Freitag, 12. Februar 2016

Museums-Wunschland Katar

Derzeit (Jänner 2016) laufen die Vorbereitungsarbeiten für das - flächenmäßig - größte Museum -  The Art Mill,  der Welt, fast doppelt so groß (80.000 qm) wie das derzeit größte sein wird, das in Planung befindliche Guggenheim-Museum Abu Dhabi und das Museum of Islamic Art (in Doha selbst).
Katar besitzt schon einige und einige sehr große Museen, die die Kunstgeschichte repräsentieren, aber, so vermutet Wolfgang Kemp in einem kürzlich erschienen Essay in der Neuen Zürcher Zeitung, vermutlich sei man über das Ende des Gründungs- und Baubooms ebenso überrascht wie von der Konkurrenz zu den spektakulären Museen in Abu Dhabi angestachelt: „So schreibt nun Katar das finale Bauvorhaben aus, das Hyperprojekt, zu dem keine eigene Bestimmung oder gar Sammlung gehört – ausser dass es den (bildenden) Künsten gewidmet ist. Es folgt nicht dem Franchise-Konzept der Konkurrenten in Abu Dhabi. Sein Bau wurde auch nicht gleich an einen Stararchitekten vergeben, sondern als freier Wettbewerb ausgelobt, an dem in Phase eins 489 Büros teilnahmen. In die zweite Runde gehen jetzt 26 Bewerber; unter ihnen David Chipperfield, Renzo Piano oder Eduardo Souta de Moura.“
Mangels Vorgaben für das Megaprojekt - es gibt weder Sammlung noch Konzept -, wird es derzeit vor allem als ikonische Architektur mit zeichenhafter und memorabler Prägnanz propagiert. Wobei memorabel relativ ist. Qatar ist ein sehr junger Staat, erst 1971 gegründet, und die Gebäude, die die Skyline am Meer bestimmen und die teilweise in das Riesenmuseum einbezogen werden, sind ebenso jung.

Rechts im Hintergrund das bereits existierende Islamische Museum, im Vordergrund der Hafen mit einem riesigen Mühlen- und Speichergebäude, das in das Art-Mill-Projekt eingeliedert werden soll.

