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Dienstag, 25. März 2014

"Zwei Rettungsaktionen" Karlheinz Essl im Wortlaut

„Meine Frau und ich sind bereit, die gesamte Sammlung der Republik zu übergeben, wenn wir damit bauMax und somit rd. 4.000 Arbeitsplätze allein in Österreich retten können. Wir haben über fünf Jahrzehnte diese Sammlung mit viel Herzblut aufgebaut. Heute wird die Sammlung Essl national und international als ein Musterbeispiel privater Initiative zur Darstellung, Erhaltung und Vermittlung von zeitgenössischer Kunst wahrgenommen. Nun sind wir an einem dramatischen Wendepunkt angelangt. Es geht nicht nur um die Kunstsammlung, deren Zerschlagung zu einem unwiederbringlichen Wertverlust in der österreichischen Kulturlandschaft führen würde, es geht um rd. 4.000 Arbeitsplätze, davon 160 Menschen mit Behinderung, allein in Österreich. Ich möchte daher die gesamte Kunstsammlung der Republik Österreich anbieten und damit zwei Rettungsaktionen einleiten: Zum einen könnte mit dem Erlös der Kunstsammlung und der Mithilfe der österreichischen Banken, bauMax in Österreich und in wesentlichen Ländern saniert und erhalten werden. Zum anderen muss es gelingen, die wichtigste Sammlung österreichischer Gegenwartskunst seit 1945 für unser Land und seine Menschen, für alle Zeiten zu erhalten. Mit etwas gutem Willen ist das sicher auch möglich.“

Montag, 24. März 2014

Alarmierende Vorgänge um die Sammlung Essl

Karlheinz und Agnes Essl haben die Baumarktkette "baumax" gegründet und einen Teil des Gewinns in ihre Sammeltätigkeit investiert. Daraus entstand eine veritable Sammlung moderner Kunst mit österreichischem Schwerpunkt und schließlich ein Museum in der Nähe der klosterneuburger Konzernzentrale.
Seit einigen Jahren kämpft die Baumarktkette mit Schwierigkeiten, ob die Sanierung angesichts stark wachsender Verschuldung möglich ist, scheint fraglich und der Grund, daß die Essls mit dem zuständigen Bundesminister in Gespräche über den Ankauf der Sammlung durch die Republik eingetreten sind.
Zwar wurde die Sammlung und das Museum als Stiftung aus dem Konzern herausgelöst, aber noch würde im Fall einer Insolvenz auch die Sammlung in die Insolvenz hineingezogen werden.
Es soll freundliche Signale von der Politik geben, aber der Widerspruch, in den sie gerät, ist eklatant. Angesichts der srikten Aufrechterhaltung der Deckelung der Budgets der sogenannten ausgegliederten kulturellen Einrichtungen des Bundes, wäre der Ankauf einer Kunstsammlung um kolportierte 86 Millionen eine schwer der Öffentlichkeit vermittelbare Intervention. Das nahezu insolvente Burgtheater, dessen Direktor fristlos entlassen wurde, benötigt angeblich 8 Millione Euro. Das mehr als zehnfache wäre nötig um die Sammlung Essl anzukaufen.
Was wäre die Alternative? Soll eine so lange aufgebaute und gepflegte Sammlung einfach untergehen?
Ich weiß es nicht, ich weiß nur, daß ich das Museum sehr schätze und viele Austellungen besucht habe und so lange es das Museum geht ein "guter Kunde" sein werde. Und das Sammlerehepaar hat für mich ein deutlich anderes Ethos verkörpert, als so mancher andere Privatsammler, der nun als Referenzbeispiel herhält. Es ist den Essls nicht zu wünschen, daß ihr Lebenswerk doppelt zugrundegeht - wirtschaftlich und sammlungspolitisch. Und ich wünsche mir ganz egoistisch einen wunderbaren Ausgang der Angelegenheit - ohne freilich zu wissen, wie das gehen könnte.

