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Freitag, 18. Juni 2010

Spaziergänger (Museumsphysiognomien 5)



Dieses traute Paar spaziert durch ein Diorama des American Museum of Natural History in New York. Die beschützende Geste des Mannes kann kaum allenfalls bedrohlichen Tieren gelten, die damals natürlich 'wild' waren, denn die im Hintergrund friedlich mit Nahrungsaufnahme beschäftigten Rebhühner (?) bilden ja keine drohende Gefahr. Auch das vulkanische Geschehen im Hintergrund ist kein Grund einen kleinen Morgenspaziergang zu unternehemn, ohne Bekleidung, ohne Waffen, ohne Proviant. Aber vielleicht sind die beiden ja zum Brunch in die Nachbarwüste unterwegs oder in ihre Behausung zu längst überfälligen Höhlenmalerarbeiten.
Die 'Spur', aus der die Rekonstruktion sich legitimiert, ist die Spur, die die beiden im Sand hinterlassen. Sie hat Jahrtausende überdauert und aus der unterschiedlichen Beschaffenheit der Fußabdrücke wurde auf ein heterosexuelles (?) Paar geschlossen. Papa und Mama auch, Ureletern, Ahnen. Denn die anthropologische Suche nach dem Ursprung der Menschheit (dem ersten Wesen, das man Memsch nennen darf) ist eine Bedingung für die Beantwortung der Frage "Wer bin ich" / "Wer sind wir"?
Nun, so sagt uns das Diorama, ein Paar wie Du und ich, zweisam, monogam, liebevoll, unerschrocken, etwas mehr behaart und etwas mehr nackt als heute, aber was solls. Das ist eben der zivilisatorische Fortschritt. Aber Männer aren schon immer Gentleman.
Was man sehen könnte: daß es im Museum weniger um Wissenschaft geht (dann verböte sich so eine zu 98% spekulative 'Rekonstruktion', die als authentisch auftritt), sondern um die Verbildlichung von Phantasmen, Begehren - nach dem 'Sehen', dem Beiwohnen des 'Ursprungs', nach einer anthropologischen Versicherung unserer modernen Verhaltensweisen - 'Paarbildung'.
Ist das Bild 'falsch'? Wird 'gelogen'? 'getäuscht'? - Man könnte so sagen, wenn es wie ein Symptom und nicht wie eine authentische Spur gelesen wird: nein. Aber das ist nicht leicht, solange das Museum sich selbst nicht klar wird, wovon es 'eigentlich' spricht.
In einem Spielfilm von Alain Tanner beschließt ein Landwirt seine Kinder selbst zu unterrichten, im Glashaus, wo er ihnen auch diese Frage stellt "weiß das Wasser, daß es kocht?".
Wir fragen: "Weiß das Museum, was es zu sehen gibt?".

Freitag, 28. Mai 2010

Saurier und Forschung. Noch einmal: Wie sich der Direktor des Naturhistorischen Museums Wien die Aufgaben eines Museums erklärt

In zwei Dingen ist sich der designierte Direktor des Naturhistorischen Museum Wien, Christian Köberl, sicher: warum die Dinosaurier ausgestorben sind und was ein Museum ist. Nämlich eine "Bühne". Und zwar wofür? Für die Darstellung von Forschung. Denn: "Grundsätzlich ist das Museum ja vor allem auch eine Forschunginstitution, und nicht nur ein Ort, an dem man ausgestopfte Tiere zeigt." Heißt? "Ich möchte die Naturwissenschaften ausstellen, die an dem Museum betrieben werden - und dabei ihre hohe gesellschaftliche Relevanz vermitteln. Ein Beispiel wären etwa die Rohstoffe in der mineralogischen Sammlung: Da kann man Teile so reorganisieren, um zu zeigen, welche Rohstoffe für was nötig sind, vom Auto bis zum Handy." Diese - nicht ganz neue Einsicht (s. Post vom 9. Mai 2010) - vermittelt uns der Direktor in einem Interview, das Klaus Taschwer führte. Der Standard 25. Mai 2010. Und wenn er sich mit den Sauriern doch irrt? Würden wir daran zweifeln, daß das Museum ein Ort der Popularisierung von Forschung ist?
PS.: Bei meinem Handy interessiert mich eigentlich weniger, aus welchen Rohstoffen es besteht, als vielmehr die Frage, wie man dem verdammten Ding beibringen kann, die Tastatursperre völlig willkürlich außer Dienst zu stellen.

Sonntag, 9. Mai 2010

"Da bekommt die Mineralogie sofort gesellschaftliche Relevanz". Aus der Welt der Direktoren.



Abbildung - Impcat. Heftig, 
vielleicht endgültig, vielleicht nur Kino (oben) 
und Papst & Impact (M. Cattelan, 
Die neunte Stunde, 1999) (unten)

Im Interview mit dem designierten Direktor des Naturhistorischen Museum, Christian Köberl, Astronom und Impact-Forscher, greift Bettina Steiner in der Tageszeitung Die Presse nach den Sternen: gibt's außerirdisches Leben? Und wenn ja, soll man mit ihnen Kontakt aufnehmen? (Der Forscher hält sich bedeckt).

