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Samstag, 12. März 2011
Mittwoch, 15. Dezember 2010
Samstag, 27. November 2010
Montag, 8. November 2010
Sonntag, 31. Oktober 2010
Sonntag, 24. Oktober 2010
Donnerstag, 5. August 2010
Das Museum als Krankenhaus
Antony Gomley läßt einhundert gusseiserne Abgüsse seines Körpers in der alpinen Region Vorarlbergs aufstellen. Alle in gleicher Meereshöhe, etwas über der Baumgrenze. Kürzlich ist dieses Projekt horizon field gestartet worden.
In hörenswerten und sympathischen Erklärungen fügt Gomley der langen Kette von Museums-Metaphern eine neue hinzu:
Das Gespräch zum Beispiel hier. (Samt Wanderkarte für Freunde der hochalpinen Begegnung mit den eisernen Gomleys)
In hörenswerten und sympathischen Erklärungen fügt Gomley der langen Kette von Museums-Metaphern eine neue hinzu:
"Eine der traurigen Aspekte unserer kulturellen Erfahrung ist für mich, dass wir von der Kunst erwarten, dass sie in Museen lebt. Es ist eine Art Abhängigkeit, wie bei einem Körper im Krankenhaus."
Das Gespräch zum Beispiel hier. (Samt Wanderkarte für Freunde der hochalpinen Begegnung mit den eisernen Gomleys)
Mittwoch, 31. März 2010
Dienstag, 16. März 2010
Wir sind nicht unserer Meinung (Texte im Museum 32)
Museum für Angewandte Kunst, Wien. Raum 'Barock, Rokoko, Klassizismus'. Dies ist der Teil des Saaltextes, den der gestaltende Künstler verfasst hat, Donald Judd. (Der zweite Teil ist der deskriptive kunstwissenschaftliche des Kurators Christian Witt-Dörring). Der Text ist in zweierlei Hinsicht ungewöhnlich: als Distanzierung von der eigenen Arbeit und als Kritik an der von einem Künstler verantworteten Installation als Prinzip der einer Sammlungsausstellung.
Samstag, 27. Februar 2010
Das Büro zur Fernüberwachung von Wildtieren oder Warum gibt es kein Naturmuseum? Über Mark Dion
Ich erinnere mich noch lebhaft an eine Führung im Naturhistorischen Museum in Wien. Wir waren eine kleine Gruppe von Museumsinteressierten und wurden von einer Mitarbeiterin des Hauses geführt. In der zoologischen Abteilung wiederholte sie immer wieder den Satz „Das ist alles echt", während wir an Präparaten vorbeischlenderten, denen das Stopfmaterial aus den geplatzten Nähten quoll oder die mit viel Styropor, Pappendeckel, Holz, Farbe in einem möglichst natürlich sein wollenden Ambiente ihren Auftritt hatten.
Der Umstand, daß der Typ des Naturmuseums der künstlichste überhaupt ist, ist den Museen selbst zumeist entgangen. Gerade der enorme technische, handwerkliche, künstlerische und wissenschaftliche Aufwand, der getrieben wird, um Natur als - ‚unberührte', ‚ursprüngliche' Natur aussehen zu lassen, wird vom und im Museum verdrängt.
Selbst wo die Widersprüchlichkeit von performativem Raum und Exponat so offenkundig ist, wie im historistischen Bau des Naturhistorischen Museums in Wien, wird er in der Konzeption und Praxis der Ausstellungen fast immer völlig negiert. Das ergibt einen veritablen, aber völlig ungenutzten Mehrwert, wenn Krokodile Parkettböden bevölkern oder Fischkörper vor pompösen Stuckreliefs schwimmen.
Daß es in Naturmuseen nicht um Natur, sondern um eine Idee von Natur geht, um einen Wunsch, wie man Natur sehen will, um ein Bedürfnis der Domestizierung, um Ordnung und Klassifikation einer unendlichen Varietät, das ist offensichtlich in Naturmuseen nur als verdrängte Grundlage zu haben, nicht als reflektiertes Thema und Anliegen.
Der Satz, der die Arbeiten Mark Dions am knappsten charakterisiert, wäre auch ein Motto und ein Arbeitsauftrag an Naturmuseen. „My work is not really about nature, but rather it is a consideration of ideas about nature."
