2015 hat Italien Aufsehen erregt mit der Bevorzugung von Ausländern bei Leitungspositionen in namhaften Museen. Der Rumor im Land war ebenso groß wie die Aufmerksamkeit im Ausland. Einer der Berufenen war Peter Assmann, der an den Palazzo Ducale in Mantua ging.
Jetzt wurde er zum Anlaß einer Revision. Eine übergangene Bewerberin klagte - mit Erfolg. Denn man kennt in Italien eine Regelung, die Ausländer von Beamtung ausschließt, wenn es um Institutionen geht, die im nationalen Interesse liegen.
Die Regelungen wurden zwar geändert, aber Assmann bekommt seinen Posten nicht automatisch zurück - er ist nun ein Fall für den Staatsrat...
Dienstag, 30. Mai 2017
Montag, 29. Mai 2017
Der Weg zum demokratischen Museum ist mit gutem Willen gepflastert. Wie gehts dem "Haus der Geschichte Österreich"?
Hundert Tage „Amtszeit“ der Direktorin des Wiener Hauses der Geschichte bieten verschiedenen Tageszeitungen Gelegenheit nachzufragen, wie es denn um das Museum so steht. Nun wird eine Leiterin eines solchen ambitionierten und umstrittenen Projekts kaum selbst Salz in die Wunden des Projekts streuen, sondern im Gegenteil alle kniffligen Probleme als „Vorteile“ sehen wollen. So wird Minister Ostermayers Entscheidung, das Museum in der Neuen Burg einzurichten, als eine Art Überbrückung dargestellt bis ein Neubau errichtet ist. Nur: Von einem Neubau war damals nie die Rede, sondern das was für die neue Burg vorgesehen war, sollte das Museum sein.
Seit nun der Nachfolger Ostermayers, Drozda, das Projekt finanziell um zwei Drittel gekürzt hat und einen Neubau Spiel brachte - natürlich ohne Standort, Zeitpunkt und Finanzierungsmöglichkeiten zu nennen -, ist eine merkwürdige Situation entstanden. Auf dem (Gesetzes)Papier gibt es Haus der Geschichte, aber in der Neuen Burg gibt es vorerst eine Ausstellung zur Republiksgründung. Was danach kommt, ist unklar. Weitere Ausstellungen? Ein provisorisches Museum?
Unlängst hat der Geschäftsführer des Kunsthistorischen Museums, dem die Räume gehören, in dem die Ausstellung stattfindet, gesagt, daß diese Räume für den Eigenbedarf hergerichtet würden. Das klingt danach, als rechne man mit einer Nutzung durch das KHM nach der Ausstellung.
Wenn jetzt Monika Sommer von ihren Vorstellungen spricht, was das Museum sein und leisten soll, sollte man immer im Auge behalten, daß von etwas die Rede ist, was es zumindest in naher Zukunft gar nicht geben wird. So zu tun, als baue man ein Museum auf, etwa durch das Anlegen einer Sammlung, schafft Tatsachen. Aber mit durchaus unsicherem Gewicht für noch fällige politische Entscheidungen.
Zwischen einer Ausstellung und einem Museum ist nun mal ein Unterschied. Ab dem November 2018 wird etwas gezeigt, was um ein bestimmtes Thema kreist, kein Längsschnitt der österreichischen Zeitgeschichte und man entkommt auch vorerst einem Problem, das eine Hypothek der Museumsidee darstellt: für die Ausstellung kann man weit unbeschränkter mit Leihgaben arbeiten, als später in einem Museum, dem ja eine Sammlung noch weitgehend fehlt. Man entkommt vorerst der Erwartung, eine Deutung des großen historischen Bogens der österreichischen Geschichte - programmatisch vorgesehen soll das mit der Mitte des 19.Jahrhunderts einsetzen -, und kann sich mit einer üblichen historischen Ausstellung begnügen.