Gibt es das Universum überhaupt? ("Es ist nicht unwahrscheinlich", höre ich mit Erleichterung). Was ist ein guter, was ein schlechter Wissenschafter?

Fragen über Fragen, ehe es zur entscheidenden kommt: "Ich denke mit Schrecken daran, wie ich mit meiner Tochter durch Reihen ausgestopfter Tiere spaziert bin – die noch dazu völlig unsystematisch aufgestellt und mangelhaft beschriftet waren."

Da darf sich Herr Köberl darüber freuen, daß mit ihm - nicht von ungefähr, meint er - ein Wissenschafter berufen worden sei (die Vorgänger, was waren die eigentlich?), denn um Forschung ginge es, um Grundlagenforschung.

Und wie wollen Sie das vermitteln, fragt Frau Steiner. Köberl: Man sagt immer, Steine seien langweilig. Aber das müssen sie nicht sein. Haben Sie gewusst, dass man für den Betrieb von Mobiltelefonen seltene Erden braucht? Da bekommt die Mineralogie sofort gesellschaftliche Relevanz!

Und für Kinder wird's einen beweglichen Dino geben.
Aber sonst wohl, wie gesagt, eher Forschung, denn: 100 Würmer nebeneinander sind fad. Aber ich kann erklären, welche von ihnen Parasiten sind und was sie anrichten.

Montag, 5. April 2010

Die Einladung (Museumsphysiognomien 02)




Eine einladende Geste. "Treten Sie ein!". Der Vorhang wird extra für uns zurückgeschlagen. Eine Geste, wie von einem Theater- , nicht Museumsdirektor, der uns auf eine Bühne bittet…
Da möchte man sich nicht lange bitten lassen. Wir sind auch nicht allein, nicht die ersten. In dem unscheinbar ausgestatteten Raum haben sich schon Menschen eingefunden. Sie bemerken uns nicht, sind schon in die Betrachtung der präparierten Tiere vertieft. Bürgerliches Publikum, sorgfältig gekleidet. Es ist doch ein besonderer Anlass. Ein Museumsbesuch.

Der freundliche Herr am Eingang, das ist der Direktor, Willson Peale. Das Gemälde hat er gemalt. Ein Selbstporträt, ein Museumsporträt. Eines der schönsten Museumsbilder überhaupt. Als er es gemalt hat, 1822, ist er über 80 Jahre alt und er hat ein bewegtes Leben hinter sich. Er gehört zu der Generation, die die Unabhängigkeit der Kolonien gegenüber Großbritannien betrieben hat und die für die Vereinigten Staaten als Soldaten gekämpft haben. Peale war schon damals Maler, ausgebildet auch in England, woher die Eltern kamen. Er ist schon auf dem amerikanischen Kontinent geboren. Als Maler-Soldat porträtierte er Heroen des Unabhängigkeitskrieges, schließlich die 'Väter der Nation', Thomas Jefferson, George Washington.

Nach dem Krieg, in einer Zeit der wirtschaftlichen Depression, kann er nicht bloß als Maler leben. Beim Anfertigen von Illustrationen von Fossilien einer privaten Sammlung entdeckt er seine Neugier für lange ausgestorbene Tiere und - das Museum. Er gräbt mit seiner Familie ein Mastodon aus und fügt die Knochen zu einem Skelett des Tieres zusammen. Das wird ein Glanzstück seines Museums. Heute gilt diese Rekonstruktion als die älteste bekannte überhaupt. Er bringt sich das Präparieren von Tieren bei, er hält naturkundliche Vorlesungen, er sammelt, er lässt sich Dinge schenken. Das alles wird Grundlage eines Museums, das pädagogisch ist, aber auch Schaustellung, die Geld zum Leben bringen soll. Vom Mastodon wird ein zweites Skelett gefertigt, das mit einem Sohn durch Europa tourt.

Die im Vordergrund des Gemäldes platzierten Attribute weisen ihn in seiner vielfältigen Begabtheit aus: die Malutensilien, der Knochen, das Werkzeug des Präparators. Der Maler, der Naturforscher, der Präparator. Er ist aber auch Botaniker, Erfinder von falschen Zähnen, eines Gerätes zum Kopieren von Dokumenten, eines tragbaren Dampfbades, einer Windmühle, verschiedener mechanischer Geräte für die Landarbeit, und einerArt von Fahr- oder Laufrad. Und er ist Mitglied der American Philosophical Society, deren Sammlung er betreut.