In einer eben zu Ende gegangenen Ausstellung „Concerning Hunting" in der Kunsthalle Krems wurden Werke und Ensembles von Dion versammelt, mit denen er das Jagen analysiert, Objekte, von denen man manche schon anderswo und in anderen Zusammenhängen sehen konnte, aber die um das eine Thema Jagd kreisend, ihren wunderbaren Witz und ihre Intelligenz entfalten.
Mit einer Sammlung von inzwischen über hundertsiebzig Fotos (Men of Game), die Jäger oder Jagdgesellschaften mit ihrer Beute zeigen, bietet Dion eine schreckliche wie abstruse Soziologie des männlichen Beutemachens. Ein geheimnisvoll verschlossenes „Departement of Kryptozoologie" gibt der von der Wissenschaft verpönten Beschäftigung mit vermeintlich nicht existierenden Tierarten, wie Yeti, Nessie und Bigfoot, einen Platz. Das Tar-Museum (Teer-Museum), zeigt eine der medial am ausgebeutetsten Weisen der Vernichtung von Natur, von Teer überzogene Tiere (auf Transportkisten hockend), wie wir sie von ölverseuchten Stränden kennen.
Gegenüber Jagd und Jägern weder anklagend noch herabsetzend, ermöglicht eine Sammlung von papierenen Zielscheiben (Target Wall) mit naturalistischen Tierschemata nachzuvollziehen, wie in der Jagd das Tier zum Objekt und zur Beute wird, wie verengt der Blick des Jägers im Moment des tödlichen Schusses ist. Auch ‚Fahnentrophäen' mit blutig tropfenden Tierkadavern, machen, medial gefällig und scheinbar harmlos, aufmerksam auf den Tabubruch der Jagd: hier ist gesellschaftlich nicht nur akzeptiert sondern auch unter Umständen auch anerkannt und honoriert, Töten erlaubt.
Auch eine Sammlung von Hochständen - Verstecken, die den Jäger unsichtbar machen und von denen aus er das Wild erlegt -, hat das Töten und seine Technik zum Gegenstand, zugleich entwirft Dion hier auch eine Kulturgeschichte und Soziologie der Jagd und eine Typologie der Jäger.
Damit wären wir beim zweiten strukturell Verdrängten im Naturmuseum. Dem Töten und dem Tod der Tiere als Voraussetzung ihrer Musealisierung. Was im Geschichtsmuseum oder in einer kunstgewerblichen Sammlung allenfalls metaphorisch behauptet werden kann, gilt hier unbedingt und buchstäblich. Und ist dennoch ein Thema, das in Naturmuseen nur im small talk mit Kuratoren und off limits, nie aber in den Ausstellungen zur Sprache kommt.
Dions Stärke ist aber, daß er statt (An)Klage Witz mobilisiert. „Mobile Wilderness Unit" (soviel wie ‚Mobile Wildniseinheit') kommt dem Bedürfnis entgegen, Wildnis und Wild möglichst zivilisiert aber dennoch ‚unberührt' erleben zu können. Man kann Menschen zu diesem Zweck mobilisieren, indem man sie in die Bergeinsamkeit technisch hineinversetzt oder zum organisierten Abenteuerurlaub verschickt; oder man mobilisiert die wilde Natur, bei Dion sind es Bison und Wolf, ersterer in einem zirkusartigen Wagen. Hier erhellt Dion nicht nur eine grundlegende Dialektik unserer Verfahren Natur anzueigenen, die infrastrukturell erschlossene gefahrlose Besichtigung (von der eine Spielart das Museum ist), sondern schließt zwei Modi der Schaustellung kurz, die normalerweise nie nebeneinander gestellt werden: (Wander)Zirkus und Museum.
Aus der Perspektive des hochkulturell codierten Museum ist der Vergleich unzulässig, verpönt. Aber er bezieht seine Stämmigkeit nicht bloß aus der Vergleichbarkeit zweier Zeigeformen von ‚Natur' auf ein und derselben Basis des Begehrens, dem Wilden als ganz anderem, das aber ohne Gefahr, begegnen zu dürfen. Der implizite Vergleich ist auch historisch stimmig, denn zu den ältesten Schaustellungs(Ausstellungs)-Praktiken gehört das Zeigen und Vorführen von Tieren. Selbst etymologisch ist das noch präsent: Im Wort „mostra" (für Messe und Ausstellung) steckt das ‚Monster', das wilde Wesen (das auch in Monstranz oder in der - wissenschaftlichen oder politischen Demonstration - versteckt ist) und in „fiera" (Messe, als eine spezifische Zeigepraxis, auch im Sinn von (Waren)Ausstellung) ist ursprünglich das wilde Tier.
