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Mittwoch, 19. Januar 2011

Restitutionen. Ägypten. Schweiz

Ägypten: Eine neue Facette der Restitutionspolitik

Zahi Hawass, Generalsekretär der ägyptischen Altertümerverwaltung, der in der deutschsprachigen Presse keinen besonders guten Stand hat, schrieb dem New Yorker Oberbürgermeister. Der Obelisk im Central Park, den der ägyptische Vizekönig Mehrmed Ali 1881 Amerika geschenkt hatte, sei bedroht, seine Hyroglyphen durch Erosion unleserlich. Und weiter: "Ich habe die Pflicht, alle ägyptischen Monumente zu schützen, ob in Ägypten oder außerhalb. Wenn aber die Behörde zur Erhaltung des Central Parks und die Stadt New York nicht ordentlich für den Obelisken sorgen können, werde ich die notwendigen Schritte unternehmen, dieses wertvolle Denkmal nach Hause zu holen und vor dem Ruin zu bewahren."

Man mag über Herrn Hawass denken was man will, sein Argument ist, ob absichtlich oder unabsichtlich ist nicht zu erkennen, ein beliebter Topos der Argumentation zentraleuropäischer Museen gegen Rückgaben. Denn da wird oft der überlegene konservatorische Standard der eigenen Museen gegen den der fordernden Länder ins Treffen geführt.

Die Welt, 19.1. 2011

Schweiz: Kein Musterland
Über 500 Museen wurden bezüglich ihrer Restitutionspolitik angefragt. Drei Viertel de Museen fühlten sich von der Problematik nicht berührt, und nur 25 Institutionen fühlten sich überhaupt von der Raubkunstproblematik betroffen.

Der Standard  17.1.2011

Montag, 17. Januar 2011

Die sogenannte Federkrone des Montezuma. Eine Restitution auf Zeit?

Hello Austria!

I'm mexican, and of course we want it back, it's very important to us.

I really hope to see the "Penacho de Moctezuma" in México, where it belongs.



Never!
You shot our Emperor....forget it!


Leserreaktion und Antwort im Online-Standard zur Meldung,
die sogenannte Federkrone des Montezuma würde möglicherweise auf Zeit verleihen.


Die Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums hat angedeutet, daß es zu einer befristeten Ausleihe der so genannten Federkrone des Montezuma kommen könnte. Vorsichtig und diplomatisch läßt sie sich mit dem Hinweis auf die Überprüfung auf den Zustand des Objekts eine definitive Entscheidung offen. Aber es gibt Verhandlungen mit Mexiko und es ist die Rede von zwei - ebenfalls befristeten - 'Gegengaben', einem altmexikanischen Federschild und der Kutsche Maximilian I. Vermutlich nicht zufällig relativ kurz nach der Demission des Direktor des Völkerkundemuseums kann dessen als interimistische Leiterin fungierende Generaldirektorin diesen Schritt setzen.

Die Federkrone ist kein Objekt offizieller Rückgabeforderungen. Aber als ein seltenes und kostbares Objekt, das es erst durch die Zerstörungen abertausender Objekte im Zuge der europäischen Eroberung und später auch durch achtloses Sammeln und Musealisieren geworden ist, ist es für Mexiko und vor allem dessen indigen geprägte Identität von großer Bedeutung.

Das Völkerkundemuseum hat durch eine unglückliche Politik die Federkrone immer wieder ins Gespräch gebracht. Ansprüche wurden abgewiesen, wegargumentiert und gelegentlich sogar lächerlich gemacht und auch die sehr merkwürdige 'Doppelstrategie', den Kopfschmuck eines Priesters als Federkrone zu vermarkten, während sorgfältige hauseigene Forschung das längst widerlegt hatte, nahm sich recht merkwürdig aus.

Zu einem breit wahrgenommenen Thema wurde die so genannte Federkrone, als Bundespräsident Thomas Klestil die Rückgabe ankündigte, möglicherweise schlecht oder gar nicht beraten. Die aufflammende Verlegenheit und Peinlichkeit der Situation - kulturbeflissen patriotische Museumsleute wollten sich gegen die Rückgabe stemmen, konnten aber nicht die von höchster politischer Stelle angekündigte Rückgabe wie bis dahin einfach ignorieren -, mündete in einige bemerkenswert akrobatische Relativierungen und Rückzugsgefechte.