Peale gründet (1786) und betreibt sein Museumin Philadelphia privat. Nach und nach wächst es sich zu einem öffentlichen Museum aus. Durch seine Situierung - zweiteilig sind Teile des Museums in der Independence Hall - rückt es ins politische Zentrum, trägt zwar seinen Namen, aber ist zu dieser Zeit nahezu ein nationales Institut. Das Mastodon ist nicht nur ein überraschend entdecktes, bis dahin unbekanntes Tier. Es ist ein 'politisches Objekt'. Es erlaubt nicht nur der jungen Nation, sich in eine lange (Natur)Geschichte einzuschreiben, es ist auch ein Indiz in einem zwischen Europa und den neuen Staaten umkämpften historisch-kulturellen Feld. Buffon, der große Französische Naturforscher, hat eine Theorie zur degenerativen Fauna Amerikas, die auf eine generell biologische Unterlegenheit gegenüber Europa schließen lässt. Die steile These lässt sich jetzt bestreiten. Thomas Jefferson selbst beteiligt sich als Paläontologe (ein Teil der Sammlung kommt in Peales Museum) an der Debatte, legt eine einschlägige Sammlung an und liefert in Publikationen Argumente. Das von Peale und seinen Söhnen ausgegrabene 'montierte' Mastodon ist eine Sensation, ein must see in der damals größten Stadt der unabhängigen Staaten, Philadelphia.

Peales Museum ist aber nicht nur als 'erstes Museum der USA' interessant und attraktiv war es nicht nur als Ausstellung Peales eigener Gemälde, seiner wunderlichen Sammlung, seiner Naturpräparate, durch sein Mastodon - das wir hinter dem 'gelüfteten Vorhang' erkennen. Peale sorgte höchstpersönlich für etwas, was wir heute wohl als Szenografie bezeichnen würden. Augenzeugen berichten von auf wirklichem Wasser schwimmenden lebende Tieren. Peale baute und erfand Geräte - eine Art Orgel -, mit denen er Musik erzeugte und ein anderes Gerät, mit dem er bewegte Bilder projizieren konnte! Und, er fügt sich selbst in das Ganze als Wachsfigur ein, einer offenbar so überzeugend gelungenen Doppelgängerexistenz, daß sie Besucher, die davon erstaunt berichten, erschrecken, als sie Peale - reglos - in seinem Büro vorfinden.

Von dieser 'Multimedialität' des Museums gibt uns das Gemälde keine Vorstellung. Im Gegenteil. Der Raum wirkt sehr nüchtern, ungemein wohlgeordnet, aufgeräumt und übersichtlich. Es fehlt ihm auch jedes Dekorum, das europäische Museen - wenn auch noch so bescheiden - auszeichnet und das Museum zum profanen Heiligtum macht. Der Museumsraum (einer von mehreren, den das Museum besaß), strahlt eher jenes "rational amusement" aus, das ein Schlüsselwort von Peales Museumsverständnis war. Und dies steht im Dienste gesellschaftlicher Zwecke: „Natural History has to promote National and Individual happiness“ . Trotz des privaten Staus des Museums, begegnen wir hier - praktisch zeitgleich mit den Museen der Französischen Revolution -, der neuen Idee des öffentlichen und zivilisatorischen Museums.
Diesen zivilisierenden Effekt des Museums erläutert Peale in seiner Theorie des Sammelns, Peale’s discourse introductory to a course of lectures (1800),  an einem überraschenden Beispiel: Eines Tages hätten ihn die Häuptlinge untereinander bitter verfeindeter Indianerstämme besucht und unter dem Eindruck ihres Museumsbesuches die Beilegung ihrer Streitigkeiten beschlossen.

In einem wunderbaren Essay zu einigen Gemälden Peales wird gemutmaßt, daß das 'Museums-Selbstporträt' ihn nicht nur, wie man so sagt, 'nach dem Leben' wiedergibt, sondern wie eine 'Kippfigur' gelesen werden kann. So wie der Pfau im Bildvordergrund vom Betrachter nicht eindeutig als lebendes Tier oder Präparat identifiziert werden kann (es gab ja beides im Museum), könnte der freundliche Herr auch - als Wachsfigur verstanden werden.
Peale war für derlei Allegorik nicht nur nicht blind, er staffierte sie in vielen Bildern beredt aus: auf seinem Familienporträt sind die Verstorbenen Mitglieder wie in antiker Tradition als Büsten auf den Möbeln präsent und das große Gemälde, das, mit der Schilderung vieler technischer Einzelheiten, die Bergung des Mastodons wiedergibt, spielt unübersehbar auf die Arche Noah an. 'Arche' ist in einer bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgbaren Tradition eine Metapher für die bewahrende Funktion von Sammlungen.
Die Bergung des riesigen Tieres, das man damals für ein Mammut hielt, durch Peale und seine Familie ist aber mehr als nur ein der der Arche vergleichbarer Rettungsakt. Da es ein bis dahin unbekanntes Tier ist, kann sein Fund und seine Rekonstruktion - zu einer Zeit, in der man sich der Möglichkeit des Aussterbend von Tieren noch nicht so bewusst war -, als Wiederbelebung verstanden werden. Peales Sohn Rembrandt (sic!) schreibt: The bones exist, -  the animals do not, und bringt ein sehr ambivalentes strukturelles Element des Museums auf den Punkt. Es sind zwar 'Überlebsel' - das Wort 'survival' wird Jahrzehnte später in der frühen amerikanischen Ethnologie zum Schlüsselbegriff werden -, die das Museum bewahrt. Doch es sind und bleiben immer und unhintergehbar 'tote Dinge', die das Museum aufbewahrt - und die dennoch eine symbolisches Überdauern in dieser merkwürdigen neuen Institution 'Museum' ermöglichen.
Peales Idee, sich als Wachsfigur zu verdoppeln, hat in der antiken Tradition ihre Herkunft, den vergänglichen biologischen Leib durch einen nicht vergänglichen sozialen Leib zu ersetzen. (Der Philosoph Jeremy Bentham wird - zu etwa derselben Zeit - diese Idee radikalisieren: er bestimmte, seinen bekleideten Leib wie eine Puppe in einer Vitrine sitzend in der von ihm mitbegründeten London University auszustellen. dort sitz er noch immer. Ein bizarrer Akt der (Selbst)Musealisierung.