Mittwoch, 14. November 2012

Brandzeichen


Wir befinden uns hier in einem Gang, der vom neuen Eingang zu den für Besucher geöffneten Bereichen des Stiftes Klosterneuburg  führt: Schazkammer, Prunksaal, Museum, Kaiserzimmer. Man hat den Museumsshop, die Kassa hinter sich und durchquert Räume, die über das Stift informieren, seine pastorale Tätigkeit, seine Kunstschätze, seine wirtschaftlichen Betriebe.
Während das Museum und die Prunkräume nicht oder noch nicht tiefgreifend modernisiert wurden, hat man die Schatzkammer mit ihren hochbarocken Möbeln zugänglich gemacht und um zwei neue, leider gänzlich athmosphärelose Räume erweitert.
Das "Branding" (ursprünglich das in die Haut gebrannte Zeichen zur Erkennung von Pferden oder Rindern, heute der Aufbau einer Marke), dem sich das Stift Klosterneuburg unterziehen wollte, beschränkt sich derzeit auf den Eingangsbereich und den Außenbereich, wo man Wegweise aufgestellt hat, die einem versichern, daß man sich vorm Stift Klosterneuburg befindet (und nicht etwa vor dem Schloss Schönbrunn oder der Klimt-Villa...).
In derselben Ästhetik und Zeigetechnik wie benachbart Kunstobjekte gezeigt werden, liegen hier fünf Flaschen vor einem Foto einer Emailletafel des Verduner Altares. Es sind mitnichten Weinflaschen, sondern es ist Apfelsaft, der hier aufgebahrt wird. Branding muß alles einander angleichen, austauschbar machen in Hinblick auf das, was das Schaffen einer Marke bezweckt: den Konsum der unter ihr subsumierten Ware. Und das ist, wir lesen es ja auch auf der Eintrittaskarte (hier), "Glaube, Wein, Kultur".

Wer liest? (Texte im Museum 344)


Samstag, 11. August 2012

August Walla. Eine Ausstellung im Museum Gugging

August Walla wurde 1936 in Klosterneuburg geboren. Da ist die Mutter um die 40, der Vater, ein 'Wiener Hofrat', zahlt zwar Alimente, hat aber nie Kontakt zu seinem Sohn, um das Kind und dessen Mutter kümmert er sich nicht.
Was ich an Biografischem über Walla in Erfahrung gebracht habe, läßt ihn wie von allem Anfang an mit den Institutionen im Konflikt liegen, die nun mal zur Erziehung vorgesehen sind. Kindergarten, Schule, Sonderschule, Heime, nirgendwo gilt er als 'normales' Kind. In der NS Zeit übersteht er einige lebensgefährliche Einweisungen und Überprüfungen. Ausgerechnet dort bestätigt man ihm altersgemäße Intelligenz.
Seine Mutter und seine Großmutter erziehen ihn als Mädchen. Rezente Biografen stricken daraus die Schlüsselthese - einer von Walla phantasierten, von 'den Russen' vorgenommen Operation, die ihn zum Buben gemacht habe.

Der Krieg hinterläßt tiefe Spuren, in seinen Zeichnungen und Bildern sind 'Adolfe' (Hitler), das Hakenkreuz, Hammer und Sichel, die Kürzel KPÖ (Kommunistische Partei Österreichs) oder ÖVP, SPÖ, NSADAP, das Kruzifix - Klosterneuburg ist seit je her eine 'katholische' Stadt mit einem beherrschenden Chorherrn-Stift -, Gott, Engel, allgegenwärtig, ohne daß die Quellen der obsessiven Beeindruckung und die Motive ihrer Verwendung klar wäre.
Er ist schon als Kleinkind kreativ, aber seinen Zeichnen, Malen, Basteln, Schreiben gilt als Teil seiner 'Auffälligkeit' und ist erst recht geeignet, ihn noch tiefer ins Außenseitertum zu verbannen. Als er vorübergehend in die Landesnervenklinik Gugging (ein Ortsteil von Klosterneuburg) eingeliefert wird, trifft er auf Leo Navratil, der sich dort als Primar mit der Kreativität seiner Patienten beschäftigt und sie fördert. Er interessiert sich für Walla, der ja anders als seine Patienten, schon seit langem und außerhalb der Anstalt und ohne diese kreativ tätig ist.
Da Walla mit seiner Mutter in Klosterneuburg wohnt, entsteht ein regelmäßiger Kontakt zwischen Navratil und Walla, und als die Mutter, hochbetagt, den gemeinsamen Haushalt nicht mehr führen kann, werden beide in Gugging aufgenommen. Walla stirbt dort mit 65 Jahren.



