Freitag, 9. Dezember 2011
Auch Bayern schrumpft!
Wie Blog-Leser T.H. meldet, verschwinden auch in Bayern Museen. Die nötige und ausführliche Information findet man bei dieser Webadresse: http://www.orh.bayern.de/jahresberichte/jahresbericht-2011/wirtschaftlichkeit/615-tnr-26-staatliche-zweigmuseen-und-zweiggalerien.html
Donnerstag, 8. Dezember 2011
Beruf ohne Ausbildung, Ausbildung ohne Beruf
1
Dieser Text wurde
aus Notizen zum Vortrag auf der Herbsttagung des Museumsverbandes
Baden-Württemberg e.V. und dem Ludwig-Uhland-Institut der Universität Tübingen zum
Thema Universität und Museum verfasst.*
Die Einladung hat
mich – zum ersten Mal – veranlasst, meine etwa dreißigjährige Tätigkeit im Feld
der museumsbezogenen Aus- und Weiterbildung nach Erfahrungen und
Mitteilungswertem durchzukämmen. Die Überlegungen sind bruchstückhaft, auf das
Thema der Tagung fokussiert und als Anstoß zu Diskussionen gedacht.
2
Off the record kann man sich unter Museumsleuten rasch darauf einigen, dass es so etwas wie eine Berufsausbildung kaum gibt und vielleicht sogar darauf, dass dies einen Mangel darstellt. Zu viele und zu besondere Anforderungen stellt die Museumsarbeit, als dass eine gezielte Vorbereitung zu entbehren wäre. Aber, wie wir wissen, eine solche Berufsausbildung existiert nicht, und ihrer Verwirklichung stehen nicht nur psychologische – wer will schon eingestehen, dass er möglicherweise ungenügend ausgebildet ist? - oder organisatorische Gründe entgegen, sondern vor allem der Umstand, das es den Museumsberuf nicht gibt.
Kurzum, es gibt so etwas wie eine strukturelle Unprofessionalität der Museumsarbeit, fast jeder weiß das, die wenigsten gestehen sich das ein und fast niemand versucht eine Diskussion darüber in Gang zu bringen oder Abhilfe zu schaffen.
Off the record kann man sich unter Museumsleuten rasch darauf einigen, dass es so etwas wie eine Berufsausbildung kaum gibt und vielleicht sogar darauf, dass dies einen Mangel darstellt. Zu viele und zu besondere Anforderungen stellt die Museumsarbeit, als dass eine gezielte Vorbereitung zu entbehren wäre. Aber, wie wir wissen, eine solche Berufsausbildung existiert nicht, und ihrer Verwirklichung stehen nicht nur psychologische – wer will schon eingestehen, dass er möglicherweise ungenügend ausgebildet ist? - oder organisatorische Gründe entgegen, sondern vor allem der Umstand, das es den Museumsberuf nicht gibt.
Kurzum, es gibt so etwas wie eine strukturelle Unprofessionalität der Museumsarbeit, fast jeder weiß das, die wenigsten gestehen sich das ein und fast niemand versucht eine Diskussion darüber in Gang zu bringen oder Abhilfe zu schaffen.
An Museen können je
nach Größe und Museumstyp Personen arbeiten, die eine spezifische, auf das
Museum bezogene Qualifikation haben wie etwa Restauratoren oder Präparatoren
und gleichzeitig solche, die zwar für viele Tätigkeiten qualifiziert sind, aber
keine oder kaum museumsspezifischen Kenntnisse haben. So wenig ein hoch qualifizierter
Mineraloge auch Ausstellungsmacher ist, so wenig ist ein Kunsthistoriker durch sein
Studium mit der Inventarisierung vertraut und so weiter.
Bemerkenswert ist der Status jenes Berufs, an den man meist denkt, wenn man von museumsbezogener Berufsausbildung redet: der des Kurators, des wissenschaftlichen Mitarbeiters, der in der Regel die verantwortlichste und mächtigste Position im Museum innehat. Seine Berufsberechtigung gründet meist in der Absolvierung eines Hochschulstudiums mit Abschluss in einer Wissenschaftsdisziplin, die im Museum vertreten ist. Zwar werden bei der Einstellung von Personal vermehrt zusätzliche, museumsspezifische Kenntnisse verlangt, aber die Regel ist das nicht, es ist meist die fachdisziplinäre Qualifikation allein, die genügen soll.
Das ist problematisch, weil es offensichtlich viele und besondere Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen im Museum braucht, die nicht oder nur unzulänglich im Verlauf eines Fachstudiums vermittelt werden. Das Museum ist nun mal ein Hybrid, eine Institution, ein Medium, ein sozialer Raum, eine Sammlung, ein Schauort und vieles andere mehr, und wer kann sagen, dass ihn ein Studium der Ethnologie, Volkskunde oder Kunstgeschichte auf all das vorbereitet?
Die Einseitigkeit der Qualifikation - der Nachweis einer fachwissenschaftlichen Ausbildung - hat mit einem ebenso einseitigen Verständnis vom Museum zu tun. Wer das Museum nur als wissenschaftliche Anstalt sieht, verengt das breite Spektrum seiner Eigenschaften und Potentiale dramatisch und legt ihm einen ebenso engen Wissensbegriff zugrunde. Dieses Museumsverständnis erschöpft sich in der Vorstellung, dass ein Museum ein Ort der objektbezogenen Forschung ist und im Wesentlichen deren Resultate vermittelt (wenn das überhaupt der Fall ist und das gewonnene Wissen nicht bloß in engsten Fachkreisen und –journalen zirkuliert, ohne jede Auswirkung auf das Museum und seine Ausstellungen). Aus ihm sind zum Beispiel das Wissen der Besucher ebenso ausgeschlossen, also auch ihre Interessen und Fragen, wie das - in den letzten Jahrzehnten unglaublich angewachsene und enorm differenzierte - praktische und theoretische Wissen der Museologie.
Aus einer je nach Museumstyp mehr oder weniger intensiv gepflegten sammlungs- und daher auf Dinge bezogenen Forschung (die statistisch gesehen nur eine kleine Minderheit von Museen betreibt) kann nicht der Schluss gezogen werden, das Museum nahezu ausschließlich mit wissenschaftlichem Wissen zu identifizieren. Museen sind immer auch Orte des Sehens, der sozialen Interaktion, des unabschließbaren Fragens, der immer wieder abgleitenden Suche nach Bedeutung und Sinn, der Selbstauslegung, der Erinnerung und vieles andere mehr.
Es scheint sich immerhin – wenn gleich nur zaghaft, vielleicht auch unter dem Eindruck, den die lange Praxis der Künstlermuseen und der künstlerischen Interventionen hinterlässt - die Ahnung durchzusetzen, dass das Museum etwas zwischen Kunst und Wissenschaft ist, wobei dieses etwas aber auch nicht bloß als deren beider Summe oder Quotient gelten kann. Das heißt, es rückt (nicht überraschend) die Vermittlung, die Darstellung, die Repräsentation stärker ins Zentrum der Aufmerksamkeit, generell der soziale Prozess, der unter Einbeziehung von Architektur, Exponat, Besucher, ‚Autor’ (Kurator), Gestalter und vielem anderen mehr zustande kommt. Hier endet in der Praxis oft auch die Forderung nach Wissenschaftlichkeit (obwohl auch dazu inzwischen ein reiches museologisches Wissen existiert) und man delegiert aus Verlegenheit, nicht selbst als Wissenschafter für die Gestaltung verantwortlich sein zu wollen und zu können, gerne an Architekten, Grafiker oder an einschlägig tätige Büros, ganz zu schweigen vom eben kurz beschriebenen Performanz des Museums und seiner ‚Gestaltung’.
3
Beeindruckt zeigt sich die Museumsroutine von solchen Widersprüchen und Problemen freilich wenig. Museumsarbeit reproduziert sich weitgehend aus sich heraus, oft ohne erkennbaren oder nur mit unglaublich langsamem Fortschritt. Daß die Rekrutierung von Personal oft überhaupt nicht nach qualitativen Gesichtspunkten erfolgt, sondern von internen institutionellen Sachzwängen, persönlichen Befindlichkeiten oder von politischen Wünschen von außen erfolgt, darauf möchte ich hier gar nicht eingehen.
Bemerkenswert ist der Status jenes Berufs, an den man meist denkt, wenn man von museumsbezogener Berufsausbildung redet: der des Kurators, des wissenschaftlichen Mitarbeiters, der in der Regel die verantwortlichste und mächtigste Position im Museum innehat. Seine Berufsberechtigung gründet meist in der Absolvierung eines Hochschulstudiums mit Abschluss in einer Wissenschaftsdisziplin, die im Museum vertreten ist. Zwar werden bei der Einstellung von Personal vermehrt zusätzliche, museumsspezifische Kenntnisse verlangt, aber die Regel ist das nicht, es ist meist die fachdisziplinäre Qualifikation allein, die genügen soll.