Peales Einschreibung in die Unsterblichkeit der Dingwelt gelang, im Porträt überlebte er. Die Institution indes, die überlebte nicht. Und das obwohl Peale eine große Familie hatte und seine Söhne seine Talente und Leidenschaften tradierten.
Vielleicht ist das Verschwinden des Museums auch seiner labilen privaten und damit finanziellen Trägerschaft geschuldet. Ohne staatliche Unterstützung war es der wachsenden Konkurrenz anderer großer Institutionen nicht gewachsen, die die Idee des Museums mit der der diversen populären Schaustellungstechniken vermischten. So wurde ein Teil der Sammlung an Barnum verkauft.

Die drei Momente, die Peales Museum ausmachten, privates Engagement im öffentlichen Interesse, pädagogisches Sendungsbewußtsein - das Museum als "School of Wisdom" (Peale) -, und Integration der der europäischen, akademischen Museologie so verdächtigen Schaustellungskünste, werden ab da das US-Amerikanische Museumswesen bis heute auszeichnen und vom europäischen - mit allen Vor- und Nachteilen - unterscheiden.

Charles Willson Peale: The Artist in His Museum, 1822. Oil on canvas 103 3/4 x 79 7/8. The Museum of American Art of the Pennsylvania Academy of the Fine Arts, Philadelphia.

Sonntag, 4. April 2010

Mikroausstellung - "Vorher / Nachher"

Brachiosaurus branca, 
1909 liegt er in 'Deutsch Südostafrika' (heute Tansania) 
frei und sichtbar herum. 
Jetzt steht er im Naturmuseum in Berlin.

Montag, 1. März 2010

Dracheneier und Phönixfedern. Alberto Manguel (Das Museum lesen 03)