Also haben alle Erläuterungen zum Konzept eines Museums einen Vorbehalt. "Ich verstehe“ sagt Monika Sommer im Standard vom 26.5. „das Museum des 21. Jahrhunderts als Reflexionsort. Diskurse werden hier angestoßen, aber nicht im Sinne eines Imperativs. Wir wollen die Diskussion zeigen und keine Bilder verfestigen." Sicher, das kann auch eine Ausstellung leisten, aber als Vorschau auf ein Museum ist das ungedeckter Scheck. Ob es je eine langfristig sich entwickelnde Institution geben wird, scheint mir weitaus ungewisser als zum Zeitpunkt als Minister Ostermayer in einem politischen und dezisionistischen Akt das Museum ins Leben rief.
In wenigen Monaten gibt es Nationalratswahlen und wie wahrscheinlich ist es, daß es über die Wahl hinaus inneren sehr wahrscheinlich neuen Regierungskonstellation eine Kontinuität in der Kultur- und Museumspolitik der Republik geben wird? Wer weiß schon, wie andere Parteien mit diesem Projekt - zwischen Abwicklung und ideologischer Instrumentalisierung - umgehen werden? Da könnte den „Erfindern“ des Projektes die für ein Bundesmuseum ganz ungewöhnliche Politikabhängigkeit ganz schön auf den Kopf fallen. Die direkte Ungebundenheit ans Bundeskanzleramt und das eindeutig der SPÖ zuzuordnende Umfeld, das das Museum protegiert und entwickelt, werden in einer anderen politischen Konstellation zur weiteren Hypothek fürs Museum. Die typisch österreichische Koalitionäre „Arbeitsteilung“ zwischen dem „konservativen“ Haus in St. Pölten und dem „sozialdemokratischen“ in Wien wird möglicherweise nicht mehr funktionieren.
Über das was alles an konzeptuellen Ideen angekündigt wird, wird man erst urteilen können, wenn die erste Ausstellung eröffnet wird. Dann erst wird man sehen wie Versprechen eines „demokratischen Museums“, eines Ortes wo „Identität verhandelt“ wird, eingelöst werden. Wie soll etwa das „Verhandeln“ aussehen, wenn es um die begriffliche Deutungshoheit über "Austrofaschismus" und "Ständestaat" geht? Das soll, liest man, nicht im Museum entschieden, sondern „offen zur Schau gestellt“ werden. Sommer: "Hier wird dann an die eigene Urteilskraft der Besucher appelliert“. Was mich dann interessieren wird, ob man Diskussionen „zeigen“ kann, ob es genügt konfligierende Fakten zu präsentieren oder ob es dann nicht auch neuer Gefäße bedarf, in denen sich der beschworene Diskurs überhaupt erst entfalten kann. Überhaupt klingt das danach, als könne sich das Museum auf eine wissenschaftlich gefestigte Position zurückziehen und die Deutung den Besuchern überlassen. Aber diese gefestigten wissenschaftlichen Positionen gibt es oft nicht und ein Museum kann nie der Deutung entkommen, die allein schon durch Wahl der Objekte, ihr Arrangement und ihre textliche Kommentierung unvermeidlich ist.
Was mich auch bei anderen Konzepten stört, hier aber ganz besonders, ist, wie sehr auf Jugendliche als Zielgruppe geachtet wird. „Die Jugend“ war nie hauptverantwortlich für all den gesellschaftspolitischen Schlamassel, den wir nachträglich als historisiert mit Entsetzen oder Kopfschütteln als „unsere Geschichte“ wahrnehmen. Wieso wendet sich das Museum nicht auch - und energisch - gerade an diejenigen, die in Entscheidungsfunktionen sind, an der Wahlurne, in Ämtern und Kammern, in Gemeindestuben, in Vorständen, in Familienbetrieben, in Landtagen…?
