Sollen sich Museen aus der Zeitgeschichte raushalten?
Blöde Frage?
Warum tun es dann so viele, warum liegen so viele Themen unaufgegriffen auf der Straße?
Die Schriftstellerin Herta Müller hat in einem offenen Brief die Gründung eines Museum des Exils gefordert.
Begründung?
Es soll einem (von der Deutschen Regierung geplanten) künftigen Museum der Vertreibungen an die Seite gestellt werden. Denn das Exil war Vertreibung.
Müller: "Heutzutage gibt es viele unterschiedliche Zweige der Exilforschung, aber es gibt kein Zentrum, in dem sich anschaulich die heterogenen Erfahrungen des Exils als Teil der deutschen Geschichte zeigen lassen."
Und das Deutsche Historische Museum?
Oder...?
Also, soll es so etwas geben?
Und warum eigentlich ein Museum (und nicht ein Dokumentationszentrum, ein Archiv, eine Forschungsstätte usw.)?
Also noch so eine Frage...
Samstag, 25. Juni 2011
Sonntag, 19. Juni 2011
Museum und Warenhaus (Das Museum lesen 18)
Es gibt Beziehungen zwischen Warenhaus und Museum, zwischen den(en) der Bazar ein vermittelndes Glied schafft. Die Massierung der Kunstwerke im Museum nähert sie den Waren an, die, wo sie sich dem Passanten in Massen darbieten, die Vorstellung in ihm wecken, auch auf ihn müsse ein Anteil daran entfallen.
Mittwoch, 15. Juni 2011
Das verdoppelte Hallstadt
In einer Erzählung von Fritz von Herzmanowsky-Orlando wird die Störung der kosmischen Ordnung geschildert, den der Wunsch der Stadt Scheibbs hervorruft, einen zweiten Donnerstag zu bekommen. Alle Versuche, die Scheibbser umzustimmen und die vorhersehbare globale Zeitenverwirrung abzuwenden, scheitert, selbst das ersatzweise Angebot eines dritten "b" in Scheibbs, bis sich herausstellt, daß die Scheibbser ohnehin nur einen zweiten Markttag wollten.
Nicht ganz so gegen die kosmische Ordnung gerichtet ist das Vorhaben, die kleine in Oberösterreich gelegene Siedlung Hallstadt samt See in China 1:1 zu reproduzieren. Diese hübsche und ausbaufähige Idee stößt in Hallstadt nicht auf Gegenliebe. Namentlich dem katholischen und dem evangelischen Pfarrer ist die Vosrstellung ein Gräuel, 'ihre' Kirchen könnten zu touristischen Sehenswürdigkiten werden. Na ja, vielleicht mit Beschriftung oder Erläuterung... Und wir verstehen: in einem Land, das keine (sichtbaren) Gotteshäuser anderer Religionen dulden will, hat man eine gesteigerte Feinfühligkeit für den Symboltransfer in ein ganz und gar unchristliches (und kommunistisches) Land...
Nicht ganz so gegen die kosmische Ordnung gerichtet ist das Vorhaben, die kleine in Oberösterreich gelegene Siedlung Hallstadt samt See in China 1:1 zu reproduzieren. Diese hübsche und ausbaufähige Idee stößt in Hallstadt nicht auf Gegenliebe. Namentlich dem katholischen und dem evangelischen Pfarrer ist die Vosrstellung ein Gräuel, 'ihre' Kirchen könnten zu touristischen Sehenswürdigkiten werden. Na ja, vielleicht mit Beschriftung oder Erläuterung... Und wir verstehen: in einem Land, das keine (sichtbaren) Gotteshäuser anderer Religionen dulden will, hat man eine gesteigerte Feinfühligkeit für den Symboltransfer in ein ganz und gar unchristliches (und kommunistisches) Land...
Gehört der Krieg ins Museum? Tagungsankündigung
Nach dem auf meinen Wunsch hin erfolgten Ausscheiden aus der Museumsakademie gehörte die Konzeption dieser Tagung zu den letzten Vorhaben im Rahmen der Akdemie, freilich im Auftrag des Geschäftsführers Wolfgang Muchitsch, der auch Leiter des Zeughauses ist.
Zu den einschlägigen Erfahrungen mit dieser riesigen und eindrucksvollen historischen Waffensammlung gehört die aus zeitlicher Distanz gespeiste Neutralität der Betrachtung wenn nicht gar Faszination, die Waffen, Kriegsgerät und der Krieg als solcher auf Besucher ausüben.
Auf der Tagung wird nach Beispielen und Modellen für den Umgang mit Krieg im Museum gesucht. Gottfried Fliedl
Brust eines Feldküriß, Nürnberg 1577/78, Angelo Kaunat |
21.09.-23.09.2011
Tagung in Kooperation mit ICOMAM - International Council of Museums and Collections of Arms and Military history und dem Landeszeughaus Graz
Darstellungen von Krieg und Gewalt in Museen oszillieren meist zwischen der Faszination des Schreckens und seiner Instrumente einerseits, und dem pädagogischen Impuls, Gewalt zu erklären und durch Deutung verarbeitbar bzw. vermeidbar zu machen andererseits. Den Grundfragen nach dem gesellschaftlichen und institutionellen Umgang mit Krieg und Gewalt müssen sich auch einschlägige Museen stellen. Gehört der Krieg tatsächlich ins Museum? Und wenn ja, mit welchen Zielen und Mitteln? Kann das Museum Banalisierung und Ästhetisierung, die Verwandlung von Gewalt, Tod und Trauma in Sehenswürdigkeiten vermeiden? Welche Bilder von Betroffenheit oder Identifikation erzeugt man – und welche wären wünschbar? Lässt sich etwas über die Dialektik von Freund und Feind erfahrbar machen? Das 200–Jahr–Jubiläum des Universalmuseums Joanneum zum Anlass nehmend, diskutieren wir für das Landeszeughaus, historisches Monument und touristische Attraktion gleichermaßen, Möglichkeiten neuer, analytischer und diskursiver Umgangsformen mit dem Krieg im Museum.
