens offene Zukunft sein sollte. Sie wurde die Hauptstadt des ebenfalss geteilten Punjab.
Man holte die dazu nötigen Architekten aus dem Ausland. Der Masterplan stammte von Albert Mayer aus den USA, aber schon nach zwei Jahren, im Jahr 1950, übernahm Le Corbusier die Planungen.
Corbusier entwar für Chandighar unter anderem Regierungsgebäude, Colleges, einen Club und mehrere Museen.
Das Architekturmuseum bewahrt vor allem Dokumente zur Planungsgeschichte der Stadt auf.

Na? (Texte im Museum 307)

Römermuseum (Wien Museum) 2012

Samstag, 11. August 2012

August Walla. Eine Ausstellung im Museum Gugging

August Walla wurde 1936 in Klosterneuburg geboren. Da ist die Mutter um die 40, der Vater, ein 'Wiener Hofrat', zahlt zwar Alimente, hat aber nie Kontakt zu seinem Sohn, um das Kind und dessen Mutter kümmert er sich nicht.
Was ich an Biografischem über Walla in Erfahrung gebracht habe, läßt ihn wie von allem Anfang an mit den Institutionen im Konflikt liegen, die nun mal zur Erziehung vorgesehen sind. Kindergarten, Schule, Sonderschule, Heime, nirgendwo gilt er als 'normales' Kind. In der NS Zeit übersteht er einige lebensgefährliche Einweisungen und Überprüfungen. Ausgerechnet dort bestätigt man ihm altersgemäße Intelligenz.
Seine Mutter und seine Großmutter erziehen ihn als Mädchen. Rezente Biografen stricken daraus die Schlüsselthese - einer von Walla phantasierten, von 'den Russen' vorgenommen Operation, die ihn zum Buben gemacht habe.

Der Krieg hinterläßt tiefe Spuren, in seinen Zeichnungen und Bildern sind 'Adolfe' (Hitler), das Hakenkreuz, Hammer und Sichel, die Kürzel KPÖ (Kommunistische Partei Österreichs) oder ÖVP, SPÖ, NSADAP, das Kruzifix - Klosterneuburg ist seit je her eine 'katholische' Stadt mit einem beherrschenden Chorherrn-Stift -, Gott, Engel, allgegenwärtig, ohne daß die Quellen der obsessiven Beeindruckung und die Motive ihrer Verwendung klar wäre.
Er ist schon als Kleinkind kreativ, aber seinen Zeichnen, Malen, Basteln, Schreiben gilt als Teil seiner 'Auffälligkeit' und ist erst recht geeignet, ihn noch tiefer ins Außenseitertum zu verbannen. Als er vorübergehend in die Landesnervenklinik Gugging (ein Ortsteil von Klosterneuburg) eingeliefert wird, trifft er auf Leo Navratil, der sich dort als Primar mit der Kreativität seiner Patienten beschäftigt und sie fördert. Er interessiert sich für Walla, der ja anders als seine Patienten, schon seit langem und außerhalb der Anstalt und ohne diese kreativ tätig ist.
Da Walla mit seiner Mutter in Klosterneuburg wohnt, entsteht ein regelmäßiger Kontakt zwischen Navratil und Walla, und als die Mutter, hochbetagt, den gemeinsamen Haushalt nicht mehr führen kann, werden beide in Gugging aufgenommen. Walla stirbt dort mit 65 Jahren.



Walla hat bis dahin hunderte Zeichnungen geschaffen, Bilder, Texte, Fotografien, Bemalungen, Graffiti, nichts, was als Malgrund tauglich war, hat er übersehen, Wände, Türen, Schachteln, Veranstaltungsprogramme, Koffer, Bäume, Straßen, Kübel, Schreibtischlampen, Geschirr, Hauswände, Steine...
Er hat einen Kosmos von Göttern, Halbgöttern, Teufel, Engeln, Marien, Geistern geschaffen, synkretistisch viele Religionen einbezogen. In diesem Kosmos bezieht er sich selbst ein, 'Adolfe', verschiedene Bundespräsidenten, den 'Hofrat' (Navratil), seine Mutter, seine Großmutter, Anstaltspatienten, Pfleger, Bekannte.
Er hat sich einen Sprachkosmos aus diversen Sprachen zusammengesetzt und einen Kosmos der politischen Zeichen und Kürzel, Hammer und Sichel, Hakenkreuz, Kreuz, Rune, KPÖ, ÖVP, bis hin zu eigens erfundenen Zeichen und schließlich noch einer vollkommen künstlichen Sprache.
Dem pädagogisch fragenden Primar Navratil erklärt er dazu (zu sehen in der Ausstellung in einer Filmsequenz), weil er nicht gerne rede, verwende er fremde Sprachen und er übersetzt ihm, ohne eine Sekunde zu zögern, eine Reihe seiner häufig vorkommenden Namen, aus diversen Sprachen, z.B. aus dem Thailändischen.
Mit sorgfältig getippter Maschinenschrift und mit der gut lesbaren Schrift eines Volksschülers schreibt er Briefe, Postkarten, Texte, Gebete, Rezepte. Er spielt auf einer Trompete, auf einer Mundharmonika, einer Ziehharmonika.