Mit der Fokussierung auf Jugendliche, so scheint mir, kommen gleich zwei fragwürdige Vorentscheidungen ins Museum. Einmal die, das Museum nicht wirklich ernsthaft als gesamtgesellschaftlichen Ort des Diskurses zu sehen wollen, sondern eher als pädagogische Anstalt, wo die jüngeren Generationen gleichsam zur Demokratie erzogen werden sollen. Und: steckt da nicht ganz pragmatisch die Strategie dahinter, wie andere Museen das auch tun, sich der Jugendlichen als zählbares Publikum zu versichern zumal die z.T. ja Zwangsbesucher sind, etwa als Schulklassen. Jedenfalls ist auffallend, daß hier die Pläne zur Rekrutierung - in Kooperation mit einschlägigen Organisationen - weitaus konkreter sind, als die, die Auskunft geben könnten, was denn das nun für ein Museum werden wird. Die Frage des Zeithistorikers Gerhard Botz nach der ideologisch-politischen Zielsetzung, also nach dem gesellschaftspolitischen Zweck des Ganzen bleibt ebenso unbeantwortet wie die Entscheidung (die daraus abzuleiten wäre), was es denn nun für ein Museumstyp werden soll: ein Museum der politischen also Herrschaftsgeschichte, der Sozial- oder Kulturgeschichte, eines der Lebenswelten der österreichischen Bevölkerung, eines der zunehmenden globalisierten Vernetzung des Landes?
Seit nun der Nachfolger Ostermayers, Drozda, das Projekt finanziell um zwei Drittel gekürzt hat und einen Neubau Spiel brachte - natürlich ohne Standort, Zeitpunkt und Finanzierungsmöglichkeiten zu nennen -, ist eine merkwürdige Situation entstanden. Auf dem (Gesetzes)Papier gibt es Haus der Geschichte, aber in der Neuen Burg gibt es vorerst eine Ausstellung zur Republiksgründung. Was danach kommt, ist unklar. Weitere Ausstellungen? Ein provisorisches Museum?
Unlängst hat der Geschäftsführer des Kunsthistorischen Museums, dem die Räume gehören, in dem die Ausstellung stattfindet, gesagt, daß diese Räume für den Eigenbedarf hergerichtet würden. Das klingt danach, als rechne man mit einer Nutzung durch das KHM nach der Ausstellung.
Wenn jetzt Monika Sommer von ihren Vorstellungen spricht, was das Museum sein und leisten soll, sollte man immer im Auge behalten, daß von etwas die Rede ist, was es zumindest in naher Zukunft gar nicht geben wird. So zu tun, als baue man ein Museum auf, etwa durch das Anlegen einer Sammlung, schafft Tatsachen. Aber mit durchaus unsicherem Gewicht für noch fällige politische Entscheidungen.
Zwischen einer Ausstellung und einem Museum ist nun mal ein Unterschied. Ab dem November 2018 wird etwas gezeigt, was um ein bestimmtes Thema kreist, kein Längsschnitt der österreichischen Zeitgeschichte und man entkommt auch vorerst einem Problem, das eine Hypothek der Museumsidee darstellt: für die Ausstellung kann man weit unbeschränkter mit Leihgaben arbeiten, als später in einem Museum, dem ja eine Sammlung noch weitgehend fehlt. Man entkommt vorerst der Erwartung, eine Deutung des großen historischen Bogens der österreichischen Geschichte - programmatisch vorgesehen soll das mit der Mitte des 19.Jahrhunderts einsetzen -, und kann sich mit einer üblichen historischen Ausstellung begnügen.
Also haben alle Erläuterungen zum Konzept eines Museums einen Vorbehalt. "Ich verstehe“ sagt Monika Sommer im Standard vom 26.5. „das Museum des 21. Jahrhunderts als Reflexionsort. Diskurse werden hier angestoßen, aber nicht im Sinne eines Imperativs. Wir wollen die Diskussion zeigen und keine Bilder verfestigen." Sicher, das kann auch eine Ausstellung leisten, aber als Vorschau auf ein Museum ist das ungedeckter Scheck. Ob es je eine langfristig sich entwickelnde Institution geben wird, scheint mir weitaus ungewisser als zum Zeitpunkt als Minister Ostermayer in einem politischen und dezisionistischen Akt das Museum ins Leben rief.
In wenigen Monaten gibt es Nationalratswahlen und wie wahrscheinlich ist es, daß es über die Wahl hinaus inneren sehr wahrscheinlich neuen Regierungskonstellation eine Kontinuität in der Kultur- und Museumspolitik der Republik geben wird? Wer weiß schon, wie andere Parteien mit diesem Projekt - zwischen Abwicklung und ideologischer Instrumentalisierung - umgehen werden? Da könnte den „Erfindern“ des Projektes die für ein Bundesmuseum ganz ungewöhnliche Politikabhängigkeit ganz schön auf den Kopf fallen. Die direkte Ungebundenheit ans Bundeskanzleramt und das eindeutig der SPÖ zuzuordnende Umfeld, das das Museum protegiert und entwickelt, werden in einer anderen politischen Konstellation zur weiteren Hypothek fürs Museum. Die typisch österreichische Koalitionäre „Arbeitsteilung“ zwischen dem „konservativen“ Haus in St. Pölten und dem „sozialdemokratischen“ in Wien wird möglicherweise nicht mehr funktionieren.