Tagungssprache
Englisch
Kosten
Tagung: 140 €, ermäßigt 100 €
Exkursion Stainz: 40 €
Post Conference Ljubljana/Varazdin: 250 €
Im Preis inbegriffen sind Anfahrt, Hotel und Eintrittskarten sowie Führungen.
Mindestteilnehmer/innenanzahl: 10 Personen.
Anmeldung für die Post Conference bis spätestens 31. Juli 2011.
Registration and Information: Museumsakademie Joanneum Schloss Eggenberg Eggenberger Allee 90, 8020 Graz T +43 (0) 316/8017-9805, Fax -9808 museumsakademie@museum-joanneum.at
Bitte melden Sie sich schriftlich per Mail oder Fax an.
mit
Peter Armstrong Creative Development Director, Royal Armouries, Leeds (GB)
Christine Beil freischaffende Kulturwissenschafterin, Heidelberg (D)
Alexandra Bounia University of the Aegean, Mytilene (GR)
Thomas Cauvin Doctoral Researcher, European University Institute, Florence (I)
Robert M. Ehrenreich Director of University Programs, United States Holocaust Memorial Museum, Washington (USA)
Christine van Everbroeck Royal Army Museum, Brussels (BE)
Werner Fenz Director, Institut für Kunst im Öffentlichen Raum Steiermark, Graz (A)
Nina Gorgus Kuratorin, Historisches Museum Frankfurt (D)
Barton C. Hacker Curator of Armed Forces History, Smithsonian Institution, Washington (USA)
Susanne Hagemann (D)
Kristiane Janeke Tradicia History Service, Minsk (BLR)
Patrizia Kern Graduate Programme for Transcultural Studies, Karl Jaspers Centre Heidelberg (D)
Helmut Konrad Universität Graz, Institut für Geschichte, Graz (A)
Wolfgang Muchitsch Director Universalmuseum Joanneum, Graz (A)
Carol Nater Director, Museum Altes Zeughaus, Solothurn (CH)
M. Christian Ortner Director, Heeresgeschichtliches Museum, Wien (A)
Gorch Pieken Director of Exhibitions, Collections and Research, Bundeswehr Museum of Military History, Dresden (D)
Sandrine Place Royal Army Museum, Brussels (BE)
Ralf Raths Deutsches Panzermuseum Munster (D)
Per B. Rekdal Senior Advisor, Museum of Cultural History, University of Oslo (NOR)
Theopisti Stylianou-Lambert Cyprus University of Technology (CY)
Sandra Verhulst Royal Army Museum, Brussels (BE)
Jay Winter Yale University, Department of History (USA)
Vladimir Ivanovich Zabarovskiy Director of the Museum of the Great Patriotic War, Moscow (RUS)
21.09.-23.09.2011
Conference in cooperation with ICOMAM - International Council of Museums and Collections of Arms and Military history and the Styrian Armoury, Graz Registration required!
Representations of war and violence in museums mainly oscillate between the fascination of terror and its instruments, on the one hand, and the educational initiative to explain violence and by explaining it to make it possible to come to terms with it and to avoid it, on the other. These museums must also confront fundamental questions of how society and institutions deal with war and violence. Does war really belong in the museum? And if it does, with which means and to what ends? Can the museum avoid trivializing and aesthetising war, of transforming violence, death and trauma into attractions? What images of consternation and identification are created – and which would be desirable? Is it possible to offer an experience of the dialectic of friend and foe? On the occasion of the 200-year anniversary of the Joanneum Universal Musuem, we will discuss possibilities for the Armoury of the State of Styria, both a historical monument and tourist attraction, to develop new, analytical and discursive ways of dealing with war in the museum.
Conference language is English.
Costs Conference: 140 €, reduced price 100 € Excursion Castle Stainz: 40 € including the visit of a Styrian “Buschenschank” Post Conference Ljubljana/Varazdin: 250 € Including Hotel, Coach and Entrance Fees. Minimum 10 Particpants.
Registration required until July 31st.
Program see below
Registration and Information: Museumsakademie Joanneum Schloss Eggenberg Eggenberger Allee 90, 8020 Graz T +43 (0) 316/8017-9805, Fax -9808 museumsakademie@museum-joanneum.at
Bitte melden Sie sich schriftlich per Mail oder Fax an.
Montag, 13. Juni 2011
Marcel Broodthaers: Museum Museum *1971* (Museumsphysiognomien 13)
Marcel Broodthaers: Museum – Museum, 1972
Zwei Siebdrucke mit je 16 Goldbarren auf schwarzem Grund, die Goldbarren scheinbar identisch, aber individuell, wie Illustrationen oder Objekte beschriftet. Links mit Namen berühmter Künstler, Mantegna, Bellini ... Duchamp, Magritte usw., unter der untersten Reihe der Goldbarren: IMITATION, KOPIE, COPIE, ORIGINAL. Das Gegenstück rechts mit Butter, Speck, Kanone, Fleisch, Schokolade, Kupfer, Zucker, Blut, Puder, Benzin, Gold, Tabak und wiederum abweichend in der untersten Reihe IMITATION, FALSCH, KOPIE, ORIGINAL.
Beide Blätter sind in Blockbuchstaben ‚übertitelt’ mit MUSEUM.
Die Goldbarren werden uns nicht wie in einer Bank, einem schließfach präsentiert, sondern als Tableau, wie in einer zoologischen oder mineralogischen Sammlung. Sie sind sorgfältig angeordnet und präzis ausgerichtet.
Es geht um Ordnung, die symbolische Ordnung der kulturellen Werte, repräsentiert durch die Namen bedeutender Künstler, also die ‚Ordnung des Museums’. Das ist im Kunstmuseum die Ordnung der Kunstgeschichte, die Chronologie der Stile und Schulen und die Hierachie der großen Namen. Das ist eine Ordnung, die das Museum hervorgebracht hat, die aber auch durch das Museum repräsentiert wurde und wird.
