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Dienstag, 15. Juli 2014

Im Louvre, neulich

Eine halbe Stunde Wartezeit zeigt eine Tafel am Ende der Menschenschlange an. Die hat sich schon um eine Wegbiegung herum in der unterirdischen Erschließung des Louvre gebildet, in den Gängen, die direkt von der Metro ins Zentrum des Museums führen. Oberirdisch wird es sich nicht weniger stauen, die meisten Besucher kommen ja durch das Nadelöhr des Tores in der Glaspyramide. Die Sicherheitskontrolle und dann die schmale Rolltreppe sorgen dort schnell für Stau und lange Warteschlangen.


Die riesige Halle unter der Pyranide, mit ihrer problematischen Akustik und einem bei Sonnenschein auch nicht grade angenehmen Klima, scheint fast voll zu sein. Es ist ziemlich laut und man muß aufpassen, niemanden umzurennen oder umgerannt zu werden. Es ist Samstag, aber vor zwei Tagen war ebenso viel los. Auffallend viele Jugendliche sind unterwegs, viele in Gruppen oder Schulklassen. Die Gastronomie agiert am Rand ihrer Kapazität. Freie Plätze gibt es nur in den teureren Lokalen.
Auf dem Weg zu den Ausstellungen schwimmt man mit in Menschentrauben. Für den Zu- und Abgang der Grand Galerie gibt's eine Einbahnregelung.
Es gibt kaum eine Sammlung, in der nicht rege Betriebsamkeit herrscht. Nur die letzte der neu eingerichteten ist fast leer - die islamische.
Man hat sie in einen der noch ungenutzten Höfe installiert, unter einem frei schwingenden Zeltdach, mit rundumlaufend verglasten Wänden. Die Museografie bedient sich hier relativ alter, freundlicher gesagt bewährter Methoden. Gedimmtes Licht, dunkle Möbel, die Objekte als Preziosen präsentiert, die Kostbarkeiten sehr dicht zusammengerückt. Auch im noch dunkleren Untergeschoss ist das so. Schatzbildung signalisiert das, Kostbarkeit, Wert, Ewigkeit. wie so oft.
Es gibt zwar externe Information, auf riesigen Bildschirmen, mit Sitzmöbeln, die vielleicht extra für nur kurzes Verweilen gedacht sind, aber die Information, die man hier bekommt ist sehr allgemein. Es sind zeitlich limitierte Text- Bild-Infos, kurze Clips, von denen die Macher wohl annehmen, daß sie der Aufmerksamkeitsspanne durchschnittlicher Besucher entsprechen. Man kann die Dauer der Infos nicht beeinflussen, was man in der vorbestimmten Zeit nicht erfasst, rutscht weg. Jeder Bezug zur Gegenwart fehlt und kann bei dieser Ausstellungsgestaltung erst gar nicht entstehen. Alles wird unterm Prinzip Kunst respektive Kostbarkeit präsentiert. Oberflächlich bleibt einem nur Staunen oder - Langeweile. 
Ich wüsste nicht, wie ich hier vor Ort zu einer vertiefenden Auseinandersetzung kommen könnte. Alles ist fein säuberlich chronologisch geordnet, vorgeschaltete Texttafeln erläutern in sehr groben Zügen Epochencharakteristika. Aber um etwas tiefer zu erfassen, müsste ich selbst vorbereitend einigen Aufwand treiben oder mich mit einem Katalog wappnen. 



Wo einem die Kultur nicht ganz so unvertraut ist, wie die islamische, gibt es wenigstens die Illusion einer verstehenden Nähe. Die allerneueste Abteilung, die des Kunstgewerbes des (französischen) 17. und 18. Jahrhunderts, bedient sich ansatzweise ebenfalls einer alten und bewährten Methode, der der Epochenräume. So frisch gefärbelt, restauriert und geputzt, ohne jede Spur von Gebrauch und Leben, wirkt das aber auch ziemlich steril, fast tot, trotz des Funkelns von Gold, Perlmutt und edlen Steinen. Zwei Jahrhunderte gabs da also nur Luxus, nur Tabaksdosen, Himmelbetten, Wandteppiche und Porzellan aus Sevres, putzige Globen, wissenschaftliche Instrumente für den königlichen Zeitvertreib. Selbst Ludwig VXI. und Marie Antoinette bleiben mit ihrem kostbaren Spielzeug völlig unbehelligt von Politik und Revolution. Die findet hier erst gar nicht statt.

In der teilweise sehr spröd designten ägyptischen Abteilung geht's ziemlich rege zu. Wie schnell manche Leute die Säle durchqueren! Ich setze mich an ein Fenster. neben mir baut sich ein Mädchen auf, mit den Händen an der Hosennaht, rückt nach Anweisungen vermutlich ihrer für mich nicht sichtbaren Eltern hin und her, bis sie die gewünschte fotogene Position hat. Dann baut sich eine kleine Gruppe vor einem aufrecht in einer Vitrine stehenden Sarkophag auf. Geblödel, Nachahmung einer Mumie. Feixen, Augenverdrehen. Bisschen lustig tot sein. Viele Fotos.


Gibt es schon eine Untersuchung zur Veränderung des Museumsbesuchs durch das Handy? Mir ist noch nie so sehr wie hier aufgefallen, wie viel mit dem Handy fotografiert wird. Oder eher nur geknipst. Manchmal nur so im Vorbeigehen. Oder im Multitasking, in der einen Hand den Audioguide am Ohr, mit der andern das Bild geknipst. Etwa die Hälfte dieser Knipserei aus der Hand gilt Räumen und Objekten, eine andere Hälfte den Verwandten, Freunden, der Familie, die vor einem Objekt fotografiert wird. Für medienaffinen Nachwuchs ist gesorgt. Im Mona-Lisa-Raum begegnet mir ein Zwillingskinderwagen, mit einem Buben, der auf sein Tablet fixiert ist und einem Mädchen mit Smartphone. Ich nehme nicht an, daß sie in kunsthistorischer Lektüre vertieft sind und die Gemälde würdigen sie keines Blickes - könnten sie aus ihrer transportbedingten Froschperspektive auch kaum. 
Vor der Mona Lisa die übliche geballte Menge, aber anders als noch vor Jahren mit Dutzenden über die Köpfe hochragenden Händen mit allen Typen von Aufzeichnungsgeräten. Vielleicht liegt der Sinn dieses Aufzeichnens immer noch in dem, was schlichtere Medien früher leisteten, wie etwa die Kunstpostkarte, nämlich zu Hause sich der Begegnung mit dem Original und dessen tatsächlichem Vorhandensein zu versichern. Nippen an Identitätsbedeutsamkeit, an der eigenen, an der des Objekts.