Es gibt ein von seinem Pantheon an Göttern und wesen besiedeltes Jenseits, ein zeitlich und räumlich imaginiertes ,Außerhalb‘, auch als eine eine Art von Himmel denkbar, bei ihm meist Weltende genannt, aber auch die konkrete Stadt Klosterneuburg mit ihren Gebäuden, Stift, Freibad, Gasthäusern und Gegenden, von denen die Donau, ihre Schotterbänke, die Au, einer der für ihn wichtigsten war.
Das war ein Ort auch meiner Kindheit, die Donau, ihre Nebengewässer, die Aulandschaft. Als Badeplatz für damals Tausende ist das alles verschwunden - aufgrund anderer Badegewohnheiten und wegen der Kraftwerke, die die Flusslandschaft stark verändert haben. Ich erinnere mich an Walla und seine Mutter, an seine bis zu den Knien reichende schwarze (Bade)Hose (Hosen sind ein häufiges Motiv, oft ganz unvermittelt in seine Bilder eingefügt wie enigmatische Chiffren), seine Taschen. Ich dachte, die hätten, wie viele Badende, etwas zu Essen mit. Walla hatte aber immer auch Farben dabei, Malwerkzeug. In einem kurzen Filmausschnitt sieht man, wie er auf einer Schotterbänke gezielt Steine auswählt, den Farbtopf hinstellt und öffnet und die Findlinge mit roter Farbe bemalt, einen rechteckicken Stein mit einem Kreuz. Dann nimmt er eine Art von Bethaltung ein.



Was immer er von den prägenden Erfahrungen, katholischen Ritualen, politischen Parolen, mitbekommen hat, es bleibt rätselhaft, warum manches ihn so sehr geprägt hat, so oft wiederkehrt.
'Die Russen' könnten traumatisierende Erfahrungen ausgelöst haben. Für mich als Kind waren sie sehr nah, mit einer kleinen Truppe stationiert direkt meinem Elternhaus gegenüber, ängstigend, aber, schon kurz vor dem Staatsvertrag, nicht mehr gefährlich. Warum für Walla 'die Russen', aber auch die KPÖ oder Hitler immer wieder vorkommen, dafür scheint es keine Erklärung zu geben. Sie repräsentieren in seiner Welt jene Mächte, Bedrohungen, die man durch (be)Malen und Beschriften bannen konnte.
Wie auch immer, seine Bilder und Texte sind auch ein Kosmos eines angsterfüllten Kindes, da braucht es schon viel Schutz durch viele Götter und durch die Mutter und die Großmutter, die er beide in seinen Zeichnungen - expressis verbis - wieder zum Leben erweckt. Es gibt auch böse Wesen, die alles haben, was nicht grade angenehm ist, spitze Hörner, lange Zungen, feurige Hautfarbe, aber bei Walla haben die immer eine ausnehmend freundliches Aussehen und zur Sicherheit schreibt er dann auch noch dazu, daß sie gut, oder freundlich oder lieb sind. Nur der Tod, der ließ sich offenbar schwer ästhetisch entschärfen, ein Gerippe, wie immer, ist das bei ihm, mit einem Totenschädel, durch keinen Kunstgriff freundlich zu stimmen. Doch selbst der muss sagen dürfen "Bin der brave Tod nur". Mehrfach berichtet in Text und Bild von seiner Drohung mit Selbstmord, vor allem in Zusammenhang mit seinen 'Internierungen', als die er seine Anstaltsaufenthalte erlebt haben muss.



So dichotomisch diese Welt ist, gut/böse, weiblich/männlich, irdisch/jenseitig, eines ist sie nahezu ausnahmslos - friedlich, nicht gänzlich konfliktfrei, aber weitgehend frei von Aggression, Verletzung, Unterdrückung. Im begrenzten Reich eines Zeichenblattes leben alle Wesen einträchtig nebeneinander, bunt, vital, Aufmerksamkeit heischend, meist unverbunden, aber in einer stets austarierten Ordnung. Das ist die Welt, in der er leben konnte und sogar frei war, die Vorurteile, die ihm entgegengebracht wurden, etwa daß er ein ,Idiot‘ sei, spielerisch dreht und wendet und sie dadurch harmlos er macht.
Nur auf einem Blatt, das in der Ausstellung zu sehen ist, ergreift Walla die Initiative, wehrt sich, greift zum Gewehr, schießt auf ein Auto und seine Insassen. Es ist der Rettungswagen, der ihn in die Klinik nach Gugging gebracht hat und das Personal, das ihn abholte. Der Gewehrschuß geht eigentlich vorbei, seltsam abdrehend vor dem Auto, aber das steht dann doch in Flammen, ist ansonsten, wie die freundlich aus den Fenstern blickenden Insassen intakt.
Hellsichtig seine Ängste artikulierend, schreibt er, wie in einer Schlagzeile einer Zeitung oder eines Flugblattes, am frei gelassenen Rand des Blattes erläuternde Zeilen, präzise und unmissverständlich seine Angst und seinen Zorn ausdrückend.
Wunderbar signifikant sind die Porträts, die Walla von den Pflegern und Schwestern, vom Primar Navratil macht. Dominant sind die Insignien und Werkzeuge ihres Berufs, ihres Status, der weiße Kittel mit vielen Taschen, in denen Werkzeuge stecken, der gezückte Bleistift, medizinische Geräte als Insignien der ärztlichen Macht, uniformähnliche Kleider mit Aufnähern in den Farben des Staatswappens, also ,Uniformen‘ des Offiziellen, des Staates.