Das ist problematisch, weil es offensichtlich viele und besondere Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen im Museum braucht, die nicht oder nur unzulänglich im Verlauf eines Fachstudiums vermittelt werden. Das Museum ist nun mal ein Hybrid, eine Institution, ein Medium, ein sozialer Raum, eine Sammlung, ein Schauort und vieles andere mehr, und wer kann sagen, dass ihn ein Studium der Ethnologie, Volkskunde oder Kunstgeschichte auf all das vorbereitet?
Die Einseitigkeit der Qualifikation - der Nachweis einer fachwissenschaftlichen Ausbildung - hat mit einem ebenso einseitigen Verständnis vom Museum zu tun. Wer das Museum nur als wissenschaftliche Anstalt sieht, verengt das breite Spektrum seiner Eigenschaften und Potentiale dramatisch und legt ihm einen ebenso engen Wissensbegriff zugrunde. Dieses Museumsverständnis erschöpft sich in der Vorstellung, dass ein Museum ein Ort der objektbezogenen Forschung ist und im Wesentlichen deren Resultate vermittelt (wenn das überhaupt der Fall ist und das gewonnene Wissen nicht bloß in engsten Fachkreisen und –journalen zirkuliert, ohne jede Auswirkung auf das Museum und seine Ausstellungen). Aus ihm sind zum Beispiel das Wissen der Besucher ebenso ausgeschlossen, also auch ihre Interessen und Fragen, wie das - in den letzten Jahrzehnten unglaublich angewachsene und enorm differenzierte - praktische und theoretische Wissen der Museologie.
Aus einer je nach Museumstyp mehr oder weniger intensiv gepflegten sammlungs- und daher auf Dinge bezogenen Forschung (die statistisch gesehen nur eine kleine Minderheit von Museen betreibt) kann nicht der Schluss gezogen werden, das Museum nahezu ausschließlich mit wissenschaftlichem Wissen zu identifizieren. Museen sind immer auch Orte des Sehens, der sozialen Interaktion, des unabschließbaren Fragens, der immer wieder abgleitenden Suche nach Bedeutung und Sinn, der Selbstauslegung, der Erinnerung und vieles andere mehr.
Es scheint sich immerhin – wenn gleich nur zaghaft, vielleicht auch unter dem Eindruck, den die lange Praxis der Künstlermuseen und der künstlerischen Interventionen hinterlässt - die Ahnung durchzusetzen, dass das Museum etwas zwischen Kunst und Wissenschaft ist, wobei dieses etwas aber auch nicht bloß als deren beider Summe oder Quotient gelten kann. Das heißt, es rückt (nicht überraschend) die Vermittlung, die Darstellung, die Repräsentation stärker ins Zentrum der Aufmerksamkeit, generell der soziale Prozess, der unter Einbeziehung von Architektur, Exponat, Besucher, ‚Autor’ (Kurator), Gestalter und vielem anderen mehr zustande kommt. Hier endet in der Praxis oft auch die Forderung nach Wissenschaftlichkeit (obwohl auch dazu inzwischen ein reiches museologisches Wissen existiert) und man delegiert aus Verlegenheit, nicht selbst als Wissenschafter für die Gestaltung verantwortlich sein zu wollen und zu können, gerne an Architekten, Grafiker oder an einschlägig tätige Büros, ganz zu schweigen vom eben kurz beschriebenen Performanz des Museums und seiner ‚Gestaltung’.
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Beeindruckt zeigt sich die Museumsroutine von solchen Widersprüchen und Problemen freilich wenig. Museumsarbeit reproduziert sich weitgehend aus sich heraus, oft ohne erkennbaren oder nur mit unglaublich langsamem Fortschritt. Daß die Rekrutierung von Personal oft überhaupt nicht nach qualitativen Gesichtspunkten erfolgt, sondern von internen institutionellen Sachzwängen, persönlichen Befindlichkeiten oder von politischen Wünschen von außen erfolgt, darauf möchte ich hier gar nicht eingehen.
Hier liegt eines
meiner Motive, für so etwas wie Aus- oder Weiterbildung zu argumentieren. Mein
Plädoyer ist eines im Namen der Weiterentwicklung, Kreativität und Innovation, auch
- aber das weniger - im Interesse der Professionalisierung der
handwerklich-praktischen Fertigkeiten - wofür es aber inzwischen ohnehin viele
Plätze der Aus- oder Weiterbildung gibt. Was es braucht, sind Räume und Zeiten
der Reflexion des Museums und der Museumsberufe, also Gelegenheiten, ohne
Tabus, experimentell, riskant, offen und ohne disziplinäre Scheuklappen zu diskutieren,
erproben, basteln zu können. Dabei geht es nicht einfach um dieses oder jenes
Museum, sondern um eine Idee Museum,
ein Projekt Museum, das durch die
konkrete Museumsarbeit weiterentwickelt werden soll.
Mein zweites Motiv für ein Plädoyer zu mehr Ausbildung ist der dem Museum aufgezwungene Strukturwandel. Es gibt nicht nur nicht den Museumsberuf, die Berufe ändern sich auch durch Reprivatisierungen, Ökonomisierung und Rentabilitätsdruck, durch die Konkurrenz der Museen untereinander und mit anderen kulturellen Angeboten, durch das scheinbare Veralten der Medialität der Institution. Das zwingt zur Adaption der Museumsarbeit, was wiederum veränderte Anforderungen an bestehende Berufe nach sich zieht, wenn nicht gar die Notwendigkeit neue Berufe zu integrieren. Hier liegt eine ganz pragmatisch-politische Notwendigkeit, die Frage der Qualifikation zu stellen. Und wie schon bei meinem eher persönlichen Motiv, die Optionen des Museums durch Aus- und Weiterbildung innovativ zu nutzen, ist auch diese Qualifikationsstrategie nicht anders als reflexiv zu haben. Und das deshalb, weil sie es ja mit einer Bewertung der Rolle des Museums zu tun hat, mit anderen Worten, mit einer mehr oder minder gravierenden gesellschaftlichen Neudefinition dessen was ein Museum sein sollte. Auf Privatisierungsstrategien etwa (ich denke, man ahnt gar nicht, was da auf die Museen gerade zukommt) kann man affirmativ, produktiv, kritisch oder verweigernd reagieren. Aber man muss – und sei es um den Preis des Scheiterns - diese Entwicklung zur Kenntnis nehmen, sich ein Urteil bilden und Schlussfolgerungen bis in die feinen Verästelungen der Museumsarbeit hinein vornehmen. Das ist im übrigen, so meine ich, nicht zu haben, ohne sich auch der Frage zuzuwenden, was Museen einmal waren und wohin sie sich wünschenswerterweise entwickeln sollten, also nicht ohne Museumsgeschichte – ohne Nostalgie und Retrobedürfnisse – zu betreiben.
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Mein zweites Motiv für ein Plädoyer zu mehr Ausbildung ist der dem Museum aufgezwungene Strukturwandel. Es gibt nicht nur nicht den Museumsberuf, die Berufe ändern sich auch durch Reprivatisierungen, Ökonomisierung und Rentabilitätsdruck, durch die Konkurrenz der Museen untereinander und mit anderen kulturellen Angeboten, durch das scheinbare Veralten der Medialität der Institution. Das zwingt zur Adaption der Museumsarbeit, was wiederum veränderte Anforderungen an bestehende Berufe nach sich zieht, wenn nicht gar die Notwendigkeit neue Berufe zu integrieren. Hier liegt eine ganz pragmatisch-politische Notwendigkeit, die Frage der Qualifikation zu stellen. Und wie schon bei meinem eher persönlichen Motiv, die Optionen des Museums durch Aus- und Weiterbildung innovativ zu nutzen, ist auch diese Qualifikationsstrategie nicht anders als reflexiv zu haben. Und das deshalb, weil sie es ja mit einer Bewertung der Rolle des Museums zu tun hat, mit anderen Worten, mit einer mehr oder minder gravierenden gesellschaftlichen Neudefinition dessen was ein Museum sein sollte. Auf Privatisierungsstrategien etwa (ich denke, man ahnt gar nicht, was da auf die Museen gerade zukommt) kann man affirmativ, produktiv, kritisch oder verweigernd reagieren. Aber man muss – und sei es um den Preis des Scheiterns - diese Entwicklung zur Kenntnis nehmen, sich ein Urteil bilden und Schlussfolgerungen bis in die feinen Verästelungen der Museumsarbeit hinein vornehmen. Das ist im übrigen, so meine ich, nicht zu haben, ohne sich auch der Frage zuzuwenden, was Museen einmal waren und wohin sie sich wünschenswerterweise entwickeln sollten, also nicht ohne Museumsgeschichte – ohne Nostalgie und Retrobedürfnisse – zu betreiben.