Mark Dion öffnet mit seinen Arbeiten nicht nur einen Blick auf unser Naturverhältnis und seine Deutung und Verarbeitung im Museum, er bietet auch explizite Hinweise auf alternative Modi des Zeigens. So stellt Dion eine kleine museale Präsentation so genannter „r-Strategen" vor. Das sind, so habe ich in der Ausstellung gelernt, die sich weit überdurchschnittlich rasch vermehren und daher die Zukunft ‚unserer' Tierwelt repräsentieren Tierarten.
Alle seine Objekte und Installationen kann ich mir sofort im Naturmuseum vorstellen. Nicht nur als relativierende oder kritische Interventionen, sondern als regelrechte Transformation der Idee des Naturmuseums - wenn dies denn imstande wäre sich selbst zu reflektieren und auch zu - ironisieren.
„Viele meiner Projekte sind eigentlich der Versuch, eine bestimmte Art von Fragestellung, von Skepsis einzubauen. Bei einem Großteil meiner Arbeit geht es darum, die Autorität in den Wissenschaften, aber auch in der Kunst selbst zu untergraben."
Um seine Ziele zu erreichen, bedient sich Dion, wie er uns - ein bisschen flunkernd wohl -, mitteilt, weder musealer noch künstlerischer Verfahren - und schon gar nicht der Jagd. „Manche Künstler malen, manche machen Drucke, manche Skulpturen, aber ich gehe einkaufen."
Der Umstand, daß der Typ des Naturmuseums der künstlichste überhaupt ist, ist den Museen selbst zumeist entgangen. Gerade der enorme technische, handwerkliche, künstlerische und wissenschaftliche Aufwand, der getrieben wird, um Natur als - ‚unberührte', ‚ursprüngliche' Natur aussehen zu lassen, wird vom und im Museum verdrängt.
Selbst wo die Widersprüchlichkeit von performativem Raum und Exponat so offenkundig ist, wie im historistischen Bau des Naturhistorischen Museums in Wien, wird er in der Konzeption und Praxis der Ausstellungen fast immer völlig negiert. Das ergibt einen veritablen, aber völlig ungenutzten Mehrwert, wenn Krokodile Parkettböden bevölkern oder Fischkörper vor pompösen Stuckreliefs schwimmen.
Daß es in Naturmuseen nicht um Natur, sondern um eine Idee von Natur geht, um einen Wunsch, wie man Natur sehen will, um ein Bedürfnis der Domestizierung, um Ordnung und Klassifikation einer unendlichen Varietät, das ist offensichtlich in Naturmuseen nur als verdrängte Grundlage zu haben, nicht als reflektiertes Thema und Anliegen.
Der Satz, der die Arbeiten Mark Dions am knappsten charakterisiert, wäre auch ein Motto und ein Arbeitsauftrag an Naturmuseen. „My work is not really about nature, but rather it is a consideration of ideas about nature."
In einer eben zu Ende gegangenen Ausstellung „Concerning Hunting" in der Kunsthalle Krems wurden Werke und Ensembles von Dion versammelt, mit denen er das Jagen analysiert, Objekte, von denen man manche schon anderswo und in anderen Zusammenhängen sehen konnte, aber die um das eine Thema Jagd kreisend, ihren wunderbaren Witz und ihre Intelligenz entfalten.
Mit einer Sammlung von inzwischen über hundertsiebzig Fotos (Men of Game), die Jäger oder Jagdgesellschaften mit ihrer Beute zeigen, bietet Dion eine schreckliche wie abstruse Soziologie des männlichen Beutemachens. Ein geheimnisvoll verschlossenes „Departement of Kryptozoologie" gibt der von der Wissenschaft verpönten Beschäftigung mit vermeintlich nicht existierenden Tierarten, wie Yeti, Nessie und Bigfoot, einen Platz. Das Tar-Museum (Teer-Museum), zeigt eine der medial am ausgebeutetsten Weisen der Vernichtung von Natur, von Teer überzogene Tiere (auf Transportkisten hockend), wie wir sie von ölverseuchten Stränden kennen.