Anderseits muß man der Gugginger Anstalt und diesem Team von Ärzten und Pflegern zugutehalten, daß sie sich nicht nur um das materielle Wohlergehen von Walla und seiner Mutter gesorgt haben, sondern daß er dort Anerkennung gefunden und Freiräume zum Ausleben seiner bildnerischen Obsession bekommen hat.
Vielleicht hat ja Walla nie etwas 'gefehlt', er hat nur nie das Umfeld bekommen, in dem man Kind sein und heranwachsen kann. Nirgendwo finde ich im Katalog zur Ausstellung eine 'Diagnose' und das ist auch gut so. Ein ,Krankheitsbild‘ würde nichts erklären.
Ich habe keine 'Theorie' zur Person und ihren 'Bildern' oder ob das nun Kunst oder welche oder gar keine ist - und ich will auch keine haben.
Nicht ganz gleichgültig läßt mich, was und wie es gezeigt wird; schon zu Lebzeiten von Walla und anderer, z.T. auf Dauer in der Anstalt behandelten und betreuten Patienten (Navratil beschäftigte sich nur mit Männern), muß es darum gegangen sein (nicht nur bei Walla) die Kreationen zu kategorisieren, zu Kunst werden zu lassen, auszustellen, mit dem, was man gemeinhin Markt- und Museumskunst nennt, zu messen.
Plötzlich gibt es von Walla großformatige 'Tafelbilder', sogar Radierungen, ein 'skulpturales' Werk, kurzum jene Ordnungsobsession, ohne die der Kunstbetrieb und kein Journalismus auskommen kann. Alles wird zum 'Werk', einerseits zum Lebenswerk eines 'Künstlers', andrerseits aber auch zum Werk im Sinn eines abgeschlossenen Stücks, das für sich wirken und ausgestellt werde kann, egal ob es Buchstaben mit Kreide auf Asphalt gemalt sind oder gefärbte Donaukiesel.

Abgesehen vom merkwürdigen Fetischismus, der im Katalog mit Edelreproduktionen und Faksimiles als handle es sich um mittelalterliche Buchmalerei, auf die Spitze getrieben wird - läuft dieses Beharren auf dem Kunstbegriff und seinen Ordnungsmustern nicht diametral dem zuwider, was Walla machte?
Ihm war doch alles mit allem verbunden, eine einzige fließende Bewegung ununterbrochner, keine Begrenzung, weder zeitlich noch räumlich duldende Abarbeitung der Ängste, der Trauer, des Heimwehs, des Widerstandes gegen eine ihm von Anfang an fremde und feindselige (Um)Welt.
In der Ausstellung aber ist alles Bild und Rahmen, Ding und Sockel, selbst seine Werkzeuge werden zu kunstvollen Objekten, und vorgezeigt wie kostbare Objekte.
Die Ausstellung ist 'schön', klug gestaltet, die Beschriftung knapp, informativ, man hat Wallas Zeichen, Bruchstücke aus Texten und seine Kunstsprachen-Sätze an Wände appliziert, um die Gliederung durch die Räume zusätzlich zu unterstützen, man hat eine eigene FUTURA-Variante kreiert und der Schau Zitate als eine Art von Interpunktion  unterlegt.
Dabei läuft man Gefahr, in dieser Art von Gesamtkunstwerkhaftgkeit, Wallas Universum in Eigenregie als Idee weiter zu verwenden oder sogar weiter auszubauen, neu zu mischen, und das geht dann wohl schon ein wenig über das Tolerierbare hinaus. 


Ich habe mich auch gefragt, ob der Enthusiasmus, mit der eine so außergewöhnliche Person gewürdigt wird, es rechtfertigt, auch alles zu zeigen, oder ob nicht manches Foto, manches biografische Detail, mancher Kommentar oder tief persönliche Äußerung nicht aus schierem Respekt hätte im Archiv oder Depot bleiben sollen. Wird nicht unter den Bedingungen einer Ausstellung in einem öffentlichen Museum gerade die so schwierig zu definierende und einzuordnende 'Kunst' zu leicht zum Gegenstand recht fragwürdiger Anmutungen und Interessen?
Mir bleibt: eine sehr beeindruckende Ausstellung, eine Begegnung mit einem Stück eigener Kindheit und mit einem wunderlichen Werk eines außergewöhnlichen 'Kindes'.

Freitag, 10. August 2012

Israel-Exkursion. Zeitgeschichte im Museum.

Die im Rahmnen der Museumsakademie Joanneum geplante, von dieser aber abgesagte Israel-Exkursion kommt nun auf Initiative von Felicitas Heimann-Jelinek und Michaela Feuerstein-Passer zustande.