Zu meiner Jugendlektüre gehörten die Detektivgeschichten Gilbert Keith Chestertons, die wegen ihres ‚Helden‘, Pater Brown, einem katholischen Priester, berühmt wurden und die verschiedentlich verfilmt und immer wieder im Fernsehen gezeigt wurden. Diesen Pater Brown, der sehr knifflige Fälle in immer erfolgreicher Konkurrenz zur Polizei zu lösen imstande ist, nimmt sich der Schriftsteller Alberto Manguel in seinem wunderbaren Essay zu Sammeln als Modell.
Für die Aufklärung des Todes eines schottischen Lords stehen Pater Brown nur einige Sachen als Indizien zur Verfügung, deren Zusammenhang aber völlig unklar ist. Der ermittelnde Inspektor resigniert: »Keine Anstrengung der menschlichen Phantasie vermag es, Schnupftabak und Diamanten, Wachs und lose Zahnräder in einen Zusammenhang zu bringen«.
Pater Brown schlägt dem verblüfften Inspektor eine Lösung vor: „Der Lord war ein erbitterter Gegner der Französischen Revolution und hatte den Stil der letzten Bourbonen kopiert. Er besaß Schnupftabak, weil dies ein Luxus des 18. Jahrhunderts war, Wachskerzen, weil sie zur Beleuchtung dienten, die Metallteile, weil Ludwig XVI. ein Hobbymechaniker gewesen war, und die Edelsteine verwiesen auf das Brillanthalsband der Marie Antoinette.“
Aber Pater Brown treibt nur ein Spiel, er entwirft immer neue Spekulationen, unter welchen Bedingungen diese Dinge einen gemeinsamen Sinn ergeben könnten. Was uns Manguel zu bedenken gibt ist, daß wir bestrebt sind Ordnung zu stiften, daß diese Ordnung bis zu einem gewissen Grad willkürlich und „nie unschuldig“ ist. Und, daß es viele Möglichkeiten gibt, den Dingen eine sie Bedeutung zu geben.
Auch „Ostereier des Patriarchen von Jerusalem, zwei Federn vom Schweif des Vogels Phönix, ein Dodar von der Insel Mauritius, der ob seiner Korpulenz des Fluges nicht fähig ist und Messingkugeln zum Wärmen der Hände für Nonnen“ bilden offenbar keine sinnvolle Einheit, aber alle diese Dinge fanden sich einmal in einer Sammlung - der der Tradescants.
Man muß nicht ins 16. und 17. Jahrhundert zurückgehen, in die Zeit der Kunst- und Wunderkammern, um wunderliche Dingwelten zu finden, wie etwa 'Thomas Manns Taufkleid, die Totenmaske von Brecht, Röntgenbilder von Erich Kästner, ein Diktiergerät von Hans Blumenberg oder eine Gabel, die angeblich Franz Kafka gehörte'. Das alles findet sich im Literaturmuseum der Moderne in Marbach.
Manguel entwirft eine kurze Geschichte der Ordnungssysteme, um seine These zu stützen, daß diese immer auch fragwürdig gewesen seien – bis hin zu den nationalen und öffentlichen Museen der Französischen Revolution, die sich, wie das Musée des Monuments, gerade bezüglich ihrer Willkürlichkeit Kritik von Zeitgenossen gefallen lassen mussten. Das Musée sei, ärgert sich ein Zeitgenosse, »eine Ansammlung von Trümmern und Särgen aus allen Jahrhunderten, zusammengeworfen ohne Sinn und Verstand in den Klosterräumen der Petits Augustins«.
Gerade mit der Entstehung des öffentlichen Museums werde aber jede Zusammenstellung von Dingen zu einer kategorisierbaren Sammlung, deren einzelnen Elemente im Museum zu Repräsentanten eines übergeordneten Sinns werden. „In den Räumen der Winnipeg Art Gallery ist ein Gemälde von Joyce Wieland nicht mehr das Gemälde, das von der Hand der Künstlerin stammt oder das es im Wohnzimmer von Conrad Black geworden wäre, sondern ein ausgewähltes Beispiel für die kanadische Kunst des 20. Jahrhunderts.“
Manguel zieht aus dieser Entwicklung zunächst einen konservativ-elitären Schluß: um Kunstbetrachtung und –genuß zu ermöglichen, müsse man – gegen die ‚kollektive museale Wahrnehmung‘ – wieder den individuellen Zugang in seine Rechte setzen. „Der Museumsbesuch sollte daher eine einsame Angelegenheit sein.“
Die Kernaussage Manguels ist das aber noch nicht. Erst die zurückgewonnene Individualisierung des Museumsbesuchs, erlaube es, ‚in Freiheit‘ gegen die Regeln des Museums zu verstoßen:
„In ihrem Roman Menschenkind Schreibt Toni Morrison: ‚An einen Ort zu kommen, wo man alles lieben konnte, was man wollte - und das Verlangen keiner Erlaubnis bedurfte -, das war die Freiheit.‘ Museen können solche Orte sein, doch kommen sie nicht ohne eine geordnete Struktur aus, denn es liegt im Wesen einer jeden Ausstellung, daß ihr Aufbau, willentlich oder nicht, explizit oder implizit, uns, dem Publikum, einen vorgefertigten Rahmen darbietet, eine ‚geordnete‘ Version des Ausstellungsguts, damit unser Weg durch die Ausstellung einer gewissen Logik folgt. Aber um die Freiheit zu erlangen, die wir brauchen, um die Deutungsklischees zu durchbrechen und die ästhetische Erlebnisfähigkeit wiederherzustellen, die zwangsläufig an der Schwelle zwischen der Bewußtheit und dem Unbewußten liegt, müssen wir die vorgegebene Ordnung verletzen, in Frage stellen. Um Regeln zu brechen, brauchen wir Regeln, und diese liefert uns das Museum.“
Das ist eine überraschende Schlussfolgerung. Die Regeln des Museums sind dazu da, um gebrochen zu werden, also auch die Ordnungssysteme, um unterlaufen zu werden. „Jeder Besucher muß sein Drachenei und seine Phönixfeder selbst einfordern. Und die Öffentlichkeit darf nicht als uniforme Masse, als abstrakter Begriff in Erscheinung treten, sondern als heterogene Ansammlung von Individuen, die alle ihre besonderen Sehnsüchte und ihren gesunden, anarchischen Eigensinn in die sorgsam beschilderte Museumswelt hineintragen“, so wie es der von Paul Valery formulierte Spruch tut, der, über dem Musée de l‘ Homme in Paris angebracht, die Besucher mit den Worten empfängt: „Ihr, die ihr eintretet, bestimmt, ob ich Grab oder Schatzkammer bin, ob ich spreche oder schweige. Ihr allein müßt es entscheiden. Tritt nur ein, Freund, wenn du das Verlangen spürst.“
Und die Indizien? Und der tote Lord? Pater Brown stellt „die Vermutung an, daß der Lord ein Doppelleben geführt hatte. Als Dieb benötigte er die Kerzen für seine nächtlichen Raubzüge, den Schnupftabak brauchte er, um ihn, wie alle Bösewichte es taten, seinen Verfolgern in die Augen zu streuen, die Diamanten und Zahnrädchen dienten zum Zerschneiden von Fensterscheiben.“
Aber auch damit foppt er nur den Inspektor, denn, so Pater Brown, nur „zehn falsche Theorien erklären das Universum.«