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Ein weiterer Grund
für eine – wiederum reflexive – Aus- und Weiterbildung zu argumentieren, ist
eine einzigartige organisatorische Eigentümlichkeit des Museums. Wie etwa
Spitäler oder Universitäten ist auch das Museum eine sogenannte
Expertenorganisation. In solchen Organisationen gibt es einen Widerspruch der
Expertise der einzelnen Mitglieder, die sie innerhalb einer Profession oder
Disziplin besitzen und anwenden einerseits und dem sozialen System der
Organisation andrerseits.
Expertinnen und
Expertinnen identifizieren sich mit ihrem Fach weit mehr, als mit der
Organisation und konzentrieren sich hochindividuell auf ihre Facharbeit. Sie
haben Kenntnisse und Fertigkeiten in ihrem Gebiet in der Regel aber kaum oder
gar keine Kompetenz die Organisation betreffend. Typisch für
Expertenorganisationen ist das mangelnde Engagement für das Gesamte der
Organisation und ihre Ziele und ein Leitungsdefizit, wo an der Spitze der
Organisation die Kluft zwischen fachlicher und organisatorischer Kompetenz
besonders dramatische Konsequenzen haben kann.
Ein Resümee aus
meinen Erfahrungen ist, dass Professionalisierung der Leitung das akuteste
Problem ist.
Es gibt Unterschiede
in der Ausformung der Wissensbasiertheit in unterschiedlichen Museumstypen. Für
Naturmuseen scheint es eine lange Tradition der Orientierung an einem
Verständnis von Forschung zu geben, das relativ isoliert vom Museum, das heißt
vor allem von seiner Vermittlungsaufgabe (Ausstellungen) betrieben werden kann
und das auf problematische Weise zu einer starken Verengung des Verständnisses
vom Museum führt, während etwa Kunstmuseen bis zu einem gewissen Grad immer mit
der Vermittlung eines forschungsbegründeten Kanons beschäftigt sind und ganz
anders auf das Ausstellen bezogen sind. Traditionell objektorientierte
Wissenschaften, wie die Archäologie, Ethnologie oder Volkskunde haben wieder
andere Beziehungen zur Museumsarbeit entwickelt.
Die Substituierung
der einschlägigen Fachwissenschaftern fehlenden Kompetenz durch Anstellung von
Buchhaltern, Personalentwicklern, Kulturmanagern usw. löst das Problem nicht,
weil auch diesen Personen erst recht die museumsspezifische Erfahrung fehlt und
gerade sie ziemlich blind gegenüber den Notwendigkeiten und Chancen des Museums
bleiben.
Damit noch nicht
genug der Probleme. In einem Spital oder an einer Universität gibt es eine
Kongruenz von Ausbildung, Wissen und Anwendung: wer einen Blinddarm operiert
hat das gelernt, wer Kunstgeschichte studiert hat, wendet dieses Wissen z. B.
in der Lehre an. Wer aber eine Ausstellung in einem Naturkundemuseum macht, hat
als Mineraloge nie etwas von Gestaltungsfragen, Projektmanagement und
Textredaktion gehört, eine Historikerin, die in einem Museum mit der Führung
einer Medienabteilung betraut ist, hat mit großer Wahrscheinlichkeit noch nie
von restauratorischen, konservatorischen Problemen gehört, mit denen sie es zu
tun bekommen wird, und möglicherweise auch wenig von den technischen,
ästhetischen, kommunikativen und museologischen Eigenheiten, Tücken und Qualitäten
der ihr anvertrauten alten und neuen Medien.
Zu den wirklich
erschreckenden Erfahrungen, die ich mir im Laufe der Zeit zugezogen habe,
gehört die gelegentlich unbeschreiblich große Kluft zwischen dem Anspruch der
Institution Museum einerseits und der spezifischen Kompetenz mancher
Beteiligter andrerseits. Das gilt, ich wiederhole mich, leider für die
Leitungsfunktion in besonders zugespitzten Ausmaß. Ich kann mir schlecht eine
andere kulturelle Institution denken, in der Unerfahrenheit, ja
Ahnungslosigkeit bezüglich dessen was die Institution ausmacht, derart groß und
weit verbreitet ist.
Während in anderen
Institutionen einschlägige Kompetenz – um den Preis des völligen Scheiterns –
innerhalb der Produktionslogik unentbehrlich ist (ein Kameramann muss seine
Kamera beherrschen, ein Musiker sein Instrument, eine Sängerin eine
ausgebildete Stimme besitzen), ist das im Museum nicht der Fall. Der Satz einer
Museumskollegin Jeder kann Ausstellungen
machen hat schon seine Richtigkeit – wenn auch mit einem ziemlich herben
Nebengeschmack.
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Die vier Plätze, an denen Ausbildung stattfindet bzw. stattfinden könnte, haben alle ihre Vor- und Nachteile: Museen haben zu wenig Distanz zu sich und verfügen in der Regel nicht über museologische Metakompetenz, dafür können sie sehr praxisnah agieren. Wegen der eben genannten Widersprüchen der typischen Expertenorganisation werden sie kaum von sich aus auf dem Feld der Aus- und Weiterbildung tätig werden, weil das die Anerkennung eines Mangels voraussetzen würde. Ich glaube, dass der Eindruck nicht trügt, dass unter dem auch Museen erreichenden Spardruck gerade die Weiterbildung des Personals unter die Räder kommt.
Die vier Plätze, an denen Ausbildung stattfindet bzw. stattfinden könnte, haben alle ihre Vor- und Nachteile: Museen haben zu wenig Distanz zu sich und verfügen in der Regel nicht über museologische Metakompetenz, dafür können sie sehr praxisnah agieren. Wegen der eben genannten Widersprüchen der typischen Expertenorganisation werden sie kaum von sich aus auf dem Feld der Aus- und Weiterbildung tätig werden, weil das die Anerkennung eines Mangels voraussetzen würde. Ich glaube, dass der Eindruck nicht trügt, dass unter dem auch Museen erreichenden Spardruck gerade die Weiterbildung des Personals unter die Räder kommt.
Universitäre Ausbildung muss sich ins enge Korsett von Curricula und
institutionellen Regeln zwängen, bietet aber z.B. bei Kooperationen viel wissenschaftliche,
kaum aber eigene museologische Expertise an. Viele Universitäten stellen Kurse
und dergleichen auf, um sich in Konkurrenz mit anderen Universitäten in einem
Gebiet zu profilieren, wo sie Studierenden fragwürdige Versprechen auf neue
berufliche Anwendungsfelder machen und womöglich diese Studien außerhalb ihrer
Curricula und entgeltlich abhalten. Universitäten schieben gerade innovative,
neue, auf neue berufliche Anforderungen und Chancen bezogene Inhalte in
Curricula ab, die Studierende zusätzlich zum Regelstudium absolvieren sollen
und das womöglich auch noch entgeltlich. Ich habe es aus nächster Nähe erlebt,
wie Unfähig eine Universitätsorganisation sein kann, ihre eingefahrenen
Strukturen nur ein wenig nachzujustieren. Zu den ersten ‚offizielleren’
Aufgaben nach meinem Arbeitsantritt am – damals hieß es noch so -, Landesmuseum
Joanneum gehörte der auf Leitungsebene ausverhandelte Letter of Intent, der die
Kooperation im Bereich der museologischen Ausbildung betraf. Die gemeinsam it
einer sehr professionell agierenden Uni-Kollegin zerrieb sich rasch im Getriebe
der Universität und heute, acht Jahre nach dem Pressefoto mit Museums- und
Universitätsleitung, gibt es kein substantielles Ergebnis.
Staatliche Ausbildung (gemeint ist eine erforderliche Qualifikation, um
an einem Museum überhaupt arbeiten zu dürfen) ist, soweit ich sie kennen gelernt
habe, sehr formell und bürokratisch und eher an verwaltungstechnische
Bedingungen und das schon recht altbackene Ideal des loyalen Staatsbeamten geknüpft.
Freie Initiativen können sehr flexibel sein und am ehesten generalistisch
agieren, das heißt, unterschiedlichste Aspekte, Personen, Institutionen vernetzen.
Sie werden aber oft nicht anerkannt, gerade von den Museen nicht, die von der
Ausbildung profitieren könnten und dürfen selten Zertifizierungen anbieten.
