Barbara Klemm. Louvre. 1987 |
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Sonntag, 2. August 2015
Freitag, 26. Dezember 2014
Immer dieser Ärger mit den "Fremden". In Paris und in Berlin
Kürzlich wurde die Cité nationale de l’histoire de l’immigration durch den französischen Staatspräsidenten eröffnet. Nicht ungewöhnlich, sollte man meinen. Nur - das Museum gibt es seit 2007. Der nachholende Akt kam zustande, weil damals Nikolaus Sarkozy sich weigerte, das Museum zu eröffnen. Das Museum war 1989 von einem algerischen Immigranten, Zaïr Kedadouche, in Zusammenarbeit mit Wissenschaftern konzipiert worden.
Aber am 18. Mai 2007 traten acht Akademiker, die den Gremien der Cité de l’immigration angehörten (Patrick Weil, Gérard Noiriel, Nancy Green, Patrick Simon, Vincent Viet, Marie-Christine Volovitch-Tavarès, Marie-Claude Blanc-Chaléard, Geneviève Dreyfus-Armand), aus Protest gegen die von Nicolas Sarkozy veranlasste Gründung eines Ministère de l’immigration, de l’intégration, de l’identité nationale et du codéveloppement (wörtlich: Ministerium für Immigration, Integration, nationale Identität und Koentwicklung) zurück. Da diese Gründung sich ihrer Ansicht nach in „die Spur eines die Immigration stigmatisierenden Diskurses und in die Tradition eines auf Misstrauen und Feindseligkeit gegenüber Fremden in Krisenzeiten basierenden Nationalismus“ einschreibt. Sarkozy, selbst Sohn einer Immigranten-Familie, eröffnete also das Museum nicht und der Stellvertreter, den er schickte, wurde vom Publikum vertrieben.
Nicht nur die „Verspätung“ der offiziellen Eröffnung spiegelt die zahllosen Probleme wieder, die Frankreich mit der Immigration hat, auch die Geschichte des Museums und die seiner Namensgebung reflektiert den sich wandelnden Diskurs über „die Anderen“. 1931 als Kolonialausstellung an der Porte Dorée begonnen und mit einem eigenwilligen Bau ausgestattet, wurde 1935 das Musée de la France d’Outre-mer daraus, dann 1960 das Musée des Arts africains et océaniens das 1990 als Musée national des Arts d'Afrique et d'Océanie zum Nationalmuseum wurde.
Diese jüngste Entwicklung wurde durch die Planung und Errichtung des Musée du Quay Branly ausgelöst, das Sammlungen aus dem gleichzeitig aufgelösten Museum an der Porte Dorée erhielt. Die Gründung der Cité nationale de l’histoire de l’immigration kann man auch als eine Art Kompensation lesen. Nämlich der der Verweigerung des Musée du Quay Brandy, sich diesen Fragen und denen der Kolonialgeschichte selbst zu stellen. Daß nun Präsident Hollande das Museum eröffnet, das schon sieben Jahre offen ist, schließt als Kuriosum nicht die lange Problemgeschichte ab, die die Errichtung der Cité bezeugt. Die gesellschaftlichen Probleme sind virulenter denn je. Sarkozy spricht inzwischen von Immigration als einer Bedrohung der französischen „Lebensart“. Zumindest an der Spitze der Republik und vor allem an der rechten Partei Front Nationale, wird die postimmigrantische Einsicht nicht ankommen, daß die nationalen Identitäten Frankreichs (zweifellos gibt es die nicht im Singular) ohne Immigration und Immigranten nicht denkbar sei.
Aber immerhin. In Frankreich gibt es, wie die genannten Rücktritte und Proteste sowie die anhaltende Debatte in der akademischen Elite zeigen, ein zivilgesellschaftliches Potential. Man läßt nicht alles über sich ergehen. Auch nicht in der Kultur- und Museumspolitik.