Alberto Manguel: Dracheneier und Phönixfedern oder ein Plädoyer für die Sehnsucht, in: ders.: Im Spiegelreich. Berlin 1999

Samstag, 27. Februar 2010

Das Büro zur Fernüberwachung von Wildtieren oder Warum gibt es kein Naturmuseum? Über Mark Dion

Ich erinnere mich noch lebhaft an eine Führung im Naturhistorischen Museum in Wien. Wir waren eine kleine Gruppe von Museumsinteressierten und wurden von einer Mitarbeiterin des Hauses geführt. In der zoologischen Abteilung wiederholte sie immer wieder den Satz „Das ist alles echt", während wir an Präparaten vorbeischlenderten, denen das Stopfmaterial aus den geplatzten Nähten quoll oder die mit viel Styropor, Pappendeckel, Holz, Farbe in einem möglichst natürlich sein wollenden Ambiente ihren Auftritt hatten.
Der Umstand, daß der Typ des Naturmuseums der künstlichste überhaupt ist, ist den Museen selbst zumeist entgangen. Gerade der enorme technische, handwerkliche, künstlerische und wissenschaftliche Aufwand, der getrieben wird, um Natur als - ‚unberührte', ‚ursprüngliche' Natur aussehen zu lassen, wird vom und im Museum verdrängt.
Selbst wo die Widersprüchlichkeit von performativem Raum und Exponat so offenkundig ist, wie im historistischen Bau des Naturhistorischen Museums in Wien, wird er in der Konzeption und Praxis der Ausstellungen fast immer völlig negiert. Das ergibt einen veritablen, aber völlig ungenutzten Mehrwert, wenn Krokodile Parkettböden bevölkern oder Fischkörper vor pompösen Stuckreliefs schwimmen.
Daß es in Naturmuseen nicht um Natur, sondern um eine Idee von Natur geht, um einen Wunsch, wie man Natur sehen will, um ein Bedürfnis der Domestizierung, um Ordnung und Klassifikation einer unendlichen Varietät, das ist offensichtlich in Naturmuseen nur als verdrängte Grundlage zu haben, nicht als reflektiertes Thema und Anliegen.
Der Satz, der die Arbeiten Mark Dions am knappsten charakterisiert, wäre auch ein Motto und ein Arbeitsauftrag an Naturmuseen. „My work is not really about nature, but rather it is a consideration of ideas about nature."
In einer eben zu Ende gegangenen Ausstellung „Concerning Hunting" in der Kunsthalle Krems wurden Werke und Ensembles von Dion versammelt, mit denen er das Jagen analysiert, Objekte, von denen man manche schon anderswo und in anderen Zusammenhängen sehen konnte, aber die um das eine Thema Jagd kreisend, ihren wunderbaren Witz und ihre Intelligenz entfalten.
Mit einer Sammlung von inzwischen über hundertsiebzig Fotos (Men of Game), die Jäger oder Jagdgesellschaften mit ihrer Beute zeigen, bietet Dion eine schreckliche wie abstruse Soziologie des männlichen Beutemachens. Ein geheimnisvoll verschlossenes „Departement of Kryptozoologie" gibt der von der Wissenschaft verpönten Beschäftigung mit vermeintlich nicht existierenden Tierarten, wie Yeti, Nessie und Bigfoot, einen Platz. Das Tar-Museum (Teer-Museum), zeigt eine der medial am ausgebeutetsten Weisen der Vernichtung von Natur, von Teer überzogene Tiere (auf Transportkisten hockend), wie wir sie von ölverseuchten Stränden kennen.
Gegenüber Jagd und Jägern weder anklagend noch herabsetzend, ermöglicht eine Sammlung von papierenen Zielscheiben (Target Wall) mit naturalistischen Tierschemata nachzuvollziehen, wie in der Jagd das Tier zum Objekt und zur Beute wird, wie verengt der Blick des Jägers im Moment des tödlichen Schusses ist. Auch ‚Fahnentrophäen' mit blutig tropfenden Tierkadavern, machen, medial gefällig und scheinbar harmlos, aufmerksam auf den Tabubruch der Jagd: hier ist gesellschaftlich nicht nur akzeptiert sondern auch unter Umständen auch anerkannt und honoriert, Töten erlaubt.
Auch eine Sammlung von Hochständen - Verstecken, die den Jäger unsichtbar machen und von denen aus er das Wild erlegt -, hat das Töten und seine Technik zum Gegenstand, zugleich entwirft Dion hier auch eine Kulturgeschichte und Soziologie der Jagd und eine Typologie der Jäger.
