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Samstag, 24. Mai 2014

"Das Haus der Europäischen Geschichte im Exil". Eine ungewöhnliche Ausstellung im Rahmen der Wiener Festwochen (Überarbeitete Fassung)


Elvis has just left the building
Frank Zappa

Nachdem ich die Kassa passiert habe, warte ich nun mit zwei anderen Besuchern in einem beklemmenden Raum darauf, aufgerufen zu werden. Eine Zählnummer habe ich schon. 503. Der Raum ist schäbig, typische Zimmerpflanzen eines Büros, gusseiserne Heizkörper, eine Landkarte mit den Staaten der Europäischen Union auf dem Stand von 2017, ein Orientierungsplan für das Museum, in einer unverständlichen Sprache beschriftet. Auf Österreichisch würde man einen solchen Raum als "grindig" bezeichnen. Allerdings gibt es bis heute solche Räume, Polizeiwachstuben, Wartezimmer auf Sozialämtern und selbst im Landeskrankenhaus meiner Stadt könnte ich solche Räume herzeigen.
So wie wir hier zu Dritt sitzen, in einem Raum mit einer Uhr, Türen, denen die Klinken fehlen, unter einem harten Neonlicht, ohne zu wissen wann und von wem wir aufgerufen werden, könnten wir auf eine medizinische Untersuchung warten, eine Befragung, eine Behördenvorladung.
Die verdreckte Eingangstür in den Ausstellungstrakt war schon ein Übergang in eine andre Sphäre und andere Zeit. Aber ich kann mir sehr gut vorstellen, daß es so schnell gehen kann mit dem Wechseln der Zeiten, Stimmungen. Der Übergang von der einen Welt zu einer ganz anderen ist oft kaum markiert, und umso drastischer fühlbar. Ich muß mich nur an die zwei- oder drei Mal erinnern, als ich den berüchtigten Grenzübergang der DDR Friedrichstraße durchqueren musste.
Eben noch im sonnigen, touristischen Wien, auf einem Thonetstuhl eines Cafes im Freien, gegenüber des Gebäudes, in dem die Ausstellung gezeigt wird, auf die Öffnung des riesigen Tores zur alten Postzentrale Mitten in Wien wartend, und dann plötzlich in einer kafkaesken, toten, zeitlosen Welt.
Wir werden einzeln aufgerufen, im Abstand von mehreren Minuten. Wir sollen einzeln losgehen, in der Ausstellung allein sein. Der erste Raum steigert die Unheimlichkeit - ein riesiger Saal, schäbig, vom Verfall gezeichnet wie alle folgenden Räume, nahezu leer und - fast vollkommen dunkel.
Keine Objekte, keine Geräusche, kein Text. Dann Räume vollgestopft mit Sperrmüll, offensichtlich Überbleibsel aus den Büros und Arbeitsräumen der Postzentrale. Dieses Zentrale ist ein riesiges, aus dem späten 19.Jahrhundert stammendes Verwaltungsgebäude, in dem es offenbar ganz unterschiedliche Funktionen gegeben haben muss. Büros, Archiv, Arbeitsräume, bei denen man kaum ahnt, was hier einmal vorgegangen ist. Die Wegführung entlang von Richtungspfeilen macht das Riesenhaus noch labyrinthischer, als es ohnehin schon ist. Treppen, verwinkelte Gänge, Lichthöfe mit riesigen blinden Fensterwänden, Gusseisenkonstruktionen, Reste von Armaturen.
Dann endlich ein Raum, der einem konventionellen Ausstellungsraum schon recht nahe kommt. Einige Objekte, ein viersprachiger Informationstext. Es geht um die Europäische Union. Die es nicht mehr gibt. Berichtet wird hier aus einer nicht allzufernen Zukunft, in einer "Nachzeit", nach dem Zerfall der EU. Nationalismus und Rechtsradikalismus, die wirtschaftliche Krise haben dem großen Projekt den Garaus gemacht.
Langsam verstehe ich, daß die teilweise unverständliche "Bebilderung" und Sprache der Texte, daß die trashigen, vollgeräumten oder dunklen Räume, einerseits eine Atmosphäre schaffen sollen, die das  Fiktive einer in der Zukunft spielenden Ausstellung unterstreicht. Und andrerseits den Zerfall der Strukturen - einer Welt, die wir ja besonders als "bürokratische" wahrgenommen haben -, visualisieren soll. Allerdings ist der Bruch, auch gestalterisch, zwischen den sorgfältig verfassten und sehr informativen Texten einerseits und den oft beliebig oder rätselhaft oder nicht entschlüsselbaren Objekten auffallend. Wo wir uns hier befinden, das ist eine "posthistorische" Trümmerwelt, in die nur noch wenige, wenig aussagekräftige Spuren des Gewesenenen hineinragen.
