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Dienstag, 26. April 2011

Martin Roth kommt mir abhanden

Martin Roth, Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, war hier im Blog oft zu Gast. Mit - direkt und indirekt aufschlussreichen - Wortspenden zur Museumskrise (die er, wenn ich mich recht erinnere, nie so nannte) und zuletzt als Mitverantwortlicher der laufenden Aufklärungs-Ausstellung im Pekinger Nationalmuseum. Da wurde er, nach der Verhaftung von Ai Weiwei, rasch zum Buhmann der Deutschen Medien. Mit wiederum - freundlich gesagt - sehr offenen, weniger freundlich gesagt mißverständlichen bis provokanten Äußerungen. Nun wird er Leiter des Victoria and Albert Museums. Und da werden wir möglicherweise nicht mehr so viel von ihm lesen und hören, denn die Britischen Museen sind nicht Dauergäste in den hiesigen Kulturnachrichten.

Zum Abschied ein (vorläufig) letztes Zitat (aus der Leipziger Volkszeitung): Peking. Am Ende zitierte der Dresdner Sammlungschef Martin Roth sogar den Großen Vorsitzenden Mao. Der habe sinngemäß einmal gesagt: In einer Höhle ist immer nur Platz für einen Tiger. Er und seine Direktoren-Kollegen hätten aber das Gegenteil bewiesen, sagte Roth am Freitag bei der Eröffnung der Ausstellung „Die Kunst der Aufklärung“ im chinesischen Nationalmuseum von Peking.

Sonntag, 6. Februar 2011

Verpflichtet Adel? Ein Restitutionsfall besonderer Art

Ein Restitutionsfall der besonderen Art: Der Familie der Wettiner, eine Regenten-Familie mit über 800jähriger Geschichte, wurden und werden Ansprüche auf Kulturgüter zugesprochen, die zum Kernbestand der Dresdner Kunstsammlungen gehören. Unbezweifelbar, wie es lange schien.
Es geht aber dabei nicht um eine überschaubare Zahl von Objekten, sondern um tausende und mit den bisherigen Vereinbarungen ist kein Abschluß erreicht, sondern, so nennt das der Spiegel-Online vom 3.2.2011, jetzt beginnt erst der „Rückgabemarathon“.
Es geht um kostbare Porzellane, Skulpturen, Kostbarkeiten des Grünen Gewölbes, um Möbel, Bücher und um Gemälde der Alten Galerie. Etwa 6000 Objekte und Immobilien mit Millionenwert wurden bereits restituiert. Dabei geht es um im Krieg versteckten Besitz der Familie, der nach dem Krieg einfach verstaatlicht wurde. Die Familie ließ vor sechs Jahren begonnene Recherchen anstellen und seither gibt es den „Restitutionsmarathon“. Erst in einigen Jahren wird er abgeschlossen sein.
Immerhin setzt der Freistaat nun auf dauerhaften Frieden mit den königlichen Hoheiten. Der jetzige Vergleichsvertrag gilt erstmals als "abschließend und endgültig". Jetzt müssen aber erst mal viereinhalb Millionen gezahlt werden, an die Familie, damit das Porzellan in den Sammlungen bleiben kann. Früher hatte man die Objekte restituiert, die von der Familie versteigert wurde.
Viele Zeitungen können sich nicht verkneifen, zum Wortspiel "Adel verpflichtet nicht" zu greifen.

Sonntag, 25. Juli 2010

Warum gerade hier? (Texte im Museum 80)


Dresden, Stadtmuseum 2010

Orientalische Pracht in Zeiten der Islamophobie (Dresdner Fragmente 2)

"Orientalische Pracht".
Die wohl meistverwendete Formel in den Reaktionen der  Tagespresse auf die Eröffnung der Türckischen Cammer

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hofft mit der neuen Ausstellung auf intensivere Beziehungen zur Türkei. „Ich bin sicher, dass dank der Türckischen Cammer neue Kontakte zwischen Sachsen und der Türkei geknüpft werden, die über die Kultur hinausgehen“, sagte er. Die
sächsische Kunstministerin Sabine von Schorlemer(parteilos) nannte die Schau „ein Zeichen von Weltoffenheit Dresdens und Sachsens“.

Dresden hatte im letzten Jahr mehrfach unter einem negatives Presseecho zu leiden, nicht zuletzt wegen dem rassitsiche und islamfeindlichen Mord an der Muslima Marwa El-Sherbini im Dresdener Landgericht durch einen deutschen Spätaussiedler.