Gegenüber Jagd und Jägern weder anklagend noch herabsetzend, ermöglicht eine Sammlung von papierenen Zielscheiben (Target Wall) mit naturalistischen Tierschemata nachzuvollziehen, wie in der Jagd das Tier zum Objekt und zur Beute wird, wie verengt der Blick des Jägers im Moment des tödlichen Schusses ist. Auch ‚Fahnentrophäen' mit blutig tropfenden Tierkadavern, machen, medial gefällig und scheinbar harmlos, aufmerksam auf den Tabubruch der Jagd: hier ist gesellschaftlich nicht nur akzeptiert sondern auch unter Umständen auch anerkannt und honoriert, Töten erlaubt.
Auch eine Sammlung von Hochständen - Verstecken, die den Jäger unsichtbar machen und von denen aus er das Wild erlegt -, hat das Töten und seine Technik zum Gegenstand, zugleich entwirft Dion hier auch eine Kulturgeschichte und Soziologie der Jagd und eine Typologie der Jäger.
Damit wären wir beim zweiten strukturell Verdrängten im Naturmuseum. Dem Töten und dem Tod der Tiere als Voraussetzung ihrer Musealisierung. Was im Geschichtsmuseum oder in einer kunstgewerblichen Sammlung allenfalls metaphorisch behauptet werden kann, gilt hier unbedingt und buchstäblich. Und ist dennoch ein Thema, das in Naturmuseen nur im small talk mit Kuratoren und off limits, nie aber in den Ausstellungen zur Sprache kommt.
Dions Stärke ist aber, daß er statt (An)Klage Witz mobilisiert. „Mobile Wilderness Unit" (soviel wie ‚Mobile Wildniseinheit') kommt dem Bedürfnis entgegen, Wildnis und Wild möglichst zivilisiert aber dennoch ‚unberührt' erleben zu können. Man kann Menschen zu diesem Zweck mobilisieren, indem man sie in die Bergeinsamkeit technisch hineinversetzt oder zum organisierten Abenteuerurlaub verschickt; oder man mobilisiert die wilde Natur, bei Dion sind es Bison und Wolf, ersterer in einem zirkusartigen Wagen. Hier erhellt Dion nicht nur eine grundlegende Dialektik unserer Verfahren Natur anzueigenen, die infrastrukturell erschlossene gefahrlose Besichtigung (von der eine Spielart das Museum ist), sondern schließt zwei Modi der Schaustellung kurz, die normalerweise nie nebeneinander gestellt werden: (Wander)Zirkus und Museum.
Aus der Perspektive des hochkulturell codierten Museum ist der Vergleich unzulässig, verpönt. Aber er bezieht seine Stämmigkeit nicht bloß aus der Vergleichbarkeit zweier Zeigeformen von ‚Natur' auf ein und derselben Basis des Begehrens, dem Wilden als ganz anderem, das aber ohne Gefahr, begegnen zu dürfen. Der implizite Vergleich ist auch historisch stimmig, denn zu den ältesten Schaustellungs(Ausstellungs)-Praktiken gehört das Zeigen und Vorführen von Tieren. Selbst etymologisch ist das noch präsent: Im Wort „mostra" (für Messe und Ausstellung) steckt das ‚Monster', das wilde Wesen (das auch in Monstranz oder in der - wissenschaftlichen oder politischen Demonstration - versteckt ist) und in „fiera" (Messe, als eine spezifische Zeigepraxis, auch im Sinn von (Waren)Ausstellung) ist ursprünglich das wilde Tier.
Mark Dion öffnet mit seinen Arbeiten nicht nur einen Blick auf unser Naturverhältnis und seine Deutung und Verarbeitung im Museum, er bietet auch explizite Hinweise auf alternative Modi des Zeigens. So stellt Dion eine kleine museale Präsentation so genannter „r-Strategen" vor. Das sind, so habe ich in der Ausstellung gelernt, die sich weit überdurchschnittlich rasch vermehren und daher die Zukunft ‚unserer' Tierwelt repräsentieren Tierarten.
Alle seine Objekte und Installationen kann ich mir sofort im Naturmuseum vorstellen. Nicht nur als relativierende oder kritische Interventionen, sondern als regelrechte Transformation der Idee des Naturmuseums - wenn dies denn imstande wäre sich selbst zu reflektieren und auch zu - ironisieren.
„Viele meiner Projekte sind eigentlich der Versuch, eine bestimmte Art von Fragestellung, von Skepsis einzubauen. Bei einem Großteil meiner Arbeit geht es darum, die Autorität in den Wissenschaften, aber auch in der Kunst selbst zu untergraben."