Es werden weitere InteressentInnen gerne noch aufgenommen. Falls Sie Interesse haben, wenden Sie sich bitte an: Michaela Feuerstein-Passer, feurstein@cp-architektur.com



EXHIBITAT ausstellen - forschen - vermitteln

Israel - Zeitgeschichte im Museum


Exkursion
21. – 25. Oktober 2012, Israel

Welche Positionen nehmen Museen in einem Staat ein, dessen Gründung und Geschichte untrennbar mit dem größten Genozid, mit Flucht und Immigration verbunden ist, dessen Entstehung von politischen und militärischen Konflikten begleitet war und gegenwärtiger Alltag nach wie vor von Gewalt und Terror geprägt ist?
In kaum einem anderen Land ist die Musealisierung der eigenen nationalen, sozialen und kulturellen Geschichte eine so große und verantwortungsvolle Herausforderung wie in Israel. In kaum einem anderen Land liegt die Sichtbarmachung von Identitätskonstruktionen und -dekonstruktionen so sehr in der Hand von Bildungseinrichtungen wie hier.
Und in kaum einem anderen Land wird wie in Israel in den Museen um konträre Geschichtsbilder gerungen und werden diametral entgegengesetzte Narrative zur Disposition gestellt. Welchen Beitrag aber können staatliche Einrichtungen tatsächlich zur Lösung interner und externer, politischer, gesellschaftlicher und religiöser Probleme leisten? Ist konstruktives, mehrseitiges Handeln seitens der verantwortlichen Leiter/innen, Kuratorinnen/Kuratoren und Vermittler/innen möglich? Und welche Aussicht auf Erfolg hat diese Mehrseitigkeit?
Wir gehen diesen Fragen in einer viertägigen Erkundungstour durch israelische Museen, in Ausstellungsbesuchen und Stadtrundgängen, in Gesprächen mit Museumsverantwortlichen, Kulturschaffenden und Wissenschafterinnen/Wissenschaftern nach.

Konzeption
Felicitas Heimann-Jelinek, freie Kuratorin, Wien (A), Lehrbeauftragte an der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg bzw. am Institut für Judaistik der Universität Wien
Veranstaltungsleitung
Michaela Feurstein-Prasser, freie Kuratorin und Vermittlerin, Wien (A)
Felicitas Heimann-Jelinek, freie Kuratorin, Wien (A), Lehrbeauftragte an der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg bzw. am Institut für Judaistik der Universität Wien


Programm
Sonntag, 21. Oktober 2012
Anreise der Teilnehmerinnen und Teilnehmer
18.00 Programmvorstellung und organisatorische Informationen
Treffpunkt: City Hotel, Tel Aviv

Montag, 22. Oktober 2012 - Jerusalem Israel Museum
o Israeli Art exhibition & Judaica and Ethnography exhibition
o Archaeology exhibition & Shrine of the book o Fakultativ: Besuch der Sonderausstellung „A World Apart Next Door - Glimpses into the Life of Hassidic Jews” und des Skulpturen-Gartens Rückfahrt nach Tel Aviv, Abend zur freien Verfügung

Dienstag, 23. Oktober 2012 - Tel Aviv Palmach Museum Tel Aviv Museum of Art Etzel Museum Independence Museum Abends (fakultativ): kleiner Umtrunk beim Sammlerehepaar Lisa und Bill Groß

Mittwoch, 24. Oktober 2012 - Western Galilee/Tel Aviv Beit Alpha Ausgrabungen En Harod, Museum of Art Späterer Nachmittag: Stadtführung Tel Aviv

Donnerstag, 25. Oktober 2012 - Jerusalem Herzl Museum Yad Vashem Museum on the Seam
ca. 18.00 Rückkehr nach Tel Aviv ca. 19:30 Feedbackrunde, anschließend fakultativ gemeinsames Abendessen

Donnerstag, 9. August 2012

Schaufeln nun die Museen ihr eigenes, digitales Grab?

Vom New Museum in New York behauptet man neuerdings, daß es das erste renommiertes´ Haus für internationale Gegenwartskunst ist, das eine rein digitale Ausstellung anbietet, regelmäßig (monatlich) und nur im Netz.
Eine Revolution?
Na ja.
Der Image Atlas der Künstlerin Taryn Simon kann etwas, aber das ist nicht sehr aufregend. Für  Länder, die man aus einer Auswahl festlegen kann (Achtung: Partizipation!) kann sich der 'Besucher' der der Webseite imageatlas.org zu einem eingegebenen Wort die ersten fünf Bild-Treffer bei Google anzeigen lassen.
Wahnsinnig viel gibt das nicht her und der beschworene interkulturelle Vergleich, der einem als Surplus angedient wird, ist ein wenig läppisch und sehr mager.
Eher ein Kaltstart als eine Revolution.

Schmunzelkunst vom Yedi-Artist

Gestohlen von Facebook / Denis Zacharopulos: John Baldessari (American, b. 1931). Tips for Artists Who Want to Sell, 1966-68. Acrylic on canvas. 68 x 56 1/2 in. (172.7 x 143.5 cm).

Weihnachtsgrüße (Texte im Museum 306)

Kärntner Handwerksmuseum Baldramsdorf

Dienstag, 7. August 2012

Gegen den multimedialen Irrsin. Aber gibt es ein 'Zurück' zum 'guten alten Museum'?

