Mittwoch, 9. Oktober 2013
Organisationen zerstören, zum Beispiel Museen
Die unter dem Titel "Wie man Museen zugrunderichtet" veröffentlichten lebenshilflichen Überlegungen zur gekonnten und professionellen Zugrunderichtung von Museen zählen zu den beliebtesten in diesem Blog und hatten auch breite Resonanz - bis hin zum Beisteuern von Ideen und Wortspenden. (Hier der Beitrag)
Nun gibt es einen Text, mit dessen Hilfe man seine destruktiven Ambitionen verfeinern und vertiefen kann. Er ist zwar auf Universitäten zugeschnitten, aber die grundlegende Vergleichbarkeit von Universitäten und Museen als Expertenorganisationen erlaubt unschwer die Übertragung des "Machiavellian Guide to Destroying Public Universities in 12 Easy Steps" (hier der Link zum Text).
Weiters empfiehlt sich sehr, die "Acht Regeln für den totalen Stillstand in Unternehmen" nicht aus dem Auge zu verlieren. (hier der Link zum Video).
Viel Spaß beim Museoklasmus!
Dienstag, 8. Oktober 2013
Das kleinste "Museum" der Welt...
Als "kleinste Museum der Welt" bezeichnen seine Gründer und Betreiber, Caroline Bachmann und Marcel Duchamp die "Kunsthalle Marcel Duchamp", in der sie derzeit auf der Mathildenhöhe in Darmstadt "La Broyeuse de Chocolat" (das Zitat eines Duchamp-Werkes zeigen.
Weniger emphatisch könnte man das Museum als von Duchamps "Boite" inspirierte Box, als Guckkasten, als Vogelhäuschen für Mikroobjekte, als Camera obscura bezeichnen.
Daß sich in einem solchen Minimalgehäuse eine Gruppenausstellung wohlbekannter Künstler unterbringen lässt (Meret Oppenheim, Dieter Roth, Ed Ruscha u.v.a.) erstaunt nicht, wenn man weiß, daß es sich - wiederum im Geiste der "Boite" -, um miniaturisierte Nachbildungen von Kunstobjekten handelt, die alle um das titelgebende Werk Duchamps kreisen, um dessen "Schokoladenreibe".
Weniger emphatisch könnte man das Museum als von Duchamps "Boite" inspirierte Box, als Guckkasten, als Vogelhäuschen für Mikroobjekte, als Camera obscura bezeichnen.
Daß sich in einem solchen Minimalgehäuse eine Gruppenausstellung wohlbekannter Künstler unterbringen lässt (Meret Oppenheim, Dieter Roth, Ed Ruscha u.v.a.) erstaunt nicht, wenn man weiß, daß es sich - wiederum im Geiste der "Boite" -, um miniaturisierte Nachbildungen von Kunstobjekten handelt, die alle um das titelgebende Werk Duchamps kreisen, um dessen "Schokoladenreibe".
Holocaust-Panopticum. Familienbild mit Obszönität
Lächelnd sitzt sie im adretten Kleid an einem Tisch, das brave Kind, als machte es seine Schulaufgaben macht. "Die Figur zeigt Anne Frank 14-jährig; da sie auf dem letzten erhaltenen Foto elf Jahre alt ist, wurde das Aussehen des Mädchens mithilfe eines Morphing-Programmes rekonstruiert."
Wachsfigurenkabinette - hier dreht es sich um Madame Tussaud in Wien -, machen keine besonders feinfühlige Unterschiede - Zinedine Zidane steht im Musée Grevin Paris nicht weit entfernt von - einem ziemlich verkorkst geformten - Hitler und der wiederum nicht weit von Marat oder Fanny Ardant. In solchen Kabinetten geht es nicht um historische Belehrung, sondern um den ungebrochenen und unheimlichen Effekt, den die Wachsbildnerei auf den Besucher ausübt, so wie ihn Joseph Roth in "Panoptikum am Sonntag" essayistisch oder Julius von Schlosser in "Tote Blicke: Geschichte der Porträtbildnerei in Wachs" kunstwissenschaftlich untersucht haben.
Einzigartig an der Wachsbildnerei ist ihre Verdichtung von Lebendigkeit und tot Erstarrtem. Das Wachsporträt verblüfft bis heute durch seine Lebensnähe, die zugleich kontaminiert ist mit der Totenstarre. Das machte sie seit je her zu einem Medium des Totenkults, mit dem der biologische Tod im sozialen Überdauern als Bildnis überwindbar schien.