Ich habe mich damals für diese Debatte und dann für die - gut erforschte aber lückenhafte - Überlieferungsgeschichte interessiert, für die Umgangspraktiken mit "Raubkunst" (das war noch vor der NS-Raubkunstdebatte, die dann ihrerseits auch in die Rückgabedebatten a la Federkrone eine andere Dynamik bringen sollte) und sogar ein schmales Buch dazu publiziert. "...das Opfer von ein paar Federn". Die so genannte Federkrone Montezumas als Objekt nationaler und musealer Begehrlichkeiten. (Ist vergriffen, vielleicht hortet der Verlag Turia & Kant noch ein paar Exemplare...).

Ob die am Schluß des Buches geäußerte Hoffnung auf Abkehr von juridisch-politischer Unbeweglichkeit hin zu museologischer Kreativität - ich habe an Kooperationen auch an befristeten Abtausch von Ausstellungen gedacht -, nun erfüllt ist, bleibt dahingestellt. Denn was man sich auf österreichischer Seite so sehnlich wünscht, ist ein ziemlich kurioses Objekt, weit davon entfernt jene komplexe Bedeutung zu haben, die die Federkrone historisch, politisch, kulturell für Mexiko hat. Die goldene Kutsche Kaiser Maximilian I. soll es werden, was "wir" (in der Wagenburg in Schönbrunn) dann (einige Zeit) bewundern dürfen.

Die sogenannte Federkrone des Montezuma könnte nun also nach Mexiko kommen, wo sie als ein common object in einer komplexen und widersprüchlichen nationalen Identitätskonstruktion eine ganz andere Funktion hätte als als Schauobjekt und Touristenmagnet.

Der Schritt der Generaldirektorin kommt überraschend und er ist erfreulich. Es ist eine bemerkenswerte Geste gegenüber Mexiko aber auch als Zeichen einer veränderten Wahrnehmung der Verantwortung eines Museums gegenüber den komplizierten und schwierigen Fragen der 'globalen Restitution'.

Der Schritt kommt vielleicht auch zustande und wird vielleicht erleichtert durch den Umstand, daß die 'Federkrone' (unverständlicherweise) schon lange nicht mehr im Völkerkundemuseum ausgestellt ist und angesichts der unklaren Zukunft des Museums seine Dauerausstellung betreffend wohl auch so bald nicht ausgestellt werden dürfte.

Montag, 10. Januar 2011

Restitution

Adolf Noll, der wahrscheinlich erfahrenste Jurist Österreichs was Restitutionsfragen betrifft, hat ein Buch über seine - schlechten - Erfahrungen mit der Restitutionspraxis geschrieben. "Ein Pamphlet zur Kunstrückgabe in Österreich" unter dem Titel "Abnehmende Abwesenheit". Thomas Trenkler, der sich seit Jahren in Restitutionsfragen als Journalist engagiert rezensiert das Buch in der aktuellen Online-Ausgabe des Standard.

Montag, 27. Dezember 2010

Global survey (Museumsphysiognomien 10)

Mehr und mehr Kunstmuseen nutzen das Internet nicht nur für Werbung, sondern auch für Information. Große (Kunst)Museen bieten ihre Sammlungsbestände großzügig digitalisiert an, mit aufwendigen Suchmaschinen, exzellenten Abbildungen und gelegentlich auch mit sehr ausführlicher und fundierter Information.
Die Bilddatenbank etwa der Vereinigung der Französischen Nationalmuseen läßt keine Wünsche offen. Jedes einzelne Objekt ist mit allen nur erdenklichen und wünschbaren Daten versehen, es gibt zahllose Ordnungs- und Suchkriterien, die Abbildungen sind ausgezeichnet.
Von der Sorgfalt, mit der etwa das Rijksmuseum seine Interims-Ausstellung auf seiner Webseite nicht nur dokumentiert, sondern ein 'Nachlesen' und 'Nach-Denken' mit viel über die Ausstellung hinausgehender Information begleitet, war hier schon die Rede.
Abbildungen aus der, wenn ich mich recht erinnere, etwa 50.000 Fotografien umfassenden Fotothek des Museum of Natural History in New York, die dieses kürzlich rechtefrei ins Netz gestellt hat, habe ich hier auch schon verwendet; diese Sammlung ist einzigartig wegen ihrer dokumentarischen Qualität nicht so sehr was Objekte betrifft, sondern den Betrieb und 'Alltag' des Museums: Aufbau von Ausstellungen, pädagogische Aktivitäten, Besucher, Bau von Dioramen, Präparierung von Tieren für die Ausstellungen u.v.a.m.
Das Metropolitan-Museum hat über 30.000 Objekte in seinem Netz gestellt, Sammlungsobjekte buchstäblich aus 'aller Herren Länder', ebenfalls mit vielen verschiedenen Parametern abrufbar. Luxuriöse 'Werkzeuge' ermöglichen es einem, die 'unsichtbare Sammlung' des Museums chronologisch, ikonografisch, topografisch usw. zu 'sichten' und zu 'besichtigen'.