Die neue Ausstellung der Staatlichen Kunstsammlungen ist mit ihren rund 600 Stücken des 15.bis 19. Jahrhunderts auf 750 Quadratmetern die umfangreichste Sammlung osmanischer Kunst Deutschlands. Sie soll auch Einblicke in historische deutsch-türkische Verbindungen bieten.
islam.de 25.07.2010 http://islam.de/15446.php


Die Eröffnung der "Türckischen Cammer" vollzieht sich in der Logik der Entwicklung der Dresdner Staatlichen Museen: so weit es möglich ist, die barocken Sammlungen in ihrer ursprünglichen Zusammengehörigkeit und Identität zu rekonstruieren. Daß das museologisch gesehen ein 'Rückschritt' ist, hinter moderne Möglichkeiten musealer Präsentation und Neudeutung, wird in Kauf genommen und ist angesichts des Überlieferungsstatus mancher Sammlungen plausibel wie wegen der Fülle historisch und ästhetisch hochwertiger Objekte verständlich. Daß der inzwischen komplett veränderte Kontext, in dem diese Sammlungen gezeigt und gesehen werden, nicht vernachlässigbar ist, zeigt sich an der "Türckischen Cammer".
Abb.: v.l.n.r.: Martin Roth, Generaldirektor Dresdner Staatliche Museen, der türkische Außenminister Ahmet Davutoğlu, Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich, Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle und der Chef des Gruenen Gewölbes, Dirk Syndram.
Die Pressereaktionen nahmen dankbar die vom Museumsmarketing vorgegebene Legitimation auf: hier handle es sich kaum um Beute, nicht um prunkvolle Entfaltung militärisch-politischer Überlegenheit, sondern um einen Austausch der Kulturen, in der 'der Andere', der 'Feind' und 'Fremde' in der Übernahme von Versatzstücken seiner Kultur anerkannt wurde.
In diesem Sinn sprach mit einer aufwändigen Campagne potentielle Besucher an, mit, wie das heute so dezent heißt', 'Migrationshintergrund'. Und einer Tageszeitung entnehme ich, daß jemand 4,5 Millionen mit Ausstellungswerbung bedruckte Döner-Tüten herstellen ließ.
Was man zu sehen bekommt, ist eine Sammlung, Teil der Rüstkammer, deren früheste Stücke aus dem 16. Jahrhundert stammen, eine Sammlung, von der man betont, daß sie überwiegend durch Schenkung und Kauf und kaum durch Beutemachen zusammenkam.
Daß man einerseits den alten Begriff "Türkische Cammer" als offizielle Benennung wählte, was schon durch die Schreibweise auf historische Distanz verweist, andrerseits Döner-Tüten drucken lässt, um den Anschein zu erwecken, es ginge hier auch um multikulturelles Engagement, lässt den Spagat sichtbar werden, den man hier macht.
In schwarzen Räumen inszenierte, durch Lichtregie auratisch aufgeladene und übercodierte Objekte mit karger Beschriftung vermitteln zuallererst eins: eine fürstliche Prunksammlung, die der Repräsentation der Macht diente. Nicht nur die Stücke, die aus den Türkenkriegen, z.B. der Belagerung Wiens stammen, vermitteln das, sondern auch die Souveränität, mit der man nach der endgültigen Überwindung der 'Türkengefahr' die Kultur der Osmanen assimilieren konnte.
Wenn man durch die (wenige Räume umfassende) Sammlung geht, ist man hin- und hergerissen zwischen der Bewunderung der Dinge (die durch die Inszenierung forciert wird) und dem Befremden über die Anmutung, sie auch als dialektische Auseinandersetzung und Anerkennung des 'Anderen' gebrauchen zu sollen. Ohne den anderen einzubeziehen, in welcher Form auch immer (ich meine nicht die buchstäbliche Partizipation, sondern z.B. osmanische Sichtweisen auf die Europäer), geht das nun mal nicht.
Auch das was man Türkenmode nennt (hier ein Video mit einem kurzen Statement des Leiters, Dirk Syndram), ist Mimesis des Feindes, aber hier immer nur denkbar und vorausgesetzt als besiegter.
Die rekonstruktive Haltung scheint nicht zuzulassen, die Geschlossenheit des Ensembles und seiner Präsentation mit Verweisen auf die Geschichtlichkeit der Musealisierung zu 'stören'. Die kriegsbedingte Auslagerung und der folgende 'Beutestatus' - die Verlagerung in die Sowjetunion und die Rückgabe Ende der 50er-Jahre - werden, wenn ich es nicht übersehen habe, nicht thematisiert. Über die Kosten und den Aufwand der auch dadurch bedingten Restaurierung spricht man wie von einer selbstverständlich den 'Dingen geschuldeten' Sorg- und Aufmerksamkeit; aber wie das ganze Projekt, tendiert auch das Kolportieren solchen finanziellen, technischen und handwerklichen Aufwandes dazu, das was sich 'dahinter' befindet unsichtbar zu machen.
Staunen? ja, gerne! Aber Blindmachen? Nein danke.