Ich habe mich bei meinem Louvre-Besuch gefragt, ob das Sehen im Museum durch den Vervielfältigung des Mediengebrauchs noch flüchtiger geworden ist, als er seit dreißig oder mehr Jahren ohnehin beschrieben wird, etwa unter dem Stichwort "cultural window shopping". Aber um das zu beobachten, bin ich zu müde. Das Klima im Museum ist anstrengend. Manchmal ist es stickig und schwül, manchmal einfach nur zu warm, in den Sälen mit den zahllosen Corots erzeugt eine überdimensionierte Klimaanlage Gruftkälte, es ist dort kaum auszuhalten. Ausgerechnet jetzt, wo ich Lust auf Langsamkeit hätte.
Das Museum ist als Ganzes sichtbar gestresst. Was nicht in neuerer Zeit restauriert, umgebaut oder, wie die Islamische Abteilung, ganz neu errichtet wurde, blättert, korrodiert, verschmutzt, wirkt ungepflegt. Das WC, das ich benutze - es gibt eindeutig zu wenige inzwischen - ist in einem desaströsen Zustand. Auch hier: Warteschlangen. 
An allen Ecken und Enden wird vor Taschendieben gewarnt. Auch der Orientierungsplan, der in vielen Sprachen ausgegeben wird, bietet ganz ausführliche Verhaltensregeln an, wie man sich vor Diebstahl schützen kann. Links und rechts der Mona Lisa hängen schon lange keine Bilder mehr, dafür aber jetzt und unübersehbar, mit dem begehrten Bild ein Triptychon bildend, zwei Diebs-Warntafeln. Ein kleiner unabsichtlicher Gag - die Mona Lisa ist ja auch schon mal geklaut worden.

Knapp 10 Millionen Besucher hat der Louvre derzeit. Er ist das meistbesuchte Museum der Welt. Obwohl es riesig ist, hat man den Eindruck, bei einer Zunahme der Besucherfrequenz würde selbst dieses Museum an Grenzen stoßen. Trotz der vorbildlich dichten orientierenden Beschilderung und des Folders mit dem Museumsplan fällt die Orientierung manchmal schwer. Verirren ist zwar auch nicht schlecht, ohne Verirren hätte ich die Corots im zweiten Stock nicht entdeckt, aber mit zunehmender Müdigkeit sinkt die Lust lange Korridore und Ebenen mit weiteren Hundertschaften von Objekten zu durchqueren, nur um eine bestimmte Objektgruppe oder Sammlung zu erreichen.
Angesichts solcher und anderer Museumszustände würde in letzter Zeit öfter die Sehnsucht nach "Rückbesinnung" laut, eine Sehnsucht nach elitistischer Versenkung und Einsamkeit im Dialog mit den Bildern, ungestört von "den Massen". Also nach aus der Romantik stammender Versenkung als Modus der Bildnisbegegnung. Klingt ein wenig wie die bei Entstehung des öffentlichen Museums laut werdenden Stimmen, nicht jeden Pöbel zuzulassen, in die heiligen Hallen.
Das wird es in einem solchen Museum nicht geben, und es ist auch nicht wünschbar. Zustände wie die im Louvre sind das Ergebnis einer Entwicklung, wie sie wesentlich vom Louvre selbst angestoßen würde. Das Recht auf Bildung für alle, also auch das Recht Museen besuchen zu können, damals völlig neu, kippt unter den Bedingungen des organisierten Massentourismus in einen Zustand, der irreversibel erscheint.
Man kann sich nur selbst dazu verhalten, Inseln der Aufmerksamkeit schaffen, der Konzentration, was aber in einer solchen Betriebsamkeit und angesichts der Fülle und Qualität der Sammmlungen in einem "Weltmuseum" wie dem Louvre wirklich schwer ist. Ja, Der gute Rat von Valery und Adorno, sich ein, zwei Bilder zu suchen, und sie so ernst zu nehmen wie irgend möglich - das soll mir mal einer vormachen, in der Grand Galerie zum Beispiel. 
Auch der Louvre wird weiter wachsen, nicht nur mit "Filialen" expandieren, wie nach Lens oder Abu Dhabi, sondern auch in Paris, vielleicht gibt es noch museal nicht genutzte Räume oder Höfe, vielleicht kann man noch tiefer unter die Erde gehen, aber die derzeitige politische und wirtschaftliche Situation läßt es als nicht wahrscheinlich aussehen, daß es in naher Zukunft eine Überbietung von Mitterands Grand Louvre geben könnte. der Stress wird bleiben.


Dienstag, 13. Mai 2014

Das global-neoliberale Megaprojekt: Der Louvre Abu Dhabi


In der Neuen Zürcher Zeitung vom 7. Mai 2014 berichtet Marc Zitzmann über den Louvre Abu Dhabi. Anlass ist eine Ausstellung im Louvre, in der jene 160 Werke gezeigt werden, die als (zeitlich begrenzte) Leihgaben dem arabischen Museum, das im Dezember des kommenden Jahres eröffnet werden soll, zur Verfügung gestellt werden. Der Louvre unterstützt die Entstehung des Museums aber auch mit Beratung beim Sammlungsaufbau. Und schließlich wurde die Marke "Louvre" bis 2037 gegen viel Geld an das Museum in Abu Dhabi verliehen. Marc Zitzmann: "Im Gegenzug bezahlt das Emirat 164 Millionen Euro für die «Aufbauhilfe» bis 2026, 190 Millionen Euro für die Dauer- und 195 Millionen Euro für die Wechselausstellungen sowie 400 Millionen Euro für die Nutzung des Namens «Louvre»."
Weiters wurden der Louvre und neun andere staatliche Kulturinstitutionen wie das Musée d'Orsay, das Centre Pompidou und die Nationalbibliothek, das Museum in Versailles dazu verpflichtet, "über zehn Jahre hinweg jährlich 300, dann 250 und endlich 200 Werke (darunter ein Drittel aus dem Louvre) für eine völlig unübliche Leihdauer von zwölf Monaten nach Abu Dhabi zu schicken, um die noch im Aufbau befindliche Sammlung aufzustocken. Bei diesen Leihgaben wird es sich um Spitzenwerke handeln, die fast alle aus den Museumssälen des Louvre oder des Musée d'Orsay geholt werden müssen – etwa Leonardo da Vincis Belle Ferronnière oder Manets Fifre" (...) "Zusätzlich müssen die Franzosen jährlich vier ebenfalls mit eigenen Sammlungsstücken bestückte Wechselausstellungen ausrichten, über fünfzehn Jahre hinweg". (Zitzmann) Die Kuratoren des Louvre waren gegen diese Kooperation. Im Zentrum der Bedenken stand beim Bekanntwerden der Pläne auch das konservatorische Risiko, das von der "Reisetätigkeit" hochkarätiger Museumsobjekte nun mal ausgeht.
Unter Nutzung des klangvollen Namens des berühmtesten und größten Museums der Welt scheint der Ehrgeiz des Emirates auf ein Universalmuseum zu zielen, aber möglicherweise und auf lange Zeit doch nur in einem konturlosen Sammelsurium zu münden. Denn selbst ein so reiches Land wie die Vereinigten Arabischen Emirate hat heute keine Möglichkeit mehr, eine große und - nach welchen Kriterien auch immer - konsistente Sammlung zusammenkaufen zu können. Vorerst gibt es ein Mobile von Calder, ein ottomanischer Fußboden, Fotografien von Roger Fenton,ein altpersisches Goldarmband, Möbel von Josef Hoffmann, Mogul-Malerei, ein Koran aus dem 14.Jahrhundert, ein Mondrian-Gemälde von 1922 usw. Der Ankaufsetat ist hoch, aber Preise für museumsreife Spitzenwerke sind das auch.