Es geht um eine sichtbare Ordnung, um die ‚Präsentation’ der Goldbarren als eine Art von gezeigter, ausgestellter Sammlung von ‚Werten’. Die Ordnung scheint visuell zwingend, klar, von Gleichwertigkeit und Gleichzeitigkeit bestimmt, auch das ein Strukturmerkmal des Museums, aber die ‚Objektbeschriftungen’ entpuppen die Ordnung als zufällig, ausgewählt, willkürlich. Wir könnten jederzeit die Namen austauschen durch andere – und wer hat hier überhaupt ausgewählt?
Auf dem linken Siebdruck geht es um jene Werte, die das Museum ausmachen, um symbolische, immaterielle, kulturelle Werte. Um ‚bedeutende’ Künstler, um ‚bedeutende’ Kunst, deren ‚museale Sehenswürdigkeit’ außer Zweifel zu stehen scheint.
Rechts geht es um Gebrauchs- und Tauschwerte, um Dinge, die eine praktische Bedeutung haben, Fleisch oder Butter sind Lebensmittel, Benzin ein wichtiger Rohstoff, Blut kann konserviert Leben retten. Genannt wird auch jener Rohstoff, der ein besonders Tauschmittel ist: Gold, das unserem Geldsystem und der Geldwirtschaft, der Real- und der Finanzwirtschaft zugrunde liegt.
Genau diese durch das Gold und die ‚Bildlegenden’ unter den Barren repräsentierten Werte dürfen im Museum keine Rolle spielen, wir dürfen museale Gegenstände weder gebrauchen oder veräußern. Die Dinge haben im Museum keine Funktion mehr, außer der gezeigt zu werden und Bedeutungen zu vermitteln. Sie sind – buchstäblich - unberührbarer Gemeinbesitz. Ein „heiliger Schatz“, wie der französische Museologe DeLoche sagt, ein Schatz, aber ein imaginärer.
Die Metapher des Schatzhauses für das Museum ist uns geläufig, aber es ist nicht nur eine Metapher. Der sakrale und der profane Schatz sind reale Wurzeln des Sammelns und damit des Museums; lange Zeit sind Schätze sowohl symbolische als materielle Werte, bis ein Prozess der Ausdifferenzierung einsetzt und beides voneinander getrennt wird. Man sondert allmählich aus dem Schatz, der immer auch Geldbesitz ist, der jederzeit veräußert werden kann, zur Finanzierung von Kriegen, Bauten, Wahlbestechung usw., Dinge aus, die auf Dauer bewahrt werden. Kostbare Reliquien, Memorabilia. Durch das Tabu, dem Dinge hinsichtlich ihrer Zirkulation unterworfen werden, kann – mit anderen strukturellen Vorkehrungen -, später so etwas wie das Museum entstehen.
Broodthaers dreht diesen Prozess um und spielt darauf an, daß man den ‚Wert’, den ein Museum repräsentiert, jederzeit gewissermaßen zu Gold / zu Geld machen kann. Kurz zuvor hat er sein Museum – darunter müssen wir uns eine lange Serie sehr unterschiedlicher Projekte vorstellen, mit denen er die Idee und die Praktiken des Museum untersuchte, analysierte, paraphrasierte -, zum Verkauf angeboten, wegen Konkurses. Und zwar in Form eines Plakates, eines Art Anschlages, Aufrufes (Musée d’ Art Moderne à vendre – Pour cause de Faillité 1970/71). Dieses Plakat lancierte er auf der Kölner Kunstmesse, wo er sich, nach eigenem Bekunden in der „heutigen gesellschaftlichen Realität“ befand – man darf hinzufügen: im Gegensatz zu der des Museums, „mit ihrem niedrigsten kommerziellen Aspekt“, wo die Kunst denselben Kriterien von Angebot und Nachfrage unterworfen ist wie jede andere Ware.
Vor dem Hintergrund dieser wenig älteren Arbeit, lassen sich die beiden Drucke mit den Goldbarren als Visualisierung der unterschiedlichen Wertsysteme in ihren unterschiedlichen Funktionen, den ‚realen’ und den ‚musealen’ verstehen, Wertsysteme, die Broodthaers gegeneinander ausspielt. Schlägt man sich ganz auf die Seite der materiellen Werte, die wie Broothaers sagt ‚in der Realität herrschen’, dann kann man auch das Museum zu Gold machen.
Dem System von symbolischen und kulturellen Werten, mit den Broodthaers hier spielt, liegen Kriterien zugrunde. Wir halten etwas für wertvoller, wenn es echt ist, wir ziehen ein Original einer Kopie vor usw. Doch spätestens seit der Geste Duchamps – den Broodthaers unter den angeführten Künstlern nennt, als einen seiner Inspiratoren -, mit der er ein industriell und seriell gefertigtes Gebrauchsding, ein Urinoir, in eine Kunstausstellung reklamierte (das war 1917), ist diese Kriteriologie außer Kraft gesetzt. Ab jetzt ist es nicht mehr die Frage, was ist Kunst, sondern wann ist Kunst. Kunst ist eine Setzung, eine Zuschreibung, in einem sozialen, kulturellen und institutionellen System. Wenn ein Urinoir in einer Ausstellung, in einem Museum gezeigt wird, dann ist es Kunst, demonstriert uns Duchamp. Der „Wert“ eines Exponats ist keine seiner Eigenschaften, sondern eine komplexe Zuschreibung, die sich verändern kann oder die widerrufen werden kann.