Ortswechsel. Berlin. Dort ist das Schloß in Bau. Als Teilrekonstruktion und moderner Neubau ersteht es wieder und soll künftig als ein Zentrum von Wissenschaft und Kunst werden, alles unter dem Titel „Humboldt-Forum“. Ein Zentrum des Projekts sind Teile der bislang in Dahlem ausgestellten ethnologischen Sammlungen. Gegen diese „Eingemeindung“ gibt es schon lange Protest. Denn es zeichnet sich nicht ab, daß dies unter nachdrücklicher Reflexion der Entstehung und Funktion dieser Sammlungen geschehen wird. Man hat eher den Eindruck, daß sie dazu beitragen sollen, die Repräsentativität des ganzen Museumskomplexes der Museumsinseln zu steigern und das dann riesige Ensemble von Museen zu einer weltweit mit anderen Elite-Adressen konkurrenzfähigen Destination des Kulturtourismus zu machen. Affirmation statt Nachdenklichkeit.
Im Gegenteil, sagen Kritiker, die Unterbringung der Sammlungen restauriere ihren brandenburgisch-preussischen kolonialen Kontext. Außerdem sei die Herkunft sehr vieler Objekte, angeblich von tausenden, unklar, viele seien unter Gewaltanwendung angeeignet worden, könnten also gar nicht als rechtmäßiger Besitz der Stiftung Preussischer Kulturbesitz angesehen werden. Last but not least sei der Namenspatron Alexander von Humboldt am Raub menschlicher Überreste beteiligt gewesen.
Das ist für die Stiftung und ihren Präsidenten aber nun der Kritik zu viel. Eine gemeinsam und lange vorbereitete Diskussion der Stiftung Preussischer Kulturbesitz mit dem in einem Bündnis „No Humboldt 21“ zusammengeschlossenen Kritikern, ließ der Stiftungspräsident Hermann Parzinger platzen. Schluß mit der Debatte. Zumindest vorläufig.
Aber am 18. Mai 2007 traten acht Akademiker, die den Gremien der Cité de l’immigration angehörten (Patrick Weil, Gérard Noiriel, Nancy Green, Patrick Simon, Vincent Viet, Marie-Christine Volovitch-Tavarès, Marie-Claude Blanc-Chaléard, Geneviève Dreyfus-Armand), aus Protest gegen die von Nicolas Sarkozy veranlasste Gründung eines Ministère de l’immigration, de l’intégration, de l’identité nationale et du codéveloppement (wörtlich: Ministerium für Immigration, Integration, nationale Identität und Koentwicklung) zurück. Da diese Gründung sich ihrer Ansicht nach in „die Spur eines die Immigration stigmatisierenden Diskurses und in die Tradition eines auf Misstrauen und Feindseligkeit gegenüber Fremden in Krisenzeiten basierenden Nationalismus“ einschreibt. Sarkozy, selbst Sohn einer Immigranten-Familie, eröffnete also das Museum nicht und der Stellvertreter, den er schickte, wurde vom Publikum vertrieben.
Nicht nur die „Verspätung“ der offiziellen Eröffnung spiegelt die zahllosen Probleme wieder, die Frankreich mit der Immigration hat, auch die Geschichte des Museums und die seiner Namensgebung reflektiert den sich wandelnden Diskurs über „die Anderen“. 1931 als Kolonialausstellung an der Porte Dorée begonnen und mit einem eigenwilligen Bau ausgestattet, wurde 1935 das Musée de la France d’Outre-mer daraus, dann 1960 das Musée des Arts africains et océaniens das 1990 als Musée national des Arts d'Afrique et d'Océanie zum Nationalmuseum wurde.