Man fragt sich sowieso, warum ein arabisches Museum im sammlungspolitischen und kunstideologischen Korsett des westlichen Wertekanons entstehen soll und mit dem Anspruch der Universalität gerade deswegen zum Scheitern verurteilt ist. Eine "Abbildung" dieses Kanons leistet weltweit kein Museum und selbst annähernd repräsentativ zu sammeln ist heute nicht mehr möglich.
Mit dem Museum soll der Völkerverbindung und dem Kampf gegen Intoleranz gedient sein. Jedenfalls bewirbt der Bauherr das Museum so - ein Museumskonzept und -team gibt es noch nicht. Marc Zitzmann fragt sich zurecht, ob nicht viel dringender etwas zur "Verbesserung der Rechtslage von Arbeitsmigranten", getan werden sollte, "deren Ausbeutung NGO wie Human Rights Watch regelmässig anprangern (auch auf der Baustelle des Louvre Abu Dhabi!)". Über die verheerende Situation der Arbeitsmigranten dort und in anderen arabischen Ölstaaten weiß man schon sehr lange Bescheid, einer breiteren Öffentlichkeit wurde das erst bewusst, als man die vorbereitenden Bauarbeiten für die Fußball-WM in Katar kritisierte. Jüngst gab es mehrere Proteste im New Yorker Guggenheim-Museum (ein Guggenheimmuseum und andere Museen werden dem "Universalmuseum" benachbart auf der Saadiyat-Insel in Abu Dhabi errichtet), vergleichbare Proteste scheint es in Frankreich nicht zu geben.  
Möglicherweise hat zum Deal zwischen Frankreich und dem Emirat auch gehört, daß ein französischer Architekt das Museum plant. Jean Nouvel lässt eine schalenförmige und perforierte Überkuppelung von 180 Metern Durchmesser über einer Art dörflicher, von Meer umgebener Struktur schweben, über einem Pasticcio aus Kubaturen, Wegen, Wasseradern, Plätzen. Man wird sehen, wie das Gebäude, einmal realisiert, wirkt. Die Entwurfszeichnungen versprechen viel und Ungewöhnliches, ein Museum, wie es noch keines gegeben hat. Es ist vor allem das flirrende Lichtspiel, das mit der durchlöcherten Kuppel erzeugt wird, das besticht. Nicht ausgeschlossen, daß sich ein französischer Architekt von einem Museumsentwurf und Architekten inspirieren ließ, wo er beides finden konnte - die megalomane Kuppel über einer nahezu urbanen Struktur und das perforierte Gewölbe, das ein einzigartiges Lichtspiel in Szene setzt. Ich meine Etienne Louis Boullées Entwurf für ein Museum von 1783 und seinen Newton-Kenotaph, in dessen dunklen Höhlenleib das Tageslicht den Sternenhimmel zeichnet. Wo aber Boulées (zu seiner Zeit technisch nicht realisierbaren) Phantasien düster und erdnah wirken, ist Nouvelles Entwurf ganz hell, trotz der Größe leicht, fast schwebend.


 Soll man also sagen, der Museumsentwurf, die Architektur sei "gelungen"? Dann müsste man alle die Aspekte ausblenden, die Marc Zitzmann aufzählt und die er abschließend ohne wenn und aber als skandalös bezeichnet. Ausblenden müsste man zum Beispiel auch die Platzierung des feenhaft anmutenden Gebäudekomplexes auf der sogenannten Saadiyat-Insel, der "geplanten luxuriösen Wohn- und Tourismusstadt für Spitzenverdiener" (Zitzmann). Vor allem aber eine historisch-ideologische Frage: wie kommt es, daß ausgerechnet der Louvre in eine politisch autokratisches Land (konstitutionelle Monarchie ist die offiziöse, ziemlich schiefe Bezeichnung) geht, der Louvre, der ja nicht nur für eine glanzvolle und enorme Sammlung steht, sondern auch für Aufklärung und bürgerliche Revolution.
Als Francois Mitterand die Erweiterung zum "Grand Louvre" mit großem Publikum feierte, da fand das am 200. Jahrestag der Französischen Revolution statt, eingedenk des Louvre als eines Ortes nationaler Identifizierung und staatsbürgerlicher Selbstermächtigung. Darin gründete auch das Konzept des Museums, die gesamte (westliche) Kunst repräsentieren zu dürfen, nämlich als befreite und aufgeklärte Nation, die so lange das Recht habe, sich Kulturgüter anderer Länder anzueignen, so lange diese nicht ebenfalls im Stand der Freiheit existierten. Aus dieser Maxime entsprang auch die doppelte Museumspolitik der Revolutionszeit. Einerseits plünderte man systematisch Sammlungen der politisch-militärisch eroberten Länder, andrerseits sorgte man mit, u.a. aus dem Louvre gespeisten Sammlungen und Leihgaben für zahlreiche Museumsgründungen in den - aus französischer Sicht - befreiten Staaten und Städten und sorgte so für eine Expansion der jungen und modernen Museumsidee in Europa. Nur unter diesen Umständen konnte er werden, was er ist: ein viele Kulturen und Epochen beherbergendes Museum, ein Weltmuseum, das zugleich ein Nationalmuseum Frankreichs ist
So besehen, mag man die Expansion des Louvre - auch in Frankreich selbst -, als Revision des ursprünglichen Konzepts auffassen. Was aber in Lens eine Aufweichung des typisch französischen Zentralismus ist, wird mit der Kooperation mit Abu Dhabi zu einem Rückschritt hinter jene Ideale, aus denen heraus das Museum in den 90er-Jahren des 18.Jahrhunderts entstand. Man geht in ein autoritär, fern der uns vertrauten demokratischen Grundwerte regiertes Land und bedient dessen politisch-ökonomische Elite im Tausch gegen Geld, ohne jeden Anspruch, mit den Bildern aus Frankreich auch irgendetwas von den inhärenten Idealen mit zu transportieren.
Der "Louvre-Export" Abu Dhabi konterkariert nicht nur die Geschichte des Louvre, er beschädigt seine historisch gewachsene Identität an der Wurzel. Das ist ein sehr hoher Preis für ein Sammlesurium-Museum für Neureiche in einem exklusiven Habitat. Und es ist summa summarum das wohl derzeit kaum noch unüberbietbare global-neoliberale Projekt der Museumswelt. 






