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Samstag, 14. April 2012

Cosa nostra. Eine Collage. (Achtung! Dieser Post könnte Ihre religiösen oder staatsbürgerlichen Überzeugungen kränken!)


Das Ding das sammelt. Zum Beispiel in diesen Tagen, Katholiken, Gläubige, Pilger, um eine Vitrine, mit einem heiligen Ding unter Glas. Trier 2012
Wie alt die ältesten Fäden des bräunlichen Kleides wirklich sind, kann heute niemand mehr genau sagen. Man weiß, dass 1196 die Reliquie in den Hochaltar des Trierer Doms eingeschlossen wurde und dass vor 500 Jahren Kaiser Maximilian I. den Heiligen Rock zu sehen wünschte, als er 1512 anlässlich des Reichstags nach Trier kam. Daraufhin verlangten die Bürger der Stadt lauthals, die angebliche Hinterlassenschaft Jesu ebenso anschauen zu dürfen. Das war die Geburt der Heilig-Rock-Wallfahrt.
An diesem Freitag hat Bischof Stephan Ackermann die 18. Heilig-Rock-Wallfahrt mit einem feierlichen Gottesdienst in Trier eröffnet; bis zum 13. Mai, ist die Reliquie für die Gläubigen zu sehen. Für einen Monat ragt also in Trier das Mittelalter in die Moderne.

Wartende Pilger, kommen zusammen, um etwas Unsichtbares zu sehen.
"Und führe zusammen, was getrennt ist", heißt das Leitwort dieser Wallfahrt - der ungeteilte Rock soll im Jahr 2012 Zeichen dafür sein, dass trotz aller Kirchenspaltungen die Christenheit in Jesus eins ist. Denn in diesem Jahr geht auch die evangelische Kirche mit auf Wallfahrt - auch wenn sie das Reliquien-Verständnis der Katholiken nicht teilt. 


„Die Unterhose (von Karl Marx) soll provozierendes Gegenelement zum Heiligen Rock sein“, sagte Künstler Helmut Schwickerath in Kyllburg (Eifelkreis Bitburg-Prüm) der dpa. Das orange-braune lange Beinkleid („Longjohn“) werde hinter Glas auf einem dreiflügeligen spätmittelalterlichen Altar-Gebilde zu sehen sein. Das Kunstwerk solle in einem Schaufenster unweit des Museums Karl-Marx-Haus in Trier ausgestellt werden. Der Philosoph Marx wurde 1818 in Trier geboren, er starb 1883 in London.

'Long John' Karl Marx'. Die Geschichte des Lächerlichmachens oder Widerlegens von Reliquien ist lang. Die Jakobiner der Großen Revolution der Franzosen freuen sich, wenn sie in ihrem Klub, sozusagen an Herrenabenden, Reliquien als Hühnerknochen entlarven können.
... Demnach hat Marxens Haushälterin Demuth das gute Stück auf einer Reise von London in ihre saarländische Heimat mitgenommen, um es zu stopfen.Die Hose gelangte in die Hände ihres Schwagers und blieb lange verschollen - bis ein Forscher sie Ende des 20. Jahrhunderts bei dem letzten Überlebenden der Familie auf dem Speicher fand.

Das common object der Erinnerung entsteht in der Wechselbeziehung von institutioneller Erzählweise und der psychischen und physischen Beteiligung der Museumsbesucher. (Sabine Offe) 

Die stoffliche Beschaffenheit, die Herkunft, das Alter, die Überlieferungsgeschichte, all das ist unklar. Aber es ist etwas.

Der Zustand der Reliquie 'Heiliger Rock' ist heute nur schwer zu bestimmen. Das eigentliche Gewebe ist mit verschiedenen Stoffschichten umgeben worden, da man sich anlässlich von Präsentationen zu Ausbesserungen und Schutzmaßnahmen gezwungen sah. Die Stoffe sind unterschiedlichen Alters und teilweise beschädigt, fragmentiert oder zusammengeklebt. Den Kern bildet ein lückenhafter Faserstoff, über dessen Form und Zusammensetzung Unklarheit besteht. (Wikipedia)

