Montag, 21. Januar 2013
Samstag, 19. Januar 2013
Das Barbarische der Museen (Das Museum lesen 31)
"Man braucht nur irgendeinen Ort zu betreten, an dem Meisterwerke in großer Zahl zusammengebracht wurden, um diese Art Museumskrankheit zu erfahren, ähnlich der Übelkeit, die einem im Gebirge überkommt, aus Schwindel und Atemnot, dem jedes Glück des Sehens und jeder Wunsch, sich berühren zu lassen, sehr schnell zum. Opfer fallen. Zugegeben, im ersten Augenblick, welche Erschütterung, welche physische Gewißheit einer gebieterischen Präsenz,· einmalig, obgleich endlos vervielfältigt. Die Malerei ist wahrhaft da, leibhaftig, (en personne). Aber es ist eine Person, so sicher ihrer selbst, so zufrieden mit ihrem Nimbus und ihrem Gepränge, die sich durch einen solchen Willen zum Schauspiel imponiert und exponiert, daß sie, verwandelt in eine Theaterkönigin, uns unsererseits in Zuschauer verwandelt, sehr leidenschaftliche, dann ein wenig verstörte und dann ein wenig angeödete. Ganz offensichtlich hat das Gewöhnliche der Museen etwas unerträglich Barbarisches an sich. Wie konnte man es soweit kommen lassen? Wie hat sich die einsiedlerische, ausschließende, einem geheimen Punkt, den sie uns kaum bezeichnet, entschieden zugewandte Bejahungen jedem gemalten Bild auf diese spektakelhafte Vergemeinschaftung, diese lärmende und vornehm tuende Zusammenkunft die man eben Kunstschau (salon) nennt, eingelassen? Die Bibliotheken haben auch ich weiß nicht was an Überraschendem, aber zumindest zwingt man uns nicht, all die Bücher zugleich zu lesen (noch nicht). Warum haben die künstlerischen Werke diese enzyklopädische Ambition, die sie veranlaßt, um gemeinsam gesehen zu werden, zusammen unter einen so allgemeinen, so konfusen und so schwachen Blick verfügt zu werden, daß daraus offensichtlich nur die Zerstörung jeder wahren Kommunikationsbeziehung folgen kann?"
Ein Museum: Das National Firearms Museum der National Rifles Association
Der Sitz der National Rifles Association |
"Wer Glauben und Gefühle von Amerikas Schützenbund verstehen will, mag sich eine gekreuzte Kreatur aus Automobilklub und Drachen vorstellen. Die feuerspeiende NRA ist die Hüterin der Verfassung wider den tyrannischen Staat, der seine Bürger entwaffnen und den Schatz der Freiheit rauben will. Die fürsorgliche NRA sieht sich als "vornehmster Verband für Schusswaffen-Erziehung in der Welt", der mit Hotelnachlässen und netter Jugendarbeit wirbt. Ständig ist sie beleidigt, als Drache missverstanden zu werden. Seit dem Schul-Massaker von Newtown am 14. Dezember hat die NRA in Notwehr 250.000 neue Mitglieder geworben. Der Verband wurde immer stärker, wenn er angegriffen wurde." Uwe Schmitt: Feuer frei, in: Die Welt,19.1.2013 (hier)
Vitrine mit Waffen des II. Weltkriegs |
Der Roosevelt Room |
Die Galerie des Museums im Überblick auf der WEebseite des Museums |
Freitag, 18. Januar 2013
Klimt: Das Jahr geht - die Villa bleibt
Mittwoch, 16. Januar 2013
Dienstag, 15. Januar 2013
Trostlose Erbsenzählerei mit der Jubelstatistik
Alle Jahre wieder tauchen die Besuchszahlen der Österreichischen Bundesmuseen auf, dann, wenn der letzte Kulturbericht veröffentlicht wurde. Dann gibts eine Presseaussendung und einschlägige Artikel in den Blättern der Hochintelligenz. Die Statistik ist immer erfreulich, immer ist irgendetwas gestiegen, immer ist irgendjemand besser geworden, immer hat irgendwer einen Rekord eingestellt.
