Samstag, 24. Juli 2010
"Die Idee des Museums ist in der Krise." Ein weiterer großer Direktor spricht...
"Wir vermieten unseren Prunksaal nicht für Pornos". Die Wucht dieses Satzes überzeugt uns auf der Stelle von der hohen Moralität des Herrn Direktors. Wenns ums Geld geht, kann mans ja auch woanders herbekommen: "Man muss für jede Unterstützung dankbar sein. Die Sammlung von Emil Georg Bührle, der mit dem Rüstungsbetrieb Oerlikon sein Geld gemacht hat, ist auch ein Fall, bei dem es immer wieder Debatten gegeben hat. Jetzt erhält die Kollektion beim Kunsthaus Zürich ein eigenes Gebäude." Das überzeugt. Man führt einfach das Aufgeben moralischer Maßstäbe als Beweis dafür an, daß das Aufgeben moralischer Maßstäbe richtig ist. Herr Direktor nimmt den Namen Batliner nicht in den Mund.
Am Geld liegts also nicht. Die Krise liegt am Touristen. Und zwar dem Sacher-Touristen: "Die Touristen bleiben aus. Wer am Wiener Flughafen oder im Hotel Sacher nicht ankommt, kann auch nicht in die Albertina gehen."
Aber, so Direktor S., die Museumskrise ist "nicht unbedingt nur eine Finanzkrise. Die gibt es ja in anderen Branchen auch. Die Idee des Museums ist in der Krise."
Wie sein Kollege Generaldirektor in Dresden entdeckt S. da etwas: die Museen selbst sind (mit)schuld an der Krise. "Das Museum der Gründerzeiten des 18. Jahrhundert und der Blütezeit des 19. Jahrhunderts ist an ein Ende gekommen. (,,,)Das Publikum will (…) entschieden konzipierte Ausstellungen. (…). Das Museum als Identifikationsmedium einer Pseudoelite ist im 21. Jahrhundert nicht mehr lebensfähig."
Während wir darüber nachdenken, was das denn nun eigentlich heißen soll und ob das stimmt, halbwahr oder bloß so dahingesagt ist, greifen wir zum nächsten Strohhalm, den uns Direktor S. zur Lösung der Frage Museumskrise, aber welche? hinhält: "Die Kunsthallen und Kunstvereine sind dabei, vollkommen zu verschwinden. Wenn sie Gerhard Richter oder einen Jonathan Meese fragen, ob er lieber im Baden-Württembergischen Kunstverein ausstellt oder in der Staatsgalerie, wird er sofort das Museum wählen."
So sehen wir uns betroffen und alle Fragen sind - offen. Das ganze Gespräch, das Paul Jandl mit Klaus Albrecht Schröder geführt hat, finden sie in der WELT vom 10. Juli 2010
Am Geld liegts also nicht. Die Krise liegt am Touristen. Und zwar dem Sacher-Touristen: "Die Touristen bleiben aus. Wer am Wiener Flughafen oder im Hotel Sacher nicht ankommt, kann auch nicht in die Albertina gehen."
Aber, so Direktor S., die Museumskrise ist "nicht unbedingt nur eine Finanzkrise. Die gibt es ja in anderen Branchen auch. Die Idee des Museums ist in der Krise."
Wie sein Kollege Generaldirektor in Dresden entdeckt S. da etwas: die Museen selbst sind (mit)schuld an der Krise. "Das Museum der Gründerzeiten des 18. Jahrhundert und der Blütezeit des 19. Jahrhunderts ist an ein Ende gekommen. (,,,)Das Publikum will (…) entschieden konzipierte Ausstellungen. (…). Das Museum als Identifikationsmedium einer Pseudoelite ist im 21. Jahrhundert nicht mehr lebensfähig."
Während wir darüber nachdenken, was das denn nun eigentlich heißen soll und ob das stimmt, halbwahr oder bloß so dahingesagt ist, greifen wir zum nächsten Strohhalm, den uns Direktor S. zur Lösung der Frage Museumskrise, aber welche? hinhält: "Die Kunsthallen und Kunstvereine sind dabei, vollkommen zu verschwinden. Wenn sie Gerhard Richter oder einen Jonathan Meese fragen, ob er lieber im Baden-Württembergischen Kunstverein ausstellt oder in der Staatsgalerie, wird er sofort das Museum wählen."
So sehen wir uns betroffen und alle Fragen sind - offen. Das ganze Gespräch, das Paul Jandl mit Klaus Albrecht Schröder geführt hat, finden sie in der WELT vom 10. Juli 2010
Inventare imaginär (Texte im Museum 78)
450 Jahre Zukunft. Jubiläumsausstellung der Staatlichen Dresdner Kunstsammlungen. Historische und aktuelle Inventare in Wandprojektion. jangled nerves
"450 Jahre Zukunft". Dresdner Fragmente (1)
450 Jahre Zukunft. Unter diesem Motto feiern die Staatlichen Dresdner Kunstsammlungen ein Jubiläum. Gestützt auf eine einzige archivalische Angabe rechnet man sich 450 Jahre Sammlungsgeschichte an und damit eine distinktionsmächtige Institutionenkontinuität.
Gezeigt wird die Ausstellung in nicht restaurierten Räumen des Dresdner Schlosses, das nach und nach restauriert wird und in dem nach und nach Teilsammlungen rekonstruiert oder neu formiert aufgestellt werden: das berühmte Grüne Gewölbe, das so genannte Neue Grüne Gewölbe, die Türkische Kammer und andere.
Die Ausstellung spiegelt das Selbstverständnis des Dresdner Museumsverbundes als eine aus den fürstlichen Sammlungen hervorgegangene bedeutendste und älteste Kunstsammlung Europas.
Die Kuratorin der Ausstellung hat Objekte aus den Dresdner Sammlungen und Leihgaben um fünf Themen gruppiert, Schöpfung, Verlangen, Wissbegierde, Konfrontation, Ausstrahlung. In jeder dieser Gruppierungen werden Wissensbereiche, Kunstgattungen und Epochen gemischt und miteinander konfrontiert. In jedem Raum werden die Objekte auf einer 'Insel' aus Podesten mit Vitrinen und Wänden präsentiert, wobei die Synergien zwischen den Objekten von der Vereinzelung der Objekte - oft steht Einzelobjekt-Vitrine neben Vitrine - konterkariert wird.
Es gibt nur karge Objektbeschriftung, keinerlei anderen Text. Ich hatte das Vergnügen mit der Kuratorin durch die Ausstellung gehen und von Ihrem Wissen und auch von ihrer eindrucksvollen Identifizierung mit ihrer Arbeit profitieren zu können. Hier erschlossen sich mir mühelos Bezüge im Mikrogefüge der Rauminstallationen wie über Räume und Themenbereiche hinweg. Der Normalbesucher ist aber auf einen Audioguide angewiesen oder den Katalog, der aber als Ausstellungsführer nicht besonders praktikabel ist. Ich habe bislang keine Ausstellung gesehen, die so stark auf die mediale Vermittlung setzt.