Samstag, 24. Juli 2010

Bedienungsanleitung für das Grüne Gewölbe (Texte im Museum 79)

Inventare imaginär (Texte im Museum 78)



450 Jahre Zukunft. Jubiläumsausstellung der Staatlichen Dresdner Kunstsammlungen. Historische und aktuelle Inventare in Wandprojektion. jangled nerves

"450 Jahre Zukunft". Dresdner Fragmente (1)

450 Jahre Zukunft. Unter diesem Motto feiern die Staatlichen Dresdner Kunstsammlungen ein Jubiläum. Gestützt auf eine einzige archivalische Angabe rechnet man sich 450 Jahre Sammlungsgeschichte an und damit eine distinktionsmächtige Institutionenkontinuität.
Gezeigt wird die Ausstellung in nicht restaurierten Räumen des Dresdner Schlosses, das nach und nach restauriert wird und in dem nach und nach Teilsammlungen rekonstruiert oder neu formiert aufgestellt werden: das berühmte Grüne Gewölbe, das so genannte Neue Grüne Gewölbe, die Türkische Kammer und andere.
Die Ausstellung spiegelt das Selbstverständnis des Dresdner Museumsverbundes als eine aus den fürstlichen Sammlungen hervorgegangene bedeutendste und älteste Kunstsammlung Europas.
Die Kuratorin der Ausstellung hat Objekte aus den Dresdner Sammlungen und Leihgaben um fünf Themen gruppiert, Schöpfung, Verlangen, Wissbegierde, Konfrontation, Ausstrahlung. In jeder dieser Gruppierungen werden Wissensbereiche, Kunstgattungen und Epochen gemischt und miteinander konfrontiert. In jedem Raum werden die Objekte auf einer 'Insel' aus Podesten mit Vitrinen und Wänden präsentiert, wobei die Synergien zwischen den Objekten von der Vereinzelung der Objekte - oft steht Einzelobjekt-Vitrine neben Vitrine - konterkariert wird.
Es gibt nur karge Objektbeschriftung, keinerlei anderen Text. Ich hatte das Vergnügen mit der Kuratorin durch die Ausstellung gehen und von Ihrem Wissen und auch von ihrer eindrucksvollen Identifizierung mit ihrer Arbeit profitieren zu können. Hier erschlossen sich mir mühelos Bezüge im Mikrogefüge der Rauminstallationen wie über Räume und Themenbereiche hinweg. Der Normalbesucher ist aber auf einen Audioguide angewiesen oder den Katalog, der aber als Ausstellungsführer nicht besonders praktikabel ist. Ich habe bislang keine Ausstellung gesehen, die so stark auf die mediale Vermittlung setzt.
Die Ausstellungsgestaltung (HG Merz) bedient sich einer konventionellen Präsentation, die die Aura des individuellen Objektes unterstreicht. Jeweils ein zentrales Podest taucht aus dem Dunkel der unrestaurierten Räume auf und hebt durch Platzierung und Lichtregie das Einzelne hervor. Staunen, ästhetischer Genuss, Bewunderung sind die angebotenen Modi der Wahrnehmung. So ist die Schau doch allererst eine Sammlungspräsentation, die ihren Reichtum und die Vielfalt grundsätzlich affirmativ zur Geltung bringt. Es ist ein kunsthistorischer Blick, der hier waltet und den man teilen soll.
Auch ohne Erläuterung entdeckt man viele Exponate, die Aufschlüsse über praktische, symbolische, politische usw. Bedeutungen vermitteln, doch ist der Preis für die ästhetisierende Präsentation aller Objekte als 'Kunstwerke' hoch. Motive, Zwecke, Wandlungen, Ansprüche des Sammelns kommen nur punktuell zum Vorschein. Selbst das suggestive leitende Motto verliert man schnell aus den Augen: was da immer auch schon an Zukunft in das Sammeln eingebaut war, wird einem für die lange Dauer der Sammlungsgeschichte nicht wirklich klar und schon gar nicht für die 'kommende Zukunft' der Sammlungen. Ein Einlassen auf sammlungspolitische und -geschichtliche Fragen hätte wohl den gewünschten Eindruck von Kontinuität und Kohärenz empfindlich gestört.
Die Ausstellung ermöglicht immer wieder den Blick nach draußen, aber sie lässt das Draußen kaum an einer Stelle herein. Die offensichtliche Fragmentiertheit, Brüchigkeit, Lückenhaftigkeit der Stadt, die sie trotz aller Aufbau- und Rekonstruktion-Bemühungen auszeichnet, hat keinen Widerhall in der Schau. Die schrundigen Räume sind ein Gefäß, nicht mehr, ohne die Bedeutung der Dinge tangieren zu dürfen. Bezeichnend ist, daß nirgendwo eine Interaktion von Bau und Schau versucht wurde. Die Rohheit der im Weltkrieg zerstörten, nur notdürftig praktikabel gemachten Räume, verweist auf doch einen von mehreren Brüchen in der Geschichte Dresdens. 