Um seine Ziele zu erreichen, bedient sich Dion, wie er uns - ein bisschen flunkernd wohl -, mitteilt, weder musealer noch künstlerischer Verfahren - und schon gar nicht der Jagd. „Manche Künstler malen, manche machen Drucke, manche Skulpturen, aber ich gehe einkaufen."
Alles war sehr gut und lustig. Pensionärs-Avantgarde von Spoerri und Brock in der Provinz
Daniel Spoerris Musée sentimental war einst ein das Museum - mild - attackierendes Projekt, das mit der Willkür seiner Auswahl- und Ordnungskriterien - das war das Alphabet -, die Willkürlichkeit der wisenschaftlich-musealen Ordnungen in Frage stellte. Das Musée konnte etwas tun, was das Museum damals noch kaum tun konnte, dem Alltäglichen, Banalen, Übershenen, dem Fragment, dem Abfall, dem Deponierten die Funktion einer Zeugenschaft zu verleihen, ohne die Dinge zu monumentalsieren und in ein zwingendes und dominierendes Narrativ einzubetten.
Nicht die offizielle Erzählung mit versteckter aber autoritärer Autorschaft regierte die Bedeutung der Dinge, sondern die individuelle Erinnerungsfähigkeit, die liebevolle Empathie, in den Dingen Spuren des vergangenen Lebens suchen zu wollen - so verstehe ich das ‚sentimental'. Damit wurde ein Zugang zu den Dingen gestiftet, der sie nicht in das Korsett vorgepräggter Deutungen zwängte, sondern die individuelle Arbeit an der Dechiffrierung der Dinge vom Betrachter/Besucher forderte, denn ohne diese Arbeit erwachte nichts aus der Abstraktion des Alphabets.
Das erste Musée sentimental, das ich nicht aus den Katalogbüchern und Kritiken, sondern durch den Besuch kennenlernte, das Musée sentimental de Prusse (1981), machte auf mich schon einen zwiespältigen Eindruck der Ermüdung, weil hier das Zufällige und Spielerische einer willkürlichen Ordnung von einer auf Preussens Geschichte bezogenen zweiten, implizit doch dokumentierend-erzählerischen Intention überdeckt wurde. Daß die Mitglieder der preussischen Königsfamilie hier nur noch als eingeweckte, nach ihnen benannten Obstsorten - „Gute Louise" - präsent waren, war zwar schon hart am Rand der Schmunzelkunst aber in der Wahl der Gedächtnisform immerhin noch analytisch witzig: das Rex-Glas als genuin historistisch verfahrendes ‚technisches Gedächtnis' und insofern von symptomatischer Qualität für das, wie sich Museen erinnern.
Jetzt gibt es im Kunstraum Stein (bei Krems) ein weiteres Musée sentimental, und Autor ist wiederum Daniel Spoerri selbst, der sich in der Nähe, in Hadersdorf am Kamp, ein neues Refugium geschaffen hat. Unter dem bombastischen Titel „Eine Stadt biografiert sich selbst" wird das Musée zusammen mit einem komplementären von Bazon Brock gezeigt. Er bat Bewohner von Krems ihr ‚liebstes Gut' in einer Prozession ins Museum zu tragen. Der Kalauer, der programmatisch verstanden werden will, „Zeige dein Liebstes gut. Zeige dein liebstes Gut" wird uns in einem kurzen Video von Bazon Brock als subversive Geste angepriesen, als eine Repräsentation von unten, als ein individuelles Einschreiben in das Museum.
Das nun ist es gerade nicht geworden, denn der eine Raum, in dem das liebste Gut Heimstatt hat, ist eine ziemlich lieblose, beiläufige Regalisierung - und das auch nicht in einem Museum, sondern selbstreferentiell in einem ‚Kunstraum'. Ohne sich einen Deut um die Repräsentativität der Zufallsgaben und die Motive und Objektbeziehungen der Besitzer zu kümmern, wird das ganze in die bekanntlich große Überredungskunst Brocks eingehüllt und zum in ‚Österreich noch nie dagewesenen' Projekt stilisiert.