Damit wären wir beim zweiten strukturell Verdrängten im Naturmuseum. Dem Töten und dem Tod der Tiere als Voraussetzung ihrer Musealisierung. Was im Geschichtsmuseum oder in einer kunstgewerblichen Sammlung allenfalls metaphorisch behauptet werden kann, gilt hier unbedingt und buchstäblich. Und ist dennoch ein Thema, das in Naturmuseen nur im small talk mit Kuratoren und off limits, nie aber in den Ausstellungen zur Sprache kommt.
Dions Stärke ist aber, daß er statt (An)Klage Witz mobilisiert. „Mobile Wilderness Unit" (soviel wie ‚Mobile Wildniseinheit') kommt dem Bedürfnis entgegen, Wildnis und Wild möglichst zivilisiert aber dennoch ‚unberührt' erleben zu können. Man kann Menschen zu diesem Zweck mobilisieren, indem man sie in die Bergeinsamkeit technisch hineinversetzt oder zum organisierten Abenteuerurlaub verschickt; oder man mobilisiert die wilde Natur, bei Dion sind es Bison und Wolf, ersterer in einem zirkusartigen Wagen. Hier erhellt Dion nicht nur eine grundlegende Dialektik unserer Verfahren Natur anzueigenen, die infrastrukturell erschlossene gefahrlose Besichtigung (von der eine Spielart das Museum ist), sondern schließt zwei Modi der Schaustellung kurz, die normalerweise nie nebeneinander gestellt werden: (Wander)Zirkus und Museum.
Aus der Perspektive des hochkulturell codierten Museum ist der Vergleich unzulässig, verpönt. Aber er bezieht seine Stämmigkeit nicht bloß aus der Vergleichbarkeit zweier Zeigeformen von ‚Natur' auf ein und derselben Basis des Begehrens, dem Wilden als ganz anderem, das aber ohne Gefahr, begegnen zu dürfen. Der implizite Vergleich ist auch historisch stimmig, denn zu den ältesten Schaustellungs(Ausstellungs)-Praktiken gehört das Zeigen und Vorführen von Tieren. Selbst etymologisch ist das noch präsent: Im Wort „mostra" (für Messe und Ausstellung) steckt das ‚Monster', das wilde Wesen (das auch in Monstranz oder in der - wissenschaftlichen oder politischen Demonstration - versteckt ist) und in „fiera" (Messe, als eine spezifische Zeigepraxis, auch im Sinn von (Waren)Ausstellung) ist ursprünglich das wilde Tier.
Mark Dion öffnet mit seinen Arbeiten nicht nur einen Blick auf unser Naturverhältnis und seine Deutung und Verarbeitung im Museum, er bietet auch explizite Hinweise auf alternative Modi des Zeigens. So stellt Dion eine kleine museale Präsentation so genannter „r-Strategen" vor. Das sind, so habe ich in der Ausstellung gelernt, die sich weit überdurchschnittlich rasch vermehren und daher die Zukunft ‚unserer' Tierwelt repräsentieren Tierarten.
Alle seine Objekte und Installationen kann ich mir sofort im Naturmuseum vorstellen. Nicht nur als relativierende oder kritische Interventionen, sondern als regelrechte Transformation der Idee des Naturmuseums - wenn dies denn imstande wäre sich selbst zu reflektieren und auch zu - ironisieren.
„Viele meiner Projekte sind eigentlich der Versuch, eine bestimmte Art von Fragestellung, von Skepsis einzubauen. Bei einem Großteil meiner Arbeit geht es darum, die Autorität in den Wissenschaften, aber auch in der Kunst selbst zu untergraben."
Um seine Ziele zu erreichen, bedient sich Dion, wie er uns - ein bisschen flunkernd wohl -, mitteilt, weder musealer noch künstlerischer Verfahren - und schon gar nicht der Jagd. „Manche Künstler malen, manche machen Drucke, manche Skulpturen, aber ich gehe einkaufen."

Freitag, 5. Februar 2010

Glasmurmeln und Kanu

Für manche der schönste belletristische Museums-Text überhaupt - die Passagen aus dem 1951 erschienen Roman Der Fänger im Roggen, in denen der Besuch des Helden des Buches, des 16-jährigen Holden Caulfield, im Museum of Natural History New York geschildert wird. Aus Anlass des Todes des Autors, Jerome David Salinger, hier ein kleines Memorial...