Donnerstag, 30. Januar 2014

Der Blick ins Freie


Im April 1867 erhielt Claude Monet vom Superintendenten des Louvre die Erlaubnis, im Museum malen zu dürfen. Das Malen, das Studium von Kunstwerken in Galerien, Sammlungen und Museen hatte zu diesem Zeitpunkt eine jahrhundertelange Tradition. Zeitweise gehörte das Kopieren von 'Meisterwerken' zum festen Bestandteil der akademischen Ausbildung und viele Museen regelten den Besuch von Kunststudierenden mit besonderen Öffnungszeiten, etwa getrennt angesetzt vom allgemeinen Besuch.
Nur vor diesem Hintergrund versteht man den Bruch, den dieses Gemälde darstellt. Monet kehrte dem Kanon der musealisierten Werke den Rücken und malte die Aussicht aus einem der Fenster, den Blick auf die Eglise St.-Germain-l'Auxerroise und die in der gleissenden Sonne flanierenden Menschen vor ihr.
Das Gemälde ist also mehr als nur ein Bild, es ist auch eine Geste. Eine Geste der Abkehr, gesetzt etwa zu der Zeit als die Kritik am Museum, am Museum als solches, nicht nur am Louvre, fundamental zu werden begann und in museoklastische Appelle mündete. Der Ruf nach dem Anzünden des Louvre (als Inbegriff einer eine überfordernde wie belastende und überholte Tradition hinter sich zu lassen) wurde wenige Jahre nach Monets "Besuch" im Louvre wahr. 1871 schickten sich die Aufständischen der Commune an, die Parole in die Tat umzusetzten, wurde aber von beherzten Menschen davon abgehalten. So blieb es bei der Brandstiftung an den Tuilerien, die so beschädigt wurden, daß man sie wenige Jahre später abbrach.
Spielen Museen bei der Ausbildung von Künstlern noch eine Rolle? Wenn, dann sicher nicht mehr im Sinn des 18. oder 19. Jahrhunderts. Und das Kopieren? Ich habe bei meinen Besuchen im Kunsthistorischen Museum noch oft Kopisten gesehen und erinnere mich an den starken und angenehmen Geruch der Farbe, der die gesamte Wahrnehmung der Säle und der Werke veränderte. Das habe ich schon lange nicht mehr gesehen, allerdings eine Frau, die in der Lucien Freud Ausstellung gezeichnet hat...
Schauen wir aus dem Fenster, in Museen? Sicher, wenn dieser Blick ohnehin inszeniert ist, wie etwa in Hans Holleins Museum am Abteiberg in Mönchengladbach, oder Heinz Tesars Essl-Museum in Klosterneuburg oder gar im Vorarlberger Landesmuseum, das einen eigenen Raum besitzt, der dem Blick nach draußen gewidmet ist und sonst nichts.
Doch am Blickbleibt die Kränkung des Museums, vor allem der Dinge haften, wie in der Fotografie Lenkkeris. Er ist eine Abwendung von den Dingen, aber, wie in diesem Fall, scheint er melancholisch das Museum und die Verfasstheit der Dinge zu reflektieren.
Die Museen wehren sich gegen unsere Abschweifung, mit dem Vorwand konservatorischer Bedenken. Schützende Jalousien, raffinierte Fensterkonstruktionen nehmen uns diese Möglichkeit, wir werden blind für das, was draußen vorgeht, so lange wir im Museum weilen und seiner geschlossenen und immersiven Welt. Bis jemand kommt und das Fenster öffnet...
Ville Lenkkeri: Looking out of a museum window. 2004

Der orientalische Louvre

Besucher in der Ausstellung Birth of a Museum in der Abu Dhabi Louvre Gallery, 2013. Die Fertigstellung des Museums wird derzeit mit 2015 angegeben

Freitag, 12. April 2013

Unerwünschte Nebenwirkungen

"Inklusion" gehört zu den museologischen Modewörtern, mit denen der Anspruch auf Einschluß bislang nicht beachteter Gruppen ins Museum bezeichnet wird.
Unerwartete Effekte hatte eine über den Eintrittspreis regulierte Liberalsisierung des Zutritts beim Louvre, die Personen bis zum 26. Lebensjahr freien Eintritt gewährt.
Seither machen Jugendliche (Zeitung 1), Jugendbanden (Zeitung 2) oder Roma-Banden (Zeitung 3) die Schauräume unsicher. Immerhin ist dieses Problem so virulent, daß das Aufsichtspersonal einen Tag lang gestreikt hat.
Man darf gespannt sein, wie der Louvre die Grenzziehung und -überwachung an seiner inneren sozialen Demarkationslinie zwischen Bildungsbeflissenen und "bildungsfernen Schichten" bewerkstelligen wird.
Jetzt wurde erst mal die Polizei geholt.

Samstag, 16. Februar 2013

A question raised by the French Revolution and answered by Hollywood: does democracy need museums ?




Gottfried Fliedl

1
We all seem to know what a museum is or should be. As this painting by the French Painter Hubert Robert shows, it is a room, a space, an architecture, where people come together to see artworks. What we see is a crowd of men, women and children, so to say a public, consisting of very different people.

What the painting shows us, seems to be exactly what we expect of a museum: to be a sphere of unlimited access to a public, which also seems to be unlimited in a social sense. Everybody is allowed to come to the museum and everybody can make use of art or culture in that house and space named ‘Museum’. Everybody seems to be welcome to see things, to enjoy or to learn from them.
But the painting by Hubert Robert is rather a political manifesto or social utopia because the Grande Galerie of the Louvre, as shown here, first became a museum in 1793, and in reality the Gallery was at that time in rather poor condition.
Robert’s painting promises the realisation of something, which had been claimed for decades, but even under the French kings was never realized: a public museum with cultural artifacts owned by the public – this means, by the state, by the nation -, and created for the benefit, education and entertainment of the public.
Till 1793 France had in difference to some European capitals no royal Gallery open to the public, as Vienna or Florence had, and had no collection owned by the state as the British Museum had had since 1753.

What the painting shows is not an illustration of reality, but an idea, a promise, being realised just at the time of the French Revolution. It is often said that the founding of museums during the French Revolution is only a consequence of the elder royal politics –about 110 paintings were shown during some years from 1750 on in the Palais du Luxembourg. This means to see Revolutionary Museum as nothing other than the fulfilling of a political and museological tradition of the 18th century and of the French Kingdom.
And this is just the way the story is told for instance by the Louvre in it’s present historical department. But what differentiates it from the few public European Collections that existed at the time is the enormous and important political and social role not only of the Louvre-Museum but of all museums founded during the French Revolution, for instance the Musée des Monuments Français, the Musée d’ Histoire Naturelle or the Musée d’ Art et des Metiers.
These museums are not based on continuity, but on the contrary on discontinuity. To make use of parts of the kings palace, the Louvre as a public museum was at that time not the realisation of the idea of a royal gallery but an act of violent occupation with great symbolical power. And the creation of the museums was based on the confiscation of the property of the king, of  the aristocracy, on the secularisation of the property of the church and on the iconoclasm during the first months of the Revolution.
It is the first time in history, that the idea of the museum is based both on the common ownership of cultural property and on common enjoyment of this property.
The opening of the Louvre – I am citing Andrew McClellan, one of the historians of the history of the Louvre during the revolution -, “was tied to the birth of a new nation. The investiture of the Louvre with the power of a revolutionary sign radically transformed the ideal museum public. To the extent that the Louvre embodied the Republican principles of Liberty, Equality, and Fraternity, all citizens were encouraged to participate in the experience of communal ownership, and clearly many did.”
The time of the Revolution is one of deep social and political crisis. 1793, the year of the opening of the Louvre, is the year in which the king is executed. It is not only the end of the French Monarchy and Kingdom, but it is also the dawn of Modernity and Democracy.
The contemporaneity of political crisis and the founding of museums is surprising  and demands an explication. There can be no doubt of this contemporaneity: The Museum in the Louvre opened on 10th of August 1793, the same day as the Fête de la Régénération, a mass procession performed the rebirth of the French Nation, a sort of birthday-ritual with the participation of thousands of inhabitants throughout the City of Paris with all deputies of the revolutionary parliament.
This day was also the day of the anniversary of the escalade of the Castle of the Tuileries, the occasion of the fall of the monarchy and accusation of the king and the beginning of the climax of the Revolution, the Grande Terreur.
It is surprising that the Museum as an institution steps into the centre of cultural and social identification exactly at this time. The museum seems to be able to offer a new representation of commonness and identity by its narration and collections. And the museum seems to be able to tell unifying stories and to offer common objects.
There is another surprising contemporaneity we should pay attention to:
At nearly the same time, the body of the king was put to death on the Guillotine, and thus a new body was invented. It was invented in the discussions of the Assemblée national and in her committees on the dialectic and contradiction of Iconoclasm and the wish to protect historical and artistic goods from being demolished. What was discovered in  these debates is a – so to say - holy good, possessed and protected by the nation, the patrimoine (heritage), a new word, invented in the debates.