Über das was alles an konzeptuellen Ideen angekündigt wird, wird man erst urteilen können, wenn die erste Ausstellung eröffnet wird. Dann erst wird man sehen wie Versprechen eines „demokratischen Museums“, eines Ortes wo „Identität verhandelt“ wird, eingelöst werden. Wie soll etwa das „Verhandeln“ aussehen, wenn es um die begriffliche Deutungshoheit über "Austrofaschismus" und "Ständestaat" geht? Das soll, liest man, nicht im Museum entschieden, sondern „offen zur Schau gestellt“ werden. Sommer: "Hier wird dann an die eigene Urteilskraft der Besucher appelliert“. Was mich dann interessieren wird, ob man Diskussionen „zeigen“ kann, ob es genügt konfligierende Fakten zu präsentieren oder ob es dann nicht auch neuer Gefäße bedarf, in denen sich der beschworene Diskurs überhaupt erst entfalten kann. Überhaupt klingt das danach, als könne sich das Museum auf eine wissenschaftlich gefestigte Position zurückziehen und die Deutung den Besuchern überlassen. Aber diese gefestigten wissenschaftlichen Positionen gibt es oft nicht und ein Museum kann nie der Deutung entkommen, die allein schon durch Wahl der Objekte, ihr Arrangement und ihre textliche Kommentierung unvermeidlich ist.
Was mich auch bei anderen Konzepten stört, hier aber ganz besonders, ist, wie sehr auf Jugendliche als Zielgruppe geachtet wird. „Die Jugend“ war nie hauptverantwortlich für all den gesellschaftspolitischen Schlamassel, den wir nachträglich als historisiert mit Entsetzen oder Kopfschütteln als „unsere Geschichte“ wahrnehmen. Wieso wendet sich das Museum nicht auch - und energisch - gerade an diejenigen, die in Entscheidungsfunktionen sind, an der Wahlurne, in Ämtern und Kammern, in Gemeindestuben, in Vorständen, in Familienbetrieben, in Landtagen…?
Mit der Fokussierung auf Jugendliche, so scheint mir, kommen gleich zwei fragwürdige Vorentscheidungen ins Museum. Einmal die, das Museum nicht wirklich ernsthaft als gesamtgesellschaftlichen Ort des Diskurses zu sehen wollen, sondern eher als pädagogische Anstalt, wo die jüngeren Generationen gleichsam zur Demokratie erzogen werden sollen. Und: steckt da nicht ganz pragmatisch die Strategie dahinter, wie andere Museen das auch tun, sich der Jugendlichen als zählbares Publikum zu versichern zumal die z.T. ja Zwangsbesucher sind, etwa als Schulklassen. Jedenfalls ist auffallend, daß hier die Pläne zur Rekrutierung - in Kooperation mit einschlägigen Organisationen - weitaus konkreter sind, als die, die Auskunft geben könnten, was denn das nun für ein Museum werden wird. Die Frage des Zeithistorikers Gerhard Botz nach der ideologisch-politischen Zielsetzung, also nach dem gesellschaftspolitischen Zweck des Ganzen bleibt ebenso unbeantwortet wie die Entscheidung (die daraus abzuleiten wäre), was es denn nun für ein Museumstyp werden soll: ein Museum der politischen also Herrschaftsgeschichte, der Sozial- oder Kulturgeschichte, eines der Lebenswelten der österreichischen Bevölkerung, eines der zunehmenden globalisierten Vernetzung des Landes?