Vielleicht ist ja so eine Idee ja weniger gespenstisch, als wir spontan, mitten in dieser düsteren Ausstellungswelt wahrnehmen. Im Grunde kann man das Museum als einen im Vergegenwärtigen ständig vom Scheitern bedrohte "Nachwelt" verstehen, das es trotz seinem Beharren auf Wahrheit und Authentizität immer auch mit Fiktion, mit "Erzählung", also Konstruktion und Narration aus einem "Nachhinein" zu tun hat.
Der Ausstellungskurator dazu: "Wir haben keine Distanz zur Gegenwart. Daher wollte ich eine Distanz aufzubauen, um die Gegenwart anders zu sehen können. So bin ich auf die Idee eines fiktiven Museums gekommen, das nach der Implosion der EU als Einziges übrig bleibt."
Was weiter folgt im Rundgang, Wege, leere Räume und trashige Aussstellungsräume, entpuppt sich als ein chronologisch-thematischer Parcours mit informativen Texten, die die wesentlichen Entwicklungsetappen der EU nachzeichnen und schwer zuordenbaren Objekten mit oft recht bescheidener Aussagekraft. Ein Parcours, bei dem man nie vergisst, daß der historische Zeitpfeil umgedreht wurde. Wir blicken zurück, auf die Erfolge der EU, die mit spürbarem Wohlwollen dargestellt wird,  von ihren aus den Weltkriegserfahrungen geprägten Anfängen bis hin zur gemeinsamen Währung, auf ihre politische Struktur und Organisation (der Teil wirkte auf mich wie eine Vorbereitung auf die EU Wahl, die drei Tage nach meinem Besuch grade anstand), auf die großen, die Wirtschaft lenkenden Organisation, die Transformation vieler Diktaturen in Demokratien, die Entwicklung der Zahl der Mitgliedschaften, des Beitritts von immer mehr Ländern.
Die Ausstellungsräume haben jeweils ein Thema. Etwa die berüchtigten Verordnungen und Normierungen. Visualisiert wird das, wenig originell, mit bis zur Decke zwischen roten Vorhängen gestapelten Papier und - schon amüsanter -, mit einigen griffigen Beispielen, die wie eine Lehrmittelsammlung drapiert sind. Dann der Lobbyismus - eine der schönsten Ausstellungsideen. Wie eine Schmetterlingssammlung sind Visitenkarten von Lobbyisten ausgestellt und an der Wänd hängt eine Stadtkarte von Brüssel, in die die Lobbyorganisation wie sonst die Sehenswürdigkeiten eingezeichnet sind. und schließlich die problematischeren Gebrechen der EU: die Immigrationspolitik, die Duldung fast versklavter Niedriglohnarbeiter vor allem in der Landwirtschaft. Das Beispiel sind spanische Erntehelfer. Ein Nachbau eines ihrer Elendsquartiere steht mitten in einem Raum, zu dem eine roh durchbrochene Mauer führt und in dem wir uns auf einer Art Laufsteg aus Holz bewegen.
Der Text informiert über die Arbeitsbedingungen, die nicht weit weg sind, von den v.a. in Zusammenhang mit der Fussballweltmeisterschaft in Quatar kritisierten. (Nicht anders sind die etwa auf der Baustelle des Louvre Abu Dhabi oder des Guggenheim Museums ebenda).
Ab hier wird schon der definitive Niedergang eingeläutet: der polizeiliche Zwang, die Überwachung, nun nicht nur mehr nur der Einwanderer und Flüchtlinge, sondern der eigenen Staatsbürger, (freilich ohne schon reagiert zu haben auf das globale Ausmaß der Überwachung durch die USA) die 1970 in den USA beginnende Wirtschaftskrise, der expandierende Rechtsradikalismus, der grassierende Nationalismus, die Separationsbewegungen innerhalb der Nationalstaaten. Ganz am Schluß die Selbstmorde, die dem "Regisseur" dieser Ausstellung zufolge, nicht öffentlich berichtet würden, weil sie zu erschreckend wären.
Die Ausstellung sympathisiert durchaus mit der EU als einem großen Friedensprojekt und möchte angesichts der aktuellen Kriegsängste und -drohungen die Dramatik des politisch-historischen Moments sichtbar machen. Sie stell sich die Frage, was nach dem Zusammenbruch der Union geschähe. Gerade da bleibt die Schau aber phantasielos. Vielleicht kann sich auch wirklich niemand die ökonomischen und militärischen Katastrophen und Krisen ausmalen, die dem folgen würden. Und: würden sie das überhaupt? Ist der Ausstieg wirklich "alternativlos" geworden?
