Mittwoch, 29. Oktober 2014

Sitzen im Museum

Art Brut Center Klosterneuburg-Gugging. Von August Walla bemalte Sessel

Entrée

Meeresrauschen


Erhalten statt vergessen

In einer Tagung in Innsbruck, das drei Jahre nach der Übertragung des Rundgemäldes mit der Darstellung der Schlacht am Bergisel auf eben diesen Berg, eine Art Bilanz zu ziehen versuchte, wurde über die einzelnen Elemente und Trabanten aus denen diese 'Museum' besteht, referiert und diskutiert.
Das Kaiserjäger-Museum, aus dem späten 19.Jahrhundert stammend und nun integraler Teil der Anlage "Tirol-Panorama", bekam Kritik ab. Wohlverpackt in Watte und Styropor, damit möglichst niemend Anstoß nehmen konnte - an der Kritik, nicht am Museum, Gott bewahre!
Dieses Relikt, scheinbar unangreifbar wegen der Konstruktion seiner Trägerschaft - den Kaiserjägern und ihrer Stiftung -, ist den referierenden Historikern wie Museologen sichtbar nicht geheuer gewesen. Aber die Kritik mündete dennoch in nicht viel mehr als einer Empfehlung zur "Kontextualisierung", "reflexiven Anreicherung", und was derlei Textversatzstücke mehr sind.

Das Wiener Burgtor mit seinem äußert dubiosen Denkmalkonglomerat ist nachhaltig erst vor kurzer Zeit ins Gerede gekommen und nun scheint sich tatsächlich eine strukturelle Änderung anzubahnen. Die Form der staatlichen Gedenkpolitik an diesem Ort wurde schon geändert, jetzt geht es um die Denkmäler und den gesamten Ort. Eine Expertin wurde beauftragt. Eine auf Denkmale und Denkmalpolitik spezialisierte Historikerin. So etwas ist immer ein Indiz, daß man eine Diskussion nicht wirklich führen will, sondern durch eine Expertise zu ersetzen wünscht.

Nun gibt es diese Expertise, und siehe da, es soll alles so bleiben, wie es ist, vermehrt um ein weiteres Denkmalsteil. Ein Metadenkmal zur Sichtbarmachung fragwürdiger Symbolik. Und plötzlich werden dann alle Denkmäler zu Medien ihrer Kritik. Ob solche Wunder stattfinden?

Interessant an beiden Beispielen ist eine Unfähigkeit und Mutlossigkeit. Eine Kraftlosigkeit, von Vergangenheit auch loskommen zu können. Wenn etwas tief in antidemokratischer Tradition steht, wenn es historisch unhaltbar, museologisch extrem fragwürdig geworden ist, warum soll es erhalten werden? Warum kann es nicht entfernt werden? Warum kann man nicht auch etwas getrost vergessen?

Montag, 20. Oktober 2014

Ein kurioser Fall von Privatisierung. Staatlicher Kasinokapitalismus

Normalerweise ist ja die Veräußerung von Museumsbesitz nicht möglich. Die Idee eines gemeinsamen Besitzes an kulturellen Gütern ist ja die Grundlage der wohlfahrtsstaatlichen Aufgabe, daß diese jedermann zur Verfügung stehen sollen und damit dem Genuß, der Bildung der Wissensvermehrung zugänglich sein müssen.
Der rechtliche Schutz, der das garantiert und gegen private, willkürliche Eingriffe abschottet, ist meist so streng geregelt, daß es kaum zu Ausnahmen kommt. Solche gibt es allenfalls dann, wenn der Erwerb durch die "öffentliche Hand" rechtsbrüchig erfolgte, was ja in den letzten Jahren zu Restitutionen vieler Kunstwerke an ihre ursprünglichen, meist jüdischen Besitzer geführt hat.
Jetzt gibt es einen Fall, wo ein Deutsches Bundesland doch zwei - noch dazu wertvolle  - Bilder aus "seinem", d.h. eigentlich aus jedermanns Besitz, versteigern lassen will.
Das kuriose daran ist, dass es sich bei den zwei Werken von Andy Warhol aber nicht um Museumsbilder handelt, sondern in einer Spielbank in Aachen hingen. Bis 2009. Dann wurden sie abgehängt und "verwahrt", sie waren zu kostbar geworden, um weiter als "Dekoration" einer Spielbank zu dienen. Die Spielbank ist eine staatlich konzessionierte Tochter der NRW-Bank, die dem Land gehört. Wie also auch die Bilder.
Die Versteigerung fließt aber nicht in den Staatshaushalt, ließ die Bank ausrichten, sondern in die Sanierung des Kasinos (wo den Steuerzahlern zusätzlich Geld im Glücksspiel abgeknöpft wird) und eventuell in die Neugründung eines weiteren in Köln.
Was für eine atemberaubende Vermischung staatlicher Kunstspekulation mit kapitalistischer Renditeerwartung via Spielbank und Bank. Symptomatischer kann kaum was sein. Und ein massiver Versuch, das Tabu der Unveräußerlichkeit des öffentlichen Kunst-und Kulturbesitzes anzutasten. In den Arm des Staates wollen 26 Museumsdirektoren fallen, die brieflich gegen die Versteigerung protestieren. Man wird sehen, was das hilft.