6.Jahrhundert, bitte hinhören
"Gegen den multimedialen Irrsinn" in den Museen schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung an, in gleich drei, zum Teil älteren Essays, die ich ,gesammelt‘ habe und deren Autoren sich aber erfreulicherweise nicht restlos einig sind in ihren Verdammungsurteilen. Die Artikel sind einerseits recht informativ, es werden konkrete Museen und konkrete Projekte genannt und auch Erfahrungen referiert. Und es werden Schlüsselfragen diskutiert, ohne daß ein apodiktisches und eindeutiges Urteil übrigbleibt: das Problem der sprachlichen (textlichen) Erläuterungen, bei neueren Geräten auch Bilder, die in Konkurrenz zum Ausstellungssehen treten, die Schaffung von Distanz, die Unterbindung der Kommunikation der Besucher untereinander und last but not least die Tendenz, Medien zu nutzen, um Dinge (restlos) zu erklären. Dagegen halten die Autoren symphatischerweise am Fragen fest, wenngleich Besucher offenbar die 'neuen' (na ja, 'neu', Audioguides gibt es seit etwa 1950) Medien gerade deswegen suchen. Als Unterstützung beim Verstehen, als Trost im Alleingelassensein mit den Objekten.
Wo die AutorInnen auf den sozialen Elitismus der Kunst- und Museumsbetrachtung zu sprechen kommen, als einst romantisch gepflegten Modus der Begegnung mit dem Authentischen, werden die Grenzen einer Museumspolitik des 'zurück' (zum 'Eigentlichen' des Museums) schnell sichtbar. Das Vitrinenmuseum ist kaum der Ausweg aus den Dillemata des Ausstellungsmachens und Museumsbetreibens in Zeiten multipler Krisen.
Ein vierter Artikel, ein sehr umfangreicher Essay, diskutiert diverse Strategien, die Museen Jenseits des Alltags und des Mainstreams versuchen. wiederum ist das ein recht informativer Artikel, leider letztlich unentschlossen und zuwenig trennscharf in der Beschreibung der Widersprüche. Aber ein Essay ist nun mal kein wissenschaftlicher Aufsatz und man darf der Zeitung dankbar sein, für einen solch einen über langen Zeitraum hinweg betriebenen intensiven Debattenanstoß.

Melanie Mühl: Für das analoge Museum. Verteidigung des Schaukastens. FAZ, 6.August 2012 (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/fuer-das-analoge-museum-verteidigung-des-schaukastens-11844685.html)

Julia Voss: Audioguides. Der Betrachter ist im Ohr. FAZ 24. August 2009 (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/audioguides-der-betrachter-ist-im-ohr-1635067.html)

Swantje Karich: Zukunft der Museen. Holt die Bilder ans Licht!. FAZ, 2. April 2011 (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/2.1782/zukunft-der-museen-holt-die-bilder-ans-licht-1619827.html)

Sonntag, 5. August 2012

Ein inkompententer Dialog? Daniel Spoerri im Naturhistorischen Museum in Wien

Ein Möbelstück in einem Kunstgewerbemuseum, ein Fahrzeug in einem Technischen Museum, ein Totem in einem Völkerkundemuseum können ohne Eingriff in ihre materielle Integrität ein Museumsdasein fristen. Ins Naturmuseum aber kommen Dinge, deren soziales wie semantisches Leben ebenso zu ende gegangen sein muß, wie deren biologisches. Dazu ist aber hoher artifizieller Aufwand nötig, weil dort dem Verfall des Stofflichen Einhalt geboten werden muss, um etwas als Exponat zeigen- und das auf Dauer - oder als Objekt deponieren zu können. So ,lebendig‘, wie es nun einmal war. (1) 

Der Gemeinplatz, daß es das Museum mit dem Tod zu tun hat, der alltagssprachlich in der pejorativen Verwendung von 'museal' ziemlich tief sitzt, der aber ein Gemeinplatz der Theorie und nicht der musealen Praxis ist, die dieses Faktum verdrängt, gilt nirgendwo so sehr, wie in den sogenannten Naturmuseen. (2)

Die Konservierung, deren Techniken biologisches 'Material' zu erhalten, seit der Mitte des 16. Jahrhundert entwickelt wurden - wovon eindrucksvolle Beispiele in den ältesten tradierten Natursammlungen zeugen, etwa denen der Universität Bologna -, ist nur der erste Schritt. Um Naturhaftigkeit zu erzeugen, bedarf es meist einer Rekonstruktion, Ergänzung, Formung oder gar Inszenierung.

Naturmuseen erzeugen daher oft ein mehr oder minder ausgefeiltes Ambiente. Ein Sandboden kann genügen, um die Illusion eines Meeres zu erzeugen und am anderen Ende der Skala der Illusionstechniken (die diesen Museumstyp verwandt macht mit den ältesten und populärsten Schaustellungspraktiken) stehen komplette Szenen, (3) nahezu naturidente Ausschnitte einer Lebenswelt, bei der selbst  die Perspektivität und Räumlichkeit der Wahrnehmung - wie z.B. im Diorama - erzeugt wird.

Das Naturmuseum ist deshalb in gewissem Sinn künstlicher als alle anderen Museumstypen, nicht nur weil es großen Aufwand an Konservierung und Präparation (4) erfordert, sondern weil der Schein ,authentischer‘ Natur aufrecht erhalten werden soll und gleichzeitig der Aufwand der nötig ist, diesen Eindruck zu erzeugen, nicht offensichtlich werden darf.