Das ist doppelt dreist: denn - um nur ein Beispiel zu nennen - der „Berg der Erinnerungen" in Graz im Kulturhauptstadtjahr 2003 nimmt sich im Vergleich mit der Installation in Krems wie ein Bentley gegenüber einem Dreirad aus. Vor allem aber: die Idee, mit Besitztümern und Sammlungen Privater im Museum etwas zu installieren oder zu prozessieren, was sowohl die Interessen und Motive der Beteiligten anerkennt als auch, entweder als Haupt- oder Nebeneffekt etwas zur Reflexion des musealen Sammelns und Zeigens beizutragen, ist sehr alt und wurde an anderer Stelle ungleich reflektierter und intelligenter verwirklicht. Zum Beispiel im Ruhrlandmuseum Essen 2005 (Die Gegenwart der Dinge. 100 Jahre Ruhrlandmuseum) oder - hier im Blog schon gewürdigt -, Böse Dinge. Eine Enzyklopädie des Ungeschmacks im Museum der Dinge, Berlin.
Hinter dem gewaltigen Aufwand Brockscher Rhetorik findet sich so gut wie nichts und eher das Gegenteil vom der behaupteten Anerkennung und Aufwertung individueller Repräsentationswünsche: ein Raum mit der Anmutung eines Abstellkellers und ein in Form und Sache äußerst bescheidenes ‚Inventar' mit kurzen Äußerungen der Leihgeber, das ist alles.
Brock würdigt sich nicht nur selbst, er darf (im erwähnten Video) auch Spoerri würdigen (der sich auch selbst und Brock würdigen darf...usw.) und das Musée sentimental das bedeutendste Museumskonzept des 20. Jahrhunderts nennen.
Warum es im 21. immer noch gezeigt werden soll, das zu rechtfertigen, bleibt uns das Musée schuldig. In einer kurzen Flucht kleiner Räume finden sich Objekte, die irgendeinen Bezug zu Krems haben und die nach Stichworten zusammengestellt wurden. Stichworte wie: Marillen, Salz, Donau, Goldhaube, Wein, Glocken, Justizanstalt, Mariandl uam. Es zeigt sich schnell, daß das Konzept mit so wenigen Objekten schlecht funktioniert, weil die Matrix, die sich aus so wenigen Dingen und Worten weben läßt, viel zu grobmaschig wird, um auch nur annähernd so etwas wie die versprochene Biografie der Stadt Krems ergeben zu können.
Die räumliche Ordnung nach Schlagworten konterkariert die ursprüngliche Idee: man liest nun die Objekte zwangsläufig als illustrative Dokumente eines ‚Themas' - und die folgen nun vielen der Klischees, die ohnehin schon seit eh und je mit der Wachau verknüpft waren oder die beliebig sind. Oskar Werner kommt wohl hier vor, weil seine Mutter in der Wachau wohnte. Welche Bedeutung haben dann aber Dokumente wie das Service, die Brieftasche, eine Visiten- und eine Eintrittskarte aus dem Besitz Oskar Werners? Was sollen sie bezeugen? Was evozieren?
Vollends problematisch wird aber die Art und Weise, wie mit der NS-Zeit und der Judenverfolgung umgegangen wird. Die Nivellierung der Themen auf ein einziges, ‚sentimentales' Niveau, läßt die Nachbarschaft von NSDAP und Marillenbrand, Judenverfolgung und Goldhaube unerträglich werden. Krems, und ausgerechnet übrigens auch der Ort, in dem sich Spoerri niedergelassen hat, Hadersdorf (und das nahe Langenlois, ein berühmter Weinort) sind allesamt Orte mit einer immer wieder umkämpften und verdrängten Geschichte. Ausgerechnet diese Fragen auf dem Niveau einer aleatorischen Collage zu verharmlosen, das geht nicht. Da gibt es etwa das Fotoalbum des NSADAP Pressefotografen Rudolf Haas in unmittelbarer Nachbarschaft des Straf(Kriegsgefangenen)Lagers 17 B in Gneixendorf und gegenüber dann „Jüdische Geschäfte in Krems" neben einer Collage, die Spoerri aus Kopien der Fotos des erwähnten NSDAP-Fotografen gemacht hat - mit der unkommentierten Betextung „Bildersammlung Ortsgruppe Stein". Die Verwischung der Grenzen von Original und Kopie könnte anderswo auch analytisch genutzt werden, hier ist sie fahrlässig. Aber es ist irgendwie egal: eine Gipsmaske Anton Bruckners ist eindeutig ein Gustav Mahler mit schmaler Nase, scharfem Profil und wallendem Haupthaar. Über Anton Bruckners rundlich-bäurischen Kopf spross immer nur eine Glatze... Nirgendwo erzeugt das Zusammenstellen und -würfeln der Sachen irgendeinen analytischen Effekt, alles ist gleichgültig gemacht in einem selbstreferentiellen Spiel der Dinge.