Wie auch für andere Golfstaaten werden hier Museen im Rückgriff einerseits auf die eigene islamische wie die europäische kulturelle und künstlerische Tradition in einer Tabula-Rasa-Situation errichtet, nahezu ohne jede genuine langfristige lokale Tradition im Hintergrund. Kemp zitiert I.M. Pei: „Es gibt da keinen wirklichen Kontext (in Doha; GF), kein nennenswertes Leben, ausser man geht in den Souk. Ich musste meinen eigenen Kontext kreieren.“
Soll man vermuten, daß es wieder einmal um das Problem (staatlicher) Identität geht, auf das mit Museen geantwortet wird? Es scheint so zu sein, und das unter sehr besonderen Bedingungen. Diese Großstadt Doha (etwa 500.000 Bewohner) nennt Wolfgang Kemp mit dem französischen Historiker Marc Augé einen Nicht-Ort, Non-Lieu, einen „Ort ohne Identität, Beziehung und Geschichte“. Dazu kommt, daß in dem Land mit etwas mehr als 2 Millionen Einwohnern nur 17% Katarer sind.
Einige kleinere Museen, die in der Öffentlichkeit nicht so sehr im Vordergrund stehen, sind bereits der Archäologie und Geschichte der Halbinsel gewidmet und ein Stadtentwicklungsprojekt im älteren Teil Doha beherbergt nun auch gleich vier Museen, die im „wiederbelebten“ historischen Zentrum unter anderem die Geschichte der Sklaverei thematisieren.
In einer Website zu dem Stadtentwicklungsprojekt wird an dem Anspruch des nation building kein Zweifel gelassen: „ Msheireb Museums celebrate the history of four historic heritage houses in the heart of Msheireb Downtown Doha. Located within the oldest part of the capital, they form an important part of Qatar’s national history. They reveal unique aspects of Qatar’s cultural and social development.“
Die nationale Museumsorganisation ist eine der wichtigen Instanzen der programmatischen Entwicklung der Identität des Landes wie sie (ich zitiere hier aus Texten der Qatar Museums Authority) im National Vision 2030 program niedergelegt ist und wo es unter anderem heißt: „Heritage-led developments play a key role in this program, for among its challenges is the wish to mold modernization around local culture and traditions by maintaining Arab and Islamic identity, while showing openness towards other cultures.“
Ein anderer Baustein für den Ausbau der internationalen Reputation Katers ist der Sport sein, unter anderem mit der Ausrichtung der Fußball-WM 2022 sein, das Katar in die globalen Schlagzeilen brachte. Und zwar sowohl wegen des Vorwurfs der Bestechung innerhalb der FIFA als auch den Arbeitsbedingungen an den WM-Baustellen. Jedenfalls setzt Katar auch hier ein Museumsprojekt als Zeichen - ein Olympia-Museum.
Was ich mich vor allem in Hinblick auf die vielen und besonders beworbenen Kunstmuseen frage ist, warum man den Mangel einerseits mit der eigenen kulturell-religiösen Tradition kompensieren möchte, was naheliegend und nachvollziehbar ist, aber mindestens ebenso so stark mit europäischer (Hoch)Kunst. Und das mit der Wahl der überall vertretenen must sees wie Serra, Hirst, Bourgeoise, Rothko usw. und nicht etwa einer globalisierten Vorstellung von Kultur. Dies schlägt sich auch in der Wahl der Architekten nieder, die aus dem Kreis der „üblichen Verdächtigen“ der Welt-Stars kommen - etwa Jean Nouvel, Ieoh Ming Pei. Auch pragmatisch leuchtet das nicht ein: wer wird nach Doha fliegen, wenn er dort sehen kann, was er in näherer Umgebung auch sehen kann, aber sonst kaum etwas - außer er geht, wie I.M. Pei, in den Souk?
Selten wohl ist eine identitätsstiftende „Bildpolitik“ so rasant nahezu aus dem Nichts auf- und ausgebaut worden.
Wo eine spannungsvolle Beziehung von Gegenwart und Vergangenheit zwangsläufig weitestgehend fehlen muß, existiert aber eine beachtlich spannungsvolle Gegenwart, auf die ebenfalls Wolfgang Kemp - und nicht nur er - hinweist, von der man auf den diversen katarischen Informationsseiten im Internet klarerweise keine Spur findet: Der Golfstaat gilt als Hort einer bilderfeindlichen Religion, in der aber die Mehrzahl der Museen Kunstmuseen sind, als stärkste Militärbasis der USA der Region (und war daher Basis der Operationen im Irak), als Sitz von Al Jazeera und - für viele Kritiker - als Financier des IS und des Jihad.
All das läßt sich im Land mit dem höchsten pro Kopf-Einkommen der Welt, dessen Reichtum aus den schon in den 1930er-Jahren entdeckten Ölfeldern und den später entdeckten größten Gasvorkommen weltweit stammt.
Zwar versichert die kanarische Museumsbehörde, daß man dabei sei, ein von Europa unabhängiges, eigenes Museumsmodell zu entwickeln und läßt sich das auch von europäischen Kuratoren wie Hans Ulrich Obrist bestätigen, aber ohne daß es für mich nachvollziehbar wäre, worin der Unterschied bestünde. Bis auf die Tatsache, daß in den Architekturen der Museen auf lokales Formenreservoire zurückgegriffen würde, was für katarische Architektur schon länger gilt. Fotos zeigen den derzeit üblichen Standard an Medien, Informationsdesign und Szenografie.
Den Museen stehen allein für Kunstankäufe  eine Milliarde Euro per anno zur Verfügung. So ist also Quatar, genauer gesagt die Präsidentin des dortigen Museumsverwaltung, der Qatar Museums Authority, Scheicha Al Mayassa bint Hamad bin Khalifa Al Thani, der big player in der Kunstszene und auf dem Kunstmarkt. Und damit wirkt die kanarische Museumspolitik auch auf zumindest den europäischen Kunstmarkt und indirekt vielleicht sogar auf manche Museen zurück.