Walla hat bis dahin hunderte Zeichnungen geschaffen, Bilder, Texte, Fotografien, Bemalungen, Graffiti, nichts, was als Malgrund tauglich war, hat er übersehen, Wände, Türen, Schachteln, Veranstaltungsprogramme, Koffer, Bäume, Straßen, Kübel, Schreibtischlampen, Geschirr, Hauswände, Steine...
Er hat einen Kosmos von Göttern, Halbgöttern, Teufel, Engeln, Marien, Geistern geschaffen, synkretistisch viele Religionen einbezogen. In diesem Kosmos bezieht er sich selbst ein, 'Adolfe', verschiedene Bundespräsidenten, den 'Hofrat' (Navratil), seine Mutter, seine Großmutter, Anstaltspatienten, Pfleger, Bekannte.
Er hat sich einen Sprachkosmos aus diversen Sprachen zusammengesetzt und einen Kosmos der politischen Zeichen und Kürzel, Hammer und Sichel, Hakenkreuz, Kreuz, Rune, KPÖ, ÖVP, bis hin zu eigens erfundenen Zeichen und schließlich noch einer vollkommen künstlichen Sprache.
Dem pädagogisch fragenden Primar Navratil erklärt er dazu (zu sehen in der Ausstellung in einer Filmsequenz), weil er nicht gerne rede, verwende er fremde Sprachen und er übersetzt ihm, ohne eine Sekunde zu zögern, eine Reihe seiner häufig vorkommenden Namen, aus diversen Sprachen, z.B. aus dem Thailändischen.
Mit sorgfältig getippter Maschinenschrift und mit der gut lesbaren Schrift eines Volksschülers schreibt er Briefe, Postkarten, Texte, Gebete, Rezepte. Er spielt auf einer Trompete, auf einer Mundharmonika, einer Ziehharmonika.



Es gibt ein von seinem Pantheon an Göttern und wesen besiedeltes Jenseits, ein zeitlich und räumlich imaginiertes ,Außerhalb‘, auch als eine eine Art von Himmel denkbar, bei ihm meist Weltende genannt, aber auch die konkrete Stadt Klosterneuburg mit ihren Gebäuden, Stift, Freibad, Gasthäusern und Gegenden, von denen die Donau, ihre Schotterbänke, die Au, einer der für ihn wichtigsten war.
Das war ein Ort auch meiner Kindheit, die Donau, ihre Nebengewässer, die Aulandschaft. Als Badeplatz für damals Tausende ist das alles verschwunden - aufgrund anderer Badegewohnheiten und wegen der Kraftwerke, die die Flusslandschaft stark verändert haben. Ich erinnere mich an Walla und seine Mutter, an seine bis zu den Knien reichende schwarze (Bade)Hose (Hosen sind ein häufiges Motiv, oft ganz unvermittelt in seine Bilder eingefügt wie enigmatische Chiffren), seine Taschen. Ich dachte, die hätten, wie viele Badende, etwas zu Essen mit. Walla hatte aber immer auch Farben dabei, Malwerkzeug. In einem kurzen Filmausschnitt sieht man, wie er auf einer Schotterbänke gezielt Steine auswählt, den Farbtopf hinstellt und öffnet und die Findlinge mit roter Farbe bemalt, einen rechteckicken Stein mit einem Kreuz. Dann nimmt er eine Art von Bethaltung ein.



Was immer er von den prägenden Erfahrungen, katholischen Ritualen, politischen Parolen, mitbekommen hat, es bleibt rätselhaft, warum manches ihn so sehr geprägt hat, so oft wiederkehrt.
'Die Russen' könnten traumatisierende Erfahrungen ausgelöst haben. Für mich als Kind waren sie sehr nah, mit einer kleinen Truppe stationiert direkt meinem Elternhaus gegenüber, ängstigend, aber, schon kurz vor dem Staatsvertrag, nicht mehr gefährlich. Warum für Walla 'die Russen', aber auch die KPÖ oder Hitler immer wieder vorkommen, dafür scheint es keine Erklärung zu geben. Sie repräsentieren in seiner Welt jene Mächte, Bedrohungen, die man durch (be)Malen und Beschriften bannen konnte.
Wie auch immer, seine Bilder und Texte sind auch ein Kosmos eines angsterfüllten Kindes, da braucht es schon viel Schutz durch viele Götter und durch die Mutter und die Großmutter, die er beide in seinen Zeichnungen - expressis verbis - wieder zum Leben erweckt. Es gibt auch böse Wesen, die alles haben, was nicht grade angenehm ist, spitze Hörner, lange Zungen, feurige Hautfarbe, aber bei Walla haben die immer eine ausnehmend freundliches Aussehen und zur Sicherheit schreibt er dann auch noch dazu, daß sie gut, oder freundlich oder lieb sind. Nur der Tod, der ließ sich offenbar schwer ästhetisch entschärfen, ein Gerippe, wie immer, ist das bei ihm, mit einem Totenschädel, durch keinen Kunstgriff freundlich zu stimmen. Doch selbst der muss sagen dürfen "Bin der brave Tod nur". Mehrfach berichtet in Text und Bild von seiner Drohung mit Selbstmord, vor allem in Zusammenhang mit seinen 'Internierungen', als die er seine Anstaltsaufenthalte erlebt haben muss.