The body of the king was not only the body of a certain private man, it was the symbol of the French Monarchy and Kingdom, a representation of the power that held society together. At that historical moment, this principle of power is abolished and a new representation has to be created. And one of this new principles and symbols is cultural heritage: the patrimoine. (In Italy I beni culturali, in Great Britain heritage, in Austria or German Erbe and so on…).

2
What I would like to suggest is, to understand the museum less as an architecture or room where people could view cultural goods. For me a museum is instead a social space, in which are circulating phantasms, ideas, wishes are circulating – for instance of identity and origin, citizenship or unity, but also class, race and gender differences circulate.
The way in which we are thinking and speaking of museums is still based on the ideas of the Age of Enlightenment and the French Revolution. Since that time the museum has become a sphere of public discourses based on a common good, on a sort of holy treasure owned by the public. The Museum takes care of protecting cultural heritage and handing it down. The Museum reflects the need and desire for national identity and it builds up a canon of cultural goods, which seem to be eternal and indestructible and insofar also untouchable.
As such an idea sprung up around 1800 in France and in central Europe, one that was and still is an absolutely rare and unique practice, unknown in every other culture in the past and present.
Isn’t it a rare and strange ritual, to store things for an indefinite duration only for the purpose to come together from time to time to view them ?

The dynamics of creating such a strange and yet central place for modernity and modern states lies in a dialectic of break and continuity. In French Revolution all traditional ways of representation broke down and new ways of representing of power were needed. Democracy in general is characterised by a lack of visible and objective representation.
The place of power changes continuously and nobody (‘no body’, even no longer the body of the king, as it happened in France) is able to represent power. From this time on new ways of representing of national identity, power and collective cultural values were needed.
The museum is from this time on not only a showcase or collection but it is also a social space, where people collect themselves and represent themselves as a nation. The Nation is defined - among other things -, by the possession of a untouchable and eternal “holy treasure”, as the French museologist Bernard de Loche said.
One of the answers to the new and peremptory question of identification in  modernity was and still is the museum -: a place for collecting things, but also for people to collect themselves aroundround goods.
What we can observe during the French Revolution is an enormous accumulation. Huge depots, archives and collections were compiled from the annexation of the possessions of the king, of the nobility and of the church, later on as an effect of the vandalism and the art loot in Europe during the Napoleonic time. But what we also can observe, is the creation of a public discourse on heritage (patrimoine) and identity.
Thing, as a word, not only means object but also assembly. This assembling at museums expresses the desire to have a thing, an object, able to represent collective identity, a thing, which ‘makes us ourselves’. But such a ‘thing’ can hardly be found, and normally its an ‘image’, an ‘imagination’.
A society’s identity and memory could hardly be possessed like a ‘thing’, but, as an assembly the museum is, or could be a space for permanent discourses on what “we” are, about who “we” are and who the “others” are.
For instance, in that intelligent and witty way in which the National Museum of Australia raises its central question in its mission statement: What does it mean to be an Australian ? The answer to what collective identity is, what this public good, represented by museums, is, can’t be given, it is a question that has to be raised constantly. This never-ending discourse is the task of a museums within a democratic society, this is the civilising role of museums.

3
Recently a US-American action film out of Hollywood by the Disney Company, a film for young boys and, by the way not a very interesting adventure story, raised some of the questions, I am considering here in its subtext.
Made in 2004, the film begins telling the fictional story of an immense treasure up to the first days of the American Revolution. This coincidence makes of the treasure a – so the title of the film - National Treasure (in Italy the film had the title Il mistero dei templari), a treasure once protected and hidden by the Founding Fathers of the United States. To make it possible to discover the treasure later, they left behind a sort of invisible map on the backside of the American Declaration of Independence.
The script of the film is based on two storylines: the story of a fictional treasure, told at the beginning of the film, and the hunt for it and the narrative of the foundation of the United States of America and of the key document of this foundation, the Declaration of Independence.
The hunt follows therefore two treasures: one is the fabulous treasure, protected and hidden by the founding fathers and the other treasure is an idea: the idea of Democracy, laid down in a document, the certificate of the birth of a nation from 1776.

 The central idea of democracy is, as the Declaration of Independence shows, the voluntary decision of free people to unite and to be able and willing to renew this decision from time to time.
One of the crucial scenes of the film shows us the two heroes visiting the original document in its showcase in the National Archives. The historian reads to his friend a certain passage. This passage speaks of the case of loss or even abuse of democracy and of the threat of despotism. In this case, says the document, everybody doesn’t even have the right, but the duty to abolish the government. “But when a long train of abuses and usurpations, pursuing invariably the same Object evinces a design to reduce them under absolute Despotism, it is their right (this means: the people’s right, the right of everyone. GF), it is their duty, to throw off such Government, and to provide new Guards for their future security.”
That means, that in democracy, no one has power permanently, no certain person, no group, no institution. This also means that in a certain sense there is always a crisis in democracy. In western democracy, the power shifts constantly, at least at periodical elections. And therefore democracy has a problem representing itself, embodying or symbolising it’s own political and social identity.
This lack of visibility or representativity seems to tempt one to find a compensation, a certain thing, which is able to represent commonness. What seems to be desired is therefore a common object, which is able to guarantee collective identity.
Let me offer an example. As a result of the restitution politics of the Austrian Government a group of paintings of the famous painter Gustav Klimt, which were in the Austrian Gallery, an National Museum, have been given back to a descendant of the family, which owned the paintings and was a victim of Aryanisation.
This restitution provoked a public debate that lasted for months. It was considered for instance, to raise public and private money to keep the paintings ore some of them in Austria. It was interesting to see, that these paintings acquired a status they had never before, the status of a national treasure. And their loss, was thought of as severe and incurable damage for the Austrian Self.
Both objects of the film National Treasure, the declaration, the text and the hidden treasure, the collection of goods and values can be understood as common objects. Both represent the genealogy and identity of the nation, and both have the same status: In the same way, the hidden treasure must be found, discovered, to fulfil the common mission of the nation and the declaration must be discovered, in a never ending re-reading of the text, of its meaning, a remembering of its mission.
The hidden map on the back of the declaration, the central plot of the storyboard of the film, connects the two stories and the two objects. Reading the text again and again means finding the treasure.
There is a common object, but to only possess such an object is of less importance. What is of importance is to reread the text of the object, which is to say: to reread the object itself.
This is my central consideration on the function of museums, the question first raised during the French Revolution and also raised in the Hollywood-movie: what is able to symbolise, express or objectify the common sense ?