Horst Herrmann: Ich habe mehr als 400 Reliquien beschrieben, keine einzige davon ist authentisch. Das gilt auch für den Heiligen Rock. Wo soll der auch herkommen? Es gibt doch niemanden, der ein Gewand Jesu über Jahrhunderte hinweg verborgen aufbewahrt, damit es dann auf krummen Wegen nach Trier kommt. Sie müssen das zudem in einem historischen Kontext sehen: Die Großbischöfe von Mainz, Köln und Trier mussten sich profilieren. So kamen die Kölner zu den Heiligen drei Königen. Diese wurden dann von den Trierern mit dem Heiligen Rock noch getoppt. Aber mit gesundem Menschenverstand kann man das nicht glauben. Es ist ein großer Betrug. (...) Ich kann das gut verstehen. Allerdings nur, wenn wir von einem Souvenirsyndrom sprechen. Das hat jeder von uns, wenn sie beispielsweise Andenken aus dem Urlaub mitbringen oder Fotos machen. Wenn wir von einer religiösen Nippes-Neigung sprechen, ist das alles in Ordnung. Aber wenn Sie sich Jesus nähern wollen, ist es der falsche Weg. Im Leib Christi, also dem konsekrierten Brot, das sie in der Eucharistie empfangen, kommen Sie ihm und dem Glauben ungleich näher.

Gemeinschaften, vor allem dann, wenn sie unüberschaubare groß sind, eine face-to-face Kommunikation undenkbar ist, schaffen sich imaginäre 'Bilder', 'Objekte', in denen sich die Vorstellung eines allen Gemeinsamen kristallisiert. Cosa nostra. Solche 'Bilder' können sich auf konkrete Dinge beziehen, müssen das aber nicht; sie sind vielmehr in hohem Maße konstruiert. Problematisch wird es, wenn ein solches 'Ding, das sammelt' fehlt, oder abhanden kommt.

Und besonders problematisch ist es, wenn Gemeinschaften strukturell ein solches Objekt eigentlich nicht besitzen dürfen. Das ist in der Demokratie der Fall, wo der Platz der Macht leer bleiben muß, allenfalls auf Zeit ausgefüllt, durch einen 'Platzhalter', zum Beispiel einen (darum immer 'schwachen') Bundespräsidenten. Das Gemeinsame der Demokratie ist allein die vollkommen willkürliche, kontingente Entscheidung, eine Gemeinschaft bilden zu wollen. Ein 'Objekt' dafür kann es dafür auch gar nicht geben. Die Mitte, wo man sich sammelt kann / muss leer bleiben - auch im Museum. (GF)

Man sagt, daß die Rotunde, der zentrale Raum des Karl Friedrich Schinkel geplanten Alten Museum in Berlin, aus praktischen Gründen leer geblieben sei. Die große Brunnenschale habe letztendlch nicht durch das Tor transportiert werden können und wurde im Lustgarten aufgestellt.

Der dem gemeinschaftlichen Raum zugleich interne und externe Ort ist das, was im alten Deutsch der Ausdruck 'das Ding' bezeichnete.  ... Von diesem Ding kennen wir in unsere zeitgenössischen Erfahrung einige Darstellugsformen: es ist zum Beispiel der große Kreis, der, indem er den extimen Raum im Herzen der Republik abgrenzt, das mutmaßliche Opfer des sogenannten 'unbekannten' Soldaten weiht, d.h. des anonymen, also jenseits jeglicher Identifikation angesiedelten. (Bernard Baas 

Die neue Bürgerlichkeit war und ist – gegen den Ruf ihrer vermeintlichen Stabilität – erstaunlich wandlungsfähig. Sie fasziniert als Heimstatt eines neu entdeckten Lifestyles, firmiert unter dem Etikett der „Neuen Mitte“ als vermeintlich stabiles Wählerreservoir und reanimiert konservative Hoffnungen auf ein Rollback des gesellschaftspolitischen Klimas.
Als Anker eines Wertekanons mit Handlungsanweisungen taugt die neue Bürgerlichkeit aber nicht. Und dass nicht einmal deshalb, weil es kaum ein greifbares Milieu gibt, dass dieser Wortprägung beigesellen könnte, worauf vor allem die Medienöffentlichkeit angewiesen ist: Gesichter, die für jene Haltungen stehen, die als Begriff immer abstrakt bleiben müssen. Neue Bürgerlichkeit: Bei diesem Wort denkt niemand an Personen, sondern vor allem an Utensilien von Einstecktuch bis Mahagoni-Tisch. (Osnabrücker Zeitung)

Ein großes Ding bedroht das besondere, kleine. Die EU verschlingt alles, was uns eigen ist. Zuerst den Paradeiser, jetzt die Käsekrainer. Die Stadtzeitung interviet einen Würstelstand-Betreiber, der, wie die Zeitung betont, in Wien zwischen Albertina und Staatsoper, sechzig Prozent seines Umsatzes mit Käsekrainer macht. Aber auch ihm geht es um die Kultur, um unsere bürgerlichen Werte.

Cosa und Causa. Das Ding sammelt. Es ist aber auch die Ur-Sache der Gemeinschaft. Zum Beispiel der Bergisel.