Diese jüngste Entwicklung wurde durch die Planung und Errichtung des Musée du Quay Branly ausgelöst, das Sammlungen aus dem gleichzeitig aufgelösten Museum an der Porte Dorée erhielt. Die Gründung der Cité nationale de l’histoire de l’immigration kann man auch als eine Art Kompensation lesen. Nämlich der der Verweigerung des Musée du Quay Brandy, sich diesen Fragen und denen der Kolonialgeschichte selbst zu stellen. Daß nun Präsident Hollande das Museum eröffnet, das schon sieben Jahre offen ist, schließt als Kuriosum nicht die lange Problemgeschichte ab, die die Errichtung der Cité bezeugt. Die gesellschaftlichen Probleme sind virulenter denn je. Sarkozy spricht inzwischen von Immigration als einer Bedrohung der französischen „Lebensart“. Zumindest an der Spitze der Republik und vor allem an der rechten Partei Front Nationale, wird die postimmigrantische Einsicht nicht ankommen, daß die nationalen Identitäten Frankreichs (zweifellos gibt es die nicht im Singular) ohne Immigration und Immigranten nicht denkbar sei.
Aber immerhin. In Frankreich gibt es, wie die genannten Rücktritte und Proteste sowie die anhaltende Debatte in der akademischen Elite zeigen, ein zivilgesellschaftliches Potential. Man läßt nicht alles über sich ergehen. Auch nicht in der Kultur- und Museumspolitik.
Ortswechsel. Berlin. Dort ist das Schloß in Bau. Als Teilrekonstruktion und moderner Neubau ersteht es wieder und soll künftig als ein Zentrum von Wissenschaft und Kunst werden, alles unter dem Titel „Humboldt-Forum“. Ein Zentrum des Projekts sind Teile der bislang in Dahlem ausgestellten ethnologischen Sammlungen. Gegen diese „Eingemeindung“ gibt es schon lange Protest. Denn es zeichnet sich nicht ab, daß dies unter nachdrücklicher Reflexion der Entstehung und Funktion dieser Sammlungen geschehen wird. Man hat eher den Eindruck, daß sie dazu beitragen sollen, die Repräsentativität des ganzen Museumskomplexes der Museumsinseln zu steigern und das dann riesige Ensemble von Museen zu einer weltweit mit anderen Elite-Adressen konkurrenzfähigen Destination des Kulturtourismus zu machen. Affirmation statt Nachdenklichkeit.
Im Gegenteil, sagen Kritiker, die Unterbringung der Sammlungen restauriere ihren brandenburgisch-preussischen kolonialen Kontext. Außerdem sei die Herkunft sehr vieler Objekte, angeblich von tausenden, unklar, viele seien unter Gewaltanwendung angeeignet worden, könnten also gar nicht als rechtmäßiger Besitz der Stiftung Preussischer Kulturbesitz angesehen werden. Last but not least sei der Namenspatron Alexander von Humboldt am Raub menschlicher Überreste beteiligt gewesen.
Das ist für die Stiftung und ihren Präsidenten aber nun der Kritik zu viel. Eine gemeinsam und lange vorbereitete Diskussion der Stiftung Preussischer Kulturbesitz mit dem in einem Bündnis „No Humboldt 21“ zusammengeschlossenen Kritikern, ließ der Stiftungspräsident Hermann Parzinger platzen. Schluß mit der Debatte. Zumindest vorläufig.
Montag, 1. Dezember 2014
Mittwoch, 29. Oktober 2014
Und schon wieder ein Museum in Paris
Bernard Arnault, in Begleitung, vor "seinem" Museum, Louis Vuitton-Museum, erbaut von Frank Gehry und via geschickter Stiftungskonstruktion so etwa zur Hälfte aus Steuergeldern berappt. Noch ein Grund nach Paris zu fahren, oder?
Humorlos wie der vielgerühmte Französische Intellektuelle nun mal ist, giftet er sich in Gestalt des Professors Jean-Michel Tobelem (professeur associé à l’université Paris 1 Panthéon-Sorbonne) in Le Monde unter dem alles sagenden Titel "Fondation Louis Vuitton : le mécénat d’entreprise sans la générosité."