... Der Fußboden war durchgehend aus Stein, und wenn man Murmeln in der Hand hatte und sie fallen ließ, sprangen sie wie verrückt über den ganzen Fußboden und machten einen Heidenlärm, und dann ließ die Lehrerin die Klasse anhalten und ging zurück, um zu sehen, was denn los war. Aber Miss Aigletinger, die wurde nie sauer. Dann kam man an einem ganz langen indianischen Kriegskanu vorbei, das ungefähr so lang war wie drei verfluchte Cadillacs hintereinander, mit ungefähr zwanzig Indianern drin, manche paddelten, manche standen aber auch bloß da und machten einen auf hart, und alle hatten sie Kriegsbemalung im ganzen Gesicht. Hinten im Kanu saß ein sehr gruseliger Typ, der hatte eine Maske auf. Das war der Medizinmann. Bei dem lief's mir kalt den Rücken runter, aber ich mochte ihn trotzdem. Noch was, wenn man im Vorbeigehen eins der Paddel oder was anfasste, sagte einer der Wächter zu einem: »Fasst bitte nichts an, Kinder«, aber das sagte er immer mit einer netten Stimme, nicht wie ein verfluchter Polizist oder was. ...

Foto: Schulklasse vor dem indianischen Kanu, 1911 (Foto: MNH New York)

Samstag, 9. Januar 2010

Musée des Mondes Perdu

Der Zufall eines Wolkenbruches trieb mich eines Herbsttages für einige Augenblicke ins naturwissenschaftliche Museum. Dort verweilte ich aber eine Stunde, zwei Stunden, drei, vielleicht. Monate sind seit diesem unvorhergesehenen Besuch vergangen, doch vergesse ich nicht so bald diese Augenhöhlen, die einen beharrlicher als Augen anblicken, diesen Jahrmarkt der Schädel, dieses mechanische Grinsen auf allen Ebenen der Zoologie. Ich weiß keinen Ort, wo Vergangenheit gegenwärtiger wäre.

Gut möglich, daß sich diese Zeilen E. M. Ciorans auf einen der ungewöhnlichsten und in gewisser Weise auch morbidesten Sammlungsorte weltweit beziehen, auf eine um 1900 entstandene - baulich selbständige(Architekt: Frederic Dutert) - Erweiterung des Pariser Naturmuseums.
Die Galerie de paléontologie et d’anatomie comparée gehört zum Muséum national d’ Histoire Naturelle in Paris. Diese ungewöhnliche Sammlung befindet sich in einem ebenso ungewöhnlichen – im Jardin des Plantes gelegenen - Gebäude das im Zusammenhang mit der Weltausstellung von 1900 errichtet aber bereits zwei Jahre zuvor eröffnet wurde.
Diese Sammlung, für sich schon und erst in dieser wissenschaftlichen Paradigmen der Zeit folgende Aufstellung einzigartig und bizarr, erhält durch ihre architektonische Rahmung eine zusätzliche Anmutungsqualität, für die man auch als Nichtexperte empfänglich ist.

Im zweigeschoßige Gebäude, dessen Stahl-Glaskonstruktion mit ihrem Belle Epoque-Dekor zu den Exponaten einen merkwürdigen Gegensatz bildet. sind mehrere ‚Galerien’ untergebracht: Die paläontologische Galerie beherbergt eine Sammlung fossiler Wirbeltiere und wirbelloser Tiere, eine Sammlung, die über 600 Millionen Jahre biologische Geschichte visualisiert, die Galerie der vergleichenden Anatomie eine riesige Skelettsammlung von etwa 10.000 Objekten, die klassifiziert und geordnet zwischen umlaufenden Schaukästen frei aufgestellt einen einzigartigen Zug der toten Lebewesen bildet.

Während wir von Naturmuseum gewohnt sind, daß uns eine kunstvolle technische Lazarisierung über die Abwesenheit von Natur täuscht, wird uns hier in schroffer und direkter Konfrontation die Tatasache bewußt, daß gerade im Naturmuseum die Bedingung der Musealisierung der Tod der Dinge ist, in diesem Fall und genauer, der Tod, der das organische Leben zu Exponaten tauglich macht.

Lassen wir Leon-Paul Fargue das letzte Wort, der diese Galerien als Musée des Mondes Perdues beschreibt:
...Diese drei kleinen farblosen Flaumfedern, denen ähnlich, die sich, wie wir glauben, von den Tauben gelöst haben und im Frühling in den Spinngeweben der Sonne schweben, welche ehrfürchtige Hand hat sie eingerahmt, welche sonderbare Einbildungskraft »Dinornisfedern« getauft? Besaß nicht der Herzog von Berry, der Bruder von Charles v., in seinen Sammlungen eine Feder des Engels der Verkündigung?...
Es ist hier, in diesen Galerien, daß die Kraft und der Charme der ‘Schöpfung’ auf die seltsamste Weise zum Ausdruck kommen, durch die ergreifende und geheimnisvolle Poesie des unendlich Großen und des unendlich Kleinen, aber in einer Art Beklemmung und Zweifel. Wo und wie wird eines Tages die seltsame Gestalt dieses unkenntlichen Tieres zum Vorschein kommen, das so langsam über den verborgenen Grund des Planeten dahinwandert?...