In der Französischen Revolution entdeckte eine noch im Ancien Regime ausgebildete Wachsmodelliererin, Marie Gresholtz, daß sich diese spezielle Kunst mit ihrem unheimlichen Kippeffekt für aktuelle politische Zwecke ausnutzen ließ. Sie bildete die Köpfe Guillotinierter nach, die als schauerliche Trophäen wie auch als Medien, die mit ihrer Lebensnähe als Einspruch gegen den Tod gelten konnten, Absatz und Popularität erwirkten.
Nach der Revolution zur Flucht nach England gezwungen änderte sie dort ihren Namen unter dem das weltberühmte "Kabinett" in London entstand - Madame Tussaud.
Hier aber, in der Wiener Filiale des Wachsfigurenkabinetts, kehrt sich der Effekt der Wachskunst gegen die Idee der Erinnerung. So lebendig das freundliche Mädchen uns anblickt, diese Illusionierung hat den versöhnlerischen Effekt des Am-Leben-Geblieben-Seins. Am Pressfoto posieren dann auch noch familial die "Erfinder" dieser Puppenstube - Anne Franks Versteck im Amsterdamer Wohnhaus -, als wären sie die Hüter des kleinen Mädchens, das nicht behütet werden konnte und ermordet wurde.
Die Illusion löscht das was sie zu erinnern vorgibt, Anne Frank ist am ewigen Leben, die Erinnerung an den gewaltsamen Tod überlagert, gelöscht. Im alten Vergnügungsviertel Wiens, dem Prater, sitzt nun Anne Frank, um lächelnd den "Bildungsauftrag" von Madame Tussaud (so die Leiterin des Kabinetts) zu erfüllen, den die Direktorin des Jüdischen Museums als "neue Wege in der Erinnerungskultur" beschreibt, um Kinder und Jugendliche zu erreichen.
Jene Direktorin, die die Dauerausstellung ihres Museums abbrechen ließ, die die komplexe Problematik der Nicht/Erinnerbarkeit des Holocaust selbst thematisierte, und die nun - ausgerechnet - im panoptikalen Schaustellergewerbe als "neuen Weg" (wie alt ist die Wachsbildnerei!) feiert.
"Bei Madame Tussauds Wien steht die Wachsfigur des Mädchens im historischen Bereich in unmittelbarer Nachbarschaft von Sisi, Karl Renner und Oskar Schindler; Publikumsmagneten aus Popwelt und Hollywood wie Madonna oder Robert Pattinson können im Stock darüber besichtigt werden."
Alle Zitate nach: Der Standard (online), 2.9.2013
Das Wien Museum in der Endlosschleife...
Die Tageszeitung "Die Presse" glaubt zu wissen (hier), daß die Idee, das Wien Museum in die Nähe des in Errichtung befindlichen Hauptbahnhofes zu verlegen, gestorben ist. Der Kooperationspartner, die Erste Bank, kann mit ihren Planungen, in die der Neubau eines Museums integriert werden sollte, nicht mehr warten, liest man. Ob irgendetwas an den Mutmaßungen der Zeitung über interne Querelen in der die Stadt regierenden SPÖ dran ist oder an den Plänen für ein Musicaltheater mit ein paar tausend Plätzen, ist fürs Museum egal. Ihm bleibt im Moment nur der alte Standort am Karlsplatz (hier der Link zum Protokoll des Expertentreffens zur Standortfrage), wobei unklar ist, wie eine von der Museumsleitung geforderte Vergrößerung des Baues im heiklen städtebaulichen Umfeld möglich sein wird (hier ein Link zur Auffrischung der Erinnerung an bisherige Debattenbeiträge). Bemwerkenswert bleibt die Entscheidungsunfähigkeit der Stadt, die Konzeptlosigkeit des Museums, die ihm die Chance nimmt, auf der Basis eigener Überlegungen und Forderungen offensiv an die Öffentlichkeit zu gehen und last but not least das Schweigen des Koalitionspartners, der "Grünen".
Dienstag, 1. Oktober 2013
"Ja so macht man das!". Museumskritik im Zeitalter von Rosamunde Pilcher
"Ja, so macht man das. Mit der neuen Kunstkammer hat das Kunsthistorische Museum nicht nur in Österreich einen Meilenstein der Museumsdidaktik gesetzt. Wobei man mit dem sperrigen Wort „Museumsdidaktik“ genau diesen seltenen Moment meint, in dem man sich freut, wenn man nicht nur versteht, was man vor sich ausgestellt sieht, sondern es auch erlebt. Der museale Rosamunde-Pilcher-Effekt sozusagen. Und ja, dieser hat tatsächlich auch etwas mit Rührung und Emotion zu tun. (...) die Erwartungen waren durch eine in der österreichischen Museumsgeschichte bisher einzigartige Werbekampagne ebenso einzigartig hoch. Im Rückblick muss man sagen: Es war richtig so. All die goldenen Fahrradhelme, die verkauft wurden, um die Kunstkammer zu unterstützen und zu promoten."