So dichotomisch diese Welt ist, gut/böse, weiblich/männlich, irdisch/jenseitig, eines ist sie nahezu ausnahmslos - friedlich, nicht gänzlich konfliktfrei, aber weitgehend frei von Aggression, Verletzung, Unterdrückung. Im begrenzten Reich eines Zeichenblattes leben alle Wesen einträchtig nebeneinander, bunt, vital, Aufmerksamkeit heischend, meist unverbunden, aber in einer stets austarierten Ordnung. Das ist die Welt, in der er leben konnte und sogar frei war, die Vorurteile, die ihm entgegengebracht wurden, etwa daß er ein ,Idiot‘ sei, spielerisch dreht und wendet und sie dadurch harmlos er macht.
Nur auf einem Blatt, das in der Ausstellung zu sehen ist, ergreift Walla die Initiative, wehrt sich, greift zum Gewehr, schießt auf ein Auto und seine Insassen. Es ist der Rettungswagen, der ihn in die Klinik nach Gugging gebracht hat und das Personal, das ihn abholte. Der Gewehrschuß geht eigentlich vorbei, seltsam abdrehend vor dem Auto, aber das steht dann doch in Flammen, ist ansonsten, wie die freundlich aus den Fenstern blickenden Insassen intakt.
Hellsichtig seine Ängste artikulierend, schreibt er, wie in einer Schlagzeile einer Zeitung oder eines Flugblattes, am frei gelassenen Rand des Blattes erläuternde Zeilen, präzise und unmissverständlich seine Angst und seinen Zorn ausdrückend.
Wunderbar signifikant sind die Porträts, die Walla von den Pflegern und Schwestern, vom Primar Navratil macht. Dominant sind die Insignien und Werkzeuge ihres Berufs, ihres Status, der weiße Kittel mit vielen Taschen, in denen Werkzeuge stecken, der gezückte Bleistift, medizinische Geräte als Insignien der ärztlichen Macht, uniformähnliche Kleider mit Aufnähern in den Farben des Staatswappens, also ,Uniformen‘ des Offiziellen, des Staates.



Anderseits muß man der Gugginger Anstalt und diesem Team von Ärzten und Pflegern zugutehalten, daß sie sich nicht nur um das materielle Wohlergehen von Walla und seiner Mutter gesorgt haben, sondern daß er dort Anerkennung gefunden und Freiräume zum Ausleben seiner bildnerischen Obsession bekommen hat.
Vielleicht hat ja Walla nie etwas 'gefehlt', er hat nur nie das Umfeld bekommen, in dem man Kind sein und heranwachsen kann. Nirgendwo finde ich im Katalog zur Ausstellung eine 'Diagnose' und das ist auch gut so. Ein ,Krankheitsbild‘ würde nichts erklären.
Ich habe keine 'Theorie' zur Person und ihren 'Bildern' oder ob das nun Kunst oder welche oder gar keine ist - und ich will auch keine haben.
Nicht ganz gleichgültig läßt mich, was und wie es gezeigt wird; schon zu Lebzeiten von Walla und anderer, z.T. auf Dauer in der Anstalt behandelten und betreuten Patienten (Navratil beschäftigte sich nur mit Männern), muß es darum gegangen sein (nicht nur bei Walla) die Kreationen zu kategorisieren, zu Kunst werden zu lassen, auszustellen, mit dem, was man gemeinhin Markt- und Museumskunst nennt, zu messen.
Plötzlich gibt es von Walla großformatige 'Tafelbilder', sogar Radierungen, ein 'skulpturales' Werk, kurzum jene Ordnungsobsession, ohne die der Kunstbetrieb und kein Journalismus auskommen kann. Alles wird zum 'Werk', einerseits zum Lebenswerk eines 'Künstlers', andrerseits aber auch zum Werk im Sinn eines abgeschlossenen Stücks, das für sich wirken und ausgestellt werde kann, egal ob es Buchstaben mit Kreide auf Asphalt gemalt sind oder gefärbte Donaukiesel.