Die ‚Unterschriften’ unter der untersten Reihe der Goldbarren weist auf dieses System der Unterscheidung hin, irritiert und attackiert das gleichsam Naturgesetzliche von Begriffen wie KOPIE, IMITATION, ORIGINAL. Abermals stiftet dieses System von Begriffen keine Ordnung, sondern richtet eher Verwirrung an, etwa wenn ‚Kopie’ zweimal vorkommt in zwei Schreibweisen, einmal mit „C“, einmal mit „K“, und man darf darüber brüten, ob die Unterscheidung im sprachlichen Zeichen auch eine in Hinblick auf das Bezeichnete nach sich zieht.
Wir können die Begriffe auch direkt auf Broodthaers Siebdrucke anwenden und kommen in eine ähnliche Endlosschleife von Verweisen. Ist ein Siebdruck ein Original? Läßt sich mit dem Begriff der Echtheit auch etwas mit den Goldbarren anfangen, die ja nur Wert haben, wenn sie echt sind? Muß nicht was unter der Chiffre „Museum“ firmiert unbedingt echt sein?
Broodthaers spielt auch damit: er versichert uns dieser Echtheit wie bei Goldbarren üblich mit Punzierungen, aber die sind seine eigenen und machen sie damit – zu Kunst. Noch einmal öffnet er die Dinge und Zeichen der irritierenden Vieldeutigkeit, Echtheit ist ebenfalls keine materielle Eigenschaft von Dingen, sie wird ebenfalls behauptet, bezeugt, bestritten, erzeugt, beglaubigt, so wie es Broodthaers in einer Arbeit von 1971 gemacht hat, wo er zum regelrechten Vertrag griff, als Grundlage für den Verkauf eines Goldbarren zum Doppelten des Tagespreises, eines Barren, der aber gewissermaßen auch ein Kunstwerk war, weil er das Emblem eines Adlers punziert hatte. Mit diesem Verkauf wollte er sein Musé des Aigles ‚retten’ (das dann, wie wir wissen, doch in ‚Konkurs’ gegangen ist). Der Adler war ein Art Logo für Broodthaers Musée d’ Art Moderne dessen bekannteste Manifestation dann die im Düsseldorfer Kunstverein gezeigte Ausstellung „Der Adler vom Oligozän bis heute“ (1972) war. Der Verkauf eines Goldbarren zum doppelten Handelspreis zur Absicherung des – freilich fiktiven – Museumsprojektes, war nur plausibel, wenn durch die Punzierung der Goldbarren als Kunstwerk deklariert war und damit einem anderem Wertsystem zurechenbar als nur dem des in Gold messbaren.
Broodthaers hat also das Museum als Ganzes im Blick, seine Strukturen, seine Ordnungs- und Bedeutungssysteme. Das Museum selbst ist ein Symbolsystem voller gesetzter, konstruierter Bedeutungen, in dem den Dingen Bedeutung verliehen und in dem diese Bedeutungen kommuniziert werden. In ersten seiner vielen Museumsprojekte reduzierte er auch das Museum auf ein kleines Setting der nötigsten Gesten: ein paar Kunstdrucke, eine Einladung, ein paar Verpackungskisten für Kunsttransporte, eine Einladung, eine Vernissage und ein Direktor ( er selbst) genügen um ein Museum zu konstituieren, auch wenn es sich nur um den ansonst privaten Raum der Wohnung Broodthaers handelte.
Aber weder bei diesem Siebdruck noch bei den diversen Aktionen, Projekten, Werken, Interventionen, die eine Serie von – meist fiktiven – Museen bilden, geht die Reflexion, die ausgelöst wird, in irgendeiner fassbaren und abschließenden Erkenntnis auf; die Reflexion selbst ist das eigentliche Objekt, der beständig in Schwebe gehaltene Diskurs über Kunst und die Definitionsmacht, durch die sie entsteht, wie der über das Museum und seine Riten und Praktiken, durch die es sich konstituiert. Broothaers Reflexivität ist, vorausgesetzt man lässt sich überhaupt auf sie ein, immer beunruhigend und verunsichernd und vor allem: sie ist nie stillzustellen.
Zwei Siebdrucke mit je 16 Goldbarren auf schwarzem Grund, die Goldbarren scheinbar identisch, aber individuell, wie Illustrationen oder Objekte beschriftet. Links mit Namen berühmter Künstler, Mantegna, Bellini ... Duchamp, Magritte usw., unter der untersten Reihe der Goldbarren: IMITATION, KOPIE, COPIE, ORIGINAL. Das Gegenstück rechts mit Butter, Speck, Kanone, Fleisch, Schokolade, Kupfer, Zucker, Blut, Puder, Benzin, Gold, Tabak und wiederum abweichend in der untersten Reihe IMITATION, FALSCH, KOPIE, ORIGINAL.
Beide Blätter sind in Blockbuchstaben ‚übertitelt’ mit MUSEUM.
Die Goldbarren werden uns nicht wie in einer Bank, einem schließfach präsentiert, sondern als Tableau, wie in einer zoologischen oder mineralogischen Sammlung. Sie sind sorgfältig angeordnet und präzis ausgerichtet.
Es geht um Ordnung, die symbolische Ordnung der kulturellen Werte, repräsentiert durch die Namen bedeutender Künstler, also die ‚Ordnung des Museums’. Das ist im Kunstmuseum die Ordnung der Kunstgeschichte, die Chronologie der Stile und Schulen und die Hierachie der großen Namen. Das ist eine Ordnung, die das Museum hervorgebracht hat, die aber auch durch das Museum repräsentiert wurde und wird.
Es geht um eine sichtbare Ordnung, um die ‚Präsentation’ der Goldbarren als eine Art von gezeigter, ausgestellter Sammlung von ‚Werten’. Die Ordnung scheint visuell zwingend, klar, von Gleichwertigkeit und Gleichzeitigkeit bestimmt, auch das ein Strukturmerkmal des Museums, aber die ‚Objektbeschriftungen’ entpuppen die Ordnung als zufällig, ausgewählt, willkürlich. Wir könnten jederzeit die Namen austauschen durch andere – und wer hat hier überhaupt ausgewählt?