Gestern durften wir im Standard (hier) wieder einen solchen Artikel lesen, wobei Entwicklungen seit 2002 berücksichtigt wurden. Und immer werden gleich mehrere gravierende Sachverhalte ignoriert, deren Berücksichtigung freilich diese Art des statistischen Vergleichs ad absurdum führte.
Zunächst mal - wie oft ist das schon gesagt worden -, was man zählt, sind nicht Besucher, sondern Besuche. Das ist insofern alles andere als egal, als solche Statistiken, wenn man diese Unterscheidung nicht trifft, die sehr ungleiche Nutzung der unterschiedlichen sozialen Gruppen unterschlägt. Streng genommen könnte ein mehr an Besuchen nicht unbedingt ein mehr an Besuchern bedeuten.
Der zweite gravierende Einwand: die Zahl der Besuche korreliert selbstverständlich mit der Zahl der Ausstellung und mit ihrer Attraktivität. Da die Museen bei der Erhebung der Zahlen keinen Unterschied zwischen der permanenten Ausstellung und den Sonderausstellungen machen können oder wollen, macht die ganze Vergleicherei freilich sehr wenig Sinn.
Der Autor des Standard-Artikels, Thomas Trenkler, nennt selbst den Einfluß etwa der Klimt-Ausstellung in der Österreichischen Galerie oder der van Gogh-Ausstellung in der Albertina.
Drittens: Unberücksichtigt bleiben Schließzeiten, vorübergehende Einschränkungen des Dauerausstellungsbetriebes, wie etwa beim MMK, das Wachsen oder Schrumpfen von Museen durch Ein- oder Ausgliederungen, wie etwa beim KHM oder der Österreichischen Galerie. So wird weder aus der Statistik noch aus dem Artikel klar, ob etwa das Museum des XXI.Jahrhunderts berücksichtigt wurde oder nicht, während beim KHM etwa das Völkerkundemuseum nicht mitgezählt wurde. Die Struktur der Museen hat sich im dargestellten Zeitraum immer wieder verändert. Hingewiesen wird nur auf die Schließzeit der Albertina und des MUMOK.
Viertens: Alle wissen es, kaum jemand redet darüber. Die Zahlen werden geschönt. Jetzt läßt sich das etwas leichter behaupten, da ja die Manipulation der Erhebung am MAK unter der Direktion Noever bekannt wurde. Nicht nur ich kenne Museen, die ein- und denselben Besucher zweimal oder sogar dreimal zählen, wenn er etwa in ein- und demselben Museum Sonderausstellungen und die Dauerausstellung besucht. Apropos: Ob die bekannt gewordenen Manipulationen an den Zahlen des MAK in der Statistik noch drinstecken oder nicht, auch das erfährt man nicht.
Fünftens und zum Schluß und bis zum Überdruß: Alle machen immer auf die Sinnlosigkeit der Quotenzählung hin, die Kuratoren, die Journalisten, und alle machen mit, veröffentlichen die Zahlen, versehen sie mit jubilatorischen Aufmachern, als hätte grade der Finanzminister einen Budgetüberschuß verkündet.
Und niemand diskutiert über Qualität und Inhalte und über alternative und sinnvolle Möglichkeiten, die Arbeit von Museen (die ja nicht bloß im Ausstellen besteht) zu bewerten. Es ist trostlos.
Gestern durften wir im Standard (hier) wieder einen solchen Artikel lesen, wobei Entwicklungen seit 2002 berücksichtigt wurden. Und immer werden gleich mehrere gravierende Sachverhalte ignoriert, deren Berücksichtigung freilich diese Art des statistischen Vergleichs ad absurdum führte.