Samstag, 27. Mai 2017
Freitag, 26. Mai 2017
Donnerstag, 25. Mai 2017
Mittwoch, 24. Mai 2017
Leise Revolution. Qualität statt Quantität
In einer Pressekonferenz hat Stella Rollig verschiedene Maßnahmen vorgestellt, die in nächster Zeit im Belveder und im XXI-er-Haus vorgenommen werden. Die Spitzenmeldung (im Standard) ist das Wegfallen des e aus dem ehemaligen Belvedere.
Ungerührter nimmt der Berichterstatter zur Kenntnis, daß, wie Stella Rolig es ausdrückt, "die Perspektive gedreht" werden soll. Statt auf immer neue Besucherrekorde Augenmerk zu haben, werde es eine offensive Vermittlungs- und Forschungstätigkeit geben.
Denn die Frage ist: "Wie gehen die Menschen wieder aus dem Museum hinaus? Was nehmen sie mit von ihrem Besuch?"
Das sollte man nicht unterschätzen. die peridisch veröffentlichten Museumstatistiken sind schon längst zum Mantra der Kulturpolitiker und Journalisten. Und davon verabschiedet sich jetzt das Museum.
Es ist das erste große Museum in Österreich, das erste Bundesmuseum jedenfalls, das sich von der Philosophie der Markt- und Marketingorientierung abwendet und ostentativ den - im Kern immer gesellschaftspolitischen - Aufgaben des Museums zuwendet.
Auf einer Tagung im Vorjahr hat Stella Rollig die generelle Verweigerung gefordert: Museen sollten keine Besuchsstatistiken mehr veröffentlichen.
Um so etwas durchzusetzen, müßten sich ihr andere Museen anschließen, das kann sie nicht alleine machen. Es wäre interessant zu sehen, wie Medien und Politik reagierten.
Ungerührter nimmt der Berichterstatter zur Kenntnis, daß, wie Stella Rolig es ausdrückt, "die Perspektive gedreht" werden soll. Statt auf immer neue Besucherrekorde Augenmerk zu haben, werde es eine offensive Vermittlungs- und Forschungstätigkeit geben.
Denn die Frage ist: "Wie gehen die Menschen wieder aus dem Museum hinaus? Was nehmen sie mit von ihrem Besuch?"
Das sollte man nicht unterschätzen. die peridisch veröffentlichten Museumstatistiken sind schon längst zum Mantra der Kulturpolitiker und Journalisten. Und davon verabschiedet sich jetzt das Museum.
Es ist das erste große Museum in Österreich, das erste Bundesmuseum jedenfalls, das sich von der Philosophie der Markt- und Marketingorientierung abwendet und ostentativ den - im Kern immer gesellschaftspolitischen - Aufgaben des Museums zuwendet.
Auf einer Tagung im Vorjahr hat Stella Rollig die generelle Verweigerung gefordert: Museen sollten keine Besuchsstatistiken mehr veröffentlichen.
Um so etwas durchzusetzen, müßten sich ihr andere Museen anschließen, das kann sie nicht alleine machen. Es wäre interessant zu sehen, wie Medien und Politik reagierten.
Dienstag, 23. Mai 2017
Sonntag, 21. Mai 2017
Samstag, 20. Mai 2017
Mittwoch, 17. Mai 2017
Sokratische Frage Nr.25
Welche Ausstellung ist die bessere?
Eine, die Besucher erregt, aufregt, zu Widerspruch, Kritik bewegt?
Oder eine, zu der es keinerlei Reaktion gibt?
Orhan Pamuks Museum der Unschuld in Istanbul
Gottfried Fliedl Das Museum der Unschuld
1
Die Bekanntheit des Istanbuler Museum der Unschuld verdankt sich sicher
der Prominenz seines Schöpfers, des Schriftstellers und
Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk. Aber sein Museum ist weit mehr als ein
weiteres Autorenmuseum, das seine Besonderheit der Kreativität und Phantasie
einer einzelnen Person verdankt. Das Museum
der Unschuld hat als Experiment begonnen, die herkömmlichen Strukturen der
Institution durcheinander wirft. Es ist ein work in progress, Pamuk arbeitet an
ihm ständig weiter, läßt dokumentarische Filme drehen, betreibt eine
Facebook-Seite, hat ein kommentierendes Buch geschrieben, gibt zahllose
Interviews und veröffentlicht und bastelt ständig an einer theoretischen Kommentierung
weiter.