Auf dem linken Siebdruck geht es um jene Werte, die das Museum ausmachen, um symbolische, immaterielle, kulturelle Werte. Um ‚bedeutende’ Künstler, um ‚bedeutende’ Kunst, deren ‚museale Sehenswürdigkeit’ außer Zweifel zu stehen scheint.
Rechts geht es um Gebrauchs- und Tauschwerte, um Dinge, die eine praktische Bedeutung haben, Fleisch oder Butter sind Lebensmittel, Benzin ein wichtiger Rohstoff, Blut kann konserviert Leben retten. Genannt wird auch jener Rohstoff, der ein besonders Tauschmittel ist: Gold, das unserem Geldsystem und der Geldwirtschaft, der Real- und der Finanzwirtschaft zugrunde liegt.
Genau diese durch das Gold und die ‚Bildlegenden’ unter den Barren repräsentierten Werte dürfen im Museum keine Rolle spielen, wir dürfen museale Gegenstände weder gebrauchen oder veräußern. Die Dinge haben im Museum keine Funktion mehr, außer der gezeigt zu werden und Bedeutungen zu vermitteln. Sie sind – buchstäblich - unberührbarer Gemeinbesitz. Ein „heiliger Schatz“, wie der französische Museologe DeLoche sagt, ein Schatz, aber ein imaginärer.
Die Metapher des Schatzhauses für das Museum ist uns geläufig, aber es ist nicht nur eine Metapher. Der sakrale und der profane Schatz sind reale Wurzeln des Sammelns und damit des Museums; lange Zeit sind Schätze sowohl symbolische als materielle Werte, bis ein Prozess der Ausdifferenzierung einsetzt und beides voneinander getrennt wird. Man sondert allmählich aus dem Schatz, der immer auch Geldbesitz ist, der jederzeit veräußert werden kann, zur Finanzierung von Kriegen, Bauten, Wahlbestechung usw., Dinge aus, die auf Dauer bewahrt werden. Kostbare Reliquien, Memorabilia. Durch das Tabu, dem Dinge hinsichtlich ihrer Zirkulation unterworfen werden, kann – mit anderen strukturellen Vorkehrungen -, später so etwas wie das Museum entstehen.
Broodthaers dreht diesen Prozess um und spielt darauf an, daß man den ‚Wert’, den ein Museum repräsentiert, jederzeit gewissermaßen zu Gold / zu Geld machen kann. Kurz zuvor hat er sein Museum – darunter müssen wir uns eine lange Serie sehr unterschiedlicher Projekte vorstellen, mit denen er die Idee und die Praktiken des Museum untersuchte, analysierte, paraphrasierte -, zum Verkauf angeboten, wegen Konkurses. Und zwar in Form eines Plakates, eines Art Anschlages, Aufrufes (Musée d’ Art Moderne à vendre – Pour cause de Faillité 1970/71). Dieses Plakat lancierte er auf der Kölner Kunstmesse, wo er sich, nach eigenem Bekunden in der „heutigen gesellschaftlichen Realität“ befand – man darf hinzufügen: im Gegensatz zu der des Museums, „mit ihrem niedrigsten kommerziellen Aspekt“, wo die Kunst denselben Kriterien von Angebot und Nachfrage unterworfen ist wie jede andere Ware.
Vor dem Hintergrund dieser wenig älteren Arbeit, lassen sich die beiden Drucke mit den Goldbarren als Visualisierung der unterschiedlichen Wertsysteme in ihren unterschiedlichen Funktionen, den ‚realen’ und den ‚musealen’ verstehen, Wertsysteme, die Broodthaers gegeneinander ausspielt. Schlägt man sich ganz auf die Seite der materiellen Werte, die wie Broothaers sagt ‚in der Realität herrschen’, dann kann man auch das Museum zu Gold machen.
Dem System von symbolischen und kulturellen Werten, mit den Broodthaers hier spielt, liegen Kriterien zugrunde. Wir halten etwas für wertvoller, wenn es echt ist, wir ziehen ein Original einer Kopie vor usw. Doch spätestens seit der Geste Duchamps – den Broodthaers unter den angeführten Künstlern nennt, als einen seiner Inspiratoren -, mit der er ein industriell und seriell gefertigtes Gebrauchsding, ein Urinoir, in eine Kunstausstellung reklamierte (das war 1917), ist diese Kriteriologie außer Kraft gesetzt. Ab jetzt ist es nicht mehr die Frage, was ist Kunst, sondern wann ist Kunst. Kunst ist eine Setzung, eine Zuschreibung, in einem sozialen, kulturellen und institutionellen System. Wenn ein Urinoir in einer Ausstellung, in einem Museum gezeigt wird, dann ist es Kunst, demonstriert uns Duchamp. Der „Wert“ eines Exponats ist keine seiner Eigenschaften, sondern eine komplexe Zuschreibung, die sich verändern kann oder die widerrufen werden kann.
Die ‚Unterschriften’ unter der untersten Reihe der Goldbarren weist auf dieses System der Unterscheidung hin, irritiert und attackiert das gleichsam Naturgesetzliche von Begriffen wie KOPIE, IMITATION, ORIGINAL. Abermals stiftet dieses System von Begriffen keine Ordnung, sondern richtet eher Verwirrung an, etwa wenn ‚Kopie’ zweimal vorkommt in zwei Schreibweisen, einmal mit „C“, einmal mit „K“, und man darf darüber brüten, ob die Unterscheidung im sprachlichen Zeichen auch eine in Hinblick auf das Bezeichnete nach sich zieht.
Wir können die Begriffe auch direkt auf Broodthaers Siebdrucke anwenden und kommen in eine ähnliche Endlosschleife von Verweisen. Ist ein Siebdruck ein Original? Läßt sich mit dem Begriff der Echtheit auch etwas mit den Goldbarren anfangen, die ja nur Wert haben, wenn sie echt sind? Muß nicht was unter der Chiffre „Museum“ firmiert unbedingt echt sein?