Abgesehen vom merkwürdigen Fetischismus, der im Katalog mit Edelreproduktionen und Faksimiles als handle es sich um mittelalterliche Buchmalerei, auf die Spitze getrieben wird - läuft dieses Beharren auf dem Kunstbegriff und seinen Ordnungsmustern nicht diametral dem zuwider, was Walla machte?
Ihm war doch alles mit allem verbunden, eine einzige fließende Bewegung ununterbrochner, keine Begrenzung, weder zeitlich noch räumlich duldende Abarbeitung der Ängste, der Trauer, des Heimwehs, des Widerstandes gegen eine ihm von Anfang an fremde und feindselige (Um)Welt.
In der Ausstellung aber ist alles Bild und Rahmen, Ding und Sockel, selbst seine Werkzeuge werden zu kunstvollen Objekten, und vorgezeigt wie kostbare Objekte.
Die Ausstellung ist 'schön', klug gestaltet, die Beschriftung knapp, informativ, man hat Wallas Zeichen, Bruchstücke aus Texten und seine Kunstsprachen-Sätze an Wände appliziert, um die Gliederung durch die Räume zusätzlich zu unterstützen, man hat eine eigene FUTURA-Variante kreiert und der Schau Zitate als eine Art von Interpunktion  unterlegt.
Dabei läuft man Gefahr, in dieser Art von Gesamtkunstwerkhaftgkeit, Wallas Universum in Eigenregie als Idee weiter zu verwenden oder sogar weiter auszubauen, neu zu mischen, und das geht dann wohl schon ein wenig über das Tolerierbare hinaus. 


Ich habe mich auch gefragt, ob der Enthusiasmus, mit der eine so außergewöhnliche Person gewürdigt wird, es rechtfertigt, auch alles zu zeigen, oder ob nicht manches Foto, manches biografische Detail, mancher Kommentar oder tief persönliche Äußerung nicht aus schierem Respekt hätte im Archiv oder Depot bleiben sollen. Wird nicht unter den Bedingungen einer Ausstellung in einem öffentlichen Museum gerade die so schwierig zu definierende und einzuordnende 'Kunst' zu leicht zum Gegenstand recht fragwürdiger Anmutungen und Interessen?
Mir bleibt: eine sehr beeindruckende Ausstellung, eine Begegnung mit einem Stück eigener Kindheit und mit einem wunderlichen Werk eines außergewöhnlichen 'Kindes'.

Dienstag, 31. Juli 2012

Montag, 26. April 2010

Der Künstler vorgestellt (Texte im Museum 46)




















Bruno Gironcoli / Essl-Museum Klosterneuburg (2010)

Sex sells. Immer und überall!



Das hier schon mal als außerordentliche Sammlung gewürdigte Art Brut Center (Klosterneuburg/Gugging) geht merkwürdige Wege.
Derzeit werden zwei Sonderausstellungen gezeigt. Eine davon ist einem der bekanntesten Patienten von Leo Navratil gewidmet, Johann Hauser.
Johann Hauser, so teilt man uns auf Texttafeln mit, war ein schwer manisch-depressiver Mensch, der nicht geheilt werden konnte und sein Leben in der Anstalt in Gugging verbrachte. 53 Jahre lang.
Auf den Zeichnungen - fast ausnahmslos Frauen - werden wir mit ungewöhnlicher Aggressivität und tiefen Ängsten konfrontiert; mit wenigen Ausnahmen zeichnete Hauser verschlingende, entstellte, verformte, auf dominante und bedrohlich gezeichneten Geschlechtsmerkmale reduzierte Frauenkörper. Tiefes Rot und tiefes Schwarz sind die dominierenden Farben.
"Hauser's Frauen.!" (tatsächlich mit einem Rufzeichen und einem Punkt) ist die Werkschau betitelt; selbst wenn es - was bezweifelt werden darf - 'Hauser's Frauen' gewesen sein sollten, der Titel trifft nichts von der Obsession des Künstlers und kokettiert mit einem völlig ausgeleierten Klischee.
Nicht genug damit. Der eingangs der Schau offerierte Text bietet uns Hausers Werk als 'erotisch' an, noch einmal eine in jeder Hinsicht irreführendes, aber fürs Marketing zauberhaft wirkende Wort.
Und damit es auch der letzte Depp begreift, platziert man vor diesem Einführungstext eine Figurine eines Pin-Up im Stil der 50er-Jahre. So what??