Almuth Spiegler, in: Die Presse 20.09.20013
Die ganze Kritik: http://diepresse.com/home/kultur/kunst/1455316/Neue-Kunstkammer_So-macht-man-das
Almuth Spiegler, in: Die Presse 20.09.20013
Die ganze Kritik: http://diepresse.com/home/kultur/kunst/1455316/Neue-Kunstkammer_So-macht-man-das
Mittwoch, 11. September 2013
Welterbe-Rekordversuch, aber mit Gelassenheit
Der chinesische Milliardär Huang Nubo hat es sich in den Kopf gesetzt, in den nächsten zehn Jahren sämtliche160 Welterbestätten zu besuchen und dabei zu erkunden, wie freundlich die Menschen sind. Die FAZ berichtet: Dabei "habe er es abgelehnt, sagt er, mit einem großen Team und allen möglichen Experten und Sponsoren zu reisen: Wenn ein Flugzeug Verspätung hat oder gar nicht fliegt, könne er sich einfach auf den Boden setzen und ein Bier trinken; diese Art heiteres Akzeptieren des Gegebenen habe er als Bergsteiger gelernt und wolle es nicht verlieren."
Samstag, 7. September 2013
Wien Museum. Das Protokoll der Standortenquete ist online
Als der Wiener Kulturstadtrat Mailath-Pokorny die Enquete zum Wien Museum schloß, würdigte er die Transparenz, mit die Diskussion geführt werde. Das Ergebnis der Enquete, geschweige denn ihr Protokoll wurden nie veröffentlicht.
Martin Fritz hat einen Fund gemacht und nun kann man die 58seitige Dokumentation nachlese: http://publik.tuwien.ac.at/files/PubDat_213991.pdf
Was mir beim Querlesen besonders aufgefallen ist, ist der Mangel an sachlich fundierten Argumenten. Stattdessen gibt es viel Meinung. Das zweite ist die Dominanz der städtebaulichen und architektonischen Fragen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Konzept und Programm des Museums fand kaum statt.
Martin Fritz hat einen Fund gemacht und nun kann man die 58seitige Dokumentation nachlese: http://publik.tuwien.ac.at/files/PubDat_213991.pdf
Was mir beim Querlesen besonders aufgefallen ist, ist der Mangel an sachlich fundierten Argumenten. Stattdessen gibt es viel Meinung. Das zweite ist die Dominanz der städtebaulichen und architektonischen Fragen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Konzept und Programm des Museums fand kaum statt.
Sonntag, 25. August 2013
Museumskrise auf Italienisch
Samstag, 10. August 2013
You are welcome to... (Texte im Museum 426)
Ein Museum: Gorée - Gedächtnisort des Kolonialismus
Gorée ist eine nahe der senegalesischen Hauptstadt Dakar liegende kleine Insel, die seit ihrer "Entdeckung" durch portugiesische Seefahrer in schnell wechselnder Abfolge Kolonialbesitz verschiedener europäischer Nationen war und lange Zeit als ein wesentlicher Umschlagplatz für den atlantischen Sklavenhandel galt.
Als dafür zentralen Ort wurde ein aus dem 18. Jahrhundert stammendes Haus identifiziert, das in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts als "Sklavenmuseum" eingerichtet wurde.
Spätere Forschungen haben sowohl die Rolle der Insel wie die Funktion des Hauses stark relativiert (es war sehr wahrscheinlich nicht der Punkt, von dem aus Sklaven verschifft wurden), aber inzwischen war Gorée unter die UNESCO - "Welterbe" - Stätten aufgenommen und durch englischsprachige Publikationen sehr bekannt und namentlich zum Identifikationsort für aus Afrika stammende US-Bürgern geworden.
Gorée scheint anziehend für symbolische Politik zu sein: mehrere amerikanische Präsidenten waren hier, zuletzt, Obama, aber auch Nelson Mandela oder Papst Paul II.
An die 200.000 Besucher im Jahr soll das Musée des Esclaves und damit die kleine Insel haben, die vom Staat Senegal als einer seiner wichtigen Gedächtnisorte angesehen und gepflegt wird.
So wurde die Insel, auf der es noch ein Historisches Museum gibt (in einem im 19.Jh. errichteten Fort der Franzosen) und ein 1994 eingerichtetes Frauenmuseum, das als erstes (und einziges?) in Afrika gilt. Dies liegt dem Sklavenmuseum unmittelbar benachbart und fungiert nicht nur als Ort der Dokumentation und Archivierung, sondern engagiert sich auch in der Ausbildung von Frauen.
Freitag, 9. August 2013
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