Ich möchte das Staunen, das die Ausstellung auslöst, nicht denunzieren und ich unterschätze nicht, wie sehr es Auslöser nachhallender Fragen sein kann. Aber ich habe mich hier und in anderen Sammlungen, die ich in Dresden gesehen habe, gefragt, in welchem Spannungsverhältnis die rekonstruktive und affirmative Haltung der Museen zur Wirklichkeit der Stadt steht. Anders gesagt: was es bedeutet oder was es bewirkt, wenn der fürstliche Glanz der barocken Stadt wiederhergestellt wird, wenn die tiefen Spuren des Weltkrieges, der DDR-Zeit, des bürgerlichen Historismus, des Wiederaufbaues nach der so genannten Wiedervereinigung nirgendwo gespiegelt werden.
Wie die Ausstellung rekonstruiert auch die aktuelle Museumsentwicklung die Sammlungen im Status, den sie als fürstliche, repräsentative 'Kammern' hatten. Das erscheint insofern legitim, als die Überlieferung der Objekte das zulässt. Wie wohl an keinem anderen Ort, kann hier der Glanz, der Reichtum, die handwerkliche und ästhetische Qualität der einzelnen Sammlungen, wenn auch manchmal nur fragmentiert und in neuer architektonischer Umgebung 'wiederhergestellt' werden.
Bei der Ausstellung wie bei der sukzessiven Wiedereröffnung der Sammlungen nimmt man offenbar gerne in Kauf, daß damit auch ein Stück fürstlicher, überwiegend barocker Repräsentation, im Vordergrund steht. Was sich mehr oder minder nahtlos in das Selbstbild Dresdens als glanzvoller historischer Metropole (das Bild, das auch dem Touristen nahegelegt wird) fügt. Dresden entwickelt sich, schien mir, gleichsam 'rückwärts' und wenn man durch die Stadt schlendert kann man zwischen historischen restaurierten und absolut moderne historisierenden und rekonstruierten Bauten gar nicht mehr unterscheiden. Neu wie am Tag ihrer Fertigstellung ist aber dieses Wiederhergestellte nagelneu, weil - vorläufig - ohne jede Altersspur. Die Lücken, die die Geschichte hinterließ, für viele Dresdner noch 'Wunden', werden aber durch die architektonische Mimikry nicht geheilt, sondern unsichtbar gemacht. Das schien mir auch an der Ausstellung problematisch.
Es sind paradoxe Wege, die man als Besucher durch Dresden nimmt. Das Schloss, teilweise noch beschädigt und geschwärzt von der Kriegszerstörung, fügt sich wie nahtlos in die Vedute des Altstadtkerns, wiewohl seine Architektur von bescheidener Qualität und zu ihrer Entstehungszeit ganz schön 'retro' war. Währen die Brachen mit ihren vergilbten Wiesen Leerstellen bilden, von denen man nicht sagen kann, aus welcher Zeitschicht sie eigentlich stammen: planierte Ruinenfelder, Bauerwartungsland heutiger Investoren, Überreste sozialistischer unvollendeter Stadtplanung.
In der Ausstellung werden zwar (mit höchst unterschiedlicher Gewichtung), die historischen Landmarks berücksichtigt, aber auch zu einer Kontinuität dort zusammengefügt, wo keine nachweisbar ist.
Das gilt auch für den Kern der Ausstellung: die 450 Jahre Sammlungsgeschichte als Legitimationsfigur für den heutigen Museumscluster, bilden mitnichten einen großen Entwicklungsbogen. Die Differenzierung von Sammlung und Museum (um nur eine grobe Unterscheidung zu machen) findet schon erst mal gar nicht statt, also auch nicht der Bruch zwischen fürstlich repräsentativem Sammeln und moderner Museumsidee.
Wollte man dem weder sozial- oder ideengeschichtlich nachspüren, so hätte man doch bemerken müssen, daß es sammlungsgeschichtlich auch nicht zusammenpasst. Spätestens 1832 war es definitiv vorbei mit dem enzyklopädischen Sammeln und neue Sammlungs- und Präsentationsparadigmen hatten sich auch in Dresden durchgesetzt. Wie auch anderswo verschwanden die alten Formgelegenheiten, die Kammern, Kabinette und Galerien ebenso wie die alten Typologien. Objekte und Sammlungsbereiche wurden neue aufgeteilt, neu gegliedert, neu arrangiert. Vieles wurde verkauft, verschenkt oder an andere Museen weitergegeben.
 So ist das erste Objekt, das man in der Ausstellung sieht, die Drahtziehbank Kurfürst August von Sachsens genau das nicht, wofür sie hier steht. Sie ist kein 'erstes' Objekt einer kontinuierlichen Sammlungsgeschichte, kein 'Gründungsobjekt' einer 450-jährigen Geschichte. Es ist eines der Objekte, die weggegeben wurden und nun als Leihgabe eines französischen Museums auf Zeit gezeigt wird. Es ist das Gegenteil dessen, was es in der Ausstellung ist - eben kein Objekt der Kontinuität, sondern, als Leihgabe, eines der Diskontinuität.