Nachsatz 1: Die Risken, die der geschilderte Deal oder Coup zeitigt, sind erstaunlich. In der Welt wird festgestellt daß das Image der Landesmutter der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft im Wanken ist.

Nachsatz 2: Warum denn nicht, nur zu, denn "es geht darum, daß auch Kunst wieder verkauft werden kann." Zum Beispiel "um den Haushalt zu sanieren". Bernd Freytag in der FAZ. Genauer: Im Wirtschaftsteil der FAZ. Also dann, nur zu! Bereichern wir uns... oder wer?


Dreihunderttausend, irgendwann heute Nacht (In eigener Sache)

Irgendwann heute Nacht gab es den 300.000 Seitenaufruf. Zu meiner Verblüffung wächst das Interesse am Blog auch nach Jahren noch immer, in den letzten Monaten und derzeit sogar überproportional schnell.

Hofmobiliendepot-Eintrittskarte (Entrée 124)


Vorbildlich. Eine Wutrezension. Werner Spies zum Museum Picasso

Endlich mal eine Museumsrezension! Die Wiedereröffnung des Pariser Picasso-Museums nach fünf Jahren Schließung entsetzt Werner Spies maßlos. Er ist zornig, fassungslos, betroffen und destilliert daraus eine Polemik, sachkundig, vernichtend. Sehr lesenswert! so wünsche ich mir Museumskritik.
Hier der Link: http://www.welt.de/print/die_welt/kultur/article133453806/Gerechtigkeit-fuer-Picasso.html

Mittwoch, 15. Oktober 2014

Die Sammlung Essl ist definitiv gerettet. Oder doch noch nicht so ganz?

Nachdem der Versuch des Sammlerehepaares Essl gescheitert war, ihre Sammlung und das Museum dem Staat anzubieten, sah es eine Zeit lang so aus als könnte die Sammlung unter dem Druck der kritischen wirtschaftlichen lage des "baumax-Konzerns" die Sammlung untergehen.
Dann kam es aber zu einer Kooperation mit dem Industriellen Hans Peter Haselsteiner, der selbst eine Sammlung besitzt und der Gründung einer gemeinsamen Trägergesellschaft, die nun das Museum weiterbetreibt und Eigner der Sammlung ist. Damit ist vorerst einmal die gefahr gebannt, daß die Sammlung in der Sanierung des Konzerns gewissermaßen verschwinden, zerstreut, aufgelöst werden kölnnte. Die Verbindlichkeiten, die an Banken bestand, wurden getilgt und die Finanzierung dieser Tilgung durch die neue Trägergesellschaft durch Versteigerung von 44 Objekten aus der Sammlung refinanziert. Das ist - bei der Versteigerung, die gestern stattfand, noch nicht vollständig gelungen, aber der Bestand und Betrieb des Museums und der Sammlung dürften nun definitiv gesichert sein. Allerdings ist ein Teil der Refinanzierung noch zu leisten und sowohl der Betrieb des Museums als auch eine allfällige Erweiterung der Sammlung müssen - unklar wie - finanziert werden.

In einem aufschlussreichen Interview, das Karl-Heinz Essl gestern der Tageszeitung KURIER gegeben hat, erfährt man einiges über diese Fragen, kann viele Details der Regelung nachlesen, die zwischen ihm und H.P. Haselsteiner getroffen wurden und wird ansatzweise über die Zukunft des Museums und der Sammlung informiert.

Hier der Link zum Interview: http://kurier.at/kultur/kunst/karlheinz-essl-jedes-einzelne-bild-teil-unseres-lebens/91.149.029 und hier der Satz aus dem Gespräch, der K.H. Essl offenbar am meisten von Herzen kam: "Ich bin heute froh, dass es nicht dazu gekommen ist (zum staatlichen Ankauf - GF) , muss ich ehrlich sagen. Mit Haselsteiner das Museum und die Sammlung weiter zu betreiben, ist mir viel angenehmer als mit dem Staat und all den Problemen, die das mit sich bringt -  den politischen Einflüssen, den Querschüssen von allen Seiten. Ich glaube, das ist die beste aller möglichen Lösungen, und darüber bin ich mehr als  glücklich."

