Etwa 10 Jahre Vorbereitungszeit und 100 Millionen Euro Kosten soll die Ausstellung "Kunst der Aufklärung" verbraucht haben, die die Bundesrepublik Deutschland im Nationalmuseum Peking derzeit zeigt.
Vor allem die Haltung der Leiter der beteiligten deutschen Museen zur kurz nach der Eröffnung erfolgten Verhaftung des Künstlers Ai Weiwei, beschäftigte die deutschen Medien lange, ausführlich und aufgeregt (hier eine Zusammenstellung der facettenreichen Diskussion).
Es wurde aber auch nach der Sinnhaftigkeit einer Kunstausstellung gefragt, die einen kulturhistorisch und politisch zentralen und europäisch geprägten Begriff nach China exportieren wollte, ohne sich recht auf den aktuellen Kontext des Gastgeberlandes einzulassen.
Die Instrumentalisierung der Kultur für vorrangige diplomatische, wirtschaftspolitische und machtpolitische Interessen war offensichtlich.
Nach langem Schweigen der Medien widmet sich eine Glosse in DIE WELT (hier) wiederum der Ausstellung, zunächst mit dem nicht ganz neuen Vorwurf, daß die Schau kaum Publikum anziehe.
Wirklich interessant an dem kurzen Artikel ist aber, daß sich der museale Kontext der deutschen Ausstellung inzwischen verschoben hat. Im Bemühen um die Gunst des Publikums konkurriert sie inzwischen nämlich nicht nur mehr mit den nationalpolitischen chinesischen Ausstellungen, sondern - mit Louis Vuitton.
Diese Ausstellung des französichen und weltweit größten Modelabels der Welt zieht die Besucher an. In Vier Sälen breitet der Konzern (dessen Ausstellung, wie es der Artikel nahelegt, vom Französichen Staat gefördert wurde), seine Geschichte und seine Luxusware aus. Der Korrespondent berichtet, daß dieses Nebeneinander von Kommunistischer Revolution, Aufklärung und Luxuswaren in den Medien diskutiert würde - zustimmend.
Nur die 'Jugendzeitung' habe geschrieben: "Was für ein Gegensatz". Das Museum vereine alles unter einem Dach von Chinas Revolution, seiner Reform bis zum Luxus, "vom Mikrophon, mit dem Mao Tsetung 1949 die Gründung der Volksrepublik ausrief, zum Kugelschreiber, den Chinas erster Astronaut 2003 im All nutzte, zu den Handtaschen, die alle Frauen dieser Welt in den Wahnsinn treiben."
Während sich Deutschland mit Kunst und Aufklärung abmüht, macht Frankreich die Geschäfte lieber gleich und direkt im Museum.
Ausstellungsberichte findet man denn auch kaum auf den Kulturseiten der bekannten Zeitungen sondern in den prominenten Modezeitschriften. Elle z.B. schreibt: "Die Luxusmarke ist der Inbegriff von absolutem Luxus und Eleganz und heute ist Louis Vuitton das größte Modeimperium weltweit.
Aus diesem Grunde widmet das "National Museum of China" der Luxusmarke bis zum 30. August 2011 eine umfangreiche Ausstellung namens "Louis Vuitton Voyages" in Peking. Die Ausstellung zeigt, wie viel Einfluss Louis Vuitton auf die französische Geschichte hatte und was es bedeutet Reisen mit Luxus zu verbinden. Mit einer Pressekonferenz und anschließender Vernissage wurde in Anwesenheit des Vorstandsvorsitzenden Yves Carcelle und Patrick Louis Vuitton, der das Familienunternehmen bereits in fünfter Generation leitet, die Ausstellung eröffnet. Unter den Stücken findet man zum Beispiel ein Koffermodell mit ausklappbarem Bett, das sich der Abenteurer Pierre Savorgnan wünschte, ein Koffer für eine geschwungene Shischa-Pfeife oder für eine Barbie-Puppen-Sammlunug."