Montag, 20. Oktober 2014
Vorbildlich. Eine Wutrezension. Werner Spies zum Museum Picasso
Endlich mal eine Museumsrezension! Die Wiedereröffnung des Pariser Picasso-Museums nach fünf Jahren Schließung entsetzt Werner Spies maßlos. Er ist zornig, fassungslos, betroffen und destilliert daraus eine Polemik, sachkundig, vernichtend. Sehr lesenswert! so wünsche ich mir Museumskritik.
Hier der Link: http://www.welt.de/print/die_welt/kultur/article133453806/Gerechtigkeit-fuer-Picasso.html
Dienstag, 14. Oktober 2014
"Ableger" mit Erfolgsausichten?
Bernhard Schulz frohlockt im Berliner Tagesspiegel (heute, unter dem Titel "Potenzial der Provinz". Worüber? Über den Erfolg der Dezentralisierung der Museen in Frankreich.
Also. Dezentralisierung. Erst e i n Nationalmuseum durfte Paris verlassen, in Richtung Marseille. Das Musée des Civilisationsde l'Europe et de la Méditerranée.
Die beiden anderen Beispiele, die Bernhard Schulz nennt, sind die "Filiale" des Centre Pompidou in Metz und die des Louvre in Lille.
Worin denn nun das "Potential in der Provinz" besteht, erfährt man nicht.
Das Kriterium, das für den "Erfolg" der drei Museen herhalten muß sind, man glaubts ja kaum, die Besucherzahlen.
Achsoso.
Also. Dezentralisierung. Erst e i n Nationalmuseum durfte Paris verlassen, in Richtung Marseille. Das Musée des Civilisationsde l'Europe et de la Méditerranée.
Die beiden anderen Beispiele, die Bernhard Schulz nennt, sind die "Filiale" des Centre Pompidou in Metz und die des Louvre in Lille.
Worin denn nun das "Potential in der Provinz" besteht, erfährt man nicht.
Das Kriterium, das für den "Erfolg" der drei Museen herhalten muß sind, man glaubts ja kaum, die Besucherzahlen.
Achsoso.
Dienstag, 30. September 2014
Das Musée Jay-Cognac in Paris und eine Frage von Bertold Brecht
Wird man in 120 Jahren die Sammlungen aserbaidschanischer Oligarchen, liechtensteinischer Steuerberater oder hongkonger Tycoone in städtischen oder staatlichen Museen besichtigen und bestaunen, wie man das heute in Museen mit Sammlungen von Stahlbaronen, Kurfürsten oder Großbürgern tun kann? Gut möglich. Und wird die wunderbare museale Transformation auch das Gedächtnis an diese Personen so verwandeln, daß nur ein ehrendes Gedenken an ihr kulturelles Engagement übrigbleibt, die schiere humane Geste ihr Erbe an die Nachwelt? Wahrscheinlich. Um diesen erwünschten sozialen Sublimierungsprozess geht es ja in erster Linie dabei, oder?
Das kleine Musée Jay-Cognac in Paris ist so eine Sublimations- und Transformationsmaschine. Wenngleich das Ausmaß der wirtschaftlichen Tätigkeit, aus deren Erträgen kaum kriminell oder korrupt gewesen sein dürfte und außerdem vergleichsweise bescheiden. Eine Ehepaar, das grade mal ein Grosskaufhaus (Samaritaine) besitzt, aber keine Kinder hat und nicht vererben wird, sammelt barocke Kunst. Zwischen 1900 und 1925. Beziehungsweise läßt Sammeln, weil es die einschlägige Kompetenz nicht hat und auch nicht erwerben will.