Die Ausstellungsgestaltung (HG Merz) bedient sich einer konventionellen Präsentation, die die Aura des individuellen Objektes unterstreicht. Jeweils ein zentrales Podest taucht aus dem Dunkel der unrestaurierten Räume auf und hebt durch Platzierung und Lichtregie das Einzelne hervor. Staunen, ästhetischer Genuss, Bewunderung sind die angebotenen Modi der Wahrnehmung. So ist die Schau doch allererst eine Sammlungspräsentation, die ihren Reichtum und die Vielfalt grundsätzlich affirmativ zur Geltung bringt. Es ist ein kunsthistorischer Blick, der hier waltet und den man teilen soll.
Auch ohne Erläuterung entdeckt man viele Exponate, die Aufschlüsse über praktische, symbolische, politische usw. Bedeutungen vermitteln, doch ist der Preis für die ästhetisierende Präsentation aller Objekte als 'Kunstwerke' hoch. Motive, Zwecke, Wandlungen, Ansprüche des Sammelns kommen nur punktuell zum Vorschein. Selbst das suggestive leitende Motto verliert man schnell aus den Augen: was da immer auch schon an Zukunft in das Sammeln eingebaut war, wird einem für die lange Dauer der Sammlungsgeschichte nicht wirklich klar und schon gar nicht für die 'kommende Zukunft' der Sammlungen. Ein Einlassen auf sammlungspolitische und -geschichtliche Fragen hätte wohl den gewünschten Eindruck von Kontinuität und Kohärenz empfindlich gestört.
Die Ausstellung ermöglicht immer wieder den Blick nach draußen, aber sie lässt das Draußen kaum an einer Stelle herein. Die offensichtliche Fragmentiertheit, Brüchigkeit, Lückenhaftigkeit der Stadt, die sie trotz aller Aufbau- und Rekonstruktion-Bemühungen auszeichnet, hat keinen Widerhall in der Schau. Die schrundigen Räume sind ein Gefäß, nicht mehr, ohne die Bedeutung der Dinge tangieren zu dürfen. Bezeichnend ist, daß nirgendwo eine Interaktion von Bau und Schau versucht wurde. Die Rohheit der im Weltkrieg zerstörten, nur notdürftig praktikabel gemachten Räume, verweist auf doch einen von mehreren Brüchen in der Geschichte Dresdens.
Ich möchte das Staunen, das die Ausstellung auslöst, nicht denunzieren und ich unterschätze nicht, wie sehr es Auslöser nachhallender Fragen sein kann. Aber ich habe mich hier und in anderen Sammlungen, die ich in Dresden gesehen habe, gefragt, in welchem Spannungsverhältnis die rekonstruktive und affirmative Haltung der Museen zur Wirklichkeit der Stadt steht. Anders gesagt: was es bedeutet oder was es bewirkt, wenn der fürstliche Glanz der barocken Stadt wiederhergestellt wird, wenn die tiefen Spuren des Weltkrieges, der DDR-Zeit, des bürgerlichen Historismus, des Wiederaufbaues nach der so genannten Wiedervereinigung nirgendwo gespiegelt werden.
Wie die Ausstellung rekonstruiert auch die aktuelle Museumsentwicklung die Sammlungen im Status, den sie als fürstliche, repräsentative 'Kammern' hatten. Das erscheint insofern legitim, als die Überlieferung der Objekte das zulässt. Wie wohl an keinem anderen Ort, kann hier der Glanz, der Reichtum, die handwerkliche und ästhetische Qualität der einzelnen Sammlungen, wenn auch manchmal nur fragmentiert und in neuer architektonischer Umgebung 'wiederhergestellt' werden.
Bei der Ausstellung wie bei der sukzessiven Wiedereröffnung der Sammlungen nimmt man offenbar gerne in Kauf, daß damit auch ein Stück fürstlicher, überwiegend barocker Repräsentation, im Vordergrund steht. Was sich mehr oder minder nahtlos in das Selbstbild Dresdens als glanzvoller historischer Metropole (das Bild, das auch dem Touristen nahegelegt wird) fügt. Dresden entwickelt sich, schien mir, gleichsam 'rückwärts' und wenn man durch die Stadt schlendert kann man zwischen historischen restaurierten und absolut moderne historisierenden und rekonstruierten Bauten gar nicht mehr unterscheiden. Neu wie am Tag ihrer Fertigstellung ist aber dieses Wiederhergestellte nagelneu, weil - vorläufig - ohne jede Altersspur. Die Lücken, die die Geschichte hinterließ, für viele Dresdner noch 'Wunden', werden aber durch die architektonische Mimikry nicht geheilt, sondern unsichtbar gemacht. Das schien mir auch an der Ausstellung problematisch.
Es sind paradoxe Wege, die man als Besucher durch Dresden nimmt. Das Schloss, teilweise noch beschädigt und geschwärzt von der Kriegszerstörung, fügt sich wie nahtlos in die Vedute des Altstadtkerns, wiewohl seine Architektur von bescheidener Qualität und zu ihrer Entstehungszeit ganz schön 'retro' war. Währen die Brachen mit ihren vergilbten Wiesen Leerstellen bilden, von denen man nicht sagen kann, aus welcher Zeitschicht sie eigentlich stammen: planierte Ruinenfelder, Bauerwartungsland heutiger Investoren, Überreste sozialistischer unvollendeter Stadtplanung.
In der Ausstellung werden zwar (mit höchst unterschiedlicher Gewichtung), die historischen Landmarks berücksichtigt, aber auch zu einer Kontinuität dort zusammengefügt, wo keine nachweisbar ist.
Das gilt auch für den Kern der Ausstellung: die 450 Jahre Sammlungsgeschichte als Legitimationsfigur für den heutigen Museumscluster, bilden mitnichten einen großen Entwicklungsbogen. Die Differenzierung von Sammlung und Museum (um nur eine grobe Unterscheidung zu machen) findet schon erst mal gar nicht statt, also auch nicht der Bruch zwischen fürstlich repräsentativem Sammeln und moderner Museumsidee.
Wollte man dem weder sozial- oder ideengeschichtlich nachspüren, so hätte man doch bemerken müssen, daß es sammlungsgeschichtlich auch nicht zusammenpasst. Spätestens 1832 war es definitiv vorbei mit dem enzyklopädischen Sammeln und neue Sammlungs- und Präsentationsparadigmen hatten sich auch in Dresden durchgesetzt. Wie auch anderswo verschwanden die alten Formgelegenheiten, die Kammern, Kabinette und Galerien ebenso wie die alten Typologien. Objekte und Sammlungsbereiche wurden neue aufgeteilt, neu gegliedert, neu arrangiert. Vieles wurde verkauft, verschenkt oder an andere Museen weitergegeben.
So ist das erste Objekt, das man in der Ausstellung sieht, die Drahtziehbank Kurfürst August von Sachsens genau das nicht, wofür sie hier steht. Sie ist kein 'erstes' Objekt einer kontinuierlichen Sammlungsgeschichte, kein 'Gründungsobjekt' einer 450-jährigen Geschichte. Es ist eines der Objekte, die weggegeben wurden und nun als Leihgabe eines französischen Museums auf Zeit gezeigt wird. Es ist das Gegenteil dessen, was es in der Ausstellung ist - eben kein Objekt der Kontinuität, sondern, als Leihgabe, eines der Diskontinuität.