Freitag, 23. Juli 2010

Ordnung muß sein! (Texte im Museum 77)


Besucherordnung der Staatlichen Museen Dresden (2010)

Das Museum kann viel mehr! Aus der Reihe "Große Direktoren sprechen (nicht) über die Museumskrise."

"Was leistet das Museum heute für die gesellschaftliche Debatte?
Die offizielle Meinung dazu ist: Wir sind eine Institution, die sammelt, forscht und bewahrt. Aber die Wahrheit ist doch: Das Museum kann viel mehr! Im Museum sieht man nur die schönen Seiten des Lebens, da stimmt doch irgendwas nicht. Das Museum ist eine soziale Kohäsionseinrichtung. Wenn die Museen mal den Mut hätten, sich richtig auf die Bevölkerung mit all ihren Sorgen einzulassen, die Leute wirklich dort abzuholen, wo sie stehen, keine Angst mehr hätten, sich mit Alltagsthemen auch in die Niederungen zu begeben! Wir haben hier so viel Material, um Welten zu erklären, politische Zusammenhänge herzustellen - und trauen uns nicht ran. Das Museum als zutiefst soziale Einrichtung, das nimmt heute keiner ernst. Asche auf mein Haupt."
So spricht der Generaldirektor der Staatlichen Museen in Dresden, Martin Roth, in ART, 4/2010, dem eine Sonderbeilage zu 450 Jahre staatliche Kunstsammlungen Dresden beigefügt ist. Recht hat er. Warum beschäftigt sich kaum ein Museum mit der Gegenwart, mit dem Alltag, mit den aktuellen, drängenden, umkämpften Fragen. Und ja, das Museum hätte 'Material' für solche Debatten und auch Methoden jenseits des nur Ausstellens, Debatten anzustoßen, zu führen, mit seinen genuinen Mitteln zu visaulisieren und argumentieren. Und abermals ja, das Museum ist eine soziale Einrichtung, eine deren Qualität sich aber nicht darin erschöpft, Publikum anzuwerben und zu zählen, sondern die im und mit der dem Museum impliziten zivilisatorischen und öffentlichen Funktion arbeiten müsste. Und noch einmal ein großes Ja, traut Euch was! Wieso ist das Museum so kleinlaut, so irrelevant im öffentlichen Diskurs, an dem sich doch alle anderen kulturellen Einrichtungen beteiligen? Und auch ja: da stimmt was nicht! Aber was? Und auch ja: Asche aufs Haupt, Herr Roth, denn ihre Museumspolitik ist vom Gegenteil dessen gekennzeichnet, was Sie verkünden.

Abb.: Wolfgang Mattheuer: Sisyphos behaut den Stein. 1974. Derzeit zu sehen in der Jubiläumsausstellung der Staatlichen Museen Dresden Zukunft seit 1560

Warum...? (Texte im Museum 76)



Stadtmuseum Dresden (2010 Foto:GF)