Zunächst mal - wie oft ist das schon gesagt worden -, was man zählt, sind nicht Besucher, sondern Besuche. Das ist insofern alles andere als egal, als solche Statistiken, wenn man diese Unterscheidung nicht trifft, die sehr ungleiche Nutzung der unterschiedlichen sozialen Gruppen unterschlägt. Streng genommen könnte ein mehr an Besuchen nicht unbedingt ein mehr an Besuchern bedeuten.
Der zweite gravierende Einwand: die Zahl der Besuche korreliert selbstverständlich mit der Zahl der Ausstellung und mit ihrer Attraktivität. Da die Museen bei der Erhebung der Zahlen keinen Unterschied zwischen der permanenten Ausstellung und den Sonderausstellungen machen können oder wollen, macht die ganze Vergleicherei freilich sehr wenig Sinn.
Der Autor des Standard-Artikels, Thomas Trenkler, nennt selbst den Einfluß etwa der Klimt-Ausstellung in der Österreichischen Galerie oder der van Gogh-Ausstellung in der Albertina.
Drittens: Unberücksichtigt bleiben Schließzeiten, vorübergehende Einschränkungen des Dauerausstellungsbetriebes, wie etwa beim MMK, das Wachsen oder Schrumpfen von Museen durch Ein- oder Ausgliederungen, wie etwa beim KHM oder der Österreichischen Galerie. So wird weder aus der Statistik noch aus dem Artikel klar, ob etwa das Museum des XXI.Jahrhunderts berücksichtigt wurde oder nicht, während beim KHM etwa das Völkerkundemuseum nicht mitgezählt wurde. Die Struktur der Museen hat sich im dargestellten Zeitraum immer wieder verändert. Hingewiesen wird nur auf die Schließzeit der Albertina und des MUMOK.
Viertens: Alle wissen es, kaum jemand redet darüber. Die Zahlen werden geschönt. Jetzt läßt sich das etwas leichter behaupten, da ja die Manipulation der Erhebung am MAK unter der Direktion Noever bekannt wurde. Nicht nur ich kenne Museen, die ein- und denselben Besucher zweimal oder sogar dreimal zählen, wenn er etwa in ein- und demselben Museum Sonderausstellungen und die Dauerausstellung besucht. Apropos: Ob die bekannt gewordenen Manipulationen an den Zahlen des MAK in der Statistik noch drinstecken oder nicht, auch das erfährt man nicht.
Fünftens und zum Schluß und bis zum Überdruß: Alle machen immer auf die Sinnlosigkeit der Quotenzählung hin, die Kuratoren, die Journalisten, und alle machen mit, veröffentlichen die Zahlen, versehen sie mit jubilatorischen Aufmachern, als hätte grade der Finanzminister einen Budgetüberschuß verkündet.
Und niemand diskutiert über Qualität und Inhalte und über alternative und sinnvolle Möglichkeiten, die Arbeit von Museen (die ja nicht bloß im Ausstellen besteht) zu bewerten. Es ist trostlos.
Zufallsfund
"Von dem Kunsthistoriker Peter Geimer stammt die schöne Beobachtung, dass
moderne Kunst sich häufig auf Kosten des Betrachters profiliert. Beim
Durchlesen von Ausstellungstexten war ihm aufgefallen, dass die Kunst
stets als radikal und subversiv beschrieben wurde, der Betrachter
dagegen als einfältig und pedantisch."
Gefunden in Julia Voss Essay "Kunstauffassung im Wandel. Ein Bild für Kinder." FAZ 5.1.2013, Online hier.
Gefunden in Julia Voss Essay "Kunstauffassung im Wandel. Ein Bild für Kinder." FAZ 5.1.2013, Online hier.
Sonntag, 13. Januar 2013
Samstag, 12. Januar 2013
Aus der Geschichte der Schatzbildung: Tetzels Ablasstruhe (Objet trouvé)
Es klingt ganz heutig. Wie kommt man zu viel Geld, um zu investieren? Wie nutzt man dabei bereits existierende Schuldverhältnisse? Wie bewerkstelligt man Umverteilung im Großmaßstab?