 The answer given by the movie is full of irony and surprise. After the treasure is really found, in a cave deep in the earth under an old cemetery connected with the earliest history of the USA, this means under the graves of the ancestors, what do we as visitors expect now ?
What will happen with the treasure ?
None of the heroes raise their right to possess the treasure privately. One of the young heroes, a witty historian, able to follow all the traces of American History along its lieux de memoire, gets as a young, pretty and blonde girl in return; and the prize for the second hero, the typical American computer-freak, able to solve all the technical problems of treasure hunting, is a red Ferrari cabriole.
And the treasure ? It is handed over to museums. But not only to American Museums, but to Museums all over the world.
Nevertheless there is a discourse in the film on common objects of a certain nation, of the USA, it speaks of an ambiguity, which was also at the centre of the museums discourse of the French Revolution. It is the ambiguity of National and Global museum, of possessing a collection as national treasure or as world heritage.

The Louvre was a national Museum, its first name was Museum Français, but the paintings and the sculptures collected and shown in this museum didn’t really represent the French Art History. The Louvre was from beginning on a museum of all the classical periods of history of art.
The contradiction between the idea of a universal museum representing the fruits of global human skills and ideas on the one hand and the possessiveness in a juridical sense of all these goods by only one nation, was solved by the proud and glorious idea of France as the first state and society bee freed by Revolution. This ideology – criticised already during the Revolution itself – legitimated a systematic art loot by Napoleonic troops in occupied states and cities. This art loot made the Louvre definitively the leading museum of the world.
In the end, when the treasure is discovered and rescued, the treasure-hunters decide to hand all the wealth of heritage over to a dozen of important museums all over the world. This ‘democratization’ of culture means that this heritage is not and should not be able to represent a certain nation, and that the ‘treasure of civilisation’ doesn’t belong to anyone but should be enjoyed by everyone.

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The Film National Treasure not only has two narratives, it also has two messages: democracy seems to need a material representation of commonness and togetherness. One way of representing this is a museums collection understood as a common object. And the other way of representing this is a common text, permanently reread by the community.
In my understanding of museums both ways of representation correspond to each other. A collection as a mere accumulation of things is of no importance if this object  is not reread permanently by a community.
The museum is not, as normally thought, only a place of heritage, of things, of collections and exhibitions. The museum is a social space for raising never ending questions on identity and power, difference and togetherness, memory and future.
The museum at which I am working now, the Joanneum, was in the years of its foundation, from 1811 on, a vivid public place. A place where people not only were allowed to come together and to see cultural goods. The museum was created as a public sphere in its own right. The museum offered not only space for the public, but it actively encouraged and performed the public sphere. The museum was – till the Revolution of 1848 – a sphere of constant discourse and economic and cultural development and experience for the whole country of Styria.
Nevertheless I don’t plead for the reiteration of an old model, this Museum Joanneum is one of the historical examples that encourages us to get a modern perspective on an old institution.



Donnerstag, 13. Dezember 2012

Der Louvre in Lens

Auch der bislang letzte Präsident Frankreichs kommt in den Genuss, ein Museum eröffnen zu können. Francoise Hollande, der hier den Kulturbeflissenen gibt, steht damit in einer nun schon von mehreren Generationen von Präsidenten geübten Praxis, sich und die Nation mit der Errichtung eines neuen Museums zu ehren.

Dieses Bild von der Eröffnung des Louvre in Lens hat programmatische Bedeutung. Gemeinsam mit einem Arbeiter läßt sich der Präsident der Republik vor einem ikonischen Gemälde (das befristet aus Paris entlehnt wurde) fotografieren. Wie sein sozialistischer Vorgänger im Amt, Francoise Mitterand, sucht Hollande den Anschluss an die "Große Revolution der Franzosen", freilich hier an die des 19. Jahrhunderts. Programmatisch wie das Bild ist auch die Wahl, in Lens eine Expositur des Louvre zu schaffen. Es geht um die Aufwertung einer Arbeiter- und Industriestadt, deren Repräsentant ein Arbeiter in Arbeitskleidung ist, um eine symbolische Verknüpfung von Arbeit und Kultur, Vergangenheit und Gegenwart, Zentrum und Peripherie.


Anders als die noch nicht realisierte Filiation des Louvre in Abu Dhabi, die der Logik der Konzernbildung unter kapitalistischen Marktbedingungen folgt, ist die Erweiterungen des Louvre in Lens eine Art von Revision des Zentralismus der Kulturpolitik Frankreichs, aber auch der Idee des Louvre von 1793 als zentralem nationalen wie auch universalen Kunstmuseums.
Bildunterschrift hinzufügenAm 12. Dezember wurde das Museum eröffnet, dessen Äußeres als trotz seiner Einfachheit der Form spektakulär beschrieben wird, während die Kritiken, die ich gelesen habe, sich zur Disposition eines komprimierten Kanon der Geschichte der Kunst, zu sehr unterschiedlichen Urteilen kommen.





Freitag, 5. Oktober 2012

Das neue Département des Arts de l'Islam des Louvre

Wie es scheint, ist dem Louvre eine spektakuläre Erweiterung geglückt. Der Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung, Marc Zitzmann (hier), ist jedenfalls begeistert vom eben eröffneten Département des Arts de l'Islam, dem neu geschaffenen, inzwischen achten Departement des Museums. Im letzten noch nicht verbauten Innenhof wurde ein zweigeschossiger, tief in den Untergrund reichender Bau errichtet, mit einem goldfarbenen, semitransparenten und gewellten Glasdach, einer Art Segel.


Der Autor ist von allem begeistert, von der Architektur, der Gestaltung der Ausstellungsräume ("unsichtbare" Verglasung, da wüßte ich gerne, wie so etwas aussieht...), den Objekten und der "Botschaft" dieses neuen Museums im Museum. Für tausenden von Objekten steht nun das mehr als das Dreifache der bisherigen Ausstellungsfläche zur Verfügung.
Das alles passt noch in die übliche Logik von Museumserweiterungen, mehr, besser, attraktiver, größer, spektakulärer.



Aber das wohl interessanteste am neuen Museumsteil ist seine Finanzierung, die etwa zu 50% von Mäzenen aus muslimischen Ländern kam. Ihnen und dem Museum war daran gelegen den Islam als eine Zivilisation in Wechselwirkung mit anderen Hochkulturen zu zeigen, als ein Beitrag zur Verständigung zwischen Kulturen, die immer schon im Austausch gestanden hätten. Die Botschaft wurde wohl ausdrücklich vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Auseinandersetzungen formuliert, aber auf die bezieht sich - soll man sagen selbstverständlich? - die Ausstellung nicht. Bei der Epochenschwelle 1800 endet der chronologische Parcours.
Der Französische Präsident, der die neue Abteilung eröffnete, bezog sich deshalb auf die Gründung des Louvre und der Französischen Republik in der Revolution und auf die seither aufrechte Verpflichtung des Museums auf die Aufklärung. Symmetrisch dazu werde nun der Islam als tolerante Kultur gezeigt, deren Toleranz der Gewalt und "Aufklärungsfeindlichkeit" (Hollande) mancher militanter Strömungen entgegengehalten werde.
Diesem Frieden traut Sascha Lehnartz in DIE WELT nicht. (hier) "Toleranzpropaganda" wählt er als Titel seines Essay mit dem er erinnert, daß am Tag nach der Eröffnungsfeier die Mohammed-Karikaturen in einer Französischen Satirezeitschrift die Kluft zwischen diplomatischem Ritual und "alltäglichem interkulturellen Diskursniveau" gleich wieder sichtbar machte. Lehnartz: "Das Problem am Dialog der Kulturen ist vor allem, daß er kaum stattfindet. Wenn, dann nur als Serie von Monologen - im Museum."