Gezeigt wird die Ausstellung in nicht restaurierten Räumen des Dresdner Schlosses, das nach und nach restauriert wird und in dem nach und nach Teilsammlungen rekonstruiert oder neu formiert aufgestellt werden: das berühmte Grüne Gewölbe, das so genannte Neue Grüne Gewölbe, die Türkische Kammer und andere.
Die Ausstellung spiegelt das Selbstverständnis des Dresdner Museumsverbundes als eine aus den fürstlichen Sammlungen hervorgegangene bedeutendste und älteste Kunstsammlung Europas.
Die Kuratorin der Ausstellung hat Objekte aus den Dresdner Sammlungen und Leihgaben um fünf Themen gruppiert, Schöpfung, Verlangen, Wissbegierde, Konfrontation, Ausstrahlung. In jeder dieser Gruppierungen werden Wissensbereiche, Kunstgattungen und Epochen gemischt und miteinander konfrontiert. In jedem Raum werden die Objekte auf einer 'Insel' aus Podesten mit Vitrinen und Wänden präsentiert, wobei die Synergien zwischen den Objekten von der Vereinzelung der Objekte - oft steht Einzelobjekt-Vitrine neben Vitrine - konterkariert wird.
Es gibt nur karge Objektbeschriftung, keinerlei anderen Text. Ich hatte das Vergnügen mit der Kuratorin durch die Ausstellung gehen und von Ihrem Wissen und auch von ihrer eindrucksvollen Identifizierung mit ihrer Arbeit profitieren zu können. Hier erschlossen sich mir mühelos Bezüge im Mikrogefüge der Rauminstallationen wie über Räume und Themenbereiche hinweg. Der Normalbesucher ist aber auf einen Audioguide angewiesen oder den Katalog, der aber als Ausstellungsführer nicht besonders praktikabel ist. Ich habe bislang keine Ausstellung gesehen, die so stark auf die mediale Vermittlung setzt.
Die Ausstellungsgestaltung (HG Merz) bedient sich einer konventionellen Präsentation, die die Aura des individuellen Objektes unterstreicht. Jeweils ein zentrales Podest taucht aus dem Dunkel der unrestaurierten Räume auf und hebt durch Platzierung und Lichtregie das Einzelne hervor. Staunen, ästhetischer Genuss, Bewunderung sind die angebotenen Modi der Wahrnehmung. So ist die Schau doch allererst eine Sammlungspräsentation, die ihren Reichtum und die Vielfalt grundsätzlich affirmativ zur Geltung bringt. Es ist ein kunsthistorischer Blick, der hier waltet und den man teilen soll.
Auch ohne Erläuterung entdeckt man viele Exponate, die Aufschlüsse über praktische, symbolische, politische usw. Bedeutungen vermitteln, doch ist der Preis für die ästhetisierende Präsentation aller Objekte als 'Kunstwerke' hoch. Motive, Zwecke, Wandlungen, Ansprüche des Sammelns kommen nur punktuell zum Vorschein. Selbst das suggestive leitende Motto verliert man schnell aus den Augen: was da immer auch schon an Zukunft in das Sammeln eingebaut war, wird einem für die lange Dauer der Sammlungsgeschichte nicht wirklich klar und schon gar nicht für die 'kommende Zukunft' der Sammlungen. Ein Einlassen auf sammlungspolitische und -geschichtliche Fragen hätte wohl den gewünschten Eindruck von Kontinuität und Kohärenz empfindlich gestört.
Die Ausstellung ermöglicht immer wieder den Blick nach draußen, aber sie lässt das Draußen kaum an einer Stelle herein. Die offensichtliche Fragmentiertheit, Brüchigkeit, Lückenhaftigkeit der Stadt, die sie trotz aller Aufbau- und Rekonstruktion-Bemühungen auszeichnet, hat keinen Widerhall in der Schau. Die schrundigen Räume sind ein Gefäß, nicht mehr, ohne die Bedeutung der Dinge tangieren zu dürfen. Bezeichnend ist, daß nirgendwo eine Interaktion von Bau und Schau versucht wurde. Die Rohheit der im Weltkrieg zerstörten, nur notdürftig praktikabel gemachten Räume, verweist auf doch einen von mehreren Brüchen in der Geschichte Dresdens.
Ich möchte das Staunen, das die Ausstellung auslöst, nicht denunzieren und ich unterschätze nicht, wie sehr es Auslöser nachhallender Fragen sein kann. Aber ich habe mich hier und in anderen Sammlungen, die ich in Dresden gesehen habe, gefragt, in welchem Spannungsverhältnis die rekonstruktive und affirmative Haltung der Museen zur Wirklichkeit der Stadt steht. Anders gesagt: was es bedeutet oder was es bewirkt, wenn der fürstliche Glanz der barocken Stadt wiederhergestellt wird, wenn die tiefen Spuren des Weltkrieges, der DDR-Zeit, des bürgerlichen Historismus, des Wiederaufbaues nach der so genannten Wiedervereinigung nirgendwo gespiegelt werden.
Wie die Ausstellung rekonstruiert auch die aktuelle Museumsentwicklung die Sammlungen im Status, den sie als fürstliche, repräsentative 'Kammern' hatten. Das erscheint insofern legitim, als die Überlieferung der Objekte das zulässt. Wie wohl an keinem anderen Ort, kann hier der Glanz, der Reichtum, die handwerkliche und ästhetische Qualität der einzelnen Sammlungen, wenn auch manchmal nur fragmentiert und in neuer architektonischer Umgebung 'wiederhergestellt' werden.
Bei der Ausstellung wie bei der sukzessiven Wiedereröffnung der Sammlungen nimmt man offenbar gerne in Kauf, daß damit auch ein Stück fürstlicher, überwiegend barocker Repräsentation, im Vordergrund steht. Was sich mehr oder minder nahtlos in das Selbstbild Dresdens als glanzvoller historischer Metropole (das Bild, das auch dem Touristen nahegelegt wird) fügt. Dresden entwickelt sich, schien mir, gleichsam 'rückwärts' und wenn man durch die Stadt schlendert kann man zwischen historischen restaurierten und absolut moderne historisierenden und rekonstruierten Bauten gar nicht mehr unterscheiden. Neu wie am Tag ihrer Fertigstellung ist aber dieses Wiederhergestellte nagelneu, weil - vorläufig - ohne jede Altersspur. Die Lücken, die die Geschichte hinterließ, für viele Dresdner noch 'Wunden', werden aber durch die architektonische Mimikry nicht geheilt, sondern unsichtbar gemacht. Das schien mir auch an der Ausstellung problematisch.
Es sind paradoxe Wege, die man als Besucher durch Dresden nimmt. Das Schloss, teilweise noch beschädigt und geschwärzt von der Kriegszerstörung, fügt sich wie nahtlos in die Vedute des Altstadtkerns, wiewohl seine Architektur von bescheidener Qualität und zu ihrer Entstehungszeit ganz schön 'retro' war. Währen die Brachen mit ihren vergilbten Wiesen Leerstellen bilden, von denen man nicht sagen kann, aus welcher Zeitschicht sie eigentlich stammen: planierte Ruinenfelder, Bauerwartungsland heutiger Investoren, Überreste sozialistischer unvollendeter Stadtplanung.
In der Ausstellung werden zwar (mit höchst unterschiedlicher Gewichtung), die historischen Landmarks berücksichtigt, aber auch zu einer Kontinuität dort zusammengefügt, wo keine nachweisbar ist.
