Sonntag, 23. Juni 2013

Anerkennung (Texte im Museum 413)

Vorarlberg Museum, 2013

Die Hallen für Neue Kunst in Schaffhausen



Immer wenn ich im Gespräch mit Schweizer Freunden auf die Hallen für Neue Kunst und den Sammler Urs Raussmüller zu sprechen komme, beginnt ein großes Geraune. Wie undurchschaubar doch das sei, was der da treibt und was ihn denn antreibt und wie er diesen Kunstort führt und wohin sich das denn entwickeln wird...


Na ja, Sammler dürfen eben alles, fast, und es muß mich nicht besonders beschäftigen, was dieser oder jener so treibt, außer es geht um ethische oder ideologische oder gar rechtliche Fragwürdigkeiten, wo die Öffentlichkeit ein Informations- und Einspruchsrecht haben kann.

Bei Raussmüller interessiert mich eher nur die restriktive Handhabung der Öffnungszeiten, dieses Sich-Rar-Machen oder der Mangel an brauchbarer und handlicher Information zum Projekt, zu den Werken, zu den Künstlern. Das, diese Diskretion, unterscheidet sich wenig von anderen Sammlern. Noch dazu agiert Raussmüller im Auftrag von Freunden, die selbst anonym bleiben - auch ein Grund fürs Geraune. Petra Kipphoff hat es in DIE ZEIT so beschrieben: "Drei Freunde von Urs Raussmüller, alle erfolgreiche Geschäftsleute, beschlossen, für ihren vierten Freund und dessen seltsame Interessen etwas zu tun. Er wurde beauftragt, mit ihrem Geld, aber ohne ihre Einrede eine Sammlung zeitgenössischer Kunst anzulegen." (14.9.1984 - http://www.zeit.de/1984/38/wenn-zwei-schornsteine-sich-treffen).



Dieses Bündnis ging im Streit um die Ausrichtung der Hallen zu Bruch und führte zu einem Prozess um die Eigentumsrechte an einem der berühmtesten Werke der Hallen, Beuys "Kapital", das dieser für die Biennale in Venedig 1980 geschaffen hatte. Das Werk ist freilich noch immer in den Hallen zu sehen, der Streit klammert, die Finanzierung seitens Kanton und Stadt gesichert. (Basler Zeitung, 17.6.2009 Kunsträume sind Denkräume - http://bazonline.ch/kultur/kunst/Kunstraeume-sind-Denkraeume/story/31885108

Das Spartanische oder besser Lakonische des Ortes hat mich, als ich so um 1999 zum ersten Mal hier war, fasziniert. Eine aufgelassene Fabrik, minimalistisch adaptiert, mit einem Minimum an Aufwand in Betrieb gesetzt, die Konzentration, die alleine schon daraus entsteht, das fand ich bemerkenswert. Über 5000 Quadratmeter Ausstellungsfläche gibt es und eine große Zurückhaltung was Infrastruktur, was Personal betrifft. Je eine Aufsicht pro Stock, eine Person an der Kassa. Ein kleines Regal als "Museumsshops", ein kleines Empfangsmöbel, die Künstlernamen auf den Treppenabsätzen je Stockwerk. Licht, Heizung. Keine Raumtexte oder -tafeln.
Die Räume gehören den Kunstwerken und obwohl einige von ihnen in der Tat monumental sind, sorgt der großzügig genutzte Raum für entspanntes Flanieren, fokussiertes Betrachten und intensive Kontemplation.



Und natürlich die Idee, Künstler einzuladen,  ausschließlich solche aus Europa und den USA, in den weitläufigen aber nicht eintönigen Geschossen der ehemaligen Textilfabrik, vorhandene, bereits anderswo gezeigte Werke auszustellen, unter Umständen zu adaptieren, selbst in den "Hallen" zu Ensembles zusammenzustellen, also zu "kuratieren", bzw. Werke für dieses besondere Ambiente zu schaffen.

Der erste Eindruck, den ich von 1999 her hatte, hat sich jetzt, 2013, erneuert. Zwar ist das eine oder andere Werk neu hinzugekommen, aber die Haltung und die Atmosphäre sind gleich geblieben. 


Die Gebrauchsspuren an der Architektur wurden nicht kaschiert, namentlich der Boden, fleckig, geflickt, tief zerkratzt, gelblich, gelbbräunlich, nicht ganz eben, ist ein visuelles Abenteuer. Die tragenden Teile, Wände, Gebälk, wurden auf einfachste Weise weiß getüncht, das Licht kommt aus Sheddächern oder aus riesigen, von durch ein sehr reduziertes Trägersystem gestützte Fenster.

Beuys, Konellis, le Witt, Ryman, Mangold, Merz, Weiner, André und andere besiedeln Räume oder Raumfluchten, in denen der Besucher bis auf knappe biografische Angaben und Labels zu den einzelnen Werken mit sich und den Objekten allein gelassen bleibt.



Sicher, ein Geschmack wird ausgestellt, das Spektrum der künstlerischen Positionen ist schmal, aber es wurde vor allem eine Präsentations- und Wahrnehmungsgelegenheit geschaffen, die sich signifikant von Museen Moderner Kunst unterscheidet. Für Raussmüller sind es Hallen, kein Museum für - neue - Kunst. Ein Privatsammler muß keine enzyklopädischen oder repräsentativen Erwartungen erfüllen, er kann sich ganz auf "seine" Künstler konzentrieren, wobei es so aussieht, als würde sich Urs Raussmüller als ein Co-Künstler sehen, der durch die Bereitstellung der Architektur und das Gespräch mit den Künstlern wirksam wird.