Samstag, 10. September 2011

Bildungsauftrag

Bei der Lektüre einer Onlinepublikation stolpere ich über das Wort. BILDUNGSAUFTRAG. Ein Wort, das gut ein Unwort des Jahres abgeben könnte. Den Bildungsauftrag, den hat wer? Den haben Museen. Auch in Zukunft. Bezeichnenderweise, so lese ich nämlich, habe der Deutsche Museumsbund 2006 und 2007 gerade den Bildungsauftrag als zukunftsweisende Aufgabe der Museen bezeichnet.
Wer hat beauftragt? Wer soll gebildet werden? Von wem? In wessen Namen? Wer autorisiert sich? Wozu? Geht es um ein egalitäres oder hegemoniales Projekt?

Worum geht es, wenn Bildung in den Mund genommen wird? Um das qualitative, nachhaltige Besuchererlebnis, um abwechslungsreiche und individuelle Aneignungsprozesse. Oft schon gehört. Und seit langem.
Ein Repertoire von Schlagwörtern, das seit den 70ern kursiert. Warum muß noch immer davon geredet werden? Weil der Auftrag nicht ausgeführt wurde? Warum ist er dann aber zukunftsweisend? Weil dessen Erfüllung, wenn er in die Zukunft verschoben wird, nicht jetzt und aktuell ernstgenommen werden muß? Zukunftsweisend? Weil bislang nichts geschehen ist? Weil er weder in der Gegenwart noch in der Vergangenheit eingelöst wurde? Andernfalls wäre er eine Selbstverständlichkeit und müsste nicht immer wie ein Mantra wiederholt werden, oder?
Das repetitive Wiederholen von Bildungsauftrag ist das zentrale Legitimationsritual der Museumspädagogik. Sie rückt Bildung in die Nähe von Unterricht, Lehre, Unterweisung, Anleitung. So lange der Mangel an Bildung durch das Museum andauert, ist man als Pädagoge des Museums unentbehrlich und berechtigt. Einerseits.
Andrerseits, dort, wo der Bildungsauftrag als gegenwärtig und zukünftig angerufen wird, als etwas erst Herzustellendes, erst Auszufüllendes, geht das Bewußtsein dafür verloren, daß Bildung strukturell sowieso zum Museum gehört. Muß man die Feuerwehr daran erinnern, daß sie Brände löschen soll?
Es geht die Erinnerung daran verloren, daß das Museum und seine Aufgaben eine Geschichte haben. Es geht damit die Erfahrung von Differenz verloren, aus der doch die Frage nach dem Bildungsauftrag möglichweise ganz anders gestellt und beantwortet würde.
Freilich wird am Beginn dessen, was wir unter Museum verstehen, das was in der deutschen Sprache Bildung genannt wird, universaler verstanden als in den einschlägigen Museumsdebatten. Nämlich als Zivilität stiftende soziale Praxis, in die identifikatorische und reflexiv-öffentliche Prozesse ineinandergreifen, in der sich Bürger mit dem demokratischen Nationalstaat identifizieren und der Staat seinerseits das Museum als öffentliches unterhält und betreibt.
Er garantiert damit, daß es einen Ort der kollektiven wie individuellen Selbstverständigung gibt, der Weltbemächtigung, der rituellen Erneuerung der Gemeinschaft im Medium der gesammelten und ausgestellten common objects.
Wie sehr dieses wohlfahrtstaatliche (der Staat finanziert und administriert zum Wohle aller...) Konzept des Museums (das derzeitig gewaltig unter (Spar)Druck steht) mit der Idee der Demokratie verknüpft ist und ihr - gewaltfrei und diskursiv – zuarbeitet, läßt sich an der Genese des Museums in der Französischen Revolution ablesen.
Die Verfassung, die am 10. August 1793 feierlich deklariert wird verankert das uneingeschränkte Recht auf Bildung für jedermann. Freilich steht dort, im ersten Satz (dieser ältesten europäischen demokratischen Verfassung) anstelle von Wohlfahrt oder Bildung ein anderes Wort: Glück.

Mittwoch, 31. August 2011

"Museum" (Das Museum lesen 19)

Johann Georg Krünitz: Oeconomische Encyclopädie, oder allgemeines System der Land- Haus- und Staats-Wirthschaft, in alphabetischer Ordnung

Museum, das, aus dem Griech. μουσειον bedeutet 1) einen Tempel der Musen. 2) Eine Sammlung von Kunstwerken, öfters auch von Büchern und Naturproducten. 3) Einen Ort, wo man zusammen kommt, um sich mit den Wissenschaften und schönen Künsten zu beschäftigen, daher auch ein Studirzimmer oft ein Museum genannt wird; Mit den Museen in der 2ten und dritten Bedeutung dieses Wortes werden wir es hier vorzüglich zu thun haben, da man jetzt an mehreren Orten dergleichen Anstalten findet.
In so fern man unter Museum eine Sammlung von Kunstwerken versteht, ist es mit Kunstkammer, Kunst=Cabinet, Kunstsammlung zwar mehrentheils als gleichbedeutend zu nehmen, wovon ein eigner Artikel im 55sten Theile dieses Werkes vorkommt. In manchen Fällen schließt das Wort Museum indessen die Kunstsammlungen nur als einen Theil in sich, und in  so fern muß ich mich hier noch besonders damit beschäftigen, vorzüglich auch, da es einige jetzt so weltberühmte Museen gibt, die in jenem Artikel nicht angeführt oder doch nicht beschrieben sind, und die ich nicht übergehen kann. Dahin gehört vor allen Dingen
 I. Das Museum Napoleon zu Paris,
welches vor einigen Jahren noch das Kunstmuseum, Musée des Arts heiß, und im Louvre befindlich ist, und jetzt eine solche Anzahl von Kunstwerken der alten und neuen Zeit enthält, wie man nirgends auf der Erde an einem Orte beysammen findet. Man rechnet nähmlich, nachdem darin alle vor der Revolution zerstreuete öffentliche Kunstwerke zusammen gebracht, und diese durch die in andern Ländern eroberten vermehrt sind, 1390 Gemählde fremder Schulen, 270 aus der alten französischen, und über 1000 aus der neuen französischen Schule; 20,000 Zeichnungen aus verschiedenen Schulen, 4000 Kupferplatten, und 30,000 Kupferstiche, über 150 antike Statuen und eine Menge hetrurischer Vasen, Porphyrtafeln etc. Die bis jetzt dem Publicum geöffnete Gallerie faßt nicht die Hälfte der Kunstwerke, welche die französische Nation besitzt; über 1000 Gemählde stehen zu Versailles und 6 -- 700 im Louvre. Aus diesen letzteren soll eine Commission 15 Gemähldesammlungen auswählen, die in Lyon, Bordeaux, Strasburg, Brüssel, Marseille, Rouen, Dijon, Nantes, Toulouse Genf, Caen, Lille, Maynz, Rennes, und Nancy aufgestellt werden sollen.