Das Ideal wären möglichst zwanglose Kooperationen zwischen den diversen Orten, in denen das zentrale Ziel keiner ihrer institutionellen Zwänge geopfert werden müsste.
Das Ideal wären möglichst zwanglose Kooperationen zwischen den diversen Orten, in denen das zentrale Ziel keiner ihrer institutionellen Zwänge geopfert werden müsste.
Was mich an
Curricula, die ich kennengelernt habe, sehr stört, dass oft willkürlich
einzelne mehr oder weniger wichtige Aspekte aus dem großen Feld der
Museumspraxis und –theorie herausgebrochen und zusammengestoppelt werden. Was
dabei so gut wie immer verloren geht, ist der Blick auf das Museum als Ganzes,
auf seine Historizität, seine gesellschaftliche Funktion, auf sein Potential
als Werkzeug der Erfahrung und Erinnerung in individueller wie in kollektiver
Hinsicht. Besonders fragwürdig sind Angebote (derzeit vorwiegend an den
Fachhochschulen), die nur eine einzige spezielle Fertigkeiten ausbilden, z.B.
im Bereich Design, Neue Medien usf. Absolventen solcher schmalspuriger Konzepte
werden in Institutionen kaum mehr als abhängige Facharbeiter sein, ohne
Orientierungs- und Reflexionskompetenz.
Derartige
Ausbildungsgänge sind, könnte man zynisch sagen, enorm praxisgerecht. Denn sie
tragen der zunehmenden Arbeitsteiligkeit Rechnung, in die inzwischen
Ausstellungsprojekte gewissermaßen zerlegt werden können, setzen aber der
Kooperation und Partizipation in einem Projekt Grenzen, weil – auch hier – das
Verständnis für das Museum-Machen und Ausstellen in seinem mit seinen gesellschaftlichen
Bedingungen und Ansprüchen eher unentwickelt bleibt.
Ich habe es
unlängst bei einem – noch dazu ideologisch intensiv aufgeladenen -
Museumsprojekt erlebt, wie Gestalter, Texter, Vermittler, Arrangeure,
Medienexperten, Wissenschaftler, Manager usw. scharf gegeneinander abgegrenzt
und kaum mehr als durch Zeitpläne und Sachzwänge koordiniert nebeneinander
arbeiteten, ohne daß deren Arbeit in einem Gruppenprozess je wieder an die
Projektziele zurückgebunden worden wäre.
(Zur Ausbildung in
Form Volontariaten kann ich mich
nicht äußern, weil es eine Deutschland vergleichbare Situation und Diskussion
in Österreich nicht gibt und ich keinen Einblick in die Grenzen und
Möglichkeiten dieser Form des Berufseinstiegs habe).
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Ungelöst bei dem
allem bleibt, wie angesichts der typologischen, organisatorischen, fachlichen,
personellen, funktionalen Vielfalt von Museen Ausbildung aussehen und ob es so
etwas überhaupt geben könnte. Ich habe darauf keine andere Antwort, als die der
praktischen Erfahrung aus der Zeit meiner Tätigkeit in verschiedenen
einschlägigen Projekten. Vor allem in der Grazer Museumsakademie des
Universalmuseum Joanneum habe stets ich vermieden von Aus- oder Weiterbildung
zu sprechen und unsere Veranstaltungen als solche auszugeben.
Es ging mir um
Schaffung von Gelegenheiten, Zeiten und Orten der Reflexion, um Ermutigung, um Herstellung
von Freiräumen, in denen ohne Einengung praktischer Zwänge experimentiert
werden konnte, es ging um Austausch über ein so komplexes Medium, wie es das
Museum nun mal ist.
Das paradigmatische
Beispiel dafür war die seit 1999 entwickelte Sommerakademie Museologie, die als
einwöchige Klausur eine besonders konzentrierte Form der museologischen
Reflexion ermöglichte. Sie geht auf die Initiative eines damals in der
steirischen Kulturpolitik erfolgreich engagierten Landtagsabgeordneten, Günter
Getzinger, zurück, die es mir und meinen Freunden – Eva Grabherr
(Gründungsdirektorin des Jüdischen Museum Hohenems) und Helmut Eberhardt
(Professor für Volksunde der Universität Graz) erlaubte, mit wohlwollender und
konstruktiver Unterstützung die Akademie zu entwickeln.
Mit der Einladung
der Geschäftsführung des Landesmuseum Joanneum, die Museumsakademie aufzubauen,
brachte ich die Sommerakademie sozusagen als ‚Geschenk’ ein, wo sie bis zuletzt
das das Projekt mit dem größten internationalen Echo und der wohlwollendsten
Wertschätzung war. (Um vor einigen Wochen von der derzeitigen Leitung der
Museumsakademie, trotz deren Erfolgs, und marginaler Kosten eingestellt zu
werden).
Für alle anderen Veranstaltungen der Museumsakademie gab es zwar so etwas wie ein verstecktes Curriculum, Felder, in die wir die Museumsanforderungen sortierten, aber der Versuch, daraus ein modulares Angebot zu machen, das individuell zu einem Curriculum zusammengestellt werden konnte, wurde kaum angenommen. Es blieb bei der Idee, unterschiedliche, möglichst offene Formate anzubieten, wobei offen zum einen bedeutete, sehr unterschiedliche Gäste einzuladen, die nicht zwangsläufig aus den klassischen Fächern kommen mussten, und zum andern dieselbe Offenheit bei der Zulassung von Teilnehmern zu unseren Veranstaltungen zu zeigen: Die Vielfalt der Herkünfte und Kenntnisse wie der unterschiedlichen Erfahrungen hat sich sehr oft bewährt und überraschende Aspekte eingebracht.
Für alle anderen Veranstaltungen der Museumsakademie gab es zwar so etwas wie ein verstecktes Curriculum, Felder, in die wir die Museumsanforderungen sortierten, aber der Versuch, daraus ein modulares Angebot zu machen, das individuell zu einem Curriculum zusammengestellt werden konnte, wurde kaum angenommen. Es blieb bei der Idee, unterschiedliche, möglichst offene Formate anzubieten, wobei offen zum einen bedeutete, sehr unterschiedliche Gäste einzuladen, die nicht zwangsläufig aus den klassischen Fächern kommen mussten, und zum andern dieselbe Offenheit bei der Zulassung von Teilnehmern zu unseren Veranstaltungen zu zeigen: Die Vielfalt der Herkünfte und Kenntnisse wie der unterschiedlichen Erfahrungen hat sich sehr oft bewährt und überraschende Aspekte eingebracht.
Eine zentrale
methodische Schwierigkeit zeigte sich in allen Formaten, mit denen ich je
gearbeitet habe. Aus praktischen Gründen zerlegt man die Komplexität des
Museums in kleine und handhabbare Einheiten. In der Weiterbildungspraxis sind
das oft eher periphere Aspekte, über die sich keine Kompetenz in Bezug auf das
Museum als hybrides Ganzes einstellt. Aber auch da, wo man versucht, die wichtigsten
Aspekte des Museums in den Griff zu bekommen, bleibt die Repräsentativität der
Auswahl der Aspekte ein Problem und erst recht die generalisierende Verknüpfung
der einzelnen ‚Bestandteile’.
Auf dieses Problem
haben wir oft mit einer Leitung vor allem der lange dauernden Veranstaltungen
durch ein Team reagiert. Mir scheint das noch immer die vernünftigste Form zu
sein, wenngleich sie aufwändig und kostspielig ist. Eine Leitung durch eine
einzige Person ist fachlich und physisch überfordernd.
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Wenn man Curricula
plant, wird einem notorisch die Frage gestellt, welchen Stellenwert denn das
fachliche Wissen hat. Hier kehrt die Frage zurück, in welchem Ausmaß eine
akademische wissenschaftliche Ausbildung nötig ist und ob man sie voraussetzt
und museologische ‚Lehre’ daran anschließt oder ob man beides zusammen
anbietet. Für beides gibt es Beispiele und gegenüber beiden Konzepten bin ich
deshalb skeptisch, weil ich dazu neige, dem Sachwissen gegenüber dem
Reflexionswissen den Nachrang einzuräumen. Freunde mache ich mir damit nicht
und auch nicht mit dem Argument, dass das museologische Wissen – z.B. eine für
das Museum charakteristische visuelle Kompetenz, als Kompetenz, mit ‚Bildern’
(im weitesten Sinn) argumentieren, deuten, erzählen zu können -, bis zu einem
gewissen Grad unbedingt selbst beherrscht werden muss, dagegen das fachliche
sozusagen ‚zugekauft’ werden kann. Ich wiederhole damit nur noch einmal die
Überlegung, dass das beste Fachwissen einem bei den Kernaufgaben des Museum
wenig bis nichts nützt, während ‚Inhalte’ auf vielfältige Weise beschafft
werden können. Das ist übrigens keine weltfremde Theoriebildung im Kopf des
Schreibtischtäters, sondern aus Beobachtung in Projekten gewonnen. An der
Besetzung der Leitungsposition zweier namhafter Wiener Museen kann ich
vielleicht anschaulicher machen, was ich meine. Die Bestellung des neuen
Direktors des Wiener Naturhistorischen Museums wurde in den Medien sehr
begrüßt. Die Liste seiner Kompetenzen und Qualifikationen ist tatsächlich
eindrucksvoll: Astronom, Meteoriten-Spezialist, Leiter eines Departments für
Lithosphärenforschung sowie Professor für Impaktforschung und planetare
Geologie, stellvertretender Leiter des Geowissenschaftlichen Zentrums der
Österreichischen Akademie der Wissenschaften.