Broodthaers spielt auch damit: er versichert uns dieser Echtheit wie bei Goldbarren üblich mit Punzierungen, aber die sind seine eigenen und machen sie damit – zu Kunst. Noch einmal öffnet er die Dinge und Zeichen der irritierenden Vieldeutigkeit, Echtheit ist ebenfalls keine materielle Eigenschaft von Dingen, sie wird ebenfalls behauptet, bezeugt, bestritten, erzeugt, beglaubigt, so wie es Broodthaers in einer Arbeit von 1971 gemacht hat, wo er zum regelrechten Vertrag griff, als Grundlage für den Verkauf eines Goldbarren zum Doppelten des Tagespreises, eines Barren, der aber gewissermaßen auch ein Kunstwerk war, weil er das Emblem eines Adlers punziert hatte. Mit diesem Verkauf wollte er sein Musé des Aigles ‚retten’ (das dann, wie wir wissen, doch in ‚Konkurs’ gegangen ist). Der Adler war ein Art Logo für Broodthaers Musée d’ Art Moderne dessen bekannteste Manifestation dann die im Düsseldorfer Kunstverein gezeigte Ausstellung „Der Adler vom Oligozän bis heute“ (1972) war. Der Verkauf eines Goldbarren zum doppelten Handelspreis zur Absicherung des – freilich fiktiven – Museumsprojektes, war nur plausibel, wenn durch die Punzierung der Goldbarren als Kunstwerk deklariert war und damit einem anderem Wertsystem zurechenbar als nur dem des in Gold messbaren.
Broodthaers hat also das Museum als Ganzes im Blick, seine Strukturen, seine Ordnungs- und Bedeutungssysteme. Das Museum selbst ist ein Symbolsystem voller gesetzter, konstruierter Bedeutungen, in dem den Dingen Bedeutung verliehen und in dem diese Bedeutungen kommuniziert werden. In ersten seiner vielen Museumsprojekte reduzierte er auch das Museum auf ein kleines Setting der nötigsten Gesten: ein paar Kunstdrucke, eine Einladung, ein paar Verpackungskisten für Kunsttransporte, eine Einladung, eine Vernissage und ein Direktor ( er selbst) genügen um ein Museum zu konstituieren, auch wenn es sich nur um den ansonst privaten Raum der Wohnung Broodthaers handelte.
Aber weder bei diesem Siebdruck noch bei den diversen Aktionen, Projekten, Werken, Interventionen, die eine Serie von – meist fiktiven – Museen bilden, geht die Reflexion, die ausgelöst wird, in irgendeiner fassbaren und abschließenden Erkenntnis auf; die Reflexion selbst ist das eigentliche Objekt, der beständig in Schwebe gehaltene Diskurs über Kunst und die Definitionsmacht, durch die sie entsteht, wie der über das Museum und seine Riten und Praktiken, durch die es sich konstituiert. Broothaers Reflexivität ist, vorausgesetzt man lässt sich überhaupt auf sie ein, immer beunruhigend und verunsichernd und vor allem: sie ist nie stillzustellen.
Samstag, 11. Juni 2011
Tracht und Niedertracht
Ich frage mich manchmal, warum es eine sich Wissenschaft nennende Trachtenforschung noch immer gibt, die sich weitgehend der Einsicht in das Konstruierte und Modische der Tracht entzieht, warum Tracht als Teil der Kleidungsforschung noch immer dermaßen museal populär ist als Dokumentation eines vermeintlich Authentischen, das eine ursprüngliche Ordnung der Lebenswelt zu repräsentieren vermag.
Unter dem Titel "Tracht und Niedertracht" hat der als Filmkritiker bekannte Georg Seeßlen eine rabiate Polemik gegen die - wievielte eigentlich? - Trachtenbewegung als "semiotische Blüte" des zerfallenden Mittelstandes verfasst. (TAZ vom 8.6.2011, hier).
Tracht tragen, sagt Seeßlen, ist noch immer nicht unschuldig, es war es nie, wie bei den 'Heimatvertriebenen' und ist es auch jetzt nicht: "Jede Haube, jede Tasche, jeder Knopf entsprach einst einer ständischen Gesellschaft, und bei diesem textilen Reenactement einer 'guten alten Zeit' schwingt eben immer auch die Sehnsucht nach einer vormodernen, vordemokratischen und voraufgeklärten Gesellschaft mit."
Die neueste deutsche Trachtenkonjunktur als "Outlet-Tracht" ist nicht bloß rückwärtsgewandt, "sondern (eine) verschärfte Form gerade der karrieristisch-überaffirmativen Jugend, die sich zum Motor des Neoliberalismus machte und die Spannung zwischen Aufstiegslust und Abstiegsangst kaum aushalten konnte."
Der "verjodelte und reprovinzialisierte deutsche Mittelstand" braucht Anlässe sich zeigen zu können, Volksfeste, Eröffnung von Mehrzweckhallen, das "Mega-Stadtl-Hotel" oder, den wichtigsten von allen, das Oktoberfest, wo sich das "Tragen von Trachten insbesondere bei jungen Leuten in den sogenannten nuller Jahren als Bekenntnis zur hedonistisch gemäßigten Rechten" durchsetzte - "(die ganz echten Nazis tragen dann wieder so etwas nicht, weil es dann doch nicht gesamt- und großdeutsch genug und auch zu unmilitärisch ist)".
Dabei werden zwei Facetten der Ökonomie sichtbar: "Der Verlust der Heimat durch die gnadenlose Ökonomie wird von der neuen schlafstädtisch/ländlichen Mittelklasse durch eine gnadenlose Ökonomisierung der Heimat beantwortet" und: "Das Dirndl, in mehr oder weniger frei wählbarer Abstufung, ist eine akzeptierte Art, das Obszöne mit dem Ordentlichen zu verbunden. Dirndl und Lederhose konstruieren und rekonstruieren Männlichkeit und Weiblichkeit auf sehr spezifische Weise."