Beide Ausstellungen machen einen müden, uninspirierten Eindruck, bei beiden Ideen - dem des Musée sentimental und dem des ‚Laienmuseums' - wird nur lauwarm aufgewärmt. Die Avantgarde von einst kommt in die Jahre und in die Provinz um sich selbst zu demontieren.
„Alles war sehr gut und lustig" heißt es im Besucherbuch.
Nicht die offizielle Erzählung mit versteckter aber autoritärer Autorschaft regierte die Bedeutung der Dinge, sondern die individuelle Erinnerungsfähigkeit, die liebevolle Empathie, in den Dingen Spuren des vergangenen Lebens suchen zu wollen - so verstehe ich das ‚sentimental'. Damit wurde ein Zugang zu den Dingen gestiftet, der sie nicht in das Korsett vorgepräggter Deutungen zwängte, sondern die individuelle Arbeit an der Dechiffrierung der Dinge vom Betrachter/Besucher forderte, denn ohne diese Arbeit erwachte nichts aus der Abstraktion des Alphabets.
Das erste Musée sentimental, das ich nicht aus den Katalogbüchern und Kritiken, sondern durch den Besuch kennenlernte, das Musée sentimental de Prusse (1981), machte auf mich schon einen zwiespältigen Eindruck der Ermüdung, weil hier das Zufällige und Spielerische einer willkürlichen Ordnung von einer auf Preussens Geschichte bezogenen zweiten, implizit doch dokumentierend-erzählerischen Intention überdeckt wurde. Daß die Mitglieder der preussischen Königsfamilie hier nur noch als eingeweckte, nach ihnen benannten Obstsorten - „Gute Louise" - präsent waren, war zwar schon hart am Rand der Schmunzelkunst aber in der Wahl der Gedächtnisform immerhin noch analytisch witzig: das Rex-Glas als genuin historistisch verfahrendes ‚technisches Gedächtnis' und insofern von symptomatischer Qualität für das, wie sich Museen erinnern.
Jetzt gibt es im Kunstraum Stein (bei Krems) ein weiteres Musée sentimental, und Autor ist wiederum Daniel Spoerri selbst, der sich in der Nähe, in Hadersdorf am Kamp, ein neues Refugium geschaffen hat. Unter dem bombastischen Titel „Eine Stadt biografiert sich selbst" wird das Musée zusammen mit einem komplementären von Bazon Brock gezeigt. Er bat Bewohner von Krems ihr ‚liebstes Gut' in einer Prozession ins Museum zu tragen. Der Kalauer, der programmatisch verstanden werden will, „Zeige dein Liebstes gut. Zeige dein liebstes Gut" wird uns in einem kurzen Video von Bazon Brock als subversive Geste angepriesen, als eine Repräsentation von unten, als ein individuelles Einschreiben in das Museum.
Das nun ist es gerade nicht geworden, denn der eine Raum, in dem das liebste Gut Heimstatt hat, ist eine ziemlich lieblose, beiläufige Regalisierung - und das auch nicht in einem Museum, sondern selbstreferentiell in einem ‚Kunstraum'. Ohne sich einen Deut um die Repräsentativität der Zufallsgaben und die Motive und Objektbeziehungen der Besitzer zu kümmern, wird das ganze in die bekanntlich große Überredungskunst Brocks eingehüllt und zum in ‚Österreich noch nie dagewesenen' Projekt stilisiert.
Das ist doppelt dreist: denn - um nur ein Beispiel zu nennen - der „Berg der Erinnerungen" in Graz im Kulturhauptstadtjahr 2003 nimmt sich im Vergleich mit der Installation in Krems wie ein Bentley gegenüber einem Dreirad aus. Vor allem aber: die Idee, mit Besitztümern und Sammlungen Privater im Museum etwas zu installieren oder zu prozessieren, was sowohl die Interessen und Motive der Beteiligten anerkennt als auch, entweder als Haupt- oder Nebeneffekt etwas zur Reflexion des musealen Sammelns und Zeigens beizutragen, ist sehr alt und wurde an anderer Stelle ungleich reflektierter und intelligenter verwirklicht. Zum Beispiel im Ruhrlandmuseum Essen 2005 (Die Gegenwart der Dinge. 100 Jahre Ruhrlandmuseum) oder - hier im Blog schon gewürdigt -, Böse Dinge. Eine Enzyklopädie des Ungeschmacks im Museum der Dinge, Berlin.