Das gilt auch für den Kern der Ausstellung: die 450 Jahre Sammlungsgeschichte als Legitimationsfigur für den heutigen Museumscluster, bilden mitnichten einen großen Entwicklungsbogen. Die Differenzierung von Sammlung und Museum (um nur eine grobe Unterscheidung zu machen) findet schon erst mal gar nicht statt, also auch nicht der Bruch zwischen fürstlich repräsentativem Sammeln und moderner Museumsidee.
Wollte man dem weder sozial- oder ideengeschichtlich nachspüren, so hätte man doch bemerken müssen, daß es sammlungsgeschichtlich auch nicht zusammenpasst. Spätestens 1832 war es definitiv vorbei mit dem enzyklopädischen Sammeln und neue Sammlungs- und Präsentationsparadigmen hatten sich auch in Dresden durchgesetzt. Wie auch anderswo verschwanden die alten Formgelegenheiten, die Kammern, Kabinette und Galerien ebenso wie die alten Typologien. Objekte und Sammlungsbereiche wurden neue aufgeteilt, neu gegliedert, neu arrangiert. Vieles wurde verkauft, verschenkt oder an andere Museen weitergegeben.
So ist das erste Objekt, das man in der Ausstellung sieht, die Drahtziehbank Kurfürst August von Sachsens genau das nicht, wofür sie hier steht. Sie ist kein 'erstes' Objekt einer kontinuierlichen Sammlungsgeschichte, kein 'Gründungsobjekt' einer 450-jährigen Geschichte. Es ist eines der Objekte, die weggegeben wurden und nun als Leihgabe eines französischen Museums auf Zeit gezeigt wird. Es ist das Gegenteil dessen, was es in der Ausstellung ist - eben kein Objekt der Kontinuität, sondern, als Leihgabe, eines der Diskontinuität.
Freitag, 23. Juli 2010
Das Museum kann viel mehr! Aus der Reihe "Große Direktoren sprechen (nicht) über die Museumskrise."
"Was leistet das Museum heute für die gesellschaftliche Debatte?
Die offizielle Meinung dazu ist: Wir sind eine Institution, die sammelt, forscht und bewahrt. Aber die Wahrheit ist doch: Das Museum kann viel mehr! Im Museum sieht man nur die schönen Seiten des Lebens, da stimmt doch irgendwas nicht. Das Museum ist eine soziale Kohäsionseinrichtung. Wenn die Museen mal den Mut hätten, sich richtig auf die Bevölkerung mit all ihren Sorgen einzulassen, die Leute wirklich dort abzuholen, wo sie stehen, keine Angst mehr hätten, sich mit Alltagsthemen auch in die Niederungen zu begeben! Wir haben hier so viel Material, um Welten zu erklären, politische Zusammenhänge herzustellen - und trauen uns nicht ran. Das Museum als zutiefst soziale Einrichtung, das nimmt heute keiner ernst. Asche auf mein Haupt."
Abb.: Wolfgang Mattheuer: Sisyphos behaut den Stein. 1974. Derzeit zu sehen in der Jubiläumsausstellung der Staatlichen Museen Dresden Zukunft seit 1560
Wally zurück! Alles gut?
Die Leopold Stiftung hat einen 'Vergleich' geschlossen. Sie zahlt viel Geld und behält das Bild. Neunzehn Millionen Dollar. Für das Bild, das in New York beschlagnahmt wurde, weil man es für Raubkunst hielt. Das Bild "Wally".
In 1911, Schiele met the seventeen-year-old Valerie (Wally) Neuzil, who lived with him in Vienna and served as model for some of his most striking paintings. Very little is known of her, except that she had previously modelled for Gustav Klimt and might have been one of his mistresses.The year 1915 marked a turning-point in Schiele's life. Some time in the previous year he had met two middleclass girls who lived opposite his studio. Edith and Adéle harms were the daughters of a master locksmith. Schiele was attracted to both of them, but eventually fixed his sights on Edith; by April 1915 he was engaged to her, and Wally Neuzil was rather cold-bloodedly dismissed. Schiele's last meeting with Wally took place at their 'local', the Café Eichberger, where he played billiards nearly every day. He handed her a letter in which he proposed that, despite their parting, they take a holiday together every summer - without Edith. Not surprisingly, Wally refused. She joined the Red Cross as a nurse and died of scarlet fever in a military hospital near Split in Dalmatia just before Christmas 1917.
(Bild & Zitat hier)
Wie die FAZ berichtet, soll das Bild "vor seiner Rückführung nach Wien im New Yorker „Jewish Heritage Museum“ als „Erinnerung an Standhaftigkeit und Wille von Opfern und Überlebenden des Holocaust“ kurz ausgestellt werden. Auch auf seine Herkunft muss fortan in Wien hingewiesen werden: „Die wahre Geschichte des Bildes“, so die Anwälte, „wird nun kommenden Generationen erzählt.“
Schon zuvor wurden die ersten Beschlüsse der "Leopold Rückgabe Kommission" bekannt (hier im Wortlaut). Das ist erst der Beginn einer Aufarbeitung der Sammlung. Sie wird sich wohl zügiger vollziehen und schneller praktische Ergebnisse bewirken, seit der Sohn des Sammlers Leopold in einem Gespräch im ORF eine Haltungsänderung hat erkennen lassen.
Wie wenig damit, nicht nur in Bezug auf die Sammlung Leopold, "erledigt" ist, wird an einem Artikel in der heutigen NZZ deutlich, der eine kaum beachtete Entwicklung thematisiert. Die "Privatisierung der Restitution". Stephan Tempel (hier) macht auf eine Doppelgleisigkeit der Aufarbeitung aufmerksam, auf das Nebeneinander von staatlicher Aufarbeitung und - kostspieliger - privater.
Sein Kernsatz: "Dieser Konflikt zwischen öffentlichem Engagement und privatem Profit kennzeichnet weite Teile der Rückstellungswirklichkeit. Da gibt es auf der einen Seite die meist nur mit sogenannten Werkverträgen ausgestatteten Rechercheure, die systematisch und präzise die öffentlichen Sammlungen durchforsten. Die Auffindung von Rückstellungsberechtigten betreibt der Staat jedoch nicht selbst. Diese Arbeit überlässt er Genealogen und Anwälten, die sich vertraglich exorbitante Erfolgshonorare bei erfolgter Rückstellung sichern. Das ist jedoch nach österreichischem Recht verboten, denn hier ist das Anwaltshonorar über eine genaue Tarifordnung geregelt."
In diesem Sinn kritisiert die Israelitische Kultusgemeinde (hier), die Fortsetzung einer Praxis des Vergleichs und der Absprachen: "Restitution" sei "- auch im Sinne des Kunstrückgabegesetzes - die entgeltfreie Rückgabe von Kunstwerken bedenklicher Provenienz und kein 'dealmaking'".