Der Zerfall einer sozialen Gruppe macht das Trachtentragen zum Schauplatz einer Ambivalenz: "Die Mitglieder dieser neuen Klasse des deutschen Volkstümlichkeitskleinbürgers sind insofern ein klitzekleines soziales Problem, weil die Sphäre zwischen 'Gut drauf sein' und Amoklaufen ausgesprochen knapp bemessen ist. Denn die Spannung zwischen Aufstiegslust und Abstiegsangst ist offensichtlich nur durch besonders rasche Wechsel von Regression und Aggression abzubauen."
Unter dem Titel "Tracht und Niedertracht" hat der als Filmkritiker bekannte Georg Seeßlen eine rabiate Polemik gegen die - wievielte eigentlich? - Trachtenbewegung als "semiotische Blüte" des zerfallenden Mittelstandes verfasst. (TAZ vom 8.6.2011, hier).
Tracht tragen, sagt Seeßlen, ist noch immer nicht unschuldig, es war es nie, wie bei den 'Heimatvertriebenen' und ist es auch jetzt nicht: "Jede Haube, jede Tasche, jeder Knopf entsprach einst einer ständischen Gesellschaft, und bei diesem textilen Reenactement einer 'guten alten Zeit' schwingt eben immer auch die Sehnsucht nach einer vormodernen, vordemokratischen und voraufgeklärten Gesellschaft mit."
Die neueste deutsche Trachtenkonjunktur als "Outlet-Tracht" ist nicht bloß rückwärtsgewandt, "sondern (eine) verschärfte Form gerade der karrieristisch-überaffirmativen Jugend, die sich zum Motor des Neoliberalismus machte und die Spannung zwischen Aufstiegslust und Abstiegsangst kaum aushalten konnte."
Der "verjodelte und reprovinzialisierte deutsche Mittelstand" braucht Anlässe sich zeigen zu können, Volksfeste, Eröffnung von Mehrzweckhallen, das "Mega-Stadtl-Hotel" oder, den wichtigsten von allen, das Oktoberfest, wo sich das "Tragen von Trachten insbesondere bei jungen Leuten in den sogenannten nuller Jahren als Bekenntnis zur hedonistisch gemäßigten Rechten" durchsetzte - "(die ganz echten Nazis tragen dann wieder so etwas nicht, weil es dann doch nicht gesamt- und großdeutsch genug und auch zu unmilitärisch ist)".
Dabei werden zwei Facetten der Ökonomie sichtbar: "Der Verlust der Heimat durch die gnadenlose Ökonomie wird von der neuen schlafstädtisch/ländlichen Mittelklasse durch eine gnadenlose Ökonomisierung der Heimat beantwortet" und: "Das Dirndl, in mehr oder weniger frei wählbarer Abstufung, ist eine akzeptierte Art, das Obszöne mit dem Ordentlichen zu verbunden. Dirndl und Lederhose konstruieren und rekonstruieren Männlichkeit und Weiblichkeit auf sehr spezifische Weise."
Der Zerfall einer sozialen Gruppe macht das Trachtentragen zum Schauplatz einer Ambivalenz: "Die Mitglieder dieser neuen Klasse des deutschen Volkstümlichkeitskleinbürgers sind insofern ein klitzekleines soziales Problem, weil die Sphäre zwischen 'Gut drauf sein' und Amoklaufen ausgesprochen knapp bemessen ist. Denn die Spannung zwischen Aufstiegslust und Abstiegsangst ist offensichtlich nur durch besonders rasche Wechsel von Regression und Aggression abzubauen."
Leben wir alle schon im künftigen Museum...?
Sonntag, 5. Juni 2011
Ohne Diskussion: Ein neues Wien Museum?
Unlängst wurde der Vorschlag lanciert, dem Wien Museum und dem Jüdischen Museum der Stadt Wien gemeinsam einen Neubau auf dem Morzin-Platz zu errichten. Der Platz ist schon länger als ein möglicher Standort für einen Neubau des Wien Museum im Gespräch.
Wie andere offene wiener Museumsfragen löste auch diese Nachricht keine Diskussion aus. Was würde ein Museumsneubau für ein Museum im Umbruch (Jüdisches Museum) und Neupositionierung (?) (Wien Museum) bedeuten?
Was bedeutet überhapt ein Neubau für ein Museum, welche Effekte hat eine Architektur nach innen wie nach außen? Bleibt konzeptionell alles beim Alten oder zwingt eine Architektur zur Erneuerung? Genügt der Signaleffekt einer spektakulären Architektur, um Wahrnehmung und Nutzung eines Museums zu verändern? Das wären nur ein paar der Fragen, über die man diskutieren könnte. Vorher.
Wie andere offene wiener Museumsfragen löste auch diese Nachricht keine Diskussion aus. Was würde ein Museumsneubau für ein Museum im Umbruch (Jüdisches Museum) und Neupositionierung (?) (Wien Museum) bedeuten?
Was bedeutet überhapt ein Neubau für ein Museum, welche Effekte hat eine Architektur nach innen wie nach außen? Bleibt konzeptionell alles beim Alten oder zwingt eine Architektur zur Erneuerung? Genügt der Signaleffekt einer spektakulären Architektur, um Wahrnehmung und Nutzung eines Museums zu verändern? Das wären nur ein paar der Fragen, über die man diskutieren könnte. Vorher.
Ohne Diskussion: Keine Zusammenlegung von Volkskundemuseum und Völkerkundemuseum
Zum Unterschied zur Nachricht, daß für ein Haus der Geschichte derzeit kein Geld vorhanden sei, wo es immerhin eine öffentliche reaktion gab (siehe Post unten), ging die knappe Meldung, daß das Volkskundemueum eine Fusion mit dem Völkerkundemuseum nicht weiter betreiben würde, praktisch 'wortlos' unter. Während die Medien inbrünstig über Personalia über Wochen hinweg berichten, scheint es in diesem Fall keinerlei Reaktionen gegeben zu haben.