Montag, 11. Juli 2011
Samstag, 9. Juli 2011
Freitag, 8. Juli 2011
Schöne Aussichten (2)
Eine andere schöne Aussicht auf künftige Privatisierungsstrategien als die, die anläßlich der "Einbürgerung" von Kunsthallen-Sponsoren in Wien sichtbar ist, bietet Italien, das vom generellen 'Sparkurs' und dem speziellen berlusconischen im Kulturbereich gebeutelt wird. Nach den Hiobsbotschaften wie der vom drohenden 'Zerfall' Pompeis, bietet sich eine rettende Lichtgestalt an. Wo der Staat versagt, springt der Schuhhändler ein. Freilich einer, der Milliarden umwälzt und so ein wenig etwas weglegen kann, um gleich 'alles' zu retten, Pompei, die Mailänder Scala und das Kollosseum. Märchenhaft. Selbstlos ist der Unternehmer nicht, jeweils langfristig laufende Verträge kommen seinem Marketing und so also seinem Profit zugute. Aber wenn damit "Weltkulturerbe" "gerettet" wird...
Wer genauer nachlesen will, kann das in der NZZ Online hier tun.
Wer genauer nachlesen will, kann das in der NZZ Online hier tun.
Schöne Aussichten (1)
Eine Ahnung von der künftigen Entwicklung der "Privatisierung" im Kulturbereich am Beispiel der Wiener Kunsthalle gibt eine ausführliche Darstellung Thomas Trenklers im Standard. Statt die persönlichen Attacken auf den Leiter der Kunsthalle fortzusetzen wird hier unter dem Titel "Es soll von vornherein jeder Anschein vermieden werden, wonach in Österreich gegen Bezahlung ..." dokumentiert, wie der Deal Geld für die Kunsthalle gegen Staatsbürgerschaft betrieben wurde und vom wem.
Dienstag, 5. Juli 2011
Kritik
Der Mistkäfer, habe ich bei Jean-Henri Fabre gelesen, versteckt seine Mistkugel unterirdisch, an der er zwei Wochen ununterbrochen frisst, während er das Verdaute als Humus ununterbrochen auskackt. Das ist die Rolle des Kritikers - er produziert den Nährboden dessen, was wachsen wird. Indem er in rasendem Tempo sortiert - die guten ins Kröpfchen -, beweist er, dass es doch geht, dass man kunstkritisch fressen kann, was man kulturkritisch für unverdaubar erklärt hatte. Wir Mistkäfer widerlegen uns selbst bis zur Erschöpfung. Das naheliegende Ziel wäre, Kunst zu finden, die den Interpreten braucht, und das fernere, Kunst zu finden, die sich selbst genügt. Sagen wir, ein Kabinett der Reflexion: memento mori; Brunnen des Lebens; der Zyklus des Jahres. Miniaturen als Allegorien in der platonischen Höhle. Ein weißer Raum als Themenpark. Alltag und Universum als polare Gewichte.
Ulf Erdmann Ziegler, in die taz 25.6.2011
Ulf Erdmann Ziegler, in die taz 25.6.2011
Montag, 4. Juli 2011
Strafsitzen (Sitzen im Museum)
Nina Gorgus sammelte in ihrem (inzwischen nicht weitergeführten) Blog Sitzgelegenheiten in Museen, eine Studiensammlung zur Soziologie und Ästhetik des Umgangs von Museen mit ihren Besuchern. Ein Objekt von symptomatischer Qualität habe ich unlängst in einem Museum entdeckt, das ich ganz besonders schätze. Es ist keines der Sesselchen, auf das sich Aufseher(innen) quetschen müssen um strickend oder lesend oder vor sich hinstierend die Zeit verbringen müssen, bis der letzte Besucher den Raum verlassen hat. Nein, das ist für den ermüdeten Besucher gedacht, bequem, einladend, ideal zur Ausstellung positioniert. Ein Monument der Mißachtung, ein Anwärter auf den Besucherormissachtungs-Award.