In 1911, Schiele met the seventeen-year-old Valerie (Wally) Neuzil, who lived with him in Vienna and served as model for some of his most striking paintings. Very little is known of her, except that she had previously modelled for Gustav Klimt and might have been one of his mistresses.The year 1915 marked a turning-point in Schiele's life. Some time in the previous year he had met two middleclass girls who lived opposite his studio. Edith and Adéle harms were the daughters of a master locksmith. Schiele was attracted to both of them, but eventually fixed his sights on Edith; by April 1915 he was engaged to her, and Wally Neuzil was rather cold-bloodedly dismissed. Schiele's last meeting with Wally took place at their 'local', the Café Eichberger, where he played billiards nearly every day. He handed her a letter in which he proposed that, despite their parting, they take a holiday together every summer - without Edith. Not surprisingly, Wally refused. She joined the Red Cross as a nurse and died of scarlet fever in a military hospital near Split in Dalmatia just before Christmas 1917.
(Bild & Zitat hier)
Wie die FAZ berichtet, soll das Bild "vor seiner Rückführung nach Wien im New Yorker „Jewish Heritage Museum“ als „Erinnerung an Standhaftigkeit und Wille von Opfern und Überlebenden des Holocaust“ kurz ausgestellt werden. Auch auf seine Herkunft muss fortan in Wien hingewiesen werden: „Die wahre Geschichte des Bildes“, so die Anwälte, „wird nun kommenden Generationen erzählt.“
Schon zuvor wurden die ersten Beschlüsse der "Leopold Rückgabe Kommission" bekannt (hier im Wortlaut). Das ist erst der Beginn einer Aufarbeitung der Sammlung. Sie wird sich wohl zügiger vollziehen und schneller praktische Ergebnisse bewirken, seit der Sohn des Sammlers Leopold in einem Gespräch im ORF eine Haltungsänderung hat erkennen lassen.
Wie wenig damit, nicht nur in Bezug auf die Sammlung Leopold, "erledigt" ist, wird an einem Artikel in der heutigen NZZ deutlich, der eine kaum beachtete Entwicklung thematisiert. Die "Privatisierung der Restitution". Stephan Tempel (hier) macht auf eine Doppelgleisigkeit der Aufarbeitung aufmerksam, auf das Nebeneinander von staatlicher Aufarbeitung und - kostspieliger - privater.
Sein Kernsatz: "Dieser Konflikt zwischen öffentlichem Engagement und privatem Profit kennzeichnet weite Teile der Rückstellungswirklichkeit. Da gibt es auf der einen Seite die meist nur mit sogenannten Werkverträgen ausgestatteten Rechercheure, die systematisch und präzise die öffentlichen Sammlungen durchforsten. Die Auffindung von Rückstellungsberechtigten betreibt der Staat jedoch nicht selbst. Diese Arbeit überlässt er Genealogen und Anwälten, die sich vertraglich exorbitante Erfolgshonorare bei erfolgter Rückstellung sichern. Das ist jedoch nach österreichischem Recht verboten, denn hier ist das Anwaltshonorar über eine genaue Tarifordnung geregelt."
In diesem Sinn kritisiert die Israelitische Kultusgemeinde (hier), die Fortsetzung einer Praxis des Vergleichs und der Absprachen: "Restitution" sei "- auch im Sinne des Kunstrückgabegesetzes - die entgeltfreie Rückgabe von Kunstwerken bedenklicher Provenienz und kein 'dealmaking'".
Samstag, 17. Juli 2010
Fundsache: "Hat Saussure den Gipfel des Mont Blanc nicht nur bestiegen, sondern auch geklaut?"
Man kann es drehen und wenden wie man will, was da auf dem Kärtchen mit der Objektbeschriftung steht, kann man nicht anders übersetzen als: Gipfelchen (topje ist das Diminutiv von top = Gipfel, und kann auch mit Zipfelchen übersetzt werden), vom Mont blanc 1787 abgehackt (oder: abgebrochen) von De Saussure.
Und dann sieht dieser im Teylers Museum in Haarlem ausgestellte Stein auch noch so aus, als wäre er die Spitze...
Der Schweizer Naturforscher Horace Bénédicte de Saussure hatte, im Alter von 20 Jahren, 1760 einen Preis für die erste Besteigung des höchsten Berges der Alpen, des Mont Blanc, ausgesetzt. Mit 47, nach mehreren vergeblichen Versuchen, wird er selbst auf dem Gipfel des Mont Blanc stehen, nur ein Jahr, nachdem der Berg erstmals erstiegen wurde. Es war dies die erst dritte dokumentierte Ersteigung des Gipfels.
Das Teylers Museum (hier gehts zur wunderschönen Webseite dieses wunderbaren Museums) hatte eine eignene Mont-Blanc Sammlung mit einem 1799 erworbenen Relief des Gebirges. 1802 erwarb man von Saussures Sohn diesen Stein. Saussure hatte angenommen, daß auf dem höchsten Berg auch das älteste Gestein zu finden sein müsse und deshalb brach er ein Stück - tja - vom Gipfel ab.
Freitag, 16. Juli 2010
Haus der Kunst? Haus der Geschichte?
Vor kurzem wurde ein architektonisches Projekt zur Erweiterung des Künstlerhauses in Wien vorgestellt. Diesem Projekt liegt eine paradoxe Situation zugrunde: um das Haus betriebswirtschaftlich rentabel erhalten zu können, soll es erweitert werden. Erst unter diesen Bedingungen kann es der Eigentümer, die Gesellschaft bildender Künstler Österreichs, weiter betreiben. Nur gibt es keine konkrete Idee, was dort auf Dauer ausgestellt werden soll. Für das nahe WienMuseum, das das Künstlerhaus des öfteren für Ausstellungen genutzt hat, kommt es offenbar nicht in Frage.
Obwohl diese Nutzung durch den Verein ausgeschlossen wird, kommt in einem Bericht des Standard auch das Haus der Geschichte (Republikmuseum) vor. Dort wird die Vermutung mit dem Hinweis garniert, daß seit März 2009 eine Konzept-Studie vorliegt, die aber nicht veröffentlicht wurde.
Man kann annehmen, daß das für die Bundesmuseen zuständigen Ministerium deswegen nicht initiativ wird, weil ohnehin kaum die Mittel vorhanden sind, um die notwendigsten Maßnahmen in den vorhandenen Museen zu finanzieren.
Vielleicht ahnt man aber auch, daß bei Veröffentlichung des Konzepts erneut eine Kontroverse um Standort und Inhalt losbricht, die das Projekt schon bisher paralysiert hat. Denn anders als die Auftraggeber möglicherweise glauben, löst die Vergabe einer Studie an eine Expertin nicht das Problem, sondern verschiebt es auf den Zeitpunkt der ihrer Veröffentlichung. Denn Experte oder Expertin wofür? Der Stoff des Museums, die österreichische Zeitgeschichte, ist kontrovers. Es gibt keine Expertise, die von einem Punkt 'außerhalb' eine Entscheidung treffen kann. Das ist auch gar nicht wünschenswert. Es liegt in der Sache, daß sie kontrovers ist und weiter kontrovers debattiert werden muß.
Für eine antagonistische Debatte ist aber ein Museum an sich ohnehin der denkbar schlechteste Ort und deshalb hat die Idee, ein Haus der Geschichte oder ein Republikmuseum einzurichten, von Anfang an einen Webfehler.
Obwohl diese Nutzung durch den Verein ausgeschlossen wird, kommt in einem Bericht des Standard auch das Haus der Geschichte (Republikmuseum) vor. Dort wird die Vermutung mit dem Hinweis garniert, daß seit März 2009 eine Konzept-Studie vorliegt, die aber nicht veröffentlicht wurde.