Donnerstag, 28. Januar 2010

Das Essl-Museum in Klosterneuburg

Das Essl-Museum in Klosterneuburg ist zehn Jahre alt geworden. Es ist eines der Museen, die ich sehr oft und regelmäßig besuche. Ich schätze sowohl die Atmosphäre des Hauses als auch die Art und Weise, wie hier Ausstellungen gemacht werden. Doch der Reihe nach.

Agnes und Karl-Heinz Essl haben irgendwann begonnen, einen Teil des Gewinnes ihres großen Baumarktunternehmens in Kunstankäufe zu investieren. Teile der Kunstsammlung wurden in der Firmenzentrale in Klosterneuburg-Weidling ausgestellt – wo auch heute noch Ausstellungen stattfinden. Kennzeichnend für die mäzenatische und altruistische Haltung des Sammlerehepaares ist, daß man schon damals versuchte, auch die Belegschaft der Firma für moderne Kunst zu interessieren.
Als das Museumsquartier in Wien in Planung und kontroverser Diskussion stand, tauchte kurz die Idee auf, die Sammlung Essl dort anzusiedeln und ihm ein Museum zu widmen. Ich weiß nicht, ob das Scheitern dieser Pläne den Ausschlag gab, aber man entschloss sich, auf eigene Kosten ein Museum zu errichten, nur wenige hundert Meter vom Firmensitz entfernt, und geplant von demselben Architekten der auch schon das Bürohaus geplant hatte: Heinz Tesar.
Das ist einer der Gründe, warum ich das Museum mag – seine unprätentiöse Architektur, die mit einem Minimum an musealem Pathos auskommt und, so nehme ich es wahr, mit Eleganz und Entspanntheit einen wunderbaren Rahmen für den Museumsbesuch bietet.

Der Museumsbesuch beginnt mit einem beispiellosen Understatement. Wo andere, moderne oder historische Museen, den liminalen Übergang vom Stadt- zum Museumsraum mehr oder wenig dramatisch akzentuieren, gibt es hier nur eine Rampe mit selbstöffneder Metalltür und dann steht man in einem Raum, der rechter Hand die Kassa und Garderobe aufnimmt, während man linker Hand Treppe und Lift findet. Die Anmutungsqualität dieses nüchternen Empfangsraumes läßt einen umso überraschter den ersten Stock, mit seinen im unregelmäßigen Rechteck angeordneten Ausstellungsräumen, entdecken. Ein begrünter Innenhof, viel Glas, Licht und Blickfreiheit vermitteln jenes Minimum an räumlicher Alterität, ohne die vielleicht doch kein Museum auskommen kann. Über einem der Ausstellungsflügel liegt dann noch der größte der Ausstellungssäle, daneben ein Cafe und ein kleiner Bookshop. Im Niemandsland zwischen Bahntrasse und Straße einerseits und Donauau andrerseits gelegen, ist der Bau mit diversen Ausblicken in der Umgebung verankert, vor allem von einer Art Belvedere aus mit der Vedute des Stiftes, die seit je her so etwas wie ein das die Stadt Klosterneuburg repräsentierendes ‚Ikon’ ist.