Montag, 8. Februar 2016

Plachutta, Pröll, Sisi und das Glück des patriotischen Erbens

Die "Kaiserhaus-Sammlung Plachutta“, die „weltweit größte private Habsburg-Sammlung“ weiß Georg Markus im Kurier hocherfreut zu berichten, „besteht aus mehr als 2000 Objekten.“
In dieser Sammlung findet sich unwiederbringlich Wertvolles und Bedeutsames wie "Sisis" Fächer und Porzellanservice, Kleidungsstücke des „alten Kaisers“, eine "Gedenkschrift", die Mary Vetseras Mutter nach der Tragödie von Mayerling verfasst hat. „Ein Glanzstück“ in den Augen von Georg Markus. Aber was soll man erst zu Kaiser Franz Josephs Hausrock sagen oder gar zu seinen Barthaaren bis zu "Sisis berühmtem Porträtbild mit den Sternen im Haar“, dem cremefarbene Spitzenfächer, den Erzherzogin Marie Valerie ihrer Mutter, der Kaiserin, zu deren 47. Geburtstag gebastelt hat oder den Bestellscheinen der Kaiserin Elisabeth für kosmetische Artikel aus dem April 1875? Gerade letztere Objekte scheinen besonders geeignet, die „Historie der K.-u.-k.-Monarchie, aber auch die Alltagskultur der kaiserlichen Familie lebendig“ werden zu lassen (Mario Plachutta zum KURIER).
3,1 Millionen Euro waren diese Zimelien dem Herrn Landeshauptmann Erwin Pröll wert, der, so hört man, diesen Kaiserschatz persönlich von Mario Plachutta übernommen hat. Der ist zwar nur König, nämlich „Rindfleischkönig (NÖN.at), dafür „versorgt die Familie Plachutta im Zivilberuf in Wien ausgesuchte Gäste mit bestem Rindfleisch.“ Plachutta ist aber nicht nur wegen seiner Preisgestaltung bekannt, wenngleich mehr bei den nicht ausgesuchten Gästen, sondern durch seinen kreativen Umgang mit MitarbeiterInnen. Der Arbeiterkammer ist er, wie sie sagt, „bekannt“, unter anderem wegen der Entlassung eines slowakischen Kellners, weil dieser seine selbst mitgebrachten Erdbeeren mit Plachutta-Zucker versüßt hat. (trend vom 15.05.2014, hier der Link mit weiteren Details zu Plachuttas Kreativität im Umgang mit Angestellten und zu seiner Sammlungstätigkeit)
Mit diesem Überraschungscoup eines Sammlungsankaufs (der sicher nach sorgfältiger Expertise durch Fachleute, Schätzung auf Grund eines Inventars und Prüfung der Privenienzen erfolgte) aus dem Rindfleischparadies bremst der Herr Landeshauptmann von Niederösterreich das - noch völlig sammlungslose - Haus der Geschichte Österreich aus, das in der Neuen Hofburg errichtet werden soll und um dessen Profilierung in Sachen Habsburg man bangen muß, wo es doch sowohl ohne das Tee und Kaffeeservice auskommen muß, „das“ - überraschenderweise - „auf allen Teilen einen plastischen kaiserlich-goldenen Doppeladler trägt“, aber auch ohne den Behälter der ungarischen Krönungserde (?) aus dem Jahr 1867, den Rosenkranz „der sterbenden Kaiserin Elisabeth“ (NÖN.at; hatte sie noch andere Rosenkränze?), das Picnic-Set von Kronprinz Rudolf (in Mayerling verwendet?), oder das Feldschreibzeug von Franz Joseph (war er im Krieg?).
Was Landeshauptmann Erwin Pröll zum Erwerb dieser und zwei weiterer Sammlungen sagt, weist ihn als vorausschauenden, historisch verantwortungsvollen Landesvater aus (warum will so jemand nicht Bundespräsident werden?), der weiß, was und warum er erbt: „Das Land erfüllt damit seinen Auftrag, das kulturelle Erbe Niederösterreichs zu bewahren, die Geschichte des Landes zu dokumentieren und sie ab 2017 im Haus der Geschichte der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“
Das volle Ausmaß von Prölls Geistesgegenwart zu würdigen ist erst möglich, wenn wir zur KRONE greifen und zu Günter Traxler Glosse im Standard vom 7.2.2016 (hier): „Historiker wissen“ zitiert Traxler das Kleinformat, „– es sind oft Zufälle, die den Lauf der kleinen und größeren Geschichte bestimmen … Mit der Sammlung des Wiener Topgastronomen Mario Plachutta war das nicht anders. Denn Landeshauptmann Pröll war mit seiner Frau Sisi“ - schon wieder eine (GT) "in der Wollzeile zum Dinner beim Koch-Maestro geladen, als die Sprache" nicht auf die Rechnung (GT), "sondern auf die Kaiserhaus-Sammlung kam. Und jetzt Hochspannung! Patriot Pröll zögerte keine Sekunde, mitten im Dinner mit seiner Frau Sisi, das kostbare kulturelle Erbe für Österreich zu bewahren und vor asiatischer Gier zu retten. Denn es gab auch schon Angebote aus China."