Dem Naturmuseum hilft dabei, daß wir generell dazu neigen, alles an Gestell, das zum Zeigen, zum Zu-Sehen-Geben im Museum nötig ist, zu 'übersehen'. All die Sockel, Vitrinen, Bühnen, Lichter uvam. blenden wir aus. So dürften wir wie viele Besucher gar nicht recht registrieren, wie groß die Diskrepanz zwischen einer zur 'Familie' zusammengestellten Löwengruppe auf einer angedeuteten Landschaft zur historischen Vitrine aus der Gründerzeit des Museums ist, in der diese Gruppe ihren theatralischen Auftritt hat.

Verschleiert wird der hohe Aufwand im Namen einer ordnenden und klassifizierenden Wissenschaft, die es mit Natur, der sie diese Klassifikation als ihr immanente zu entnehmen glaubt, und mit nichts anderem zu tun haben will.

Eine Konsequenz dieser Spaltung in rationale Ordnungswissenschaft einerseits und ,lebensweltliche‘ Darstellung andrerseits, die selbst ein Museum, das so sehr wie das Wiener von wissenschaftlichen Ordnungssystemen geprägt ist, ist zum Beispiel die Trennung von Sammlung und wissenschaftlicher Arbeit einerseits vom Ausstellen und den nötigen Zurichtungen der Dinge zu Exponaten sowie von der Pädagogik bzw. Vermittlung andrerseits. Daß das Naturhistorische Museum in Wien das erste Bundesmuseum mit einer eigenen Vermittlungsabteilung und einem großen, der Vermittlung reservierten Saal mitten in den Dauerausstellungen war, verstehe ich als Konsequenz der genannten 'Spaltung'.

Bei einem Gang durch das Wiener Museum quert man heute mehrere sehr unterschiedliche Museen, in denen man spürt, wie groß die Versuchung ist, den popularen Schaustellungstechniken im Interesse eines Publikums nachzugeben, das über einschlägige Formate in Kino, TV oder Computeranimationen längst raffinierteste 'Animationstechniken' bzw. im Namen authentischer Bilder die Natur manipulierende Filme gewohnt ist. Wahrscheinlich wird von Besuchern auch erwartet, daß im Museum etwas Adäquates zu sehen ist, während die Verpflichtung auf wissenschaftliche Korrektheit und Kriterien noch bleischwer an den Sammlungen hängt und von den Kuratoren verteidigt wird.

Im Sauriersaal, der jüngst neu gestaltet wurde, kann man den Zwiespalt der Haltungen gut studieren. Es fanden sich hier ohnehin schon, ohne daß einem das bewußt werden musste, Originale Fundstücke, Faksimiles (Abgüsse) und Rekonstruktionen, deren oft sehr hoher spekulativer Anteil nicht so ohne weiteres gewusst werden kann und soll und dementsprechend zurückhaltend kommuniziert wurde und wird. Neu im Saal ist aber nun eine Art Puppe, ein Saurier, der ein wenig den Kopf drehen und brüllen darf, dezent, fast lieb und daher von fragwürdiger Konkurrenzfähigkeit zu Jurrasic Parc.
So geht das Museum mit seinem Widerspruch (5) um, unsicher, unentschlossen, kompromissbereit, notwendgerweise inkonsequent, experimentell.

*


Wenn ein Künstler wie Daniel Spoerri im Naturmuseum auftritt, kann man sicher sein, daß er es partiell wieder in einen Ort des Staunens verwandelt, indem er ihn zu einem Ort des Changierens der Dinge, ihrer Formen und Bedeutungen macht und die Grenze zwischen 'Natur' und Kunst sowie der dem Naturmuseum eigentümlichen Künstlichkeit zwar nicht ignoriert, aber sie verschiebt, thematisiert, bewußt macht, wieder verwischt. Plötzlich tauchen alle stillschweigenden, dem Museum zugrundeliegenden Techniken und Riten, wieder ins Licht der Reflexion, das Sammeln, Auflesen, Zusammenstellen, Benennen, Ordnen, Hierachisieren, Vergleichen. 

Ein ganzes Jahr lang stöberte Spoerri, begleitet von zwei Mitarbeitern des Hauses, Margit Berner und Reinhard Golebiowski, in den Speichern und Depots, in den Arbeitsräumen und Schausälen, er erhielt überall Zugang, aber, mit einer Ausnahme, nie das Recht, Objekte 'anzutasten'. Das Museum, auch das Naturmuseum, das ja so viel beherbergt, was ja ohnehin längst Artfakt ist, wacht dennoch über keinem Tabu strenger als über dem der materiellen Unversehrtheit. Was in Kunstmuseen oder historischen Museen im Namen einer potentiellen kulturellen Bedeutung geschieht, die es offenzuhalten gilt, betreibt das Naturmuseum im Interesse ihrer Erkenntnismöglchkeiten. ,Sachbeweise‘ werden dauerhaft für künftige methodische und heuristische Innovationen zur erneuten Befragung bereitgehalten, nicht unbedingt aber um als kulturelle Bedeutungen im öffentlichen und sozialen Raum Museum kommuniziert zu werden.