In katholischen Ländern ging das im 16. Jahrhundert so. Eine Fachkraft wird beauftragt Ablasshandel zu treiben, also die Umwandlung von Schuld in Geld. Wer zahlte, kam nicht in die Hölle, die Sünden wurden vergeben. Dafür gab es detaillierte Preislisten, die eine Staffelung nach Ausmaß des Sündennachlasses und sozialer Zugehörigkeit vorschrieben. "Vollkommene Vergebung" war selbstredend teuer, kostete Könige und Königinnen mit ihren Nachkommen, Erzbischöfe und Bischöfe fünfundzwanzig rheinische Goldgulden, Äbte, Prälaten und andere Adelige zehn Goldgulden. Die Staffelung der übrigen Gesellschaftsschichten bezog sich auf das jeweilige Einkommen.
Die Fachkraft war der Dominikanermönch Johann Tetzel (* um 1460 † 11. August 1519). Seine Karriere beginnt im Dienste des Deutschen Ritterordens und hat ihren Höhepunkt in der Ernennung zum Subkommissar beim Ablasshandel für den Bau der Peterskirche in Rom. Denn die Hälfte der Einnahmen aus dem Ablass fließen in den Bau des Persdomes (der Papst zeigt sich mit einer Ernennung zum Doktor der Theologie erkenntlich), die andere Hälfte ging, in einem geheimen Abkommen geregelt, an den Erzbischof Albrecht von Brandenburg. Womit dieser seine gegenüber den Fuggern aufgelaufenen Schulden begleichen konnte. Die Fugger hatten offenbar Grund, dem frommen Mann Tetzel bei seinem Eintreibergeschäft zu misstrauen, sie begleiteten ihn und zogen die den Fuggern zustehenden Tilgungssummen sofort und selbst ein. Tetzel hatte ja wirklich alles andere als einen frommen Lebenswandel, in Innsbruck wurde er wegen Ehebruchs zum Tode verurteilt. Der Kurfürst von Sachsen rettete ihn. Die immensen Schulden des Erzbischofs waren entstanden, weil er mit den Krediten Ämter kaufte (Simonie) - zusätzlich zu den Bischofssitzen von Magdeburg und Halberstadt den wichtigsten deutschen Erzbischofsstuhl von Mainz, der mit der Kardinalswürde und dem Erzkanzleramt über den deutschen Teil des Reiches verbunden war. Dieses Handeln mit wechselseitigen Schuldverhältnissen brachte das Fass zum Überlaufen und provozierte Martin Luther zu seinem berühmten Thesenanschlag.
Ein Relikt des unfrommen Wirkens Tetzels sind einige (in ihrer Authentizität nicht so ganz gesicherte) Ablasskisten. Von der hier abgebildeten Truhe, die sich im Städtischen Museum Braunschweig befindet, weiß man aus Quellen, daß Tetzel sie im Zuge von Ablaßpredigten in der kleinen Peterskapelle südöstlich des Dorfes Süpplingenburg (bei Helmstedt) verwendet hat. Solche Kisten mussten massiv, mit Eisen verstärkt und durch mehrere Schlösser gesichert sein. Die Ablaßkiste durfte nicht offenstehen und nur in Anwesenheit von Zeugen oder eines Notars geleert werden. Man nimmt an, daß die Schlüssel zu den drei auf dieser Truhe befindlichen Schlössern im Besitz der drei Nutznießer des Ablasshandels waren: die römische Kurie, das Fuggersche Bankhaus und der Ablaßkommissar und Erzbischof Albrecht von Mainz und Magdeburg.
Schätze und Schatzhäuser sind eine der Grundformen des Sammelns. Die Geschichte vom Ablassfunktionär Tetzel ruft uns deren eher unterschlagenen und verdrängten Aspekte in Erinnerung.
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