"Man sagt immer: "Nie wieder Krieg!" Das hoffe ich auch. Aber was wäre, wenn es wirklich wieder einen Krieg gäbe? Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie Krieg ist. Wir müssen über Krieg reden, um dafür zu sorgen, dass es keinen Krieg gibt. Das wollte ich mit dem Museum." (Thomas Bellink)
Wo ein offenes Ende, vielleicht mit verschiedenen Szenarien hätte stehen können, folgt nur noch ein wiederum ein, nun rabenschwarzer Raum, nur mit einer winzigen Luke etwas erhellt, dann ein riesiger Saal mit einer einsamen Bar und - vermutlich damit der Übergang zurück in die Wiener Wirklichkeit nicht zu hart ist -, der Weg durch großen trostlosen Hof des ehemaligen Amstgebäudes.
Ich verlasse das Gebäude, in der eben hinter mir die EU gewissermaßen die Geschichte verlassen hat. Der Eindruck bleibt zwiespältig. Die Botschaft ist klar und einfach, die Information beachtlich und interessant, aber die Gestaltung schwankt zwischen immersiver Emotionalisierung und trockener Textbelehrung, ohne daß beides miteinaander verwoben wäre und eine wirklich neuartige Qualität ergeben hätte.
Die spookyness mancher Räume, das Beklemmende der Atmosphäre verlassener, von Spuren des langsamen Verfalls gezeichneter Räume verbündet sich schlecht mit der intellektuell-informativen Ebene. Die Hauptaussage liegt schließlich doch überwiegend in den Texten und nur bedingt in der Atmosphäre.
Mir ist an Ausstellungen der jüngsten Zeit aufgefallen, daß das "Gestell", die "Zeigeapparaturen" immer provisorischer werden können, rohes oder billiges Holz, roh Gezimmertes, irgendwie Zusammengebasteltes, in Ausstellungen etwa in Graz oder Wien. Selbst die kostbare Asien-Sammlung des Museums für Angewandte Kunst wird jetzt in einem Verhau aus Ziegellatten gezeigt - allerdings hat das ein namhafter Künstler entworfen. So kommt die Nobilitierung, mit der es edles Ausstellungsgestalten zu tun hat, über die Hintertür wieder herein, wo es andernorts dem Museum Pathos und Aura nehmen will. Solch eine Senkung der Distinktionsschwelle braucht die EU-Ausstellung aber gar nicht, ihre Objekte brauchen sich weder als echt noch als authentisch zu gerieren.
Vielleicht bin ich relativ immun gegen das "Posthistorische" und ein wenig auch gegen das Beklemmende der Räume, weil ich schon so manches überzeugendere Besipiel gesehen habe. Kabakovs Installation tragen klar die Signatur eines bestimmbaren politisch-zeitlichen Kontextes und seiner Trostlosigkeit und Aussichtslosigkeit, während das Ephemere und Leichte eines Gebäudes wie dem "Palast der Projekte" mit dem witzigen und hoffnungsvollen Basteln an der Utopie kooperiert, die er dort in vielen Zimmerchen vorführt.
Die von Hans Hoffer gestaltete Ausstellung A.E.I.O.U. (eine Art österreichisch-patriotischer ideengeschichtlicher Leistungschau) in der aufgelassenen Tabakfabrik in Krems brachte die z.T. ruinenhaften Räume und Reste der Fabrikseinrichtung viel direkter ins Spiel. Ich erinnere mich an die wunderbare Idee, ein Gedicht von Erich Fried so in den Aufzugschacht zu applizieren, daß die Pointe kurz vor dem Aussteigen im obersten Stockwerk der Ausstellung schockartig aufblitzte. Und "verdorben" für die affektiven Anmutungen der Europaschau bin ich vor allem durch die Manifesta von 2008, die in ganz unglaublichen Industrie- und Verwaltungsbauten stattfand, in Bozen, in Trient (hier auch in einem aufgelassenen Postgebäude), Rovereto und in der Franzensfeste, einer kakanischen Betonburg gewaltigen Ausmasses (die nie einen Zweck erfüllte, nebenbei gesagt), und deren düstere und endlose Raumfolgen ingeniös mit Ton- und Videoinstallationen, Kino, Installationen, Objekten bespielt wurde.