Das Museum habe ich am Beginn als Nachhilfeunterricht für zeitgenössiche österreichische Kunst genossen. Wie nirgends sonst, gab es hier die Möglichkeit, die Arbeiten der jüngsten Generationen kennenzulernen. Sammlungsausstellungen wechselten und wechseln bis heute mit thematischen für die gelegentlich externe Kuratoren herangezogen werden. Das Spektrum der Interessen des Sammlerehepaares hat sich inzwischen beträchtlich erweitert und Ausstellungen zur zeitgenössichen Kunst Chinas, Indiens oder Osteuropas wetteifern mit den Strategien größerer und staatlicher Kunstmuseen.
Eine Besonderheit des Museums, der Haltung von Agnes und Karl-Heinz Essl geschuldet, ist die strikte Verantwortlichkeit gegenüber Publikum und Öffentlichkeit. Von Anfang an gab es eine große Vermittlungsabteilung (meiner Einschätzung nach die größte in Relation zur Größe des Museums in Österreich), eine Abteilung, die ein breites Spektrum von Methoden, Angeboten und Projekten entwickelt hat. Das Team ist offenbar  sehr gut integriert, wie kaum ein vergleichbares anderswo; die Hierachien scheinen im Haus flach zu sein, die Grenzen zwischen Kuratoren, Vermittlern und den auch kuratorisch tätigen Sammlern sehr durchlässig. Das heißt, daß die Vermittler an der Produktion von Ausstellungen beteiligt sind und auch selbst welche kuratieren.
Für Österreich ist das selbstlose Engagement der Sammler beispiellos. Dafür gibt es hiezulande kaum Tradition. Es ist ein sehr besonderer Ort entstanden, an dem man, so ist es mir oft gegangen, wunderbare Entdeckungsreisen durch die Gegenwartskunst machen kann.

Dienstag, 5. Januar 2010

Das Art / Brut Center in Klosterneuburg-Gugging

Der ab 1946 an der Niederösterreichischen Landesnervenklinik in Klosterneuburg-Gugging tätige Psychiater Leo Navratil nutzte die diagnostische und therapeutische Bedeutung des Malens, Zeichnens und Schreibens seiner Patienten. Seine Anregungen und Erfahrungen führten zu einer öffentlichen Präsentation der entstandenen Arbeiten im Kunstkontext, wie in der Wiener Galerie nächst St. Stephan und schließlich zu deren Anerkennung als Kunst und der Patienten als Künstler.
Diese sogenannte zustandsgebundene Kunst (das ist der damals gebräuchliche Begriff) inspirierte viele bildende Künstler und erhielt große Anerkennung. Museen und Galerien kauften und stellten Werke der Künstler aus Gugging aus. 1981 war die Gründung des Zentrum für Kunst- und Psychotherapie (des Hauses der Künstler) ein konsequenter Schritt.
1994 wurde eine kommerzielle Galerie eingerichtet, die heute noch besteht, aber integriert in dem auf der Basis einer Privatstiftung agierenden art / brut centers (seit 2006), zu dem auch das Haus der Künstler und ein Museum gehören sowie ein offenes Atelier, Bibliothek etc. Mit der Gründung des Centers fand ein Wechsel der Verortung der Arbeiten der Gugginger Künstler statt, nämlich definitiv im Feld der Kunst, zu deren Spielart, Art Brut, sie einen der wesentlichen Beiträge geleistet hätten und noch leisten.
Das Museum zeigt wechselnde Ausstellungen, die aus den umfangreichen Sammlungsbeständen und Leihgaben bestritten werden aber auch eine stetige Präsentation einer Auswahl wichtiger Werke der namhaften Künstler.
Es gibt auch Kritik am Art / Brut Center, an seinem Kunstbegriff, an den Produktionsbedingungen und am therapeutischen Wert seiner Arbeit.
Andrerseits schien mir der Umgang mit den Künstlern in der ungemein beeindruckenden Eröffnungsausstellung sehr respektvoll und klug zu sein. Man vermied jede Charakterisierung der Personen über ihre Erkrankung und damit jede Interpretation im Sinn einer kausalen Beziehung von Krankheit und Kunst. Stattdessen gab es sehr liebevoll beobachtete und verfasste Texte zur Arbeitsweise der Künstler.
Sicher, was für Museen gemeinhin gilt, gilt hier besonders: das Museum in Gugging erlaubt einen gefahrlosen, distanzierten Blick auf das 'Andere', das auch uns Bedrohende und Gefährdende. Das Subversive dieser Kunst, mit der das Art / Brut Center argumentiert und wirbt, ist durch Musealisierung weitgehend entschärft. Das gilt allerdings auch für das Meiste an Moderner Kunst. Aber es bietet auch eine - ich spreche aus der eigenen Erfahrung vieler Besuche - tief bewegende Möglichkeit, sich diesem Anderen auszusetzen.

Abbildungen (G.F.):  Raum im Museum des Art/Brut Centers mit Werken von August Walla und ein Werk von Rudolf Horacek, das das Center im Marketing einsetzt.