Hinter dem gewaltigen Aufwand Brockscher Rhetorik findet sich so gut wie nichts und eher das Gegenteil vom der behaupteten Anerkennung und Aufwertung individueller Repräsentationswünsche: ein Raum mit der Anmutung eines Abstellkellers und ein in Form und Sache äußerst bescheidenes ‚Inventar' mit kurzen Äußerungen der Leihgeber, das ist alles.
Brock würdigt sich nicht nur selbst, er darf (im erwähnten Video) auch Spoerri würdigen (der sich auch selbst und Brock würdigen darf...usw.) und das Musée sentimental das bedeutendste Museumskonzept des 20. Jahrhunderts nennen.
Warum es im 21. immer noch gezeigt werden soll, das zu rechtfertigen, bleibt uns das Musée schuldig. In einer kurzen Flucht kleiner Räume finden sich Objekte, die irgendeinen Bezug zu Krems haben und die nach Stichworten zusammengestellt wurden. Stichworte wie: Marillen, Salz, Donau, Goldhaube, Wein, Glocken, Justizanstalt, Mariandl uam. Es zeigt sich schnell, daß das Konzept mit so wenigen Objekten schlecht funktioniert, weil die Matrix, die sich aus so wenigen Dingen und Worten weben läßt, viel zu grobmaschig wird, um auch nur annähernd so etwas wie die versprochene Biografie der Stadt Krems ergeben zu können.
Die räumliche Ordnung nach Schlagworten konterkariert die ursprüngliche Idee: man liest nun die Objekte zwangsläufig als illustrative Dokumente eines ‚Themas' - und die folgen nun vielen der Klischees, die ohnehin schon seit eh und je mit der Wachau verknüpft waren oder die beliebig sind. Oskar Werner kommt wohl hier vor, weil seine Mutter in der Wachau wohnte. Welche Bedeutung haben dann aber Dokumente wie das Service, die Brieftasche, eine Visiten- und eine Eintrittskarte aus dem Besitz Oskar Werners? Was sollen sie bezeugen? Was evozieren?
Vollends problematisch wird aber die Art und Weise, wie mit der NS-Zeit und der Judenverfolgung umgegangen wird. Die Nivellierung der Themen auf ein einziges, ‚sentimentales' Niveau, läßt die Nachbarschaft von NSDAP und Marillenbrand, Judenverfolgung und Goldhaube unerträglich werden. Krems, und ausgerechnet übrigens auch der Ort, in dem sich Spoerri niedergelassen hat, Hadersdorf (und das nahe Langenlois, ein berühmter Weinort) sind allesamt Orte mit einer immer wieder umkämpften und verdrängten Geschichte. Ausgerechnet diese Fragen auf dem Niveau einer aleatorischen Collage zu verharmlosen, das geht nicht. Da gibt es etwa das Fotoalbum des NSADAP Pressefotografen Rudolf Haas in unmittelbarer Nachbarschaft des Straf(Kriegsgefangenen)Lagers 17 B in Gneixendorf und gegenüber dann „Jüdische Geschäfte in Krems" neben einer Collage, die Spoerri aus Kopien der Fotos des erwähnten NSDAP-Fotografen gemacht hat - mit der unkommentierten Betextung „Bildersammlung Ortsgruppe Stein". Die Verwischung der Grenzen von Original und Kopie könnte anderswo auch analytisch genutzt werden, hier ist sie fahrlässig. Aber es ist irgendwie egal: eine Gipsmaske Anton Bruckners ist eindeutig ein Gustav Mahler mit schmaler Nase, scharfem Profil und wallendem Haupthaar. Über Anton Bruckners rundlich-bäurischen Kopf spross immer nur eine Glatze... Nirgendwo erzeugt das Zusammenstellen und -würfeln der Sachen irgendeinen analytischen Effekt, alles ist gleichgültig gemacht in einem selbstreferentiellen Spiel der Dinge.
Beide Ausstellungen machen einen müden, uninspirierten Eindruck, bei beiden Ideen - dem des Musée sentimental und dem des ‚Laienmuseums' - wird nur lauwarm aufgewärmt. Die Avantgarde von einst kommt in die Jahre und in die Provinz um sich selbst zu demontieren.
„Alles war sehr gut und lustig" heißt es im Besucherbuch.
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