Der neue Leiter des
Völkerkundemuseums in Wien dagegen ist Mathematiker und Wissenschaftshistoriker
und hat sich mit dem Thema Families of Curves and the Origins of Partial
Differentiation promoviert. Er stand als Mathematiker am Beginn einer
erfolgreichen Universitätskarriere kam aber mit einem Job an einem
wissenschaftshistorischen Museum erstmals mit dem Museum in Berührung, erwarb
sich offenbar große spezifische Managementkenntnisse, die zu seiner Berufung an
eines der berühmtesten europäischen ethnologischen Musen führte, mit dessen
Reorganisation und internationalen Vernetzung er erfolgreich war.
Wie eine Quizfrage
könnte man jetzt nach dem ‚geeigneteren’ Leiter eines Museums fragen. Natürlich
ist beiden zu wünschen, dass sie erfolgreich sind, aber wirft dieses kleine
Vergleichsspiel nicht die Frage auf, wie hinderlich eigentlich gerade höchste
wissenschaftliche Qualifikation sein könnte oder wie förderlich das
‚Quereinsteigen’?
Dazu kommt eine
zweite, ebenfalls aus der Praxis gewonnene Einsicht: inhaltliche Fragen, die
bei der Konzeption einer (Dauer)Ausstellung auftauchen, sind oft so originell,
idiosynkratisch, individuell und ungewöhnlich, dass dazu weder die universitäre
Forschung noch meist die hauseigene, am Objekt und der Sammlung sich
abarbeitende Forschung etwas beitragen kann. Gerade wenn Ausstellungen
innovative Repräsentationsweisen und Erzählstrategien verfolgen und gerade weil
sie es mit vielen Mitteln tun und dabei die beiden ältesten Medien, ‚Bild’ (im
weitesten Sinn) und ‚Text’ kombinieren, hilft das fachlich-akademische Wissen
(noch dazu das im konventionellen Aggregatzustand des fußnotenverseuchten
Aufsatzes verpackte) weniger als man denkt.
Selbstverständlich
kann man bei der Planung von Aus- und Weiterbildung Hierarchien bilden, und ein
(nicht besonders origineller, aber plausibler) Weg ist der, Kompetenzen, die an
einem bestimmten funktionellen ‚Platz’ des Museums unverzichtbar sind, zu
bevorzugen und anderen weniger Gewicht zu geben, wo Kenntnisse ohne eigene
Anwendungskompetenz erforderlich sind und die Akquisition von Ressourcen, deren
Qualität man aber beurteilen können muss.
Immer aber muss
meiner festen Meinung nach ein generalistisches Verständnis vom Museum
vorangehen, und idealerweise immer wieder die einzelnen Schritte des Lernens,
Erprobens, Diskurses an eine Vorstellung und einen Begriff vom Museum
rückgekoppelt werden.
Die Aufspaltung in
praxisnahes und theoretisches Wissen, die man so oft bei Ausbildung beobachten
kann und das notorische Ausspielen der ‚eigentlichen’ Praxis gegen die
‚luxuriöse’ und im Grunde entbehrliche Theorie halte ich für groben Unfug. Nur
ein Pragmatismus, der blind geworden ist gegenüber der Theorie, ohne die er
nicht Praxis sein könnte, kann Theorie als überflüssig erklären. Die bleibt
aber im Spiel, als etwas, wovon der Pragmatiker nicht mehr weiß, dass er sie
entbehrt: Der Leiter eines namhaften Museums nimmt aktiv und lebhaft an einem
unserer Workshops teil und äußert sich im Feedback, um das wir die Gruppe
bitten, sehr positiv. „Aber das anzuwenden“, sagt er, der er an einer
Dauerausstellung plant und arbeitet, „dazu haben wir keine Zeit“.
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Dass ein Denken,
Lernen und Arbeiten, das von Theorie und Reflexion geleitet ist, anspruchsvoll
ist, versteht sich. Das Problem, das dabei – nicht nur ‚didaktisch’ entsteht -,
und das der Vernetzung der beim Museum so weit gespannten Themenfelder, habe
ich nie wirklich restlos gelöst, da blieb es beim ständigen Erproben und Verändern.
Bei der Sommerakademie Museologie führte das schließlich zu einer Beschäftigung
mit der Begrifflichkeit, mit der das Museum, möglichst auf der Höhe der
museologischen Forschung, angemessen beschreibbar sein sollte. Praktische und
theoretische Differenzierungen und das während der Woche laufende
Ausstellungsprojekt, das Renate Flagmeier obligatorisch eingeführt hat, als sie
von mir die Leitung der Sommerakademie übernommen hat, wurden, so gut es ging, miteinander
verkoppelt.
Schon als ich vor
Jahren mit Karl Josef Pazzini ein ‚museologisches Privatgespräch’ (etwas
missverständlich ‚Schreibwerkstatt’ genannt) im niederösterreichischen
Drosendorf gegründet habe, standen dabei Schlüsselbegriff wie Raum, Ritual oder
Intervention im Mittelpunkt. Roswitha Muttenthaler hat dann das in die
Sommerakademie eingebracht. Das ist eine interessante, immer noch offene und
vielleicht auch nicht abschließbare Frage: welche Begriffe sind geeignet und
genügen, um dem Museum als Arbeitsgebiet und als Objekt der Theorie gerecht zu
werden?
Einen
vergleichbaren Weg ging man in einer 2011 veranstalteten Tagung Museen
verstehen: Begriffe (07.04.2011-08.04.2011) der Universität Tübingen / Ludwig-Uhland-Institut für
empirische Kulturwissenschaft (hier
eine Rezension zur Tagung und hier ein
Link zum Projekt in dessen Kontext die Tagung stattfand). Eine Begrifflichkeit
zur Beschreibung des Museums zu entwickeln ist didaktisch meiner Meinung nach
sehr sinnvoll, weil so von Anfang an auf eine umfassende Deutung des Museums
und Analyse seiner zentralen Funktionen hingearbeitet wird und weil damit eine
Entwicklung der Museologie zur Wissenschaft weitergetrieben wird.
Generell glaube ich, dass offene, flexible Formen, die sich verändern dürfen, die Adaptionen möglich machen, es gestatten gelegentlich auch auf günstige Situationen, aktuelle Bedürfnisse, interessante Orte zu reagieren, die am besten geeignete Form sind, um Qualifikation zu vermitteln. Dazu dürften eher unabhängige Foren, die punktuell strategische Kooperationen suchen, die am besten geeignete Struktur sein. Ich misstraue sich verfestigenden Strukturen, weil sie tendenziell auf Kontrolle bauen und auf Störungsfreiheit gerichtet sind. Das Potential, das die Museumsakademie am Joanneum hatte, wurde durch eine offene und flexible Haltung der Geschäftsführung möglich und durch eine die Autonomie innerhalb des Museums stärkende weitgehend externe Finanzierung.
Generell glaube ich, dass offene, flexible Formen, die sich verändern dürfen, die Adaptionen möglich machen, es gestatten gelegentlich auch auf günstige Situationen, aktuelle Bedürfnisse, interessante Orte zu reagieren, die am besten geeignete Form sind, um Qualifikation zu vermitteln. Dazu dürften eher unabhängige Foren, die punktuell strategische Kooperationen suchen, die am besten geeignete Struktur sein. Ich misstraue sich verfestigenden Strukturen, weil sie tendenziell auf Kontrolle bauen und auf Störungsfreiheit gerichtet sind. Das Potential, das die Museumsakademie am Joanneum hatte, wurde durch eine offene und flexible Haltung der Geschäftsführung möglich und durch eine die Autonomie innerhalb des Museums stärkende weitgehend externe Finanzierung.