Immer am letzten Stand: Das Jüdische Museum der Stadt Wien
Eben zufällig entdeckt, auf der Webseite des Jüdischen Museums der Stadt Wien unter "Geschichte des Museums":
1995-96 wurde das Palais durch einen Umbau an die Erfordernisse eines modernen Museumsbetriebs angepasst. Im Zuge dieser Neugestaltung erhielt das Museum seine noch immer gezeigte Dauerausstellung mit der “Installation der Erinnerung” im Auditorium, den Hologrammen und dem Schaudepot.
1995-96 wurde das Palais durch einen Umbau an die Erfordernisse eines modernen Museumsbetriebs angepasst. Im Zuge dieser Neugestaltung erhielt das Museum seine noch immer gezeigte Dauerausstellung mit der “Installation der Erinnerung” im Auditorium, den Hologrammen und dem Schaudepot.
Freitag, 1. Juli 2011
Die Dauer des Museums
Die vielen bekannte, derzeit bei ICOM als gültige publizierte Definition von Museum lautet: "A museum is a non-profit, permanent institution in the service of society and its development, open to the public, which acquires, conserves, researches, communicates and exhibits the tangible and intangible heritage of humanity and its environment for the purposes of education, study and enjoyment."
In den Debatten innerhalb von ICOM (1) über eine Erneuerung und Überarbeitung der Definition ist unter anderem der Vorschlag gemacht worden, "permanent" zu streichen.
Pragmatisch ist das verständlich, viele Museen bestehen zwar schon sehr lange und es ist keine Veranlassung an einer zukünftigen langen Lebensdauer zu zweifeln, aber Museen werden selbstverständlich gelegentlich auch geschlossen.
Im Sinn einer möglichst präzisen und knappen Definition ist außerdem Dauer kein Kriterium für das Museum.
Allerdings bezieht sich das Wort Dauer in der Museumsdefinition nicht bloß auf die Institution oder den Ort und das Gebäude sondern auch auf die Sammlung. Wenn man den Sammlungsgegenständen die Eigenschaft der Dauer nimmt, also die einer unabgeschlossen gedachten Zeit, in der sie den besonderen Status von Dingen haben, die weder gebraucht noch verkauft werden dürfen und während der sie erhalten werden müssen, was dann?
Wird es dann möglich, Museen gewissermaßen einer 'Rückabwicklung' auszusetzten, nicht nur das Mobiliar zu Verkaufen, die Immobilie, sondern auch die Sammlung? Könnte dann z.B. ein in Sparnöte geratene Kommune die Auflösung eines Museums oder einer Sammlung unter wirtschaftlichen Prämissen beschließen? Könnten MUseen ihre Sammlung gleichsam verflüssigen, hier etwas ver- dort etwas ankaufen? Könnten sie so ihre Sammlungspolitik ändern und neuen Gegebenheiten anpassen?
Bedenkenswerter scheint mir eine andere Konsequenz. Mit der Eliminierung der Qualität der unbestimmten Dauer, eliminiert man auch die Vorstellung eines dauerhaften - zunächst dinglichen - Gedächtnisses. Die Idee eines jede lebensweltliche Vorstellung von Dauer (Lebenszeit, Generationen etc.) überschreitenden 'technischen Gedächtnisses' des Museums erlaubt eine tröstliche Einschreibung, enthält eine tröstliche Botschaft, die die Kränkung unserer Endlichkeit mildert. Diese Vorstellung entsteht zu Ende des 18. Jahrhunderts auch aber nicht nur im Zusammenhang mit Museen und ist seither eines seiner Strukturmerkmale.
In vielen Museen zeugen Testate - vom einzelnen Objekt bis hin zu ganzen Museumssammlungen mit eigenen namentlich gewidmeten Bauten - vom Wunsch, sich im Museumsgedächtnis einen Platz zu sichern. Aber auch in Hinblick auf kollektive Erfahrungen ist es ja offenbar tröstlich, sie in einem unverletzlichen Speicher - so imaginär diese Idee auch ist, irgendwann erreicht alles eine physische Grenze -, aufgehoben zu wissen.
Die Aufgabe der definitorischen Permanenz (noch ist sie nicht beschlossen) hätte zweifellos Konsequenzen für die gesellschaftlich-kulturelle Rolle des Museums.