Es geht um die zukünftige Entwicklung zweier wichtiger Museen, für die der Staat verantwortlich ist und um das Scheitern einer Idee, die seit Jahren vorbereitet worden war. Es geht um ein Museum, das am Rande seiner Existenz steht und um ein Museum, dessen Leiter zurückgetreten ist, resigniert an den Verhältnissen, um ein Museum, das seit jahren und auf unabsehbare Zeit hinaus, keine Sammlungsausstellung mehr zeigt. Es geht auch um Geld, vor allem aber geht es um dessen Verteilung und es geht um Ideen und Entwicklungsperspektiven. Das scheint aber niemanden zu interessieren. Die Medien jedenfalls nicht.
Es geht um die zukünftige Entwicklung zweier wichtiger Museen, für die der Staat verantwortlich ist und um das Scheitern einer Idee, die seit Jahren vorbereitet worden war. Es geht um ein Museum, das am Rande seiner Existenz steht und um ein Museum, dessen Leiter zurückgetreten ist, resigniert an den Verhältnissen, um ein Museum, das seit jahren und auf unabsehbare Zeit hinaus, keine Sammlungsausstellung mehr zeigt. Es geht auch um Geld, vor allem aber geht es um dessen Verteilung und es geht um Ideen und Entwicklungsperspektiven. Das scheint aber niemanden zu interessieren. Die Medien jedenfalls nicht.
Ohne Diskussion: Kein "Haus der Geschichte"
Eine parlamentarische Anfrage brachte ein Nein zum Projekt eines "Hauses der Geschichte" zu Tage. Kein Geld vorhanden. Hätte sich nicht der Historiker Oliver Rathkolb im ORF zu Wort gemeldet, die kleine Meldung wäre wohl unbeachtet geblieben. Seit das Projekt definitiv eines der Regierung ist, gibt es auch keinen Anlass, den Aufschub, den manche als Ende des Projekts interpretieren, zu bedauern.
Österreichs Geschichtskultur braucht nichts weniger als in die Hände von Regierung, Politik und Parteien zu geraten. Es gab in den letzten Jahren genug an einschlägig Patriotischem, vor allem unter der Regierung Schüssel. Es gab auch zu viel an bereitwilliger Beteiligung der Historikerzunft, als daß man ihrer Kritik an der Säumigkeit der Politik folgen wollte.
Wenn es auch nicht wörtlich von Oliver Rathkolb stammt, allein der Hinweis auf das Deutsche Historische Museum als 'erfolgreicher Sehenswürdigkeit', reicht für jede Menge Skepsis. Dessen Dauerausstellung wird von vielen Historikern kritisiert und das Museum, von Helmut Kohl gegründet, wird direkt von der Regierung - nun sagen wir: kontrolliert. Es ist nicht so lange her, als ein Ausstellungstext zur europäischen Migrationspolitik auf einen Wink von oben über Nacht ausgetauscht und der Vorgang vom Museumsleiter gerechtfertigt wurde.
Nein, so etwas, ein Nationalmuseum braucht es nicht. Man könnte sich stattdessen fragen, warum nicht existierende Museen, die (kultur)historischen Museen dieses Landes zum Beispiel, sich mit dringenden und virulenten politisch-historischen Fragen beschäftigen? Wenn man das ernsthaft will, läßt es sich einfacher, schneller und billiger realisieren als mit der Gründung eines neuen Museums.
Ob es das definitive Ende der Idee ist, kann man bezweifeln. Angesichts der Delegitimation der Politik, wächst der Bedarf an 'Sinnstiftendem' und je postdemokratischer unsere Verhältnisse werden, desto größer könnte die Versuchung werden, für Reideologisierung das Museum wieder auszugraben. Apropos: die parlamentarische Anfrage kam vom BZÖ.
Österreichs Geschichtskultur braucht nichts weniger als in die Hände von Regierung, Politik und Parteien zu geraten. Es gab in den letzten Jahren genug an einschlägig Patriotischem, vor allem unter der Regierung Schüssel. Es gab auch zu viel an bereitwilliger Beteiligung der Historikerzunft, als daß man ihrer Kritik an der Säumigkeit der Politik folgen wollte.
Wenn es auch nicht wörtlich von Oliver Rathkolb stammt, allein der Hinweis auf das Deutsche Historische Museum als 'erfolgreicher Sehenswürdigkeit', reicht für jede Menge Skepsis. Dessen Dauerausstellung wird von vielen Historikern kritisiert und das Museum, von Helmut Kohl gegründet, wird direkt von der Regierung - nun sagen wir: kontrolliert. Es ist nicht so lange her, als ein Ausstellungstext zur europäischen Migrationspolitik auf einen Wink von oben über Nacht ausgetauscht und der Vorgang vom Museumsleiter gerechtfertigt wurde.
Nein, so etwas, ein Nationalmuseum braucht es nicht. Man könnte sich stattdessen fragen, warum nicht existierende Museen, die (kultur)historischen Museen dieses Landes zum Beispiel, sich mit dringenden und virulenten politisch-historischen Fragen beschäftigen? Wenn man das ernsthaft will, läßt es sich einfacher, schneller und billiger realisieren als mit der Gründung eines neuen Museums.
Ob es das definitive Ende der Idee ist, kann man bezweifeln. Angesichts der Delegitimation der Politik, wächst der Bedarf an 'Sinnstiftendem' und je postdemokratischer unsere Verhältnisse werden, desto größer könnte die Versuchung werden, für Reideologisierung das Museum wieder auszugraben. Apropos: die parlamentarische Anfrage kam vom BZÖ.
Dienstag, 31. Mai 2011
Abonnieren
Posts (Atom)