Immerhin führt dieses Sammeln-Lassen im überschaubaren und - wiederum - bescheidenen Ausmaß dazu, daß sich in der Sammlung von Gemälden und Plastiken zusammenfinden, die auch heute noch als qualitätvoll eingeschätzt werden und für Besucher als interessante Kunstwerke gelten. Gemälde gibt es da etwa von Fragonard, Boucher, Robert, Corot, Canaletto, Tiepolo usw. und sogar eins von Rembrandt und Plastiken, Büsten, Möbeln und Geschirre, zusammengestellt so wie sie möglicherweise das Wohnambiente des Paares gebildet haben mögen, die nicht nur „Barock“ sammelten, sondern es ganz gerne „barock“ um sich haben wollten - es gibt auch einen authentischen und voll eingerichteten barocken Salon, heute nur noch Schaustück, vor dem Betreten mit Kordeln geschützt. Kurzum, man bewegt sich sowohl in einem Museum, aber in einem, dessen period style auch ein Dokument der Wohnkultur des begüterten Paares ist.
Das Testat der erbenlosen Kaufhausbesitzer hat die Stadt Paris 1928 angenommen, die Sammlung zusammengehalten und, nachdem man es 1990 übersiedelte, in einem beachtlichen Renaissancebau, dem Hôtel Donon von circa 1575 ausgestellt. Eine andere Rezpetion, als die der kunstkennerschaftlichen, des ästhetischen Flanierend, ist kaum möglich. Die Räume sind als ein Stück Testamentskultur auf ihrem Überlieferungsdatum festgefroren, kaum etwas durchbricht die historisierende Atmosphäre mit der Dokumentation der Geschichte der Sammlung.
Mit meiner Frage, die ich mir auch vor den Schätzen des Dresdners Kurfürsten stelle oder den Zimelien der sogenannten Kunstkammer im Wiener Kunsthistorischen Museum (ich könnte hier mehr Orte aufzählen), bin ich auch im Musée Jay-Cognac allein. Die lautet sinngemäß wie die Bertold Brechts: Hatten die nicht auch einen Koch dabei?
Das kleine Musée Jay-Cognac in Paris ist so eine Sublimations- und Transformationsmaschine. Wenngleich das Ausmaß der wirtschaftlichen Tätigkeit, aus deren Erträgen kaum kriminell oder korrupt gewesen sein dürfte und außerdem vergleichsweise bescheiden. Eine Ehepaar, das grade mal ein Grosskaufhaus (Samaritaine) besitzt, aber keine Kinder hat und nicht vererben wird, sammelt barocke Kunst. Zwischen 1900 und 1925. Beziehungsweise läßt Sammeln, weil es die einschlägige Kompetenz nicht hat und auch nicht erwerben will.
Immerhin führt dieses Sammeln-Lassen im überschaubaren und - wiederum - bescheidenen Ausmaß dazu, daß sich in der Sammlung von Gemälden und Plastiken zusammenfinden, die auch heute noch als qualitätvoll eingeschätzt werden und für Besucher als interessante Kunstwerke gelten. Gemälde gibt es da etwa von Fragonard, Boucher, Robert, Corot, Canaletto, Tiepolo usw. und sogar eins von Rembrandt und Plastiken, Büsten, Möbeln und Geschirre, zusammengestellt so wie sie möglicherweise das Wohnambiente des Paares gebildet haben mögen, die nicht nur „Barock“ sammelten, sondern es ganz gerne „barock“ um sich haben wollten - es gibt auch einen authentischen und voll eingerichteten barocken Salon, heute nur noch Schaustück, vor dem Betreten mit Kordeln geschützt. Kurzum, man bewegt sich sowohl in einem Museum, aber in einem, dessen period style auch ein Dokument der Wohnkultur des begüterten Paares ist.
Das Testat der erbenlosen Kaufhausbesitzer hat die Stadt Paris 1928 angenommen, die Sammlung zusammengehalten und, nachdem man es 1990 übersiedelte, in einem beachtlichen Renaissancebau, dem Hôtel Donon von circa 1575 ausgestellt. Eine andere Rezpetion, als die der kunstkennerschaftlichen, des ästhetischen Flanierend, ist kaum möglich. Die Räume sind als ein Stück Testamentskultur auf ihrem Überlieferungsdatum festgefroren, kaum etwas durchbricht die historisierende Atmosphäre mit der Dokumentation der Geschichte der Sammlung.
