Donnerstag, 5. August 2010
Das Museum als Krankenhaus
Antony Gomley läßt einhundert gusseiserne Abgüsse seines Körpers in der alpinen Region Vorarlbergs aufstellen. Alle in gleicher Meereshöhe, etwas über der Baumgrenze. Kürzlich ist dieses Projekt horizon field gestartet worden.
In hörenswerten und sympathischen Erklärungen fügt Gomley der langen Kette von Museums-Metaphern eine neue hinzu:
Das Gespräch zum Beispiel hier. (Samt Wanderkarte für Freunde der hochalpinen Begegnung mit den eisernen Gomleys)
In hörenswerten und sympathischen Erklärungen fügt Gomley der langen Kette von Museums-Metaphern eine neue hinzu:
"Eine der traurigen Aspekte unserer kulturellen Erfahrung ist für mich, dass wir von der Kunst erwarten, dass sie in Museen lebt. Es ist eine Art Abhängigkeit, wie bei einem Körper im Krankenhaus."
Das Gespräch zum Beispiel hier. (Samt Wanderkarte für Freunde der hochalpinen Begegnung mit den eisernen Gomleys)
Samstag, 31. Juli 2010
Zeit wozu...? (Texte im Museum 87)
Ausstellung "Hofer Wanted", Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum, 2009. Für alle mit der Tiroler Landesmythologie Unvertraute: Die Worte Andreas Hofers "Mander, s´ischt Zeit" gilt als sein Kampfaufruf von Andreas anläßlich der Berg-Isel-Schlacht.
Chancen der Restitution
Der Wiener Rechtsanwalt Alfred Noll, der Mandanten gegen die Leopold-Stiftung vertritt und sich immer wieder in der Restitutionsdebatte mit ebenso interessanten wie grundsätzlichen und konstruktiven Beiträgen zu Wort gemeldet hat, sieht in der aktuellen Ausgabe von DIE ZEIT (der Artikel ist online) - wie andere auch -, die Chance auf eine Ende der Diskussion um das Leopold-Museum.
Der vom Sohn des kürzlich verstorbenen Sammlers angebotene Kompromiss, ein weiteres imkriminiertes Schiele bild zu versteigern und den Erlös zwischen Museum und Nachfahren der rechtmäßigen Besitzer zu teilen, bewertet Noll - anders als die Israelitische Kultusgemeinde -, als Chance.
Seiner Meinung nach würde die Konfrontation der beiden extrem entgegensetzten Positionen von Ausjudizierung einerseits und Verschleppung und Verweigerung von Ansprüchen andrerseit in der Regel zu einer Patt-Situation führen. Denn, so Noll, eine Tilgung der Verbrechen könne es letztlich nicht geben, sehr wohl aber eine Anerkennung einerseits der Interessen und Ansprüche der Geschädigten u n d der, durchaus nicht befriedigenden Rechtslage, die eher den Besitz beschützt als Ansprüche, mögen sie noch so berechtigt sein.
"So entschieden man sich also politisch und moralisch auf den Standpunkt stellen sollte, dass Gestohlenes an die Bestohlenen zurückzugeben ist, so offen sollte man dafür eintreten, dass heute jede Auseinandersetzung um Rückgabe und Entschädigung auf die tatsächliche Rechtsposition der gegenwärtigen Inhaber derartigen Diebesgutes Rücksicht zu nehmen hat. Wer diesen Grundsatz nicht achtet, hat nur die Wahl zwischen rechtsfernem, moralisierendem Protest oder historisch und politisch ignoranter Rechtsgläubigkeit. Beides ist der Sachlage nicht angemessen und führt nicht zu Versöhnung und Akzeptanz, sondern zu irrationaler Verhärtung, zu dauerhaftem Unverständnis und zu unwürdiger Herabsetzung einzelner Personen."
Deshalb ist das Aushandeln einer Regelung unter den Beteiligten eine Chance beide Positionen so weit es möglich ist, miteinender zu versöhnen und der "Entweder-Oder"-Dichotomie zu entkommen.
Noll: "Erst eine derartige, von selbstgewisser Souveränität und geschichtsbewusster Verhandlungsbereitschaft getragene Haltung lässt in den Opfern jenes Gefühl entstehen, das sie in diesem Land seit vielen Jahren vermissen müssen: das der Anerkennung."