Auch in Tirol sucht man die Neue Mitte. Nein, in gewisser Weise war die schon da. Am Schlachtfeld Bergisel, jetzt mit Panorama des Kampfes der Tiroler Bauern gegen das Heer Frankreichs, mit Kaiserjägermuseum, Andreas-Hofer-Denkmal, GottKaiserVaterland, Restaurant, Cafe, Sprungscahnze, Parkplatz, Rundblick.



 

Samstag, 24. März 2012

Ein Museum - Das Museum der Sechsundzwanzig Märtyrer in Nagasaki

Denkmal, Kirche und Museum. Ein christlicher Gedächtnisort Mitten in Japan
 


The story of the 26 martyrs begins in the 16th century. Although he had tolerated Christianity even after the ban issued in 1587, Toyotomi Hideyoshi became suspicious of missionaries as possible agents for European intervention in Japan. Twenty-six Christians, including six foreign missionaries and three children, were arrested in Kyoto and Osaka and forced to walk through the snow to Nagasaki. After an 800km journey, they were crucified on Nishizaka hill on February 5, 1597. This was to serve as a warning to the large Christian population of Nagasaki.
In 1862, these 26 martyrs were canonized by Pope Pius IX. On the centennial of their canonization, a church, a museum and bronze monument were constructed at the site of the martyrdom. The museum displays documents and items related to the activities and struggles of the persecuted Christians. 

Edict of prohibition of Christianity in Japan and offering of reward to people who give information about Priests, Brothers, Catechists, or returnees to the Christian faith. Dated 1682.
This unique image of Our Lady of the Snows is one of the few Western-Japanese (Namban Art) religious art pieces that survived the long persecution period in Japanese.
Even if we don't have precise data, all points to think it was made in Nagasaki by some of the Christian painters of the famous "Kano" school, between 1600 and 1614.

Mittwoch, 14. Dezember 2011

Grazgeflüster. Ein Musée Sentimental


Das 'Musée sentimental' ist ein fester Begriff in der Geschichte der 'Künstllermuseen' und gilt als eines der der interessantesten und erfolgreichsten Projekte, mit denen Künstler sich seit den 70er-Jahren (Claes Oldenburg, Andy Warhol, Marcel Broodthaers uva.) mit der Idee des Museums auseinandergesetzt haben.
 Daniel Spoerri hat selbst immer wieder und in unterschiedlichsten Rollen an seiner für den Kölner Kunstverein (1979) entwickelten Idee weitergestrickt, zuletzt etwa in Krems/Stein (in einer ziemlich verunglückten Form) und nun in Graz im Stadtmuseum in wiederum einer neuen Variante.
Sowohl Spoerri als auch die beiden Kuratoren sind am Grazer Stadtmuseum stark von der ursprünglichen Idee abgewichen. Spoerri steuerte drei 'Installatuionen' bei wie sie unterschiedlicher nicht hätten sein können, während unter dem Titel "Grazgeflüster" (wie werbewirksam und wie informativ ist so ein Titel eigentlich?) graztypische Objkete mit Geschichten, Anekdoten und Infos verknüpft und gezeigt werden.
Eine solche Ausstellung soll weder eine Stadgeschichte erzählen noch repräsentativ eine Stadt sozusagen abbilden. Es funktioniert eher wie ein Auslegen von Spuren, bei denen man eineige Indizien zusätzlich mitbekommt, im übrigen aber selbst dann weiterfahnden sollte. Nicht bloß die intellektuelle Auseiunandersetzung kommt dabei ins Spiel, das Wissen un geschichtliche Ereignisse und Abläufe, sondern eine emotionale Disposition wie sie religiösen wie profanen Reliquien eigentümlich ist (Einer der _ mehreren - Untertitel der Kölner Ausstellung lautete denn auch 'Entwurf zu einem Lexikon von Reliquien und Relikten). Als Dinge, die mit einem großen Ereignis oder einer bedeutenden Person buchstäblich einmal 'in Berührung' gestanden haben, vermittelt sich uns noch im Museum etwas von dieser einstigen Nähe - das aber in der zeitlichen und apparativen (Vitrinen, Sockel, Beschriftung) Distanz des Museums, die eine eigentümliche Dialektik der Museumserfahrung in Bewegung hält: daß uns nämlich, wie es Walter Bejamin formuliert hat, zeitlich und räumlich nahe ist, was ja unter Umständen zeitlich und räumlich unendlich entfernt sein kann.
Im glücklichsten Fall kommt im Spiel mit "Spur" und "Aura" (so die Begriffe Benjamins) eine witzige und gleichwohl politisch aktuelle Installation zustande wie bei der Dokumentation des juristischen Umgangs mit einem feinstaubgeschädigten Kind (mit echten Akten und echtem Husten), im schlechteren Fall, bleibt es eim Beliebigen und Anekdotischen stecken, wie z.B. bei Spoerris Sammlung Steirischer Panther, an denen ihn offenbar nur deren - gelegentlich zensierte, gelegentlich schamhaft entsorgte -, flammende Virilität interessiert hat.