Man kann annehmen, daß das für die Bundesmuseen zuständigen Ministerium deswegen nicht initiativ wird, weil ohnehin kaum die Mittel vorhanden sind, um die notwendigsten Maßnahmen in den vorhandenen Museen zu finanzieren.
Vielleicht ahnt man aber auch, daß bei Veröffentlichung des Konzepts erneut eine Kontroverse um Standort und Inhalt losbricht, die das Projekt schon bisher paralysiert hat. Denn anders als die Auftraggeber möglicherweise glauben, löst die Vergabe einer Studie an eine Expertin nicht das Problem, sondern verschiebt es auf den Zeitpunkt der ihrer Veröffentlichung. Denn Experte oder Expertin wofür? Der Stoff des Museums, die österreichische Zeitgeschichte, ist kontrovers. Es gibt keine Expertise, die von einem Punkt 'außerhalb' eine Entscheidung treffen kann. Das ist auch gar nicht wünschenswert. Es liegt in der Sache, daß sie kontrovers ist und weiter kontrovers debattiert werden muß.
Für eine antagonistische Debatte ist aber ein Museum an sich ohnehin der denkbar schlechteste Ort und deshalb hat die Idee, ein Haus der Geschichte oder ein Republikmuseum einzurichten, von Anfang an einen Webfehler.
Sonntag, 11. Juli 2010
Das Museum: eine europäische Idee mit globalem Echo (Was ist ein Museum? 08)
Die Behauptung (im letzten Post zu "Was ist ein Museum?"), die Museumsgründungen der Französischen Revolution hätten eine tiefgreifende Bedeutungsänderung dessen bewirkt hat, was das Wort Museum ab dieser Zeit bezeichnet, ist in dieser Zuspitzung eine sehr persönliche Sicht der Dinge. Mit der stehe ich aber nicht alleine da und in der sehr langen Beschäftigung mit dem Thema ist meine Überzeugung gewachsen und haben sich die Argumente vermehrt, die die Jahre 1792 bis 1794 als tatsächliche Zäsur erscheinen lassen.
Aber die Museumsgeschichtsschreibung bevorzugt, namentlich die des Louvre, eher eine Darstellung als Kontinuität. Demnach wären die Jahre, in denen der Französische König, auf Druck der Öffentlichkeit, einen Teil seiner Gemäldesammlung zeigte, der erste Baustein zum Museum im Louvre gewesen, aus dem sich die spätere Gründung eines Museums im Louvre gleichsam zwingend und organisch entwickelt hätte. Wer die große historische Ausstellung zur Geschichte im Louvre selbst besucht, die dem Bau und dem Museum gewidmet ist, der wird kaum erkennen, daß da so etwas wie eine Revolution überhaupt stattgefunden hat und auch nicht, wie sehr sie die Museumsgründung im Louvre und die Idee des Museums generell beeinflusst hat.
Gerade weil es keine kontinuierliche und zielstrebige königliche Politik zur Etablierung eines öffentlichen Museums gab, und Paris keine anderen europäischen Metropolen vergleichbare Institution besaß, wurde die Museumsgründung vom 10. August 1793 (dem Jahrestag der Erstürmung der Tuilerien) zum revolutionären politischen Akt und das Gegenteil einer bloßen Weiterführung königlicher Initiative. Ganz im Gegenteil: es war ein der vielen symbolischen Akte, die zur Gründung der Republik gehörten und wer die Galerie d'Apollon betritt, findet über dem Eingang die Inschrift, die die Museumsgründung als Initiative des Parlaments des Jahres II würdigt.
Das Neue und Bahnbrechende der Gründung spiegelt sich unter anderem in einer paradoxen Reaktion auf den Bilderraub der Revolution. Die militärische Expansion der Französischen Armee wurde von Experten begleitet, die aus bedeutenden Sammlungen wertvollste Kunstwerke nach Paris bringen ließen. Eine der unglaublichsten Aktionen war wohl die Demontage der antiken Quadriga von San Marco in Venedig und ihr Transport nach Paris. Während dieses einzigartige Objekt bald wieder restituiert wurde, blieben viele andere Werke (bis heute) in den Sammlungen des Louvre. Dennoch war der Louvre sofort ein Magnet für die Bildungsschicht vieler europäischer Staaten, die dieses neuartige Museum bewunderten und seinen Ruhm literarisch verbreiteten. Wie rasch das ging, und wie bedeutend man das und andere Pariser Museen einschätzte, kann man z.B. an ungewöhnlich umfangreichen Lexikonartikeln ablesen, die bald nach der Gründung des Musée Napoleon im Louvre ediert wurden. Lexika, mit denen ein Wissen ja kanonisiert und verbindlich wird, waren aber natürlich das einzige Echo. Von Wilhelm von Humboldt sind erstaunte und analytische Zeilen z.B. zum Musée des Monuments Française erhalten. Daß beim Museum, das für die Königliche Sammlung in Berlin errichtet wurde (1830 eröffnet; heute: Altes Museum), Erfahrungen der Französischen Gründungen verarbeitet wurden, ist evident. Vorsitzender der Kommission, die das Konzept entwickelte war - Wilhelm von Humboldt.
Doch der Einfluss auf die europäische Entwicklung war auch sehr direkt. In den von Frankreich annektierten Gebieten wurden nicht einfach nur Galerien und Sammlungen geplündert, um damit den Louvre zu bereichern, sondern es wurden auch Museen gegründet und entwickelt, bzw. unmittelbar - von der politischen Entwicklung getragen - beeinflusst und inspiriert. Darunter sind illustre Museen, wie der (als Naturmuseum errichtete) Prado in Madrid, die Accademia in Venedig, die Brera in Mailand, das Rijksmuseum in Amsterdam, das Kunstmuseum in Brüssel. Gelegentlich ging der Bildtransfer auch den entgegengesetzten Weg. 36 Gemälde, die aus dem Louvre nach Mainz geschickt wurden, bildeten 1803 den Grundstock für eine Museumsgründung.
Noch breiter war der indirekte Einfluss. Daß Museen so etwas wie einen Staatsnutzen haben können - etwa in der Förderung der verschiedenen Wissenschaften -, das galt schon für vereinzelte Gründungen aufgeklärter Fürsten, aber das Hinzutreten einer kollektiven identifikatorischen Aufgabe, im Sinne der Stiftung eines Landes- oder gar Nationalbewusstseins, das ist neu. Neu ist auch, die Sphäre der Öffentlichkeit, die den Resonanzraum des Museums bildete, idealerweise als nicht begrenzt anzusehen. Mit anderen Worten: Die Nutzung des Museums als Recht für jedermann zu deklarieren. Das war aber nicht das Ziel des Museums, sondern die Bedingung, sich als Staatsbürger zu bilden, nicht zuletzt im Interesse des Staates selbst. Dieses Ziel stand im Zentrum der Konzeption, des 1830 eröffneten Museums am Lustgarten in Berlin. Der Anlass zu seiner Entstehung war die feierliche Rückführung der in der napoleonischen Zeit geraubten Kunstwerke von Paris nach Berlin. Das lässt Museumsprojekt einerseits als so etwas wie ein gegenrevolutionäres Projekt erscheinen, aber andrerseits ist es als Ort der Humanisierung der Nation vermittels der Humanisierung seiner Bürger (Hermann Lübbe) tief den Pariser Gründungen verpflichtet.