Ich denke, daß sich die Verhandlungsbereitschaft nicht ausschließlich auf finanzielle und rechtliche Aspekte beschränken muß. Zeigt nicht gerade die einfache Entscheidung, das Bildnis Wally, ehe es nach Österreich zurückkehrt, im Museum of Jewish Heritage in New York auszustellen, zeigen nicht die Reaktionen, die das auslöst, daß auch mit den Möglichkeiten des Museums selbst Kompromisse gestaltet und die Anerkennung symbolisch vertieft werden kann?
Der vom Sohn des kürzlich verstorbenen Sammlers angebotene Kompromiss, ein weiteres imkriminiertes Schiele bild zu versteigern und den Erlös zwischen Museum und Nachfahren der rechtmäßigen Besitzer zu teilen, bewertet Noll - anders als die Israelitische Kultusgemeinde -, als Chance.
Seiner Meinung nach würde die Konfrontation der beiden extrem entgegensetzten Positionen von Ausjudizierung einerseits und Verschleppung und Verweigerung von Ansprüchen andrerseit in der Regel zu einer Patt-Situation führen. Denn, so Noll, eine Tilgung der Verbrechen könne es letztlich nicht geben, sehr wohl aber eine Anerkennung einerseits der Interessen und Ansprüche der Geschädigten u n d der, durchaus nicht befriedigenden Rechtslage, die eher den Besitz beschützt als Ansprüche, mögen sie noch so berechtigt sein.
"So entschieden man sich also politisch und moralisch auf den Standpunkt stellen sollte, dass Gestohlenes an die Bestohlenen zurückzugeben ist, so offen sollte man dafür eintreten, dass heute jede Auseinandersetzung um Rückgabe und Entschädigung auf die tatsächliche Rechtsposition der gegenwärtigen Inhaber derartigen Diebesgutes Rücksicht zu nehmen hat. Wer diesen Grundsatz nicht achtet, hat nur die Wahl zwischen rechtsfernem, moralisierendem Protest oder historisch und politisch ignoranter Rechtsgläubigkeit. Beides ist der Sachlage nicht angemessen und führt nicht zu Versöhnung und Akzeptanz, sondern zu irrationaler Verhärtung, zu dauerhaftem Unverständnis und zu unwürdiger Herabsetzung einzelner Personen."
Deshalb ist das Aushandeln einer Regelung unter den Beteiligten eine Chance beide Positionen so weit es möglich ist, miteinender zu versöhnen und der "Entweder-Oder"-Dichotomie zu entkommen.
Noll: "Erst eine derartige, von selbstgewisser Souveränität und geschichtsbewusster Verhandlungsbereitschaft getragene Haltung lässt in den Opfern jenes Gefühl entstehen, das sie in diesem Land seit vielen Jahren vermissen müssen: das der Anerkennung."
Ich denke, daß sich die Verhandlungsbereitschaft nicht ausschließlich auf finanzielle und rechtliche Aspekte beschränken muß. Zeigt nicht gerade die einfache Entscheidung, das Bildnis Wally, ehe es nach Österreich zurückkehrt, im Museum of Jewish Heritage in New York auszustellen, zeigen nicht die Reaktionen, die das auslöst, daß auch mit den Möglichkeiten des Museums selbst Kompromisse gestaltet und die Anerkennung symbolisch vertieft werden kann?
Freitag, 30. Juli 2010
Mikroausstellung "Gipfelsieg"
Donnerstag, 29. Juli 2010
Lazarisation (Museumsphysiognomien 8)
Der Zug der Tiere im Pariser Muséum d' Histoire naturelle gehört zu den einprägsamsten 'Bildern', die die jüngere Museumsgestaltung zu bieten hat. Es gab zwei wesentliche Inszenierungsformen der Fauna in Naturmuseen: die Aufstellung nach Spezies und Arten, der wissenschaftlichen Klassifikation folgend. Ein Beispiel sind bestimmte weitgehend original erhaltene Säle des Naturhistorischen Museums in Wien. Und eine ambientale Aufstellung, bei der die natürliche Umgebung der jeweiligen Tierarten simuliert wurde. Das konnte im kleinen Maßstab einer angedeuteten Szene ebenso geschehen wie in enorm aufwendigen und kunstfertigen Dioramen, für die die im New Yorker Naturmuseum das berühmteste Beispiel sind.