Die Konjunktur des Musée sentimental hat mit der offenkundigen Irritation herkömmlicher Museumsparadigmen zu tun. Die beim 'Original', dem Kölner Musée sentimentale verwendete alphabetische Ordnung, war zur Zeit ihrer Entstehung eine befreiende Geste gegenüber der oft zwanghaften und sowieso fragwürdigen Ordnungssysteme aus den einschlägigen Wissenschaften. Zusätzlich bedeutete die Wahl alltäglicher, bescheidener, fragmentarischer usw. Objekte noch einmal einen kleinen Aufstand gegen das hochkulturelle Pathos des Museums zu inszenieren.
Wie es ist mit den Gesten der Avantgarde, irgendwann werden sie vereinnahmt oder ergeben sich freiwillig dem Sog der Institutionen. Museologisch kariöse Museen greifen zur Intervention, zur Installation zum Künstlermuseum wie sich nach physischer Wiederherstellung Sehnende zu Frischzellenkuren und Botoxspritzen.
Bei der Eröffnung war Daniel Spoerri ganz schön grantig. Angeblich wegen eines Ärgers mit seinem Hotel. Vielleicht aber auch, weil er selber, inzwischen über 80 Jahre alt, merkt, daß er selbst viel zur Erschöpfung einer Idee beiträgt, die einmal frischer und jünger gewesen sein könnte, als man auf den ersten Blick sieht. Denn neben neuartiger, spielerischer Repräsentation von 'Geschichte' hatte das Musée noch eine andere, weniger offenkundige Bedeutung.
Unter großem Zeitdruck entstanden, als Arbeit mit einer Gruppe von Studenten, und daher weit mehr kollektiv generiertes Projekt als 'Genie'-Künstler-Museum, könnte das Kölner Musée Sentimental etwas gewesen sein, was es wohl extrem selten gibt: eine kollektiv kuratierte Ausstellung.
"Grazgeflüster" hat über die Fortsetzung und Entwicklung einer Idee hinaus eine spezifische Funktion für das Museum selbst: in der Zeit der Vorbereitung einer neuen Dauerausstellung ist dieses Musée auch ein Probelauf für eine andere Art der Erzählweise, die jedes Pathos, jede Meistererzählung, jedes Anlehnen an kanonisierte Highlights vermeidet. In der Praxis zeigt sich etwas Erstaunliches: nicht jede Stadt scheint für eine derartige doppelbödige, ironische Repräsentation geeignet. In den Diskussionen um das Musée sentimental, die wir auf der Sommerakademie 2011 mit Susanne Padberg*) geführt haben, schien Köln auf Grund vieler lokaler Eigenheiten, Eigenheiten seiner Alltagskultur, seines Dialekts, seiner karnevalesken Tradition und anderes mehr, für ein solches Experiment wie das Musée sentimental besonders geeignet. Vielleicht ist ja Graz ironifreier, feinstaubbedeckter und eindimensionaler als man denkt.

Ich habe eine Grundsympathie für jede Form des experimentellen, tentativen Ausstellens, deswegen möchte ich hier weniger als Kritiker, denn als Berichterstatter auftreten und dazu ermutigen - die Ausstellung ist noch bis Februar zu sehen -, "Grazgeflüster" zu besuchen.

Definitiv empfehlen möchte ich den 'Katalog', der aufwändig gestaltet die Idee des 'Musée transformiert und einer der schönsten und intelligentesten Ausstellungskataloge seit langem ist.**)

*) Durch ein Projekt des Ludwig-Uhland Instituts der Universität Tübingen ist das Musée sentimental inzwischen zur Ehre einer Dokumentation und Analyse gekommen, die in Buchform und von Anke te Heesen und Susanne Padberg herausgegebenen 2011 publiziert wurde: Musée sentimental 1979. Ein Ausstellungskonzept, bezieht sich mit der Jahreszahl 1979 explizit überwiegend auf das Projekt im Kölner Kunstverein. Das Buch ist bei Hatje und Cantz erschienen.

**) Gerhard Schwarz, Otto Hochreiter, Beat Gugger (Hg.): Grazgeflüster. Einige Stichworte zu einem Musée Sentimental de Graz mit Daniel Spoerri. Graz 2011
Der Katalog wurde eben mit dem Award des Deutschen Designer Clubs ausgezeichnet.