Solche offene und
komplexe Formen stellen höchste Anforderungen an eine Leitung. Bei manchen
Kursen waren wir bis zu sechs Personen, aus denen das Leitungsteam bestand, bei
der Sommerakademie waren es nie weniger als drei und wir versuchten, immer alle
bei jedem Teil der Veranstaltung anwesend zu sein. Abgesehen von der
psychischen und physischen Anstrengung kann ein Team am ehesten auf die
vielfältigen inhaltlichen Fragen eingehen (selbstverständlich auch organisatorischen
und gruppendynamischen Notwendigkeiten).
Je höher man den
Anspruch auf Reflexion schraubt, desto anspruchsvoller wird das für Gruppe und
Leitung. Ich habe lange Jahre die daraus resultierenden Probleme als
konzeptuelle Schwächen und ungenügende persönliche Kompetenz im Moderieren und
Leiten von Gruppen verstanden, bis anlässlich einer Supervision klar wurde, daß
ein Konzept, das die Institution im Dienste der Analyse grundlegend infrage
stellt, für alle Beteiligten über Grenzen gehen kann und manchmal auch geht.
Die schonungslose Frage nach Sinn und Zweck des Museums, muss, wenn sie
konsequent gestellt wird, zu einer radikalen Infragestellung führen, mit der
aber auch die berufliche und persönliche Identifikation aller Beteiligten mit
der Institution generell und mit der, in der sie arbeiten, notwendigerweise
einhergeht.
Um nicht
missverstanden zu werden: es geht nicht um eine abstrakte Kritik als Negation
der kulturellen Praktiken, die wir in Summe ‚Museum’ nennen, sondern um die
methodische Redlichkeit, keiner Frage, aber auch wirklich keiner, aus dem Weg
zu gehen.
Ein großes Vorbild
ist der von mir leider spät ‚entdeckte’ Stephen E. Weil, Direktor und Kurator
am Smithsonian Institute in Washington, der mit seinen Texten unter dem Titel To Help Think about Museums More Intensely zur radikalen Befragung des
gesellschaftlichen Sinns des Museums einlädt.
9
In führe ein langes, durchaus von wechselseitiger Anerkennung und Respekt getragenes Gespräch mit der Mitarbeiterin eines über Österreich hinaus angesehenen universitären Instituts, das sich im Kulturmanagement profiliert hat. Es geht um die Frage, ob beide Institute kooperieren können. Wir reden aneinander vorbei. Ich scheine es nicht zu schaffen, jene Haltung der Distanz zur eigenen Tätigkeit verständlich zu machen, die für mich ein Kern von Reflexion ist. Endlich sagt mein Gegenüber, leicht spöttisch, „Ah! Ich verstehe, sie sind eine sokratische Institution.“
10
Ich habe zwei
Gründe genannt, warum jede Qualifikation, die diesen Namen verdient, reflexiv sein sollte. Wenn Ausbildung
etwas am Status Quo ändern soll, macht das nur Sinn, wenn sie es besser machen
will. Dann ist es aber nötig, dieses besser
zu bestimmen, und wie sollte das anders möglich sein, als sich Gedanken über
Sinn und Zweck, über Ist und Soll zu machen? Weil das Museum (seit etwa
zweihundert Jahren) ein gesellschaftliches
Projekt ist, muss sich jede Ausbildung mit all jenen gesellschaftlichen,
kulturellen oder organisatorischen Rahmenbedingungen beschäftigen, die ins
Museum ohnehin hineinwirken - bis in die Feinstrukturen und bis an die
Arbeitsplatze der Mitarbeiterinnen. Theorie ist auch hier – das war mein
zentrales Motto während der Arbeit an der Museumsakademie - Reflexion der Praxis.
Mit meiner Forderung nach Reflexivität stoße meist auf Zustimmung, aber mit dem Museumsalltag deckt sich dieses freimütige Reflexionsbekenntnis nicht. An den einander rasch abwechselnden Konjunkturen von Modebegriffen wie „Besucherorientierung“, „New Museology“, „Museum 2.0“ und – der Hit des Jahres 2011 – „Partizipation“, läßt sich ablesen, wie kurzatmig und oberflächlich das ist, was man als Reflexion anzuerkennen bereit ist. In der Regel ist das aber weit weg von jeder Institutionenkritik.
Mit meiner Forderung nach Reflexivität stoße meist auf Zustimmung, aber mit dem Museumsalltag deckt sich dieses freimütige Reflexionsbekenntnis nicht. An den einander rasch abwechselnden Konjunkturen von Modebegriffen wie „Besucherorientierung“, „New Museology“, „Museum 2.0“ und – der Hit des Jahres 2011 – „Partizipation“, läßt sich ablesen, wie kurzatmig und oberflächlich das ist, was man als Reflexion anzuerkennen bereit ist. In der Regel ist das aber weit weg von jeder Institutionenkritik.
Gibt es noch eine
andere kulturelle Institution, in und zu es derart wenig Kritik, kaum
Auseinandersetzung gibt? Wo existiert diese Kritik in den inneren Abläufen und
Entscheidungsprozessen? Wo gibt es so etwas auf einschlägigen Kongressen und
Interessensorganisationen? Wo in den Journalen der Verbände? Wo gibt es eine
fundierte Ausstellungskritik - ganz zu schweigen von einer Museumskritik - in
den Medien?
Reflexivität ist, so meine ich, keine zufällige und nebensächliche ethische Forderung, die man auch bleiben lassen kann, sondern sie gehört strukturell zum – unabgeschlossenen – Museum als Projekt der Moderne. Dieses Museum ist ein eminent politischer und als solcher veritabel unterschätzter Ort.
Reflexivität ist, so meine ich, keine zufällige und nebensächliche ethische Forderung, die man auch bleiben lassen kann, sondern sie gehört strukturell zum – unabgeschlossenen – Museum als Projekt der Moderne. Dieses Museum ist ein eminent politischer und als solcher veritabel unterschätzter Ort.
Das Museum der Moderne
etabliert sich im Kontext von Aufklärung und Bürgerlicher Revolution als zivilisierendes Ritual, als öffentlicher
Bildungsort, als Agenda des Wohlfahrtsstaates, der treuhänderisch das
kulturelle Erbe besitzt, verwaltet und seine Erschließung und Vermittlung
finanziert – nicht als Selbstzweck, wie die völlig verschlissene Definition von
ICOM es nahe legt, sondern als Grundlage eben der wohlfahrtstaatlichen Idee von
Bildung und Zivilisierung. Das Museum ermöglicht auf dieser Grundlage in
kollektiver wie individueller Hinsicht Selbsterfahrung und Selbstauslegung,
gemeinschaftliche und wechselseitige Identifizierung des Citoyen mit Nation und
Demokratie, des Bürgers mit der Gesellschaft. Und es ist einer der Orte, an
denen sich öffentlichen Debatten geschützt entfalten kann, jener Diskurs, der
dann der Idealvorstellung nach unter Gleichen und unter Achtung und Anerkennung
des Anderen möglich wird.
Der Gründungstag
des Louvre-Museums, der 10. August 1793, ist das paradigmatische Datum dafür.
Das Museum, das damals entstand, ermöglicht bis heute Diskurse über das Eigene
und Fremde, über Vergangenheit und Zukunft, über Natur und Kultur, und es ist
ein Laboratorium unserer Vorstellung von Ethnie, Gender und Klasse. Das Museum
war aber auch immer ein Ort - und ist es vermehrt bewusst und intentional -, in
der Gesellschaften ihre katastrophischen Erfahrungen, Schuld, Opfer, Traumata
aushandeln, abarbeiten und repräsentieren können. Und es läuft immer auch
Gefahr, politisch und kulturell hegemonial zu wirken, mit Einschluß und
Ausschluß, mit Entstellung und undurchlässiger Autorität zu agieren. Museen
haben raffinierte Strategien entwickelt, ihre Macht zu verschleiern, die sie im
Interesse der Repräsentation und Symbolisierung gesellschaftlich elitärer
Interessen ausüben.
Dennoch: Solche
Orte sind kostbar und sie geraten in Gefahr, ihre besondere Qualität durch
Druck von Außen wie durch Sorg- und Gedankenlosigkeit von Innen zu verlieren.
Was in der gängigen und aktuellen Museumspraxis und was in der Ausbildung zu den Museumsberufen davon zur Kenntnis genommen werden wird, das wird darüber entscheiden, ob man das Museum erfolgreich aufgibt oder ob die Ideen des diskursiven, öffentlichen und zivilisatorischen Museums im Licht neuer Entwicklungen und Erfahrungen regeneriert werden.