Möglich, daß eine Kunstausstellung sich besser auf das Ortspezifische solcher "extimer Orte" einlassen kann, die ihre Wirkung ja schon daraus beziehen (wie beim Postgebäude in Wien), daß wir sie überhaupt betreten und so etwas wie "verbotenes" Terrain erforschen dürfen.
Aber darin liegt offensichtlich auch ein Potential für "historisches Ausstellen". Einen Tag, nachdem ich in der "Weltausstellungs"-Schau des Wien Museums gewesen war (die in deren cleanen Ausstellungsräumen stattfindet), dachte im beim Besuch dieser "Exil"-Ausstellung, warum das Wien-Museum, immer auf der Suche nach praktikablen Räumen, nicht solche Gebäude entdeckt? Vielleicht gibt es praktische Gründe, wie Sicherheitsbestimmungen oder anderes.
Meiner Phantasie wachsen jedenfalls Fühler, wenn ich so einen Ort sehe, den ich gerne rabiater, riskanter bespielt gesehen hätte - aber wer "schenkt" mir dieses Spukhaus, damit ich mal meine Ideen von der Leine lassen kann?
Jetzt, wo ich mir den Text noch einmal vorgenommen habe, und nach einem Austausch mit einer Kollegin über unsere unterschiedlichen Erfahrungen mit der Ausstellung überarbeite, ist auch eine Zeit des "danach". Gestern ging die EU-weite Wahl zu Ende, mit erschreckenden Zuwächsen rechter und rechtsextremer Parteien. Daß in Frankreich, einem Land mit einer derart kraftvollen politischen Geschichte voller Kampf um eine demokratische und republikanische Gesellschaft eine rechte Partei triumphal siegt, ist verstörend und alarmierend. Hat also die Ausstellung schon "recht behalten". Ich hoffe nicht. Aber sie ist deutlich wichtiger geworden.