Grundlage des Projektes ist der dem
Museum gleichnamige Roman, eine Liebesgeschichte.
Der aus gutbürgerlichem Haus stammende Kemal lernt bei der Suche nach einem
Geschenk für seine anstehende Verlobung mit Sibil eine Studentin kennen, die
als Verkäuferin arbeitet. Die entstehende leidenschaftliche Beziehung kann
Kemal nicht davon abhalten, die Verlobung mit Sibil zu feiern. Füsün
verschwindet und Kemals leidenschaftliche Sehnsucht treibt ihn durch Istanbul
auf der Suche nach ihr, die etwa ein Jahr dauert. Er trifft sie, die inzwischen
verheiratet ist, von nun an in ihrer Wohnung, um der Wahrung gesellschaftlicher
Konvention willen aber immer nur in Begleitung. Fast acht Jahre lang und bis zu
viermal in der Woche teilt er mit ihr und Verwandten den Alltag.
Ausschnitt aus dem Stadtplan von Istanbul mit all jenen Orten, an denen Kemal auf seiner Suche nach Füsün sie zu sehen glaubte |
Gleich nahe dem Eingang des Museums: Das Tableau mit den aberhunderten Zigarettenstummeln Füsüns |
In dieser Zeit beginnt Kemal die
Unerreichbarkeit seiner Geliebten fetischistisch zu kompensieren. Er sammelt und
stiehlt gelegentlich sogar alles, was mit ihr in Berührung gekommen ist, und
wenn es die – schließlich über viertausend - Stummeln der von ihr gerauchten
Zigaretten sind. Als Besucher des Museums werden wir sie im Eingangsbereich als
Tableau finden - fein säuberlich mit Hand beschriftet.
Die Ehe von Füsun löst sich langsam
auf und die formelle Scheidung ermöglicht Kemal und Füsun an eine
Wiederaufnahme ihrer Beziehung und an Heirat zu denken. Gleich am Beginn ihrer
Hochzeitsreise kommt es zu einem Autounfall, bei dem Füsun stirbt und Kemal
schwer verletzt wird.
Um zu genesen und um zu verarbeiten
reist er und lernt Museen kennen, kleine Museen, das heißt für ihn, Museen
kleiner Leute, die nicht in die große Geschichte und Politik involviert sind
und insofern „unschuldig“. Er entdeckt, daß seine Sammlung das Potential hat,
ein solches „unschuldiges Museum“ zu werden. „Ich begriff nun, dass das wahre
Haus eines echten Sammlers sein eigenes Museum sein musste.“
Und, inzwischen
zwanzig Jahre nach seiner Genesung, beauftragt er einen ihm bekannten
Schriftsteller, Orhan Pamuk, der seinerzeit schon Gast bei der Hochzeit Kemals
mit Sibil gewesen war, die Geschichte der Liebesbeziehung zu Füsun
aufzuzeichnen.
"...das wahre Haus eines echten Sammlers..." |
In den letzten Abschnitten des Romans
wird also einerseits rückblickend erläutert, wie es zu dem Buch gekommen ist
und vorausblickend, daß es als Erzählung Grundlage eines Museums werden wird,
ja sogar wörtlich ein „Katalog“, in dem sogar schon eine Eintrittskarte
abgedruckt ist.
Ursprünglich wollte Pamuk das
Erscheinen des Buchs mit der Eröffnung des Museums zeitlich zusammenfallen
lassen, es war von Anfang an ein
Projekt, das durch verschiedene Lebensumstände zeitlich auseinandergerissen
wurde.
2
Die Spiegelung im Buch - ein Roman entpuppt sich
als museale Erzählung, die in der Realisierung des Museums fortgeführt und
vertieft wird – wird durch das Museum noch komplizierter. Was als Roman Fiktion
ist, aber wie eine dokumentarische Aufzeichnung eines tatsächlich gelebten
Lebens zur Grundlage der Ausstellung wird, wird im Museum durch die
Objektesembles definitiv beglaubigt. Das Museum legt uns mit den ausgestellten konkreten
Dingen nahe, daß hier eine Wahrheitsgeschichte erzählt wird. Im obersten
Stockwerk wird diese „Authentifizierung“ auf die Spitze getrieben, wenn wir das
Bett sehen dürfen, auf dem Kemal lag und dem auf dem neben dem Bett stehenden
Stuhl sitzenden Orhan Pamuk seine Geschichte erzählte.