Was in der gängigen und aktuellen Museumspraxis und was in der Ausbildung zu den Museumsberufen davon zur Kenntnis genommen werden wird, das wird darüber entscheiden, ob man das Museum erfolgreich aufgibt oder ob die Ideen des diskursiven, öffentlichen und zivilisatorischen Museums im Licht neuer Entwicklungen und Erfahrungen regeneriert werden.
*Die Beiträge der
übrigen Referenten finden sich auf der Website des Museumsverbandes (www.museumsverband-bw.de). Eine
Zusammenfassung der Tagung wird in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift
"Momente – Beiträge zur Landeskunde" des Staatsanzeigerverlages in
Stuttgart erscheinen.
Eine Kurzversion
des Vorgetragenen wurde unter dem Titel Beruf
ohne Ausbildung, Ausbildung ohne Beruf veröffentlicht in: museums.brief
2/2011, Nachrichten aus Museen und Sammlungen in Baden-Württemberg, hgg. von
der Landesstelle
für Museumsbetreuung Baden-Württemberg, S.1-3.
für Museumsbetreuung Baden-Württemberg, S.1-3.
Dienstag, 6. Dezember 2011
Fundsache "Indianermuseum"
Den Hass erzählen. Eine internationale Tagung zu Museum und Krieg
Ein Bericht von Angelika
Fitz
Erinnert wird, was persönlich berührt, lehrt die Psychologie. Erinnert
wird, was medial präsent ist, weiß die Kulturindustrie. Gedächtniskultur ist
ein boomender Markt und der Krieg nimmt darin immer noch oder vielleicht sogar
wieder eine prominente Rolle ein. Nicht nur in unzähligen fürs Fernsehen
produzierten historischen Dokumentationen wird Geschichte als Abfolge von
Kriegen erzählt, auch in vielen Museen ist das weiterhin der Fall. Unter den
historischen Museen nehmen die spezialisierten „Kriegsmuseen“ –
militärhistorische Museen, Waffenkammern, Gedenkstätten – eine argwöhnisch
beäugte Sonderstellung ein. Sie galten lange als Erinnerungsorte für Veteranen und
ein Blick in die Besucherstatistiken konnte das meistens bestätigen. Müssen
solche Orte nicht in einer Glorifizierung des Krieges und in nationalen
Rhetoriken enden? Nicht mehr zwangsläufig, wie eine Tagung zeigte, die vom Universalmuseum Joanneum in Graz gemeinsam mit
dem internationalen Komitee der militärhistorischen Museen, ICOMAM,
veranstaltet wurde.
Es weht ein frischer Wind durch die Zunft der Militärhistoriker.
Spektakuläre Projekte wie das britische Imperial War Museum und jetzt das
Militärhistorische Museum in Dresden sind nur die sichtbarsten Zeichen einer
museologischen Umorientierung. Die gesellschaftliche und
repräsentationskritische Reflexion des eigenen Tuns und die Suche nach neuen
Zielgruppen gehen dabei Hand in Hand. Die Zeitzeugen der Weltkriege werden
weniger, was sich in den letzten Jahren negativ auf die Besucherzahlen
auswirkte. Ähnlich wie in anderen Museen werden Schulkinder als
unerschöpflicher Markt entdeckt. Aus diesem Trend spricht nicht nur eine
pädagogische Seele, sondern auch eine betriebswirtschaftliche. Mit speziellen
Kinder- und Jugendprogrammen sollen die Lehrer überzeugt werden, mit ihren
Klassen in Scharen für volle Häuser zu sorgen. Aber wie vermittelt ein Museum
den Krieg? Darf ein Kinderprogramm unterhaltsam sein oder gar Spaß machen? Wie
macht man Gewalt und Schrecken nachvollziehbar, ohne die Kinder zu verstören?
Oder sind es eher die Erwachsenen, die Betroffenheit spüren, während sich die
jugendliche „Generation Ego-Shooter“ an der Gewalt im Museum genauso ergötzt
wie in Computerspielen? Mit ihren Waffensammlungen verfügen Militärhistorische
Museen über hochgradig emotionale Objekte. Wie nimmt man mit diesen
Attraktionen am Museumsboom teil, ohne sich an der Verherrlichung von Gewalt zu
beteiligen? Wie erzeugt man Mitgefühl für die Opfer – mit immersiven Strategien
der Überwältigung, mit hautnahem Re-Enactment oder mit reflexiver Distanz? Das
sind nur einige Fragen, die auf der Tagung in Graz unter dem Titel „Gehört der
Krieg ins Museum? Repräsentation von Gewalt in Ausstellungen“ diskutiert
wurden.
Militärhistorische Museen haben eine Doppelfunktion als museale
Bildungsinstitutionen und Gedenkstätten, so der Hauptredner Jay Winter, Historiker an der Yale
Universität und ausgewiesener Experte für den Ersten Weltkrieg. Sie seien der
Inbegriff des Museums als „Kathedrale des 21. Jahrhunderts“. Orientierung
könnten sie dann geben, wenn sie Beziehungen zu den Familiengeschichten der
Besucher herstellen. Diese Betonung von individueller Biografie und
Betroffenheit mag auch mit Winters Tätigkeit als Berater von historischen
Fernsehdokumentationen zu tun haben. Darüber hinaus hat er an beeindruckenden
Museumskonzeptionen mitgewirkt, wie dem „Historial de la Grande Guerre“ in
Peronne. Hier liegen Uniformen und Ausrüstungsgegenstände in horizontalen,
bündig in den Boden eingelassenen Vitrinen und erzählen so eindringlich von der
alltäglichen Gegenwart von Tod und Leid auf den Schlachtfeldern. Im Mittelpunkt
stehen nicht die Generäle, sondern die gemeinen Soldaten. Das ist eine Sicht,
die dem Wandel der akademischen Militärgeschichte in den letzten Jahrzehnten
entspricht, so Barton CHacker, Kurator für Armeegeschichte am SmithsonianInstitut
in Washington. Die ersten modernen Militärmuseen im 19. Jahrhundert
standen ganz im Dienst des erstarkenden Nationalstaates und auch im 20.
Jahrhundert dominierten lange die Helden der Nation. Erst ab den 1980er Jahren
gewinnt mit der sogenannten „Neue Militärgeschichte“ der sozialgeschichtliche
Fokus an Einfluss. Der einfache Soldat und die Kriegserfahrungen der
Zivilbevölkerung rücken ins Blickfeld.
In den letzten Jahren hat sich die Kontextualisierung des Krieges in
Museen noch mehr erweitert. Von der institutionalisierten zur persönlichen
Gewalterfahrung lässt sich diese Verschiebung beschreiben. Sie kündigt sich
bereits in der Einladung zur Tagung an, wo die Rede ist vom „pädagogischen
Impuls, Gewalt zu erklären und durch Deutung verarbeitbar bzw. vermeidbar zu
machen“. Pter Armstrong vom „Royal
Armouries“, der königlichen Waffenkammer, in Leeds hat sich stark dieser
pädagogischen Ausrichtung verschrieben. Es scheint ihm unmöglich, seine
Sammlung an glänzenden Waffen den Jugendlichen einfach zu zeigen. Stattdessen
sind die Objekte nur mehr Anlassgeber für Gewalt- und Konfliktprävention.
Gemeinsam mit Schulen organisiert das Museum Seminare zur Einübung in
gewaltfreie Konfliktlösung. Gleichzeitig gibt Armstrong unumwunden zu, dass das
Museum mit diesem Ansatz immer wieder an die Grenzen seiner Möglichkeiten und
Kompetenzen stößt – Museumsvermittler sind keine Jugendarbeiter.
„Man muss staatliche Gewalt und individuelle Gewalt kurzschließen“, sagt
Gorch Pieken, wissenschaftlicher Leiter des MHM in Dresden. „Wir erzählen Hass und
wollen zum Nachdenken darüber anregen, dass es wenig Frieden gibt in der Welt
und verdammt wenig Frieden in uns.“ Dazu passt der Doppelpack, der auf die
Besucher in Dresden am Beginn der Ausstellung wartet: Auf Zitate aus Carls von
Clausewitz strategischem Werk „Vom Kriege“ folgt die raumgreifende Installation
„Love and Hate“ des britischen Künstlers Charles Sandison. Eine solche
Hinwendung zur individuellen Gewaltbereitschaft verspreche zwar Involvierung,
gefährde aber die Wahrnehmung der politischen und wirtschaftlichen Dimension
der Kriege, wie Jay Winter in der Diskussion anmerkt. Und überhaupt halte er es
für unerlässlich, dass nicht über das Universelle des Krieges philosophiert
wird, sondern über konkrete Ausformungen. Krieg ist nicht Krieg. So seien die
beiden Weltkriege, insbesondere der Vernichtungskrieg des
nationalsozialistischen Deutschlands mit keinem anderen Krieg vergleichbar.