Beim Arbeiten mit dieser eindrucksvollen Bilddatenbank sind mir einige Dinge aufgefallen.
Eines der 'Portale', die den Zugang zum virtuellen Archiv öffnet, ist eine Weltkarte. Klar, dieses Museum hat eine Sammlung, die 'die ganze Welt' abdeckt. Hier findet man nicht nur Relikte der bekannten Hochkulturen, mittelalterliche Glasfenster, nordamerikanische indianische Vorratsgefäße, assyrische Reliefs, gotische Kathedralplastik, chinesische Landschaftszeichnungen, ein Renaissencestudiolo..., hier gibt es, oft nur in einem oder einigen wenigen Exemplaren,  Exponate von nie gehörten, halb versunkenen, kaum erforschten Kulturregionen.
Dieses Museum sagt uns, die Welt (hier, Abbildung unten, die von 500 bis 1000 n.Chr.) steht Dir zur Verfügung, wir sind imstande sie zu präsentieren und zu repräsentieren. Suche Dir irgendeinen Punkt der Welt (a la Earth View) und wir zeigen Dir unsere passenden Schätze...















"Global survey" ist eine Formel, mit dem gelegentlich solche Museen charakterisiert werden - oder womit sie sich selbst charakterisieren. Survey ist ein vieldeutiges Wort, es läßt sich mit Zusammenstellung (in gewissem Sinn also als Sammlung) ebenso übersetzen, wie im Sinn von Prüfung, Bewertung, aber auch Erkundung, Studie oder auch Besichtigung.

Bestandsaufnahme ist eine weitere 'Übersetzung' des Wortes und sie trifft doch gut und genau diese Form der digitalen Repräsentation und die Art und Weise, wie sie sich an uns wendet.
Der 'Bestand' der Kulturen der Welt - das ist eine große, eine in gewisser Weise auch anmaßende Geste, eine einladende und verführende, was die Bequemlichkeit der Verfügbarkeit betrifft. Wir brauchen uns nicht mehr in Bewegung zu setzen, um 'Zugang' zu den 'kulturellen Werten und Schätzen' zu bekommen.
Die Tatsache und die Tücken der technischen Reproduktion - jedes Objekt in gleich großer Abbildung, egal ob es 'in Wirklichkeit' 3 oder 300 Zentimeter groß ist, immer nur frontal und in einer einzigen Ansicht usw. -, verdrängt man dabei gerne, genau so wie alle Bedingungen, die eine solche 'Übersicht' und 'Bestandsaufnahme' erst ermöglicht haben.
Zum Beispiel, die Art und Weise des Erwerbs. Angaben zur Provenienz gibt es, wie es scheint für alle Objekte, aber immer nur jene Angaben, die sich auf den Akt beziehen, mit dem das Objekt in den Besitz des Museums gelangte - hier, beim Metropolitan Museum, sind das sehr häufig Schenkungen von privater Seite. Zur Provenienzgeschichte erfährt man nichts.
Eine andere Beobachtung: das Suchen nach Objekten ist mit einer Distinktion möglich, die auf einer vom Museum für uns bereits getroffenen Entscheidung zusammenfällt. Wir können 'Alles' durchsuchen oder die 'Highlights'. Auch hier fehlen die Kriterien der Auswahl, aber interessant war für mich, was man sieht, wenn man 'Alles' sucht. Man sieht nämlich etwas, was man so in Museen nie zu sehen bekommt und nie zu sehen bekommen kann - die 'Summe' buchstäblich aller deponierten Dinge und das sozusagen gleichzeitig, also von der Kollossalstatue bis zum ephemeren Bruchstück in einer endlosen Reihe von Fotos und Texten den gesamten Sammlungsbestand. Man sieht und ahnt etwas von der possesistischen Gier der Institution, der Zufälligkeit des Sammlens, der Fragmentierung und Beliebigkeit der Sammlung.
Man sieht endlose Listen (s. Abb. unten) von Objekten, von Objeketen, die wohl kaum je das 'Licht' einer Ausstellung sehen werden und kaum über eine mehr oder weniger oberflächliche Inventarisierung hinaus Gegenstand der Forschung werden. Gar nicht werden können, angesichts der schieren Unmenge von Objekten.


