Thomas Bellinck, der Kurator der Ausstellung, ist tatsächlich Regisseur, er ist Flame, in Brüssel 1983 geboren. Seine Ausstellung wurde erstmals in Brüssel gezeigt, 2013.

Sein "Museum" ist bis 15. 6. in der Postgasse 10 zu sehen. Geöffnet ab 15 Uhr. Anmeldung notwendig!  Unter +43 664 22 589 47. Letzter Einlass 18:30. Geöffnet bis 20 Uhr.

Die Interviwpassagen finden sich hier: Thomas Bellinck: "Auch nationale Identitäten sind Konstruktionen" Interview |

Mittwoch, 17. Juli 2013

Loft (Museumsszenen)

Im obersten Besuchern zugänglichen Stockwerk, weitab von seinen Familienmitgliedern aus den Meeren der Welt, schwebt hier dieser seltsame Fisch hoch über dem Treppenhaus und der Abteilung der Geschichte des Museums. - Naturhistorisches Museum Wien (2012. Foto: GF)

Donnerstag, 13. Juni 2013

Freitag, 31. Mai 2013

Ironie im Museum?



Der Müllmann trägt eine Mütze mit der Aufschrift "Das Gedächtnis Tirols" und das Plakat zur Ausstellung des Volkskunstmuseums "Drteck" ist im Müll gelandet....

Donnerstag, 30. Mai 2013

"Tyrol goes Austria". Landespatriotismus auf vorgestrig

"Tyrol goes Austria. 650 Jahre Tirol bei Österreich." Eine Ausstellung des Landesmuseum Ferdiandem Innsbruck, gezeigt im Zeughaus, 2013.
Eine "Jubiläumsausstellung", die sich auf das Datum des "Erbfalls" bezieht, mit dem Tirol von der nachkommenlosen Margarete 'Maultasch' an die Habsburger fiel.
Eigentlich Anlass für eine historische Großausttellung, oder?
Und was macht das Museum damit?


Zunächst mal einen Korridor aus mehr oder minder bunt bestrichenen Holz, der einen Parcours entlang chronologisch gereihter, meist vereinzelter Objekte bildet. Ästhetisch ist alles auf Sparen getrimmt, ein verbauter, karger, wenig ansprechender Raum, ein Gang, einmal geteilt, einmal auf- und abgehen.
Die Erläuterungen sind bis auf kurz gehaltene Objektbeschriftungen und einige Texttafeln in ein iPad ausgelagert, das man sich an der Kassa ausborgen kann.
Die Erzählung hat einen roten Faden - die Kaiser- und Habsburgertreue "der Tiroler".
Aller Tiroler? Offenbar.
Immer wieder wird dies hervorgehoben und durch Objekte "belegt", als ob es sich bei den Ausstellungsobjekten um Indizien im kriminologisch-forensischen Sinn und nicht um interpretationsbedürftige Artfekate handelte um bei der "Kaisertreue" um eine unbestreitbare Tatsache, die es zu würdigen gilt, und nicht um ein ein wandelbares ideologisch-historisches Konstrukt.
Die Hisorienmalerei, die Flugblätter, die gedruckten Aufrufe, die Plakate, die Fotografien werden als per se wahrheitsverbürgend vorgeführt, als selbstevidente Zeugnisse eines merkwürdig unzeitgemäßen Patriotismus. - Ist das wirklich eine Ausstellung von 2013?Wozu wird uns diese kaiserliche Loyalität versichert?

"Allzeitgetreue Tiroler"

Die Auswahl der Objekte bleibt rätselhaft, hier eine Kanone, dort eine Schützenscheibe -, und sie ist auf Anekdotisches fokussiert - Kaiser Franz Josef besucht den Bergisel, Kaiser Franz Josef trifft "überraschend" (sic!) in Innsbruck ein, Tiroler Studenten verlassen Wien, um ihre "Heimat zu verteidigen", das "Allzeitgetreue Volk" jubelt, und das " um 1870", aber warum in aller Welt? Erzherzog Ludwig Victor trägt die Uniform der Wiltener Schützen usw.


Zwei "Hulkdigungstexte" von 1813, pardon 2013

Der Ausstellungsparcour endet überraschend. Mit dem Jahr 1921.
Der "Rest" der 650 Jahre von "Tyrol goes Austria" wird in Filmausschnitten in einer wie provisorisch hingebastelteten Sitzecke "abgehandelt".
1921? Wieso 1921?
Man steht also vor dem letzten Objekt der Ausstellung, vor einem Plakat mit dem Apell "Wir wollen!".