Dienstag, 14. Oktober 2014

Origineller Gebrauch einer Taxidermie


Der österreichische Museumspreis wird sich selbst auffressen

Per Sondernewsletter informiert ICOM Österreich über die stolzen Empfänger des Österreichischen Musuemspreises. Hier die Liste der vierundzwanzig Museen. Angesichts der Gesamtzahl an österreichischen Museen ist die Zahl der jährlichen Preisträger sehr hoch. Je länger der Preis vergeben wird, desto mehr veliert er an Unterscheidungskraft, das heißt auch an Auszeichnung. Sicher, er wird auf Zeit vergeben, andrerseits kann er auch verlängert werden.

Allerdings freut sich jeder, wenn er ein "Zeugnis" bekommt und in seinem Museum eine Plakette anbringen darf. Die Kriterien, die der Preiszuerkennung zugrundeliegen, ist umfangreich aber überwiegend formal. Sie betreffen die Organisation, kaum die Qualität, Ziele und Strategien der Museen. Offenbar kann er auch glaich im Bündel vergeben werden, oder sind alle "Filialen", die das Wien Museum oder das Universalmuseum Joanneum betreiben, alle (gleich) gut? Güte kommt in dem Fall leider nur von gut. Ein Preis, sollte der nicht ehr ausgezeichnete Museen fördern, also wirklich herausragende, innovative, originelle, experimentelle Museen?

Und über ein Museum, das den Preis bekommen hat, werde ich demnächst noch etwasausführlicher schreiben.

Archäologisches Pilgermuseum Globasnitz, www.museum-globasnitz.at
Ars Electronica Center. Museum of the Future, Linz, www.aec.at
Botanischer Garten der Karl Franzens Universität Graz, www.uni-graz.at/garten
Die Heilerin vom Gurgltal, Tarrenz, www.knappenwelt.at
Evangelisches Museum Murau, www.museum.evang.st
Heimathaus-Stadtmuseum Perg, www.pergmuseum.at
Heimatmuseum Achental, Achenkirch, www.sixenhof.at
Liszt-Haus Raiding, www.liszt-haus.at
Marmormuseum Adnet, www.marmormuseum.adnet.at
Montafoner Museen mit den Standorten Montafoner Tourismusmuseum Gaschurn, Museum Frühmesshaus Bartholomäberg, Montafoner Heimatmuseum Schruns, Montafoner Bergbaumuseum Silbertal, www.stand-montafon.at
Museum der Völker, Schwaz, www.museumdervoelker.com
Museum in der Schule, Taufkirchen an der Pram, www.museumtaufkirchen.wordpress.com
Österreichisches Freimaurer-Museum Rosenau, www.freimaurermuseum.at
Ötztaler Heimat- und Freilichtmuseum, Längenfeld, www.oetztal-museum.at
Residenzgalerie Salzburg, www.residenzgalerie.at
Schloss Esterházy, Eisenstadt, www.esterhazy.at
Stadtmuseum Eisenerz, www.eisenerz.at
Universalmuseum Joanneum mit seinen Standorten Landeszeughaus, Museum im Palais, Münzkabinett, Schloss Eggenberg, Schloss Stainz, www.museum-joanneum.at
vorarlberg museum, Bregenz, www.vorarlbergmuseum.at
Webereimuseum, Haslach an der Mühl, www.textiles-zentrum-haslach.at
Wien Museum mit seinen Standorten Beethoven Pasqualatihaus, Beethoven Wohnung Heiligenstadt, Haydnhaus, Hermesvilla, Johann Strauß Wohnung, Otto Wagner Hofpavillon Hietzing, Otto Wagner Pavillon Karlsplatz, Pratermuseum, Römermuseum, Schubert Geburtshaus, Schubert Sterbewohnung, Uhrenmuseum, www.wienmuseum.at
ZOOM Kindermuseum, www.kindermuseum.at

"Ableger" mit Erfolgsausichten?

Bernhard Schulz frohlockt im Berliner Tagesspiegel (heute, unter dem Titel "Potenzial der Provinz". Worüber? Über den Erfolg der Dezentralisierung der Museen in Frankreich.
Also. Dezentralisierung. Erst e i n Nationalmuseum durfte Paris verlassen, in Richtung Marseille. Das Musée des Civilisationsde l'Europe et de la Méditerranée.
Die beiden anderen Beispiele, die Bernhard Schulz nennt, sind die "Filiale" des Centre Pompidou in Metz und die des Louvre in Lille.
Worin denn nun das "Potential in der Provinz" besteht, erfährt man nicht.
Das Kriterium, das für den "Erfolg" der drei Museen herhalten muß sind, man glaubts ja kaum, die Besucherzahlen.
Achsoso.