Pamuk bemerkt, daß sie,
wenn er müde war, die Plätze getauscht haben, ein Fingerzeig für die Ironie,
die im Umgang des Autors mit den Realitätsebenen liegt und in der
Vertauschbarkeit von Kemal und Pamuk, die offenbar viel gemeinsam haben. Man
läßt uns wissen, in der Umgebung würde das Museum „Füsüns Haus“ genannt. Also,
wo sind wir denn hier? Im Roman? Im Museum? Oder in einer dritten Geschichte
irgendwo dazwischen?
Das Bett Kemals, der Ort, wo er Pamuk seine Geschichte erzählte |
Vor allem in einer Art von Kunst- und
Wunderkammer, in einem sorgfältig – von Pamuk selbst - in Vitrinenschränken
inszenierten Ensembles von Objekten, die kleine Geschichten erzählen oder die
Phantasie des Betrachters anregen, selbst welche zu erfinden, die etwas von der
Stadt Istanbul, ihren Bewohnern, ihrem Alltag erzählen. Auch für jemanden der
nur das Museum besucht, ohne den Roman zu kennen, „funktioniert“ das Museum als
komplexe und verschachtelte Erzählapparatur. Bespielt werden die Schaukästen
mit Objekten, die Pamuk im Laufe seines Lebens auf Flohmärkten gefunden, in
Trödelläden gekauft hat.
Jedem Romankapitel ist eine Vitrine gewidmet |
Die Vitrine, in der Füsüns Ohrring gezeigt wird |
3
Museen, die sich wie das Museum der Unschuld im Grenzbereich von
Realität und Fiktion bewegen, gibt es auch anderswo. Das ganz anders konzipierte
Museum of Jurassic Technology in Los Angeles von David Wilson ist zugleich Hommage an
das Museum wie dessen Kritik. So etwas hat Pamuk nicht im Sinn. Ihm geht es um
das Ausloten der musealen Erinnerungsfähigkeit. Das Konzept ist doppelt paradox:
Es geht um eine einzigartige Erinnerung, um die Geschichte eines individuellen
Paares, die aber über das Museum öffentlich geteilt wird. Kemal möchte, daß
seine persönliche und lebendige Erinnerung im technischen Gedächtnis einer
Sammlung bewahrt wird – was allenfalls nur für ihn gelten kann, während Pamuk
vom öffentlichen Museum und von uns Besuchern verlangt, sich in diese
Geschichte einzufühlen, sie zu teilen.
Surrealistisch anmutende Tableaus, Reliquienschrein und Asservatenkammer von Beweisstücken in einem - die Vitrinen des Museums der Unschuld |
Kemals „Museologie“ offenbart in ihrer
obsessiven Eigentümlichkeit ein Strukturmerkmal des Sammelns, nicht des
Musealen. Denn er widmet sich ausschließlich dem biografische und sentimentale
Sammeln, „das jeden Gegenstand mit einer Erinnerung verbindet.“ Jeder Gegenstand soll das liebende
Eingedenken, das jemand mit einem anderen verbindet, ermöglichen. Das gilt hier
aber nur für Kemal und Füsün. Dieses ist als strikt individuell-einzigartiges
aber nicht sozialisierbar weil es nicht teilbar und übertragbar ist. Es ist
nicht „museumsfähig“. Aber Kemals strikt private Dinge
machen auch etwas mit uns insofern sie an unsere Liebe, unseren Schmerz, unsere
Trauer erinnern.