Ein nackter, muskulöser Mann stemmt einen Bauteil einer Brücke um offenbar eine Verbindung von Österreich und Tirol einerseits und Bayern und Deutschland andrerseits herzustellen.
Das Plakat verschleiert doppelt die Absicht der Abstimmung. Keine Brücke sollte errichtet werden, sondern die Brücken sollten abgebrochen werden und nicht Österreich und Deutschland, sondern Tirol und Deutschland sollten verbunden werden.
Das Plakat rief einst zur Volksabstimmung auf, mit der sich "die Tiroler" 1921 mit 99,3% der Stimmen für den Anschluss an Deutschland entschieden hatten, also für das Austreten aus der Republik Österreich.
Nach dem Scheitern der Wiederherstellung der Regentschaft der Habsburger durch Karl I. im  April 1921 wollte man schon wenige Wochen danach aus Österreich "austreten".
Die Siegermächte des Ersten Weltkrieges verhinderten das. Einen "Anschluß" gab es erst 1938, dann aber von ganz Österreich...

Mit diesem Plakat entlässt uns die Ausstellung - abgesehen vom Audioguide - kommentarlos.
No comment.
Die Ausstellung führt die reaktionären Aspekte der Landesgeschichte als nicht erläuterswürdige scheinbar neutrale Fakten vor und codiert ausgerechnet die antidemokratische "Volsabstimmung" durch ihre Platzierung im Rundgang als Schlüsselmoment.

Was nicht alles eine Ausstellung ist!?

P.S.: Wer sehen will, wie Museen und Ausstellungen eine etwas avanciertere Form der Geschichtskultur pflegen, der ist mit einigen Orten in Südtirol (Schloß Tirol; Andreas Hofer Museum) weitaus besser bedient.

PPS.: Wenn man das Pech hat und meint, an einem Pfingsmontag werde man die Jubiläumsausstellung des Landes doch besuchen können, steht vor verschlossenen Toren und darf nicht damit rechnen, daß er irgendwo einen Hinweis darauf findet, wann denn dem Publikum der Zutritt zum Zeughaus-Museum erlaubt ist...




Dienstag, 2. April 2013

Fundsache "Wie mans (nicht) macht"

Beobachtungsserie des Bostoner Museumsmannes Benjamin Ives Gillman zu unbequemer Anordnung von Vitrinen und Beschriftungen. Gefunden im Buch 21er Haus. Zurück in die Zukunft. Berlin 2011

Montag, 18. Februar 2013

Das sind wir?

Im Neandertal-Museum in Mettmann hat man sich was ausgedacht, um zu zeigen, daß alle Menschen bis zu 4% Neandertal-Gene in sich tragen. Gelungen ist eine witzige, verblüffende und erhellende Visualisierung. Auch in diesem Fall gilt: Kleider machen Leute - oder: was so ein Neandertaler nicht aus unserem Anzug macht...

Mittwoch, 14. November 2012

Brandzeichen


Wir befinden uns hier in einem Gang, der vom neuen Eingang zu den für Besucher geöffneten Bereichen des Stiftes Klosterneuburg  führt: Schazkammer, Prunksaal, Museum, Kaiserzimmer. Man hat den Museumsshop, die Kassa hinter sich und durchquert Räume, die über das Stift informieren, seine pastorale Tätigkeit, seine Kunstschätze, seine wirtschaftlichen Betriebe.
Während das Museum und die Prunkräume nicht oder noch nicht tiefgreifend modernisiert wurden, hat man die Schatzkammer mit ihren hochbarocken Möbeln zugänglich gemacht und um zwei neue, leider gänzlich athmosphärelose Räume erweitert.
Das "Branding" (ursprünglich das in die Haut gebrannte Zeichen zur Erkennung von Pferden oder Rindern, heute der Aufbau einer Marke), dem sich das Stift Klosterneuburg unterziehen wollte, beschränkt sich derzeit auf den Eingangsbereich und den Außenbereich, wo man Wegweise aufgestellt hat, die einem versichern, daß man sich vorm Stift Klosterneuburg befindet (und nicht etwa vor dem Schloss Schönbrunn oder der Klimt-Villa...).
In derselben Ästhetik und Zeigetechnik wie benachbart Kunstobjekte gezeigt werden, liegen hier fünf Flaschen vor einem Foto einer Emailletafel des Verduner Altares. Es sind mitnichten Weinflaschen, sondern es ist Apfelsaft, der hier aufgebahrt wird. Branding muß alles einander angleichen, austauschbar machen in Hinblick auf das, was das Schaffen einer Marke bezweckt: den Konsum der unter ihr subsumierten Ware. Und das ist, wir lesen es ja auch auf der Eintrittaskarte (hier), "Glaube, Wein, Kultur".