Dienstag, 30. August 2011

Warum mein Buch "Die Pyramide des Louvre" nicht (noch nicht) erscheint

So eine Schreibkrise - noch dazu über einem gewissermaßen fertigen Manuskript - hatte ich noch nie, und keine, bei der mir die Gründe für das Stocken der Arbeit dermaßen unklar ist. Der Text war schon mehrmals 'fertig', als Redemanuskript, als überarbeitetes Redemanuskript, als - publizierter - Aufsatz. Und man könnte wohl auch den Stand, den der Text jetzt hat, drucken lassen.
Aber.
Ich hatte nicht nur nie eine derartige Schreibkrise, ich hatte auch noch nie ein Thema, das wie der Magnetberg in der Sage, immer neue Aspekte, Fragen, Informationen, Aspekte, Probleme anzieht.
Hier ein Beispiel, ein winziger Splitter nur, aber vielleicht kann der als Ausrede herhalten.


Der von Staatspräsident Mitterand (ohne Wettbewerb) mit der Planung der Erweiterung des Louvre beauftragte Architekt I.M.Pei hat immer bestritten, daß ihm bei der Wahl der Pyramide das Vorbild des ägyptischen Totenkultbaues vor Augen stand. Diese Skizze jedenfalls zeigt für den (metaphorischen) klassizistischen Grabbau typische Beispiele. Einmal Etienne Louis Boullée megalomane Phantasmagorie eines sich aus der Erde gleichsam erhebenden, gleichwohl schwer lastenden, massiven Bau mit flachen Neigungswinkel der Pyramide und oberhalb eine der Lösungen für das Problem des Einganges, für das ja das altägyptische Bauwerk kein Beispiel geben konnte. So knüpfen diese Skizzen nicht nur an die Tradition der Pyramide als Grabbau an (etwas was von den Zeitgenossen des Louvre-Ausbaues heftig kritisiert wurde - das Museum ein Grabmal! - ungeachtet der postmodernen Verkehrung so gut wie aller Eigenschaften der ägyptischen Pyramide), sondern zeigt, daß auch andere Lösungen für den zentralen Eingang zumindest skizzenhaft erprobt wurden. Das ausgeführte Portal Peis liegt bündig in der geneigten gläsernen Front und ist, wenn es geöffnet ist, nicht besonders elegant. Abgesehen davon, daß dieser Eingang, wegen der schmalen Rolltreppe und der Besucherkontrolle, der unpraktischeste aller Louvreeingänge ist und regelmäßig zur Bildung langer Warteschlangen führt.
Das war das kleine Beispiel, das zeigt, warum ich nicht und nicht fertig werden will, mit dem 'Louvre-Buch'. Aber es wird schon noch... Sicher!

Dienstag, 14. September 2010

Noch eine Schlossdebatte - Paris

Nur etwas mehr ein Jahrzent Wirklichkeit: Louvre und Tuilerien sind ein einziger Gebäudekomplex
Der Brand der Tuilerien 1871
Jetzt gibt es eine Schlossdebatte auch in Paris. Marc Zitzmann berichtet in der Neuen Zürcher Zeitung (14.9.2010) ausführlich darüber (hier).
Ein «Comité national pour la reconstruction des Tuileries» fordert und betreibt die 'originalgetreue' Wiedererrichtung. Die Parallelen zur Berliner Schlossdebatte liegen in der Vorstellung der Rekonstruktion, der vorgeschlagenen musealen Nutzung und eines - natürlich nicht so offen deklarierten - politisch-restaurativen Motivs.
Der große Unterschied zur Berlin ist die eigentümliche Geschichte dieses  Baus. Das Schloß wurde als selbständiger Bau dem Louvre gegenüber errichtet. Seit Ludwig XIV. wurden immer wieder Pläne verfolgt, die beiden Gebäude zu einer einzigen, riesigen Anlage zu verbinden. Das geschah z.B. mit der ursprünglich fast 500 Meter langen Grand Galerie. Erst unter Napoleon III. gelang, was hochbarocken Vorstellungen entsprach. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts gelang der Zusammenschluss der inzwischen immer wieder umgebauten Tuilerien mit dem Louvre, der inzwischen ja teilweise bereits Museum war. Die beiden langen Flügel, die den nach einer Seite hin offenen  Ehrenhof bilden, in dem heute die gläserne Pyramide das Zentrum bildet, sind ursprünglich die verbindenden Bauten
Das Paradoxe der Situation ist aber die, daß in der Pariser Commune 1871 die Tuilerien durch Brandstiftung so schwer beschädigt wurden, daß man sich einige Jahre später entschloss, den ruinösen Bau abzubrechen. Wenn man heute also den 'Generalplan' des Grand Louvre ins Treffen führt, bezieht man sich auf einen nur wenig mehr als zehn Jahre dauernden Zeitraum, in dem Louvre und Tuilerien tatsächlich einen einzigen Gebäudekomplex bildeten.
Der zweite eklatante Widerspruch der Idee einer Rekonstruktion ist, und das ist auch der zweite große Unterschied zu Berlin, daß ihre Realisierung (deren technisch-handwerkliche Machbarkeit stark bezweifelt wird) eine Zerstörung bedeutete. Denn die mit Napoleons Triumphbogen einsetzende städtebauliche Regulierung würde ihre Funktion einbüssen. Die Blick- und Straßenachse, die bis zum Grand Louvre Mitterands und Peis Grundlage der Neuordnung und -bauten war, wäre vom Louvre wieder abgeschnitten. Sie hatte sich zwar geometrisch auf die Tuilerien bezogen (die sich ganz exakt achsial auf den Louvre ausgerichtet haben), aber längst haben Pei und andere, etwa der Architekt der Grand Arche in La Defense, die Situation neu und in Rückriff auf die Lage beiderBauten interpretiert.
Zitzmann referiert ausführlich die Zerstörung der Tuilerien durch die Commune, erwähnt aber nicht, daß der Louvre gleichzeitig ebenfalls Zielscheibe des Vandalismus war. Da aber auch diese Revolution in ihrer Haltung zum kulturellen Erbe gespalten war, konnte es dem Eingreifen einer Hand voll von Personen gelingen, diesen Bildersturm abzuwenden. (Die betreffenden Militär- und Zivilpersonen haben im Louvre eine Gedenktafel).
Und noch etwas macht die Pariser 'Schlossdebatte' so anders: die Rolle der Tuilerien in der Französischen Revolution. Als es 1792 zur Erstürmung kam, die sich aus dem aussichtslosen Widerstand der Leibwache des Königs entwickelte, wurde die Königsfamilie festgesetzt und Anklage erhoben. Dies war der Beginn der definitiven Abschaffung der Monarchie und das Datum des Sturms auf die Tuilerien wurde ein Jahr später zum Gründungsfest der Republik, ein Tag, an dem auch das Museum im Louvre eröffnet wurde.
Eine Rekonstruktion der Tuilerien hätte also reichere und virulentere symbolische und politische Bedeutung als die des Berliner Schlosses. Der große Ton, den das "Comite" lanciert wird aber wohl nicht dazu führen, daß man ein Schloß wiedererrichtet, dessen Ästhetik und Funktion immer schon problematisch war: «Wider jeden Defaitismus" zitiert es Marc Zitzmann, "wird der französische Genius hier die Gelegenheit finden, sich in einer grossen Causa auszudrücken und die ruhmvollen Kompetenzen zahlreicher Berufsstände aufglänzen zu lassen.»
Wie im Berliner Fall möchte man sagen: hoffentlich nicht.