Kemals Vermächtnis |
Pamuk beschreibt die fundamentale
Lebensfeindlichkeit des Museums präzise und bei der Wahl für den Standort des
Museums entscheidet er sich sogar, ein lebendige Dasein zu beenden, um das
Museum einzurichten zu können. Er redet nämlich seiner Tante ein, daß sie ihm
ihr Haus verkaufen also auch nicht weniger als verlassen soll. Es ist das Haus,
in dem Kemal seine jahrelangen Besuche abstattete. Seine Tante wehrt sich:
„Kemal, ich bring es nicht übers Herz! All die Erinnerungen!“. Und Kemal
erwidert: „Aber wir machen doch das Haus gerade zu einem Ort, an dem wir unsere
Erinnerungen ausstellen, Tante Nesibe.“
Füsüns Spuren |
Pamuk
verleugnet die Widersprüche, damit „...dieser Traum, aus dem man sich nicht befreien kann“ nicht zu Ende geht. Doch
weil auch die Trauerarbeitet nie beendet, das über Objekte vermittelte
fetischistische Begehren nie stillgestellt werden wird, kann weder Kemal noch
Pamuk sich daraus befreien.
Pamuk hat das Museum der Unschuld ein „Medium der Feier des individuellen Lebens“ genannt aber im selben Atemzug auch einbekannt, daß es ein „Mausoleum und Monument der individuellen Liebe“ ist.
Pamuk hat das Museum der Unschuld ein „Medium der Feier des individuellen Lebens“ genannt aber im selben Atemzug auch einbekannt, daß es ein „Mausoleum und Monument der individuellen Liebe“ ist.
Ich möchte diese Überlegungen nicht als
Kritik gegen das Museum gewendet wissen. Pamuk öffnet mit dem Museum eine
poetische Wunderkammer, einen Reflexionsraum, in dem wir uns über unsere
Erinnerung und unser Begehren sowie die Weisen, wie wir damit umgehen und das
Vergangene festhalten, klar besinnen können.
An
prominenter Stelle finden wir im Museum der Unschuld einen Text von Samuel
Taylor Coleridge, der auch dem Roman als Motto vorangestellt ist: "Wenn
ein Mensch im Traum das Paradies durchwandert, und man gäbe ihm eine Blume als
Beweis, dass er dort war, und er fände beim Aufwachen diese Blume in seiner
Hand - was dann?"
Ich
wüßte keine bessere Empfehlung an die Besucher, als sich mit diesem Satz in
dieses zauberhafte Museum zu begeben.
Ein Foto Füsüns? Ist das Füsün? Und was sind das dann für Ohrringe? |
Dienstag, 16. Mai 2017
Eröffnung des Weltmuseums. Mit André Heller! Da kommt Freude auf!!
Am 25. Oktober wird das Weltmuseum in Wien wiedereröffnet. Das wurde heute bekanntgegeben. Und: Das Eröffnungsfest wird André Heller gestalten. Eine geschmackssichere Wahl, denn Hellers "Afrika! AFrika!"-Show wurden nicht nur das Festhalten an Klischees, das Transportieren von Stereotypen vorgeworfen, sondern sogar eine bis zu den Völkerschauen zurückreichende neokoloniale Tradition. Außerdem übten beteiligte Künstler und Medien am Umgang der Verantwortlichen mit den Mitwirkenden, finanzielle Ausbeutung inklusive, heftig Kritik. Heller hat sich rasch vom Manager distanziert. Hatte e r denn keinerlei Verantwortung? Die Show ging weiter und wird weitergehen. Darf man hoffen, daß die Museumsleitung von KHM und Weltmuseum bei Heller keine in Baströkchen gekleidete "Afrikaner" bestellt haben?
Wie auch immer, es wird ein Auftakt mit und als "Event". Der Museumskritiker Walter Grasskamp hat unlängst in einer Diskussion die Abkehr der Museen vom Bildungsauftrag als iihrer genuinen gesellschaftlichen Aufgabe konstatiert und das Ausweichen auf völlig museumsfremde Aktionen, Events, Ereignisse, Projekte. Von der Kinderparty über Picknicks im Museumspark bis zur Tanzperformance und so weiter. Da passt natürlich Heller. Grantig und spaßverderbend wie ich nun mal bin, denke ich mir, wie wärs mal mit einer musealen Bildungserfahrung, die Spaß macht? Oder wird das Weltmuseum das dann ohnehin bieten? Ab dem Vierundzwanzigsten?
Figurinen im Museum 65
Mannequin torso, ‘Chesty Bond’, plastic / paint, Bonds Industries Limited, Sydney, Australia, c. 1950
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