(1) Ann Davis u.a. (Hg.): What is a Museum? München 2010
In den Debatten innerhalb von ICOM (1) über eine Erneuerung und Überarbeitung der Definition ist unter anderem der Vorschlag gemacht worden, "permanent" zu streichen.
Pragmatisch ist das verständlich, viele Museen bestehen zwar schon sehr lange und es ist keine Veranlassung an einer zukünftigen langen Lebensdauer zu zweifeln, aber Museen werden selbstverständlich gelegentlich auch geschlossen.
Im Sinn einer möglichst präzisen und knappen Definition ist außerdem Dauer kein Kriterium für das Museum.
Allerdings bezieht sich das Wort Dauer in der Museumsdefinition nicht bloß auf die Institution oder den Ort und das Gebäude sondern auch auf die Sammlung. Wenn man den Sammlungsgegenständen die Eigenschaft der Dauer nimmt, also die einer unabgeschlossen gedachten Zeit, in der sie den besonderen Status von Dingen haben, die weder gebraucht noch verkauft werden dürfen und während der sie erhalten werden müssen, was dann?
Wird es dann möglich, Museen gewissermaßen einer 'Rückabwicklung' auszusetzten, nicht nur das Mobiliar zu Verkaufen, die Immobilie, sondern auch die Sammlung? Könnte dann z.B. ein in Sparnöte geratene Kommune die Auflösung eines Museums oder einer Sammlung unter wirtschaftlichen Prämissen beschließen? Könnten MUseen ihre Sammlung gleichsam verflüssigen, hier etwas ver- dort etwas ankaufen? Könnten sie so ihre Sammlungspolitik ändern und neuen Gegebenheiten anpassen?
Bedenkenswerter scheint mir eine andere Konsequenz. Mit der Eliminierung der Qualität der unbestimmten Dauer, eliminiert man auch die Vorstellung eines dauerhaften - zunächst dinglichen - Gedächtnisses. Die Idee eines jede lebensweltliche Vorstellung von Dauer (Lebenszeit, Generationen etc.) überschreitenden 'technischen Gedächtnisses' des Museums erlaubt eine tröstliche Einschreibung, enthält eine tröstliche Botschaft, die die Kränkung unserer Endlichkeit mildert. Diese Vorstellung entsteht zu Ende des 18. Jahrhunderts auch aber nicht nur im Zusammenhang mit Museen und ist seither eines seiner Strukturmerkmale.
In vielen Museen zeugen Testate - vom einzelnen Objekt bis hin zu ganzen Museumssammlungen mit eigenen namentlich gewidmeten Bauten - vom Wunsch, sich im Museumsgedächtnis einen Platz zu sichern. Aber auch in Hinblick auf kollektive Erfahrungen ist es ja offenbar tröstlich, sie in einem unverletzlichen Speicher - so imaginär diese Idee auch ist, irgendwann erreicht alles eine physische Grenze -, aufgehoben zu wissen.
Die Aufgabe der definitorischen Permanenz (noch ist sie nicht beschlossen) hätte zweifellos Konsequenzen für die gesellschaftlich-kulturelle Rolle des Museums.
(1) Ann Davis u.a. (Hg.): What is a Museum? München 2010
Einst und Jetzt
Sonntag, 26. Juni 2011
Befreiung der Kunst vom Museum
If the walls of the museums were to vanish, and with them their labels, what would happen to the works of art that the walls contain, the labels describe? Would these objects of aesthetic contemplation be liberated to a freedom they have lost, or would they become so much meaningless Tumber?
Jonah Siegel, Desire and Excess: The Nineteenth-Century Culture of Art (2000)
Jonah Siegel, Desire and Excess: The Nineteenth-Century Culture of Art (2000)
Samstag, 25. Juni 2011
Internationale Sommerakademie Museologie. Die Anmeldefrist läuft ab
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Im Juni läuft die Anmeldefrist zur heurigen Sommerakademie Museologie ab. Alle nötigen Informationen hier.
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