Das Museum ist in dieser Hinsicht ein europäisches Modell. In der Zeit zwischen etwa 1770 bis 1830 setzt sich eine moderne Idee des Museums durch, die nicht nur bis heute (oft subkutan, fragmentarisch, mißverstanden, entstellt, aber doch nachhaltig) unsere Vorstellung vom Museum bestimmt, sondern die auch eine weltweite Erfolgsgeschichte wird. Dieses Modell unterscheidet sich von allen bis dahin geübten Praktiken des Sammelns und Hortens, Ausstellend und Schaustellens. Keine andere Kultur hat je die - durchaus merkwürdige - Vorstellung ausgebildet, Objekte auf unbestimmte Dauer zum Zweck der Betrachtung aufzuheben und auszustellen.
Aber in dieser Idee bleibt - und das macht das Museum der Moderne noch einmal zu einem genuin europäischen Projekt - eine Idee lebendig, die damals als ebenfalls einzigartig, die antike griechische Kultur im 8. Jahrhundert vor Christus hervorgebracht hat: die Idee einer kollektiven Erinnerungs- und Erzählinstanz - die Musen und das Museion.
Die Verbreitung dieser Idee in der Französischen Revolution erfolgt 'sofort' in allen Weltgegenden noch in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Unser "neuntältestes Museum" in Kalkutta gehört hierher ebenso wie die Gründungen der unabhängigen Staaten von Amerika, die ersten Museum in Australien, Südamerika und Afrika. Daß es dabei eine quantitative Differenz der Entwicklung gibt ist evident. Sie hat aber weniger geografische oder kulturelle Gründe, sondern der wichtigste Indikator für den quantitativen Entwicklungsstand und die spezifische nationale Bedeutung von Museen, hängt eng mit dem Stand der wirtschaftlichen Entwicklung zusammen. Das gilt für unterschiedliche Museumstypen unterschiedlich stark und ist - dazu existieren gute Statistiken -, am extremsten bei Museen moderner bzw. zeitgenössischer Kunst. Sie wurden und überwiegend in den hochentwickeltsten Regionen industriell potenter Staaten errichtet, Kanada, Japan, USA, Europa. Zur Illustration dieser Behauptung kann man auf den eben anlaufenden Boom von Museumsgründungen in China verweisen, der ganz offenbar mit der wirtschaftlichen Entwicklung eng zusammenhängt. 1000 Museen sollen in nur 10 Jahren errichtet werden!
Wenn ich die Rolle der Museumsgründungen in der Französischen Revolution so nachdrücklich betont habe, dann bedeutet das nicht, das damit ein umfassender Bruch vollzogen worden wäre und ab dieser Zeit nur ein einziges Modell Geltung hätte. Auch hier gibt es eine Dialektik von Kontinuität und Bruch. Einerseits gibt es Elemente früherer Entwicklungen, die im neuen Museumsmodell tradiert werden, umgeformt, neu codiert, in neuen Konfigurationen neue Bedeutung erhaltend. Andrerseits existieren ältere Formen des Sammelns, Ausstellend weiter, und das Nebeneinander sehr heterogener Formen, das gilt bis heute. Die strikt private, extrem exklusive Sammlung steht neben dem öffentlichen Schaumuseum, das Wissenschaftsmuseum mit seinen Forschungsobjekten neben der fürstlich-repräsentativen Sammlung (z.B. des englischen Königshauses), das Vereinsmuseum neben der Kunsthalle des Großkonzerns.
Aber die Museumsgeschichtsschreibung bevorzugt, namentlich die des Louvre, eher eine Darstellung als Kontinuität. Demnach wären die Jahre, in denen der Französische König, auf Druck der Öffentlichkeit, einen Teil seiner Gemäldesammlung zeigte, der erste Baustein zum Museum im Louvre gewesen, aus dem sich die spätere Gründung eines Museums im Louvre gleichsam zwingend und organisch entwickelt hätte. Wer die große historische Ausstellung zur Geschichte im Louvre selbst besucht, die dem Bau und dem Museum gewidmet ist, der wird kaum erkennen, daß da so etwas wie eine Revolution überhaupt stattgefunden hat und auch nicht, wie sehr sie die Museumsgründung im Louvre und die Idee des Museums generell beeinflusst hat.
Gerade weil es keine kontinuierliche und zielstrebige königliche Politik zur Etablierung eines öffentlichen Museums gab, und Paris keine anderen europäischen Metropolen vergleichbare Institution besaß, wurde die Museumsgründung vom 10. August 1793 (dem Jahrestag der Erstürmung der Tuilerien) zum revolutionären politischen Akt und das Gegenteil einer bloßen Weiterführung königlicher Initiative. Ganz im Gegenteil: es war ein der vielen symbolischen Akte, die zur Gründung der Republik gehörten und wer die Galerie d'Apollon betritt, findet über dem Eingang die Inschrift, die die Museumsgründung als Initiative des Parlaments des Jahres II würdigt.
Das Neue und Bahnbrechende der Gründung spiegelt sich unter anderem in einer paradoxen Reaktion auf den Bilderraub der Revolution. Die militärische Expansion der Französischen Armee wurde von Experten begleitet, die aus bedeutenden Sammlungen wertvollste Kunstwerke nach Paris bringen ließen. Eine der unglaublichsten Aktionen war wohl die Demontage der antiken Quadriga von San Marco in Venedig und ihr Transport nach Paris. Während dieses einzigartige Objekt bald wieder restituiert wurde, blieben viele andere Werke (bis heute) in den Sammlungen des Louvre. Dennoch war der Louvre sofort ein Magnet für die Bildungsschicht vieler europäischer Staaten, die dieses neuartige Museum bewunderten und seinen Ruhm literarisch verbreiteten. Wie rasch das ging, und wie bedeutend man das und andere Pariser Museen einschätzte, kann man z.B. an ungewöhnlich umfangreichen Lexikonartikeln ablesen, die bald nach der Gründung des Musée Napoleon im Louvre ediert wurden. Lexika, mit denen ein Wissen ja kanonisiert und verbindlich wird, waren aber natürlich das einzige Echo. Von Wilhelm von Humboldt sind erstaunte und analytische Zeilen z.B. zum Musée des Monuments Française erhalten. Daß beim Museum, das für die Königliche Sammlung in Berlin errichtet wurde (1830 eröffnet; heute: Altes Museum), Erfahrungen der Französischen Gründungen verarbeitet wurden, ist evident. Vorsitzender der Kommission, die das Konzept entwickelte war - Wilhelm von Humboldt.
Doch der Einfluss auf die europäische Entwicklung war auch sehr direkt. In den von Frankreich annektierten Gebieten wurden nicht einfach nur Galerien und Sammlungen geplündert, um damit den Louvre zu bereichern, sondern es wurden auch Museen gegründet und entwickelt, bzw. unmittelbar - von der politischen Entwicklung getragen - beeinflusst und inspiriert. Darunter sind illustre Museen, wie der (als Naturmuseum errichtete) Prado in Madrid, die Accademia in Venedig, die Brera in Mailand, das Rijksmuseum in Amsterdam, das Kunstmuseum in Brüssel. Gelegentlich ging der Bildtransfer auch den entgegengesetzten Weg. 36 Gemälde, die aus dem Louvre nach Mainz geschickt wurden, bildeten 1803 den Grundstock für eine Museumsgründung.