Man sieht es der Ausstellung  „Daniel Spoerri im Naturhistorischen Museum“ (Zur Webseite des Naturhistorischen Museums: http://www.nhm-wien.ac.at/presse/daniel_spoerri_im_naturhistorischen_museum) an, daß auf Ihre Vorbereitung so viel Zeit verwendet wurde. Vor allem im Vergleich mit den teilweise problematischen Ausstellungen, die Spoerri in Österreich gemacht hat, seit er hier lebt, ich meine die in Krems („Alles war sehr gut und lustig. Pensionärs-Avantgarde von Spoerri und Brock in der Provinz. Hier: http://museologien.blogspot.co.at/2010/02/alles-war-sehr-gut-und-lustig.html)  und Graz („Grazgeflüster. Ein Musée sentimental, hier: http://museologien.blogspot.co.at/2011/12/grazgefluster.html) , fällt die ungleich reichere Entfaltung von Ideen, die größere Sorgfalt der Konzeption und Ausführung auf.

Die Ausstellung ist ein Kompositum aus älteren Werken Spoerris, Objekten, die er inspiriert von den Museumssammlungen neu gemacht hat, Arrangemts aus Museumsdingen, an denen sowohl er als auch die genannten Kuratoren beteiligt waren. Die relativ große Ausstellung wurde letztendlich nach der der Museumsordnung zugrundeliegenden fachlichen Gliederung, Zoologie, Mineralogie, Botanik usw., gegliedert, verhält sich aber dazu sowohl experimentell-ästhetisch als auch museologisch-reflexiv.

Die Ausstellung fasziniert mit etwas, was man von Sporrri schon kennt, von der überbordenden Phantasie eines physiognomischen Blicks, der Dingen innewohnende Eigenschaften erkennt und ihr Potential für ein Neuaragement, für eine Art von Reanimation, die nichts mit der musealen des Naturmuseums zu tun hat, aber auch etwas abwirft für das Sichtbarmachen seiner Mechanismen. Spoerri hat sich den unbefangenen und staunenden Blick bewahrt, der Dinge jenseits kodifizierter Bedeutungen wahrzunehmen bereit ist und er versteht es, den Besucher mit demselben Blick zu belehnen.

Spoerris Misch- und Fabelwesen sind in erster Linie ästhetisch faszinierend lassen sich aber in gewissen Grenzen auch im Kontext kultureller Bedeutungen lesen. Ein Teil der Faszination hat wohl auch mit Spoerris Respekt vor den Dingen zu tun und mit der Neugier, mit der er der dahinterstehenden wissenschaftlichen aber auch etwa präparatorischen Arbeit umgeht. Spoerris 'Reanimationen' sind subtil, sie gelten allem, was im Museum Ding geworden ist, dem Meteorit oder der Muschel ebenso wie dem Waffeleisen oder der Möbelzierleiste. Animistisches Denken wie im Märchen läßt die Dinge ein spukhaftes Dasein zurückgewinnen, bedrohlich, schrill, skurril, drollig, rätselhaft. Manchmal zielt das direkt auf die Techniken und Riten des Naturmuseums. Galvanisierte Tiere z.B. erhalten eine vermeintlich ewig haltbare Plastizität aber auch eine unheimliche Lebendigkeit durch ihre das Licht reflektierende metallene Oberfläche.



Seine Arbeit ist die Schaffung einer Art von zweiter Natur, die darin vielleicht im Grundsatz mit der artifiziellen Museumsnatur einer solchen Institution eng verwandt ist, aber er kommt zu ganz anderen Resultaten. Was dabei an Kritik, Analyse der institutionellen Praktiken und Riten abfallen könnte dürfte ihn weit weniger interessieren, als die ästhetische Faszination. Darin unterscheidet er sich prinzipiell von Mark Dion (Siehe „Das Büro zur Fernüberwachung von Wildtieren oder Warum gibt es kein Naturmuseum?“. Hier: http://museologien.blogspot.co.at/search?q=Dion), dessen 'Naturmuseen' weit über das Museum hinaus den gesellschaftlichen Umgang mit Natur und auch damit die Verfasstheit des Naturmuseums zur Disposition stellt. Diese explizit kritische Haltung ist Spoerri fremd, wenngleich er genauso witzig und ironisch sein kann wie Dion.

Was daran an Kritik dennoch abfällt und die Verunsicherung, die davon dem Selbstverständnis eines Wissenschaftsmuseums drohen könnte, begegnet man mit einer räumlichen Separierung und einer gedanklichen. Die Ausstellung wird als ,Sonderschau‘ in getrennten Räumen und nicht etwa als Intervention in der Dauerausstellung präsentiert - Spoerri ist "Kunst" im und für das Haus und nur unter diesen Bedingungen kann und darf sie Gastrecht bekommen. Die Grenzen, die man Spoerris Arbeit setzte, sichern das Museum vor jeder Art der Kontamonation. Dabei wäre vor allem der Prozess selber und dann auch das Resultat, die Ausstellung, eine Chance der institutionellen Selbstbefragung gewesen.