Samstag, 30. Januar 2016

Donnerstag, 28. Januar 2016

Haus der Geschichte - mit drei Fragezeichen

Demnächst erscheint, basierend auf einer Tagung im Herbst 2015, ein Band mit Beiträgen zum "Haus der Geschichte Österreich".

Winkelbauer, Thomas (Hrsg.): Haus? Geschichte? Österreich?
Ergebnisse einer Enquete über das neue historische Museum in Wien
ISBN: 978-3-7003-1965-8
New Academic Press
Als Erscheinungstermin wird der kommende Mai angegeben

Mittwoch, 27. Januar 2016

Das "Haus der Geschichte Österreich". Ein ideologischer Staatsapparat

Um ein "Haus der Geschichte" in der Neuen Burg zu realisieren, ist eine Änderung des Bundesmuseen-Gesetzes notwendig. Das Begutachtungsverfahren hat zu neuerlicher Kritik an dem Projekt geführt. Diese Kritik nimmt die offizielle Kostenberechnung in den Blick und mit dem vorgeschlagenen Namen der neuen Institution, auch deren ideologisch-politische Funktion.

Die Rektorin der Akademie der Bildenden Künste Eva Blimlinger schätzt, daß das Gesamtprojekt nahezu das Doppelte (bis 2019) der derzeit genannten Kosten beanspruchen würde und überrascht mit dem Hinweis, daß in der vorliegenden "unrichtigen und fehlerhaften" Berechnung die Umsatzsteuer, die Bauzinsen und die Valorisierung der Kosten fehle. (Hier der vollständige Wortlaut der Stellungnahme). Sie kommt auf über 80 Millionen Euro, wer es nachlesen will, findet ursprünglich 16 Millionen genannt.

Dem Rechnungshof erscheint die ministerielle Kostenberechnung ebenfalls nicht geheuer - schlicht nicht "plausibel nachvollziehbar" und er entdeckt, daß z.B. die Kosten für die Umsiedlung und Neugestaltung der Sammlung Alter Musikinstrumente fehlt. (Vgl. etwa die Berichterstattung in der Tageszeitung Die Presse vom 20.1.2016)

Zur Erinnerung: als Minister Ostermayer überraschend die Realisierung des Hauses der Geschichte ankündigte und den Standort Neue Hofburg festlegte, legte er der Öffentlichkeit nahe, daß der Kostenaufwand für das neue Museum durch die "Redimensionierung" all jener Pläne möglich sein würde, die das Völkerkundemuseum, (heute: Weltmuseum) zur Modernisierung vorangetrieben hatte. Damals wurde sofort nicht nur die Beschädigung des Projekts der Weiterentwicklung eines wichtigen Bundesmuseums kritisiert, sondern auch bezweifelt, daß sich diese simple Rechnung - "aus der Einsparung finanzieren wir einen neues Museum" -, aufgehen könne. Also waren nicht nur die gerade genannten 16 Millionen eine Irreführung, auch das Argument, durch die Verkleinerung einer Ausbaustufe eines Museums ließe sich ein anderes, völlig neues finanzieren, war Trickserei.