Noch breiter war der indirekte Einfluss. Daß Museen so etwas wie einen Staatsnutzen haben können - etwa in der Förderung der verschiedenen Wissenschaften -, das galt schon für vereinzelte Gründungen aufgeklärter Fürsten, aber das Hinzutreten einer kollektiven identifikatorischen Aufgabe, im Sinne der Stiftung eines Landes- oder gar Nationalbewusstseins, das ist neu. Neu ist auch, die Sphäre der Öffentlichkeit, die den Resonanzraum des Museums bildete, idealerweise als nicht begrenzt anzusehen. Mit anderen Worten: Die Nutzung des Museums als Recht für jedermann zu deklarieren. Das war aber nicht das Ziel des Museums, sondern die Bedingung, sich als Staatsbürger zu bilden, nicht zuletzt im Interesse des Staates selbst. Dieses Ziel stand im Zentrum der Konzeption, des 1830 eröffneten Museums am Lustgarten in Berlin. Der Anlass zu seiner Entstehung war die feierliche Rückführung der in der napoleonischen Zeit geraubten Kunstwerke von Paris nach Berlin. Das lässt Museumsprojekt einerseits als so etwas wie ein gegenrevolutionäres Projekt erscheinen, aber andrerseits ist es als Ort der Humanisierung der Nation vermittels der Humanisierung seiner Bürger (Hermann Lübbe) tief den Pariser Gründungen verpflichtet.
Das Museum ist in dieser Hinsicht ein europäisches Modell. In der Zeit zwischen etwa 1770 bis 1830 setzt sich eine moderne Idee des Museums durch, die nicht nur bis heute (oft subkutan, fragmentarisch, mißverstanden, entstellt, aber doch nachhaltig) unsere Vorstellung vom Museum bestimmt, sondern die auch eine weltweite Erfolgsgeschichte wird. Dieses Modell unterscheidet sich von allen bis dahin geübten Praktiken des Sammelns und Hortens, Ausstellend und Schaustellens. Keine andere Kultur hat je die - durchaus merkwürdige - Vorstellung ausgebildet, Objekte auf unbestimmte Dauer zum Zweck der Betrachtung aufzuheben und auszustellen.
Aber in dieser Idee bleibt - und das macht das Museum der Moderne noch einmal zu einem genuin europäischen Projekt - eine Idee lebendig, die damals als ebenfalls einzigartig, die antike griechische Kultur im 8. Jahrhundert vor Christus hervorgebracht hat: die Idee einer kollektiven Erinnerungs- und Erzählinstanz - die Musen und das Museion.
Die Verbreitung dieser Idee in der Französischen Revolution erfolgt 'sofort' in allen Weltgegenden noch in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Unser "neuntältestes Museum" in Kalkutta gehört hierher ebenso wie die Gründungen der unabhängigen Staaten von Amerika, die ersten Museum in Australien, Südamerika und Afrika. Daß es dabei eine quantitative Differenz der Entwicklung gibt ist evident. Sie hat aber weniger geografische oder kulturelle Gründe, sondern der wichtigste Indikator für den quantitativen Entwicklungsstand und die spezifische nationale Bedeutung von Museen, hängt eng mit dem Stand der wirtschaftlichen Entwicklung zusammen. Das gilt für unterschiedliche Museumstypen unterschiedlich stark und ist - dazu existieren gute Statistiken -, am extremsten bei Museen moderner bzw. zeitgenössischer Kunst. Sie wurden und überwiegend in den hochentwickeltsten Regionen industriell potenter Staaten errichtet, Kanada, Japan, USA, Europa. Zur Illustration dieser Behauptung kann man auf den eben anlaufenden Boom von Museumsgründungen in China verweisen, der ganz offenbar mit der wirtschaftlichen Entwicklung eng zusammenhängt. 1000 Museen sollen in nur 10 Jahren errichtet werden!
Wenn ich die Rolle der Museumsgründungen in der Französischen Revolution so nachdrücklich betont habe, dann bedeutet das nicht, das damit ein umfassender Bruch vollzogen worden wäre und ab dieser Zeit nur ein einziges Modell Geltung hätte. Auch hier gibt es eine Dialektik von Kontinuität und Bruch. Einerseits gibt es Elemente früherer Entwicklungen, die im neuen Museumsmodell tradiert werden, umgeformt, neu codiert, in neuen Konfigurationen neue Bedeutung erhaltend. Andrerseits existieren ältere Formen des Sammelns, Ausstellend weiter, und das Nebeneinander sehr heterogener Formen, das gilt bis heute. Die strikt private, extrem exklusive Sammlung steht neben dem öffentlichen Schaumuseum, das Wissenschaftsmuseum mit seinen Forschungsobjekten neben der fürstlich-repräsentativen Sammlung (z.B. des englischen Königshauses), das Vereinsmuseum neben der Kunsthalle des Großkonzerns.
Freitag, 2. Juli 2010
Donnerstag, 1. Juli 2010
Sieh! (Museumsphysiognomien 7)
Ein trüber Tag am Bodensee, eine rotige Eisenplatte mit rechteckigem Ausschnitt, ein Text. Schau! Sieh! Aber was? Die Platte ist ein Wahrnehmungspaasepartout, wohin sie den Blick lenkt, ob sie überhaupt einen bestimmten Punkt anvisiert, ist unklar. Es geht wohl eher um den Bodensee. Er ist das Gemeinsame der Identität. Wessen? Der Bodenseeländer. Hm.
Sehenswürdigkeit entsteht mit dem Massentourismus. Das bahnbrechende englische Reiseunternehmen Thomas Cook erfand die Standardisierung der Reise, ihrer Ziele, der aufgesuchten Orte, der Monumente, der Wege und der Zeit. Was würdig ist, angesehen zu werden, besichtigt zu werden, unterliegt nicht mehr individueller Neigung, Zufall, Ratschlägen, sondern einer vorgängigen Festlegung, die die Notwendigeit der Würdigung und den Wert der Sache schon stillschweigend voraussetzt.
Das kann auch in ebenso standardisierten Bildern, den Drei Zinnen, dem Niagarfall, dem schiefen Turm von Pisa, reproduziert, erwartbar und wiederholbar gemacht werden.
Auch der Blick auf den Bodensee ist vorgestanzt, in Eisen. Aber da es nicht wirklich etwas Erkennbares zu sehen gibt, die Wasserfläche, ein Stück Uferlinie, geht es hier um Performanz. Der Bodensee stiftet Identität. Das sollst Du 'sehen', eine Behauptung, anonym und autoritär, aber es ist Dein Blick.
Es geht hier zu wie im Museum: was Du siehst ist a) wahr b) beständig c) wert, gesehen zu werden. Soviel steht fest. Darüber musst Du nicht mehr nachdenken. So etwas nennt man auch: Musealisierung.
Der (die) Autor(en) des Textes sind sich der Überzeugungskraft seiner Performativität nicht sicher gewesen; wie wäre anders das unsinnige "gemeinsame" vor die "Identität" geraten. Also obacht, vor allen, die das Wort Identität als Beschwörungsformel in den Mund nehmen!
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