Das Museum hat für diesen Fall eine Formel bereit, nämlich, daß alle Angaben vorbehaltlich einer späteren und genaueren Erforschung und Überprüfung gemacht werden.

Und noch eine Beobachtung: diese oft kleinen, bescheidenen Objekte, die unterm puren Augenschein nichts vermitteln und die ohne einen dinglichen oder deutenden Kontext kaum mehr sind als deponiertes Strandgut - hier im Museum bedeuten sie nahezu nichts, solange sie nicht (was dann ja auch nur auf Zeit geschähe) ausgestellt und damit bearbeitet und in einen wie immer formierten Kontext gestellt würden.
In ihrem - wenn er so oder so noch existierte - ursprünglichen Kontext, aber auch in einem inzwischen 'fremden', aber politisch-gesellschaftlich und kulturell ihrer Herkunft gemäßeren, was würden sie da bedeuten? Wohl ungleich mehr. Sie hätten im glücklichen Fall schon ob einer geschichtlich-kulturell 'passenderen' Anwesenheit ganz andere Chancen der Wahrnehmbarkeit und ganz andere Potentiale an Bedeutungen.
Wenn gelegentlich an einzelnen, spektakulären Objekten, die komplexe Frage der Restiution diskutiert wird, stellen die Massen an 'fremdem' Strandgut in so vielen ('westlichen') Museen nicht auch die Frage nach einem strukturellen und umfassendem 'Entzug'?

"Global survey", von großen Museen als argumentative Waffe in der Abwehr von Restitutionsforderungen benutzt (wir hielten so lange Jahre die schützende Hand über die Schätze der Menschheit....), ist nur möglich durch eine Art ursprünglicher Akkumulation kultureller Güter und Werte, die dann eben wo anders 'fehlen'.

Mittwoch, 22. September 2010

Ein Restitutionsfall der besonderen Art. Das Polnische Luftfahrtmuseum und seine Sammlung

In der Ausgabe der Frankfurter Rundschau vom 22.9. berichtet Nikolaus Bernau über die Wiedereröffnung des Luftfahrtmuseums in Krakau in einem von einem berliner Architekten geplanten Neubau.
Das wäre weiter nicht so bemerkenswert, wenn sich an diesem Museum und an seiner Sammlung nicht ein Stück deutsch-polnischer (Konflikt)geschichte zurückmelden würde. Denn Teile der Sammlung stammen aus dem 1936 eröffneten Deutschen Luftfahrtmuseum in Berlin. Bei Kriegsende befanden sich ausgelagerte Sammlungsbestände auf polnischem Territorium. Nun schwelt ein Rechtsstreit um einen 'Restitutionsfall' der besonderen Art. Beendete die Auslagerung den Besitztitel des Nachfolgemuseums an der Sammlung?
Ein besonderes Objekt macht deutlich, wie sehr eine Sammlung oder auch ein einzelnes Sammlungsobjekt Geschichte virulent werden läßt. Nikolaus Bernau: In der Hangarhalle steht also auch die einzige noch existierende PZL P. 11 C, die in den späten 1920er-Jahren von Zygmunt Pulawski entworfen wurde. Ein Monument der Industriegeschichte Polens, die durch den Einmarsch der Deutschen 1939 radikal unterbrochen wurde. Das 1934 in den Dienst der polnischen Luftwaffe gestellte Flugzeug wurde seit 1940 als Trophäe im Berliner Luftfahrtmuseum gezeigt, von dort als Symbol deutscher Überlegenheit ausgelagert. Wie sollte man heute begründen, warum dies Monument der europäischen Geschichte nach Berlin und nicht nach Krakau gehört?
Eine besondere Pointe ist die Argumentation der polnischen Seite, die darauf hinweist, daß man die ausgelagerten Sammlungsbestände nach 1945 mehr oder weniger aufgegeben und die Reste des Berliner Luftfahrtmuseums verschrottet hätte. Dieses Argument mit den mangelnden musealen Standards eines Landes kennt man sonst nur als - fadenscheinigen - Vorbehalt europäischer Staaten gegen solche der 'Dritten Welt'...