Jetzt ist definitiv klar, daß das Planspiel und die Finanzierungs'konstruktion' als Täuschungsmanöver gelten müssen. In Summe kann die Errichtung eines Museums, für das umfangreiche bauliche Adaptionen notwendig sind, die Umsiedlung einer bestehenden Schausammlung, eine lange Planungsphase, Kosten für Personal und für Sammlungsobjekte uam., nicht dadurch finanziert werden, daß man einer anderen Sammlung Teile ihrer Expansion wegnimmt.

Die politische Unredlichkeit ist eine Sache. Eine andere ist das Konzept, oder wenn man so will die "Ausrichtung" des Hauses. Trotz des inzwischen vorliegenden "Papiers" des wissenschaftlichen Beirats, trotz der Veranstaltung von Tagungen, trotz mancher öffentlicher Äußerungen von Politikern oder HistorikerInnen, trotz medial-öffentlicher Debatte ist der identistätspolitische "Auftrag" des zukünftigen Museums noch immer unklar.

Thomas Winkelbauer, Historiker und Leiter des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung sowie Initiator einer Tagung zum Haus der Geschichte, kritisiert in seinem Gutachten (hier im Wortlaut) zum Gesetzesentwurf den Namen, den die Institution erhalten soll, nämlich "Haus der Geschichte Österreich". Einwände liegen auf der Hand. Es war nämlich bisher immer von einem Zeitgeschichtemuseum bzw. Republikmuseum die Rede bei dem man allenfalls aus einsichtigen Gründen (offen blieb, in welchem Umfang und mit welchen Darstellungs-Methoden; das Lieblingswort während der Tagung zum Haus der Geschichte lautete dazu "Tiefenbohrungen") auf die Zeit vor 1918 zurückgreifen müsse. Der nun gesetzlich festgeschriebene Titel macht aber das Projekt zu einem historischen Museum 'Gesamt'-Österreichs und das ist nun mal, so Prof. Winkelbauer wörtlich "Etikettenschwindel".

Ich unterstelle, daß die Wahl dieser Namensgebung der von Anfang an angestrebten Formierung einer - selbstredend positiv erzählten - national-identitären Großerzählung geschuldet ist. Vom Haus der Geschichte Österreich als "Stätte der geistig-kulturellen Identität Österreichs" spricht der Gesetzesentwurf (der gesamte Entwurf hier). Österreich soll ein Museum bekommen, dessen Name eine umfassende Repräsentation seiner Geschichte verspricht. Was anderes als ein Nationalmuseum ist so etwas?

Deshalb ist es doppelt interessant, wie das Verfahren aussieht, in  dem dieses Projekt realisiert wird - von der dezisionistischen ministeriellen Entscheidung daß und wo es realisiert wird und wer dem Beirat vorsitzt, der das Konzept verfasst, über diese Auswahl des wiederum Experten auswählenden Beiratsleiters bis zur nun im Gesetzesentwurf festgeschriebenen sehr bürokratischen, verschachtelten und hierarchischen Organisationsform. Anders gesagt, es geht darum, wer denn nun gleichsam durch diese Institution zur und über "Nation" spricht, sprechen darf, wer seine geschichtspolitischen Vorstellung artikulieren darf, wer kulturelle Hegemonie über das historisch fundierte Selbstbild der Gesellschaft ausüben darf und kann.