Zum Eindrucksvollsten dieser Kunst-Fabrik gehören die dem ersten Künstler gewidmeten (im obersten Stockwerk gelegenen) Räume, die Robert Ryman gewidmet sind. Die radikale Erkundung dessen, was ein "Bild" oder "Gemälde" ist, in meist vollkommen auf die Farbe Weiss reduzierte Arbeiten, hat hier im Wechsel von kapellenartigen, von Sheddächern beleuchteten Räumen und einer langen in diffuses Licht getauchten "Galerie" besonders günstige ambientale Entfaltungsmöglichkeiten. Es sind Arbeiten, die außergewöhnliche Beleuchtungssituationen brauchen und große Konzentration des Betrachters.

Der Eindruck dieser Arbeiten und, wie gesagt, diese Ortes, waren wiederum tief. 

Und wo steht dieses "Kunst-Haus"? Nun, in Schaffhausen (ja, das mit dem Rheinfall...). - Empfehlenswert ist es, sich vor dem Besuch über die aktuellen Öffnungszeiten zu informieren. Leider gibt es nichts, was man einen Katalog oder "Handbuch" nennen könnte, nur einige Publikationen zu einzelnen Künstlern und Ausstellungen.

Webseite "Raussmüller Org.": http://www.raussmueller.org/index1.cfm


Samstag, 15. Juni 2013

Das Tropenmuseum in Amsterdam - In seiner Existenz bedroht?

Ich habe meinen Augen nicht getraut, als ich heute eine Aufforderung zur Unterzeichnung einer Petition zur Rettung des Tropenmuseums gelesen habe. Das Tropenmuseum? Eine der innovativen und inspirierenden europäischen Völkerkundemuseen?
Der der Petition beigefügte Text informiert über eine Art Ultimatum der Regierung: das Tropenmuseum möge sich mit dem Volkekundemuseum in Leiden und dem Africamuseum in Berg en Dal fusionieren, anderfalls werde es geschlossen. In zwei Jahren.
Es geht, wieder einmal, ums Sparen. Schon jetzt wurden dem Museum - und dem ebenso namhaften Forschungsinstitut -, drastisch die Mittel gekürzt. Es drohe der Verlsut der Hälfte der Arbeitsplätze und die Schließung der Forschungsbibliothek.
Betroffen wäre auch das, ebenso wie das Stammhaus bahnbrechende Tropenmuseum Junior.

Hier der Link zur Petition http://petities.nl/petitie/hou-het-tropenmuseum-open

Und hier der englischsprachige Aufruf zur Unterzeichnung der Petition:

Dear ICME Members and friends -
Amsterdam's Tropenmuseum (Museum of the Tropics) is one of Europe's leading ethnographic museums. Between its rich permanent collection, which reflects Dutch colonial history, and its vivid temporary exhibitions, visitors can glimpse the past, present and future of non-Western cultures around the globe. A visit to the Tropenmuseum is a journey through time and around the world. One gets to know widely different cultures and get an excellent impression of everyday live in the tropics. The museum accommodates eight permanent exhibitions and an ongoing series of temporary exhibitions, including both modern and traditional visual arts and photographic works. The museum's rooms, expertly guide people through Asia, Oceania, Africa and Latin America via authentic art, household and religious objects, photographs, music, film and interactive displays. The museum is also renowned for its efforts in child-friendly exhibitions. Tropenmuseum Junior offers an educational, inspiring and entertaining programme for kids (6 to 13 year olds), aimed at introducing them to different cultures.

As the public face of the Royal Tropical Institute, a foundation that sponsors the study of tropical cultures around the world, the Tropenmuseum is a grand institution, both inside and out. The museum was established in 1864 and it's beautiful brick building dates from 1926 and sits alongside the spacious greenery of Oosterpark. The Tropenmuseum is one of the most fascinating anthropological museums in the Netherlands, but is now in great danger.

URGENT please help the Tropenmuseum stay alive and open...- if it disappears nothing will ever be able to replace it !!

PLEASE SIGN before 30 June !!!

http://petities.nl/petitie/hou-het-tropenmuseum-open

Send this email also to other people who would be willing to participate in signing this important petition

Please read the following information regarding the Tropenmuseum's current plight and sign the petition as requested. On the agenda is a Dutch government decision to give the Tropenmuseum funds to survive another two years, after which the Tropenmuseum will be have to merge with the Volkenkunde Museum in Leiden and the Africa Museum in Berg en Dal. If this does not happen the museum will be closed down !

The KIT Library and research and Tropenmuseum, Amsterdam's ethnographic and multicultural museum, is being hit hard by budget cuts. Over half of the staff will lose their jobs and the research library, filled with one of a kind publications from around the globe dated from as early as 1400 AD, will simply shut down. We need 40,000 signatures Dutch or Worldwide, to put the Tropenmuseum back on the government agenda and to tell the government that the public is not okay with this closing down of this universal institution!

We need the signatures BEFORE 30 JUNE!

http://petities.nl/petitie/hou-het-tropenmuseum-open

For non dutch speakers, on the site: please fill in your first name and last name (Ik = Identity = put your name), city (Wonende te = City = put your city) and your email and send.

Then click on the confirmation link in the email you will receive after from the petition site

Please help us save the Tropenmuseum - if it disappears nothing will ever be able to replace it !!

Please forward this request for help to whom ever you think is interested.



Thank you

Avantgardistisch Sitzen