Samstag, 31. Juli 2010

Chancen der Restitution

Der Wiener Rechtsanwalt Alfred Noll, der Mandanten gegen die Leopold-Stiftung vertritt und sich immer wieder in der Restitutionsdebatte mit ebenso interessanten wie grundsätzlichen und konstruktiven Beiträgen zu Wort gemeldet hat, sieht in der aktuellen Ausgabe von DIE ZEIT (der Artikel ist online) - wie andere auch -, die Chance auf eine Ende der Diskussion um das Leopold-Museum.
Der vom Sohn des kürzlich verstorbenen Sammlers angebotene Kompromiss, ein weiteres imkriminiertes Schiele bild zu versteigern und den Erlös zwischen Museum und Nachfahren der rechtmäßigen Besitzer zu teilen, bewertet Noll - anders als die Israelitische Kultusgemeinde -, als Chance.
Seiner Meinung nach würde die Konfrontation der beiden extrem entgegensetzten Positionen von Ausjudizierung einerseits und Verschleppung und Verweigerung von Ansprüchen andrerseit in der Regel zu einer Patt-Situation führen. Denn, so Noll, eine Tilgung der Verbrechen könne es letztlich nicht geben, sehr wohl aber eine Anerkennung einerseits der Interessen und Ansprüche der Geschädigten u n d der, durchaus nicht befriedigenden Rechtslage, die eher den Besitz beschützt als Ansprüche, mögen sie noch so berechtigt sein.
"So entschieden man sich also politisch und moralisch auf den Standpunkt stellen sollte, dass Gestohlenes an die Bestohlenen zurückzugeben ist, so offen sollte man dafür eintreten, dass heute jede Auseinandersetzung um Rückgabe und Entschädigung auf die tatsächliche Rechtsposition der gegenwärtigen Inhaber derartigen Diebesgutes Rücksicht zu nehmen hat. Wer diesen Grundsatz nicht achtet, hat nur die Wahl zwischen rechtsfernem, moralisierendem Protest oder historisch und politisch ignoranter Rechtsgläubigkeit. Beides ist der Sachlage nicht angemessen und führt nicht zu Versöhnung und Akzeptanz, sondern zu irrationaler Verhärtung, zu dauerhaftem Unverständnis und zu unwürdiger Herabsetzung einzelner Personen."
Deshalb ist das Aushandeln einer Regelung unter den Beteiligten eine Chance beide Positionen so weit es möglich ist, miteinender zu versöhnen und der "Entweder-Oder"-Dichotomie zu entkommen.
Noll: "Erst eine derartige, von selbstgewisser Souveränität und geschichtsbewusster Verhandlungsbereitschaft getragene Haltung lässt in den Opfern jenes Gefühl entstehen, das sie in diesem Land seit vielen Jahren vermissen müssen: das der Anerkennung."
Ich denke, daß sich die Verhandlungsbereitschaft nicht ausschließlich auf finanzielle und rechtliche Aspekte beschränken muß. Zeigt nicht gerade die einfache Entscheidung, das Bildnis Wally, ehe es nach Österreich zurückkehrt, im Museum of Jewish Heritage in New York auszustellen, zeigen nicht die Reaktionen, die das auslöst, daß auch mit den Möglichkeiten des Museums selbst Kompromisse gestaltet und die Anerkennung symbolisch vertieft werden kann?

Freitag, 23. Juli 2010

Wally zurück! Alles gut?

Die Leopold Stiftung hat einen 'Vergleich' geschlossen. Sie zahlt viel Geld und behält das Bild. Neunzehn Millionen Dollar. Für das Bild, das in New York beschlagnahmt wurde, weil man es für Raubkunst hielt. Das Bild "Wally".