Was das in bürokratisch-politische Pragmatik gegossen heißt, kann man im Gesetzesentwurf nachlesen. Der ist in diesem Punkt beispiellos. Mehrere ineinander verschachtelte, aber alle top down besetzte und kontrollierte Gremien binden das Museum - nicht nur jetzt, während der Planung, sondern langfristig - an das Bundeskanzleramt. (Nebenbei: welche(r) seriöse  Historiker(in) oder Museumsfachmann oder -frau wird sich unter diesen Umständen um die Leitung bewerben?). Thomas Winkelbauer dazu: "Der im Entwurf vorgesehene Einfluss des Bundeskanzleramtes auf die Zusammensetzung des vorgesehenen sechsköpfigen Wissenschaftlichen Beirates des Hauses der Geschichte und damit indirekt auf die Nominierung des wissenschaftlichen Direktors bzw. der wissenschaftlichen Direktorin des Hauses der Geschichte erscheint übermächtig: Zwei der sechs Mitglieder sollen vom Bundeskanzler bestellt werden, von denen eines zum bzw. zur Vorsitzenden gewählt werden muss. Der qua Amt dem Wissenschaftlichen Beirat angehörende Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs ist bekanntlich der Leiter einer nachgeordneten Dienststelle des Bundeskanzleramtes, sodass die vom Bundeskanzler bestellten Mitglieder im Wissenschaftlichen Beirat aller Voraussicht nach eine dominierende Rolle spielen werden können."

Damit nicht genug sieht die organisatorische Konstruktion ja vor, daß das künftige Museum Teil der Österreichischen Nationalbibliothek sein soll (etwas was in den hier genannten Gutachten und auch anderswo schon kritisiert wurde. Nachdem schon beim Leopold-Museum die fragwürdige Form einer Stiftung gewählt wurde und damit die relative organisatorische Einheitlichkeit der Bundesmuseen durchlöchert wurde, wird nun eine weitere Form etabliert.

Wie denn eine "fachliche Selbständigkeit" der Leitung (wieso nur fachlich?) des Hauses möglich sein soll, wenn doch budgetär oder etwa personell auch die - übergeordnete? - Leiterin der Nationalbibliothek zu entscheiden oder mindestens gewichtig mitzureden hat, das habe ich entweder noch nicht verstanden oder es ist noch immer nicht geklärt.

Ich habe früher schon das Fehlen einer in der Zivilgesellschaft verankerten Debatte um das Haus der Geschichte bemängelt. Ich finde es ziemlich unerträglich, daß die Verantwortlichen, allen voran der wissenschaftliche Beirat und ihr Vorsitzender keinerlei Bemühen erkennen lassen, bereits jetzt, wo es aus vielen Gründen sinnvoll wäre, sich um die Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Erfahrungen zu bemühen. Schon jetzt war das Versprechen, daß es irgendwann, sicher aber erst nach Abschluss aller Vorbereitungen, ein "Partizipationswinkerl" geben werde, der blanke Hohn. Was aber der Gesetzesentwurf dazu vorsieht, spottet jeder Beschreibung. Das sogenannte Publikumsforum wird nämlich vom Bundeskanzler ernannt werden (sic!) wobei fünf (von zwanzig) Mitgliedern einstimmig (!) vom wissenschaftlichen Beirat nominiert werden sollen.

Partizipation ist ein museologisches Modewort der letzten Jahre. Aber nicht nur ein Modewort. Was an Partizipation inzwischen theoretisch entwickelt und praktiziert wird, scheint jedoch an allen Verantwortlichen vorbeigerauscht zu sein. Wie auch sonst bei museologischen und inszenatorischen Schlüsselfragen, zeigen sich Konzept, Beirat, Gesetzesentwurf und Debatte erschreckend unbedarft, schweigsam - oder auch einfach nur kopmplett ignorant.





Montag, 18. Januar 2016

Zu sehen

Guests view a sculpture entitled “Moje Sabz” by artist Soheila Sokhanvari at the “Champagne Life” exhibition held at the Saatchi Gallery in London, England, on January 12, 2016
Ben Pruchnie