Mikroausstellung "Authentisch Sitzen"

Friedrich Kieslers Sitzmöbel für Ausstellungen in der Ausstellung "Die Kulisse explodiert" im Wiener Theatermuseum...

... und als Original aus den 40er-Jahren...
... auf dem Kiesler hier in seiner für Peggy Guggenheim konziperten Ausstellung "Art of this Century" (New York) sitzt...

... wobei Kiesler offenbar auch ganz anders konnte - vielleicht demonstrativ...

Montag, 12. November 2012

Noch immer gibt es bei Friedrich Kiesler etwas zu entdecken. Empfehlung für einen Ausstellungsbesuch

Ausstellungstext

Friedrich Kiesler wurde am 22. September 1890 in Czernowitz, Bukowina, Österreich-Ungarn geboren. Kiesler war Architekt, bildender Künstler, Designer, Ausstellungsdesigner, Typograph und Bühnenbildner. Mit der "Raumbühne" hatte er auf der Internationalen Theaterausstellung in Wien 1924 ein derart großes Echo, daß er im folgenden Jahr nach Paris zu einer ähnlichen Ausstellung eingeladen wurde. Diese wiederum ebnete ihm den Weg in die USA, in die er 1926 emigrierte und wo er unter anderem für Betty Guggenheim ein semipermanentes Museum konzipierte, "Art of this Century". Kiesler beschäftigte sich mit dem Kino, dem Theater, dem Städetbau, aber viele seiner Arbeiten waren ephemer und viele Ideen und Projekte wurden nicht realisiert. Erst im Todesjahr - Kiesler starb am 27. Dezember 1965 -, wurde sein einziges realisiertes und erhaltenes monumentales Bauwerk eröffnet: der "Shrine of the Book" in Jerusalem als Teil des Israel-Museum.
Kiesler hat sich mit vielen Medien, Bautypen und Formgelegenheiten beschäftigt, was ihn so unverwechselbar macht und inspirierend beim Nachdenken über heutiges Ausstellen ist die Konsequenz, mit der ein "theatralisches" Verständnis vom Raum auf alle Aufgaben, Projekte und Ideen bezog. Beim Konzipieren von Ausstellungen bedeutete dies, alles in die Überlegungen einzubeziehen, die Wechselbeziehung zwischen allen Elementen zu beachten und Gestaltung als ein Gestalten der Wahrnehmungsbedingungen insgesamt, vor allem den Betrachter einbeziehend, aufzufassen. Kiesler hat dabei unter anderem dem "Gestell", also all dem, was zum Zu-Sehen-Geben wichtig ist aber vom Betrachter oft ausgeblendet, vom Ausstellungmacher gelegentlich vernachlässigt wird, zur hervorragenden Gestaltungsaufgabe gemacht.
Die Ausstellung "Die Kulisse explodiert" im Österreichischen Theatermuseum in Wien ist zwar den Theater- und Kinoprojekten gewidmet, aber es lohnt allemal sich diese Ausstellung auch mit der "museologischen Brille" anzusehen, zumal es um Prinzipien geht, die Kiesler zwar immer weiter entwickelt hat, aber auf alle Aufgaben zu übertragen versuchte.
Dem Ehepar Bogner und der Friedrich Kiesler-Stiftung muß man dankbar sein für ihr Engagement für Kiesler und das Zustandekommen von Ausstellungen, die immer neue Aspekte von Kieslers Arbeit bekanntmachen. (Bis 25.Februar)