In 1911, Schiele met the seventeen-year-old Valerie (Wally) Neuzil, who lived with him in Vienna and served as model for some of his most striking paintings. Very little is known of her, except that she had previously modelled for Gustav Klimt and might have been one of his mistresses.The year 1915 marked a turning-point in Schiele's life. Some time in the previous year he had met two middleclass girls who lived opposite his studio. Edith and Adéle harms were the daughters of a master locksmith. Schiele was attracted to both of them, but eventually fixed his sights on Edith; by April 1915 he was engaged to her, and Wally Neuzil was rather cold-bloodedly dismissed. Schiele's last meeting with Wally took place at their 'local', the Café Eichberger, where he played billiards nearly every day. He handed her a letter in which he proposed that, despite their parting, they take a holiday together every summer - without Edith. Not surprisingly, Wally refused. She joined the Red Cross as a nurse and died of scarlet fever in a military hospital near Split in Dalmatia just before Christmas 1917. 
(Bild & Zitat hier)

Wie die FAZ berichtet, soll das Bild "vor seiner Rückführung nach Wien im New Yorker „Jewish Heritage Museum“ als „Erinnerung an Standhaftigkeit und Wille von Opfern und Überlebenden des Holocaust“ kurz ausgestellt werden. Auch auf seine Herkunft muss fortan in Wien hingewiesen werden: „Die wahre Geschichte des Bildes“, so die Anwälte, „wird nun kommenden Generationen erzählt.“
Schon zuvor wurden die ersten Beschlüsse der "Leopold Rückgabe Kommission" bekannt (hier im Wortlaut). Das ist erst der Beginn einer Aufarbeitung der Sammlung. Sie wird sich wohl zügiger vollziehen und schneller praktische Ergebnisse bewirken, seit der Sohn des Sammlers Leopold in einem Gespräch im ORF eine Haltungsänderung hat erkennen lassen.
Wie wenig damit, nicht nur in Bezug auf die Sammlung Leopold, "erledigt" ist, wird an einem Artikel in der heutigen NZZ deutlich, der eine kaum beachtete Entwicklung thematisiert. Die "Privatisierung der Restitution". Stephan Tempel (hier) macht auf eine Doppelgleisigkeit der Aufarbeitung aufmerksam, auf das Nebeneinander von staatlicher Aufarbeitung und - kostspieliger - privater.
Sein Kernsatz: "Dieser Konflikt zwischen öffentlichem Engagement und privatem Profit kennzeichnet weite Teile der Rückstellungswirklichkeit. Da gibt es auf der einen Seite die meist nur mit sogenannten Werkverträgen ausgestatteten Rechercheure, die systematisch und präzise die öffentlichen Sammlungen durchforsten. Die Auffindung von Rückstellungsberechtigten betreibt der Staat jedoch nicht selbst. Diese Arbeit überlässt er Genealogen und Anwälten, die sich vertraglich exorbitante Erfolgshonorare bei erfolgter Rückstellung sichern. Das ist jedoch nach österreichischem Recht verboten, denn hier ist das Anwaltshonorar über eine genaue Tarifordnung geregelt."
In diesem Sinn kritisiert die Israelitische Kultusgemeinde (hier), die Fortsetzung einer Praxis des Vergleichs und der Absprachen: "Restitution" sei "- auch im Sinne des Kunstrückgabegesetzes - die entgeltfreie Rückgabe von Kunstwerken bedenklicher Provenienz und kein 'dealmaking'".

Donnerstag, 1. Juli 2010

Die nicht gewürdigten Verdienste des Rudolf Leopold

Die Nachrufe auf den Sammler Rudolf Leopold in den österreichischen Zeitungen und in der internationalen Presse halten sich an das Gesetz, über Tote nichts Schlechtes zu sagen. Kritik wird in Watte verpackt, zwischen den Zeilen versteckt. Im übrigen bedient man sich meist der von den Nachrichtenagenturen vorgestanzten Textbausteine. Wirklich Neues oder Überraschendes liest man nirgends.
Zwei 'Verdienste' Rudolf Leopolds habe ich nirgends erwähnt gefunden. Es sind Verdienste, die er nicht absichtsvoll erworben hat, sondern die Effekte seiner Interessen und Handlungen waren.