Mit meiner Frage, die ich mir auch vor den Schätzen des Dresdners Kurfürsten stelle oder den Zimelien der sogenannten Kunstkammer im Wiener Kunsthistorischen Museum (ich könnte hier mehr Orte aufzählen), bin ich auch im Musée Jay-Cognac allein. Die lautet sinngemäß wie die Bertold Brechts: Hatten die nicht auch einen Koch dabei?
Montag, 8. September 2014
Überaltert bis zur Morbidität: Das Musée Carnavalet in Paris
Das Museum - eine stehengebliebene Uhr... |
Das Musée
Carnavalet, das Pariser Stadtmuseum, könnte
man sich gut als Schauplatz für
Vladimir Nabokovs unheimliche Erzählung
"Ein Museumsbesuch" vorstellen. Es wären
nur einige Handgriffe eines Filmarchitekten, eines geschickten Kulissenmachers
nötig, eines „Szenografen“
nötig,
um seine ohnehin starke Atmosphäre
von Verlassenheit, Verstaubtheit und Überholtheit zuzuspitzen und ihm eine Färbung Bedrohlichkeit oder
Melancholie zu verleihen.
Ich stellte mir Nabokovs seltsam geisterhaftes Museum immer als
eines jener "aufgegebenen" Museen vor, wie es sie ja in Wirklichkeit noch
immer und nicht selten gibt und für
das das Carnavalet ein Beispiel ist. Unter "aufgegeben" verstehe ich
ein Museum, das von den Verantwortlichen aufgegeben, das heißt, nicht mehr ausreichend gepflegt,
nicht mehr genügend betreut wird, das uns den Eindruck vermittelt, es würde
sich niemand mehr um es kümmern. Dem Besucher begegnen veraltete
Anschläge,
ein lädiertes
Leitsystem, Staub, Dämmrigkeit,
lustlose Mitarbeiter, ungepflegte Räume, veraltete Installationen,
halbblinde Vitrinen.
Im Carnavalet trifft man gleich zu beginn, im Treppenhaus, auf
eine abgeschabte Gipsstatue, sehr zweifelhafter ästhetischer und dokumentarischer
Qualität,
dann auf aus einem Gebäude gerettete vergoldete Wandtäfelungen,
ein sonderbar scheußliches
Nashorn auf einem undatierbaren Gemälde,
eine Wachsbüste unsicherer
Zuschreibung, Vitrinen ohne Beleuchtungen, einen Raum ganz ohne Licht, unzählige handgeschriebene
Zettelchen, die die Abwesenheit von Gemälden
oder Plastiken rechtfertigen. Orientierung sucht man im weitläufigen
Gebäude
vergeblich, es sei denn man kann Evakuierungspläne lesen, die aushängen.
Ich kenne das Museum schon lange. Es war nie anders. Inzwischen
ist es noch abgenutzter, noch vernachlässigter,
noch morbider denn je. An der Kassa ein Schild, die englischsprachige Museums-Broschüre sei leider vergriffen, man möge sie sich im Internet
runterladen. Wäre ganz
praktisch, so ein Museumsleitfaden, denn im Museum werden einem nur
Objektbeschriftungen geboten. Da die Chronologie überhaupt die „Ordnung“,
die das Museum hat, manchmal unklar ist, hat man auch keine Chance, sich aus
den Aberhunderten von Objekten so etwas wie eine Erzählung zusammenzubasteln.