In Paris ging man einen dritten Weg (nicht zufällig war ein Filmregisseur Autor der Installation) und gruppierte die sorgfältig präparierten Tiere als Zug, der sich im großen Bogen durch die riesige, zentrale Halle des Museums bewegt. Alles was tapsen, schleichen, trampeln, kriechen, staksen kann, bewegt sich in eine Richtung. Die großen Tiere vorne (wie immer), die Elefanten.
Das Bild ist paradox, weil sie den toten Tieren Lebendigkeit zurückgibt, Bewegung, Aufbruch. Sie stehen uns nicht gegenüber als vitrinifizierte Exempla, sondern als vergesellschaftete Individuen, die gemeinsam eine Aufgabe haben.
Eine Aufgabe? Ja - jeder (jeder?) erkennt, daß es sich um das 'Bild', die 'Metapher' der Arche Noah handelt. Also um jene Tiere, die, zusammen mit dem Menschen, das Überleben der Gattung wie der Welt sicherten. In gewisser Weise beansprucht ja auch das Museum, so etwas zu sein. Ein Hort der Dinge, deren 'Überleben' gesichert wird, auf lange, unbestimmte (?) Dauer. Mit dem Museum der Moderne kommt dann - mit dem Begriff der 'Geschichte' und dem der 'Gattung Mensch' -, tatsächlich die Denkfigur dazu, daß alles Einzelne, Individuelle im Gattungszusammenhang gleichsam aufgehoben ist und bleibt, und sei es 'nur' als Erinnerung. Es mag untergehen, verschwinden, sterben, geopfert werden - immer bleibt es in das Ganze der Gattung eingeschrieben.
Das Bild der Arche Noah wird auf das Sammeln seit dem 16. Jahrhundert und später auf das Museum angewendet. Die Tradescants verstanden ihr Haus und ihre Tätigkeit ganz im Sinn des rettenden Tradierens und des Weitergebens, ganz praktisch, wenn es um exotische Pflanzen ging, die man in England erfolgreich ansiedelte und vermehrte.
Im modernen Museum fungiert das Bild der Arche, und so ist es wohl in Paris in erster Linie gemeint, als Metapher für das Museum als Ort der dauerhaften Bewahrung bis in die Zukunft hinein. Indes besitzt diese Vorstellung eine prekäre Ambivalenz. Denn generell kommen 'die Dinge' nur ins Museum, um den Preis ihres Funktions- und meistens auch des Bedeutungsverlustes (um dort mit anderen, neuen Bedeutungen ausgestattet zu werden). In diesem Sinn ist das Museum nicht nur Arche sondern Mausoleum, eine Grabstätte der toten Dinge, bzw. der Dinge, deren Tod die Bedingung für ihre 'Museumswürdigkeit' ist.
Nur wenige Schritte vom Muséum d' Histoire naturelle kann man einen alten und authentisch erhaltenen Teil des Museums besichtigen, die Galerie de paléontologie et d’anatomie comparée (hier, in diesem Blog), deren Versammlung der Skelette einem diese Tatsache unverblümt, vielleicht auch erschreckend zu Bewußtsein bringt. Auch das ist ein Zug, aber nun unzweideutig einer der toten oder gar der ausgestorbenen Lebewesen und sie bilden einen Leichenzug. Man kann den aber auch anders lesen, nämlich so, wie man eigentlich den neuen im Haupthaus lesen soll, nämlich als Galerie d' Evolution. Denn an der Spitze des Zuges befindet sich der Mensch, als, wie man so sagt, Krone der Schöpfung, mit dem Rücken zu den Totenwesen, die ihm folgen…
Das will uns das neue Bild im Haupthaus nicht zumuten. Wie in einem Wiedererweckunsakt, einer durch Wunder bewirkten lazarisation, kommen sie hier noch mal auf die Beine, all die Tiere, auch wenn sie überwiegend aus Plastik, Gips, Draht, Stoff bestehen und kaum noch aus - einst lebendiger - organischer Materie.
Ein wenig ist das auch eine Legitimation der Institution: wir bewahren - und deswegen sind wir auch ein 'lebendes Museum'. Eine schöne museologische Notlüge (weitverbreitet).
Nur. Wohin ziehen all diese Tiere? Nun, aus dem Museum raus.
Nur dort scheint es 'Überleben', wenn nicht 'Erlsösung' zu geben…
Mittwoch, 28. Juli 2010
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