Da ist zum einen das sogenannte "Museumsquartier". Der dazu seinerzeit ausgeschriebene Wettbewerb brachte ein Siegerprojekt hervor, das allgemein sehr wohlwollend, wenn nicht enthusiastisch begrüßt wurde. Städtebaulich wurde es als offensive und sebstbewußte Auseinandersetzung mit der historischen monumentalen Bebauung der Nachbarschaft gewürdigt, architektonisch als Ensemble kontrastierender Module, die flexibel nutzbare öffentliche Räume definierte, inhaltlich als Aufbruch in eine nicht mehr herkömmlicher Musealität gehorchender Repräsentanz aller modernen Künste und Medien.
Der Widerstand der Kronen-Zeitung, die Mobilisierung von Ressentiments gegen moderne Architektur und moderne Kunst hatte zur Folge, daß es eine langes und unerfreuliches Gezerre um die Bebauung gab und der preisgekrönte Plan mehrfach verändert wurde.
Der definitive Bruch in der Konzeption des Ganzen war nicht die medial sehr stark wahrgenommene Verhinderung der Errichtung des Bibliotheksturmes, sondern die Entscheidung des damals zuständigen Ministers Erhard Busek, die Sammlung Leopold anzukaufen und dem Privatsammler auf Staatskosten ein Museum im Museumsquartier zu errichten. Wer erinnert sich noch an die austro-patriotische Rechtfertigung dieser überraschenden Wende durch Minister Busek? Wer erinnert sich noch an die unsägliche Begutachtung der Sammlung? Wer erinnert sich noch daran, daß der Ankauf erfolgte, ohne daß die Öffentlichkeit erfuhr, woraus diese Sammlung eigentlich bestand? Und vor allem, wer erinnert sich noch daran, daß aus dem großen avantgardistischen Museumsprojekt ein nur noch in Maßen modernes, zaghaftes Pasticcio eher zufällig und nach und nach gefundener und nachgebesserter Funktionen und Inhalte wurde? Es war Erhard Busek, der der Einrichtung einer Stiftung zustimmte und - mit großen Konsequenzen -, die Einsetzung des Sammlers als Direktor des Museums auf Lebenszeit ermöglichte. Ohne diese Regelung, auf deren Fragwürdigkeit als einzige Zeitung bisher - heute - die Neue Zürcher Zeitung hinweist, gäbe es kein Restitutionsproblem Leopold-Museum.

Aber der Satz, "ohne Rudolf Leopold gäbe es kein Restitutionsproblem", hat noch eine zweite Bedeutung. Die Beschlagnahme zweier Gemälde der Sammlung Leopold in New York, brachte eine Lawine ins Rollen. Erst dadurch wurde einer breiten Öffentlichkeit bewusst, daß in Museen (nicht nur in Österreichischen) hunderte, tausende von Objekten als rechtmäßiger Besitz ausgestellt oder deponiert waren (und sind), die im Zuge der 'Arisierung' der NS-Zeit oder durch andere rechtsbrüchige oder sittenwidrige Umstände in Museumsbesitz gelangt waren. Ohne diese Beschlagnahme in New York hätten sich Öffentlichkeit, Medien, Wissenschafter und Politik nicht mit der Tatsache konfrontiert gesehen, daß nach 1945 mit der widerrechtlichen Aneignung von jüdischem Besitz neuerlich jenseits oder am Rande der Legalität umgegangen worden war, die Interessen und Ansprüche der Beraubten missachtet oder negiert wurden und das museale kulturelle Erbe der Museen in nicht unwesentlichen Teilen - etwa Teile der Klimt-Sammlung des Belvedere -, 'Raubkunst' war.
Wenn die beiden in der Ausstellung Egon Schiele. The Leopold Collection Vienna im Museum of Modern Art New York, Wally und Tote Stadt III, nicht 1998 beschlagnahmt worden wären, wäre in Österreich nie eine Raubkunstdebatte entstanden, die weit über diesen einzelnen Fall und weit über die umstrittene Ankaufspolitik von Rudolf Leopold hinaus zur Beschäftigung mit der ganzen und komplexen Geschichte der Kunstpolitik der NS-Zeit, auch über Österreich hinaus, führte. Ohne die durch einen Artikel der New York Times ausgelösten Beschlagnahme, hätte es kein Restitutionsgesetz in Österreich gegeben, keine Provenienzforschung und auch keine dann vorbildliche Restitutionspolitik einzelner Museen.

So viel zu den 'Verdiensten' von Rudolf Leopold.

PS.: Die Medien rühmen besonders ein Verdienst Rudolf Leopolds: daß er die Bedeutung der Kunst Egon Schieles als erster erkannt hat. Das Argument wird oft mit dem Hinweis auf die Wertsteigerung von Schiele-Werken verknüpft. Bemerkenswert, wenn man bedenkt, daß einige der Schiele-Werke in der Sammlung Leopold im Verdacht stehen unrechtmäßig jüdischen Besitzern geraubt oder abgepresst worden zu sein, Sammler, die offenbar die Werke Schieles lange vor Leopold sehr geschätzt haben.


Die Abbildungen stammen von einer Protestaktion der Israelitischen Kultusgemeinde Wien von 2008