Statt das anzustreben einigte man sich auf eine Art von Stillhalteabkommen mit dem Untertitel der Ausstellung, „Ein inkompetenter Dialog?“. Das Fragezeichen läßt dem Museum das durch das Fragezeichen diplomatischen gemilderten Vorurteil, daß jeder ein Laie, Dilettant ist, der sich nicht der Kriteriologie der Institution unterwirft, während das Fragezeichen für Spoerri das Schlupfloch ist, durch das er seine Kompetenz als Künstler, Zauberer, Erzähler, Arrangeur, Sachensucher, Sammler dennoch ins Museum schmuggelt. (6)

*


Museen sind extrem geschickt und zäh im Festhalten an den Mißverstandnissen, die sie ihrem eigen Tun entgegenbringen. Das gilt ganz besonders für das Naturmuseum. Naturwissenschafter haben meist wenig Verständnis dafür, daß Ausstellungen (wenn es nicht bloß dienstbare Maschinerien zur Propagierung ihrer Forschungsergebnisse sind) kategorial etwas anderes sind als Wissenschaft im Sinne ihrer eigenen Tätigkeit (7), daß das ,museale Zeigen‘ anderen, komplexen Gesetzen unterworfen ist und auch anderen Zielen dient als nur der ,Darstellung‘ von ,Natur‘ und ihrer Erforschung. Selbst der ohnehin milde und respektvolle ,inkompetente Dialog‘, den Spoerri führt, wird aufmerksam in Schranken gehalten.

Dabei wankt die Bastion Naturmuseum längst und es wird nicht lange dauern, bis sich der jetzt noch teddybärenhafte Museumssaurier nicht nur wie im Youtubevideo auf die Jagd nach kleinen Kindernmacht, sondern auf die nach großen Kuratoren...

Das Buch zur Ausstellung, zweisprachig und bibliophil sowie sehr schön bebildert: Daniel Spoerri im Naturhistorischen Museum - ein inkompetenter Dialog? Kerber Art. Bielefeld und New York 2012

Parallel zur Ausstellung zeigt Daniel Spoerri eine von ihm kuratierte in seinem Ausstellungshaus (siehe: http://museologien.blogspot.co.at/2012/07/eat-ab-art-daniel-spoerri-in-hadersdorf.html) in Hadersdorf am Kamp, „Natürlich Natur? Paralipomena“, zu der es eine - ebenfalls sehr schön gestaltete - (gleichnamige) Begleitpublikation gibt.

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1) Jedes Museum hat es mit ,Lazarisation‘ zu tun. Das größte Problem, das glaubwürdig zu inszenieren, hat verständlicherweise das Naturmuseum. Ein spektakulräses Beispiel für die Ambivalenz von musealem Tod und musealer Auferstehung ist der große Zug der Tiere - ins Museum als Arche Noah als letzte Rettung oder aus dem Museum als Bewegung zur Erlösung vom Museum bleibt offen. Siehe: http://museologien.blogspot.co.at/2010/07/der-zug-der-tiere-im-pariser-museum-d.html   
Die Verlebendigung kann freilich in der Übertreibung scheitern, siehe: http://museologien.blogspot.co.at/2010/06/spazierganger-museumsphysiognomien.html

2) Es gibt aber auch das Naturmuseum, das einen mit beispielloser Direktheit mit Tod und Sterblichkeit konfrontiert gerade weil es es seine Ordnung wie skelettiert zeigen möchte. Suehe: http://museologien.blogspot.co.at/2010/01/musee-des-mondes-perdu.html

3) Früheste Naturmuseen trieben einen Illusionierungsaufwand, der heutige Inszenierungen in nichts nahesteht, beziehungsweise sie überbietet. Vom Naturalienkabinett, dem Vorläufer des Naturhistorischen Museums in Wien, existiert eine ausführliche Beschreibung, die belegt, daß es schon kurz nach 1800 um die Schaffung ganzheitlicher ,Bilder‘ und ,Biotope‘ ging. Willson Peales Museum in Philadelphia, das als ältestes der USA gilt, wurde von seinem Autor nicht nur mit sorgfältig inszenierten Szenen ausgestattet, zeitgenösische Beschreibungen berichten von erfindungsreichen Maschinerien zu filmähnlicher Bildprojektion, von echtem Wasser und technisch erzeugter Hintergrundmusik. Peales wunderbares Selbstporträt - vor seinem Museum, dessen ,Vorhang er lüftet‘ -, kann man als ingeniöse Auseinandersetzung mit der hier diskutierten Dialektik von Mortifizierung und Lebendigkeit lesen. Hier: http://museologien.blogspot.co.at/search?q=Peale

4) Präparatoren haben ein ausgeprägtes Selbstbewußtsein von ihrer Tätigkeit als Kunstfertigkeit. Siehe: http://museologien.blogspot.co.at/2012/07/ausgezeichnet-texte-im-museum-000.html

5) Der Widerspruch schlägt sich im Wiener Museum sogar in der Möblierung nieder. Siehe: http://museologien.blogspot.co.at/2012/07/mikromuseum-evolution-des.html

6) „Die Regeln des Museums sind dazu da, um gebrochen zu werden“, schreibt Alberto Manguel in seinem lesenswerten Essay zum Sammeln und Ausstellen, hier: http://museologien.blogspot.co.at/2010/03/dracheneier-und-phonixfedern-das-museum.html

7) In den Worten des derzeitigen Direktors hier: http://museologien.blogspot.co.at/2010/05/saurier-und-forschung-noch-einmal-wie.html und hier: http://museologien.blogspot.co.at/2010/05/da-bekommt-die-mineralogie-sofort.html