Kuratorensprech? Hier dürfte es sich um Direktorensprech handeln. Das heißt, um eine Textsorte, die im Marketing für eine Institution wirbt, oder für eine Ausstellung. Oder die, wie hier, ein Museumsobjekt, ein Exponat vorstellt. Ich nenne das Kuratorensprech wegen der oft inhaltlichen und sprachlichen Abenteuerlichkeit, Zwitterwesen zwischen wissenschaftlichem Formulieren und journalistischer Saloppheit.
Das Fundstück stammt von Facebook, das längst auch von Museen genutzt wird, um zu informieren und zu werben. Wobei Facebook zu Kürze zwingt und dazu anregt, möglicht auffällig, wenn nicht schrill zu sein.
Hier "spricht" das Oberösterreichische Landesmusuem zu uns. Und zwar mit diesen Worten: "Eine junge, gutaussehende Frau in festlichem Gewand. Ihr braunes, in Zöpfe geflochtenes Haar, wird von einem federnden Hut bedeckt. Eine üppige Schleife schmückt ihren zarten Hals. Weißt du, wer diese Frau auf dem Foto ist? 🤔 Es handelt sich hierbei um Elisabeth Amalie Eugenie von Wittelsbach, Herzogin in Bayern, besser bekannt als Sisi, Kaiserin von Österreich. 👑 Diese sehr seltene fotografische Aufnahme entstand 1858, aufgenommen von Joseph Albert (1825-1886), dem Hoffotografen des bayerischen Königshauses. Die Kaiserin stand nicht gerne vor der Kamera. Mit 30 beschloss sie sogar, sich nie wieder fotografieren zu lassen. Deshalb wurde dieses Portrait von ihr bis in die 1880er Jahre verwendet. Zahlreiche Fotografien von Kaiserin Elisabeth wurden reproduziert. Auch wenn es zu dieser Zeit noch lange keine digitalen Bildbearbeitungsprogramme gab, konnte man auch im analogen tricksen. Oftmals wurden Portraits der Kaiserin retuschiert oder umkopiert. Nicht aber dieses Foto..."
Schon bei der Beschreibung stutzt man: Festliches Gewand? Wirklich? Braunes Haar? Wie erkennt man das auf einer Schwarz-weiss-Fotografie? Gutaussehend? Nun ja, das liegt wohl eher im Auge des Betrachters. Ebenso ob dieser Hals "zart" ist. Und was ist eigentlich ein federnder Hut?
Wie bei IKEA werden wir gedutzt und in pädagogischer Absicht in einen Wissensquiz gezogen. Haha - das wissen wir natürlich, das ist Sisi. Geschichtsinfantilisier7ng Romy Schneider ff. Garniert ist der Text mit ein wenig Zusatz-Infantilisierung. Smileys fungieren hier wie das Lachen aus der Dose in Sitcoms, es ist auch ohne uns da wie die zugehörige Emotion, die diesen Icons den Namen Emojis gibt.
Wie kommt Die Exkaiserin in den Blog einer Abteilung des Oberösterreichischen Landesmuseums? Vermutlich um für den Ausstellungsort Marmorschlössel zu werben, Sisis "Frühstücksort" und "Cottage", wie es an anderer Stelle des Blogs heißt. Wir befinden uns hier mitten in der Hofberichterstattung, die, wie wir von einem weitaus gegenwärtigeren Königshaus wissen, vor allem in Homestories besteht. Sie ließ sich nicht gerne fotografieren.
Eine Kernkompetenz von Museen liegt im Umgang mit Objekten, in genauer Beschreibung, in der Erforschung und, wenn es sum Veröffentlichung geht wie hier, auch in der Kontextualisierung, das heißt Einbettung in Informationen, die das Verstehen des Exponats ermöglichen und vertiefen. Hier erfahren wir nur, wer der Fotograf war und wann die sehr seltene Fotografie entstanden ist. Sehr selten soll wohl heißen, daß wenige Abzüge bekannt sind, die Aufnahme (das Negativ) selbst war nicht selten, sondern ein Unikat.
Die Österreichische Nationalbibliothek datiert die Fotografie übrigens auf 1865 und nicht, wie hier angegeben, 1858.
Hervorgehoben wird, daß dieses Foto nicht umkopiert und nicht retuschiert wurde. Keine "analoge Trickserei". Von wegen, selbst an der digitalen Reproduktion am Billdschirm sind viele Eingriffe zu erkennen, wie die ovale Hervorhebung, der Schatten hinter dem Kopf und der Schulter, der verfließende Übergang vom Oberkörper ins Weiß der ovalen Rahmung. Für eine auf genaue Beobachtung gestützte ästhetische Interpretation, interessiert sich der Autor des Textes aber nicht. Es genügt, daß es hier um "Sisi" geht. Also um jenes Diminutiv eines Vornamens, dem kein Familienname zu Seite steht, wie wir das vorzüglich von Frisiersalons - Petra, Elfi, Lisa - kennen.
Übrigens: Die aktuelle Ausstellung im "Sisis Cottage", man glaubt es nicht, ist dem Dirndl gewidmet
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