Nicht um sonst widme das britische „Imperial War Museum“ in London dem
Holocaust eine eigene Dauerausstellung. Gorch Pieken betont, dass in der
chronologischen Erzählung im Dresdner Altbau ein ganzes Stockwerk der
Kontextualisierung der beiden Weltkriege gewidmet ist. Und es gibt den Neubau
von Daniel Libeskind, der die chronologische Kontinuität der Kriegsgeschichte
im Altbau mit Vehemenz durchschneidet. Die Ausstellungsgestaltung auf der Ebene
des „Dresden-Blicks“ verkörpert paradigmatisch die Hinwendung von einer
nationalen zu einer europäischen Geschichtsschreibung. Materielle Zeugen der
Zerstörung durch die NS-Luftwaffe treten neben die Aussicht auf das
wiederaufgebaute Dresden.
All diese Selbstreflexivität darf nicht darüber hinweg täuschen, dass
militärhistorische Museen Eigentümer und Auftraggeber haben und dass es trotz
Globalisierung noch große Ungleichzeitigkeiten gibt. Das zeigten unter anderem
Vorträge zu Museen in Zypern, der Türkei oder Weißrussland, wo von den
Ausstellungen deutliche Beschwörungen einer nationalen Identität ausgehen. Aber
auch vom MHM in Dresden erwartet die Bundeswehr als Eigentümerin Lernort für
ihre Soldaten zu sein. Welche Botschaft kann ein Museum hier geben? Krieg ist
schlecht oder Krieg ist unvermeidbar? Soll es in böse und gerechte Kriege
unterteilen? „Wir sagen nicht, dass wir ein Pazifismus-Museum sind “, stellt
Gorch Pieken klar und fügt hinzu: „Auschwitz ist von Soldaten befreit worden.“
Sein Museum soll den Soldaten Orientierung geben, indem es deutlich macht, dass
im Krieg Entscheidungen zu treffen sind.
Viele existenzielle und
museologische Fragen konnten auf der ungewöhnlich dichten dreitägigen Konferenz
nur gestreift werden: Wie lassen sich die neuen assymetrischen Kriege verstehen,
in denen sich Söldnertruppen statt nationale Armeen gegenüber stehen? Oder was,
wenn man das Augenmerk nicht mehr darauf legt, wie Kriege ausbrechen, sondern
wie sie beendet werden? Es blieben mehr Fragen als Antworten. Nicht anders
sollte es den Besuchern eines guten Militärmuseums ergehen.
-------------
„Gehört der Krieg ins Museum? Repräsentation von Gewalt in Ausstellungen“,
eine Tagung der Museumsakademie des Universalmuseums Joanneum, in Kooperation
mit ICOMAM - International Council of
Museums and Collections of Arms and Military history und dem Landeszeughaus
Graz, Graz 21.-23.09.2011. Es erscheint eine Publikation bei transkript. www.museum-joanneum.at/museumsakademie
Montag, 5. Dezember 2011
Sonntag, 4. Dezember 2011
Das Kriegsmuseum, das dem Krieg zum Opfer fiel
So etwas gibt es auch: ein War Museum, das im Krieg 'untergeht'. Für 2011 war die Eröffnung des War Museum in Tripolis vorgesehen, dessen Bau 2009 begonnen hatte.
Der offizielle Titel war "Museum of Conflict", ein neutrales Cover für ein wohl eher national-patriotisches Museum, das die militärische Geschichte der Unabhängigkeit Lybiens bis zur Gegenwart darstellen sollte.
Der Ehrgeiz des Projekts zeigt sich auch daran, daß man einen Museumsentwurf wählte, der einem Mainstream heutigen Museum-Bauens folgt. In der Wüste sollte ein expressiv-skulpturaler Bau entstehen, der allerdings auch metaphorisch mit der Zelt-'Architektur' der Beduinen arbeitet.
Der Entwurf kam von Metropolitan Workshop, London.
Ghadaffi soll sich noch während des Bürgerkriegs um eine Vorverlegung der Eröffnung bemüht haben, aber die Ereignisse überrollten das Projekt.
Dasselbe Schicksal traf das Museum Islamischer Kunst, das der Gadaffi-Sohn Saif betrieb.
2011 wäre der 100. Jahrestag der Okkupation Lybiens durch italienische Truppen, eines der brutalsten und mörderischesten europäischen Kolonialkriege.
Bemerkenswerterweise berichtet eine lybische Tourismus-Seite ausführlich über das Projekt, den aktuellen Stand der Dinge, den geschichtlichen Hintergrund und den Kontext der aktuellen Gedächtnispolitik.
Zerstörung und Plünderung Ghadaffis Haus |
Aus dem Krieg sind im Land vorerst Gedenkorte für die Toten des Konflikts entstanden, ein Kriegsmuseum braucht niemnd. Allerdings ist eine fragwürdige und kuriose 'Kriegs'-Ausstellung dennoch entstanden, in den Niederlanden, in Breda.
Der Journalist Harald Dornboos war Zeuge der Plünderung von Ghadaffis Haus und er hat Dinge mitgenommen wie Fotos, den Tierausweis einer Katze, Rechnungen einer österreichischen Klinik, ein Poster mit Winnie the Pooh.
Man bezichtigt den Journalisten des Diebstahls und es gibt auch schon Rückgabefordeerungen. Er vertedigt sich, daß es sich um vollkommen wertlose Dinge handelt, die wie tausende andere auch zerstört worden wären. Außerdem würde er die Dinge gern an ein künftiges lybisches Nationalmuseum zurückgeben. (Hier ein ausführlicher Artikel zu der Ausstellung)
Samstag, 3. Dezember 2011
Die unendliche Geschichte der Hamburger Museumspolitik
Als ich mit Sympathie und Solidarität über die drohende Schließung des Altonaer Museums in Hamburg schrieb (ich hatte das Museum wenige Monate zuvor gesehen, als ein schon von politischer Vernachlässigung gezeichnetes Haus), ahnte ich nicht, daß daraus eine unendliche Geschichte werden würde, erweitert um Querelen um nahezu alle Museen für die Hamburg zuständig ist. Das deutsche Feuilleton berichtet nur noch in gequältem aber einheitlichen Ton: so gehts nun wirklich nicht. Den neuesten, wie man so schon sagt: ergebnisoffenen Stand der 'Diskussion' fasste jüngst ein Artikel in taz zusammen. (Hier). Bis auf Weiteres...
In Zeiten einer schleichenden, aber nichts desto weniger garvierenden Museumskrise, ist die Hamburger Politik ein anschauliches Beispiel, was man sich in naher Zukunft an Umgangsformen mit Museen alles noch erwarten darf.
In Zeiten einer schleichenden, aber nichts desto weniger garvierenden Museumskrise, ist die Hamburger Politik ein anschauliches Beispiel, was man sich in naher Zukunft an Umgangsformen mit Museen alles noch erwarten darf.
Freitag, 2. Dezember 2011
Donnerstag, 1. Dezember 2011
Verschwindende Museen - noch eins
Jetzt verschwindet noch ein Museum: das Wiener Opernmuseum.
Es wird mir nicht schrecklich abgehen. Ich habe mich gefragt, wozu es je gut war, es gibt ja ein Theatermuseum in Wien und die Oper braucht kein solches Marketing-Museum.
Jetzt wird es zugemacht.
Nicht aus Einsicht, sondern aus - relativer - Not. Die Deckelung der staatlichen Mittel für die Bundestheater führt zu einer jährlich sich zuspitzenden Budgetsituation. Es muss gespart werden, wo es nur geht.
Auch wenn Museen nicht nur geschlossen werden - grade ist das 21er-Haus wie ein Phoenix aus der Asche des 20er-Hauses wiederstanden -, als Krisensymptom darf man es schon nehmen, wenn Museen (ich habe ja nur von Wien berichtet) zumachen.
Es wird mir nicht schrecklich abgehen. Ich habe mich gefragt, wozu es je gut war, es gibt ja ein Theatermuseum in Wien und die Oper braucht kein solches Marketing-Museum.
Jetzt wird es zugemacht.
Nicht aus Einsicht, sondern aus - relativer - Not. Die Deckelung der staatlichen Mittel für die Bundestheater führt zu einer jährlich sich zuspitzenden Budgetsituation. Es muss gespart werden, wo es nur geht.
Auch wenn Museen nicht nur geschlossen werden - grade ist das 21er-Haus wie ein Phoenix aus der Asche des 20er-Hauses wiederstanden -, als Krisensymptom darf man es schon nehmen, wenn Museen (ich habe ja nur von Wien berichtet) zumachen.
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