Das Carnavalet ist ein Stadtmuseum und als solches würde man ein historisches Museum
erwarten. Aber wie bei vielen anderen Stadtmuseen auch, stützt es sich überwiegend auf Kunstwerke, Gemälde, Plastiken, Stiche, Pläne, Modelle, die in erster Linie
als vereinzelte und um ihrer Ästhetik willen ausgestellt sind. Sinnhafte,
visuelle Stützung von historischen Zusammenhängen, Ereignissen,
Strukturen, gibt es nicht. Nirgendwo ist durch sinnhafte Zusammenstellung so
etwas wie eine Information zu erkennen, es sei denn, die Zusammenstellung eines
Bettes und eines Stadtmodelles verweisen auf einen Architekten, der seine Pläne noch einmal überschläft. Die Gemälde,
die Raum um Raum füllen und große
Zeitabschnitte vollkommen dominieren, sind von oft unterirdischer ästhetischer und fragwürdiger oder nicht erkennbarer dokumentarischer
Qualität. Wie man in einer
Stadt der bedeutendsten Kunstmuseen eine solch inferiore Auswahl treffen kann,
ist rätselhaft.
Nirgendwo habe ich eine solche Diskrepanz von Ort und Museum
erlebt. Paris, eine Stadt wie keine, die „Hauptstadt des XIX.Jahrhunderts“.
Nichts davon hier. Stadtplanung, Stadterweiterung, Haussmann? Die Stadt der
Literatur, der Grand Opera, der sozialen Gegensätze
und Revolutionen? Nichts oder herzlich wenig. Weltausstellungen? Nahezu nichts.
Aufklärung, Geschichte der
Wissenschaft, das Theater. Nichts. Das XX. Jahrhundert findet nur in Genre- und
Porträtmalerei statt, und
auch das nur bis etwa zu seiner Mitte. Dann ist Schluss. 1871, Erster
Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg, die Besetzung von Paris. Nichts. Nichts zu den
großen Konflikten des
19.Jahrhunderts, nichts zur Affaire Dreyfuss, nichts zum Pariser Judentum. Nichts
zur Entwicklung der Presse, der Erfindung der Fotografie (übrigens:
es findet sich kaum ein Foto unter den ausgestellten Objekten), des Kinos. Absolut
nichts. Nur zufällig oder
wenn man sich schon sehr gut auskennt, findet man interessante Objekte, wie etwa
die Porträts der
Protagonisten der Großen
Revolution, Dokumente zur Commune, interessante Stadtveduten - doch das alles
geht unter im großen
Sammelsurium.
Ein Museum von so umfassender Ignoranz muß man erst einmal zusammenbringen. Und man hat in
Paris keine Alternative, bis auf Splitter der Stadtgeschichte in diversen
Spezialmuseen ist das
d a s Museum über
die Stadt.
Immerhin ist das Museum ein guter Arbeitgeber. In jeder Ecke eine
Aufsichtsperson, die hier einen besonders trostlosen Job machen in einem so
freudlosen und auch architektonisch ungepflegten, sichtlich dahinsiechendem
Haus.
Mir ist der Gedanke durch den Kopf gegangen, vielleicht verfolgt
der Museumsstab die Taktik, seinen zurückhaltend
finanzierenden Träger, die
Stadtverwaltung, durch fortschreitendes Vernachlässigen
sozusagen zur Revision zu nötigen.
So wie Immobilienbesitzer durch Verfall Verwaltung oder Denkmalpflege zwingen
einem Abriss zuzustimmen. Wenn’s so ist, dann war das nicht
erfolgreich, das Museum hat schon vor 25 Jahren so vor sich hin gedöst. Ein neues Stadtmuseum würde
tatsächlich
einem Abriss des Museums nahekommen.
Und ein Café,
in dem man sich von den mannigfachen Schrecken des Hauses etwas erholen könnte, gibt's nicht. Das auch
noch!
Dienstag, 19. August 2014
Dienstag, 22. Juli 2014
Fundsachen aus Vietnam (Objet trouvé)
Originalkiste mit Keramikbruchstücken des 1. bis 3. Jh.n.Chr. aus Ausgrabungen von Olov Janse. Musée Guimet, Paris
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