Simon Brugner, Künstler, Fotograf, Steirer,
Kurator, veröffentlichte im Jahr 2018 ein Foto-Kunst-Buch mit dem Titel „The
Arsenic Eaters“. (Brugner,
Simon: The Arsenic Eaters. Erschienen bei The Eriskay
Connection o.O. 2018)
Jetzt gibt es dazu auch eine Ausstellung. Gegenstand
von Buch und Ausstellung ist die künstlerische Auseinandersetzung mit einem kaum
beachteten Thema, den, in der Vergangenheit auch als Giftesser bekannten, Arsenik
Essern seiner unmittelbaren Heimat. Arsenik, als psychoaktive Substanz (Droge),
die seit der griechisch- und römischen Antike als solche bekannt und genutzt ist,
entdeckten auch die Steirer und Tiroler für sich, nachdem sie Arsenik-Vorkommen
vorfanden. In geringen Mengen zu sich genommen, geraucht oder geschleckt,
zermahlen und pulverisiert wirkte es wie ein Schönheitsbooster. Pferdehändler
verfütterten es dem Vieh, das es galt in naheliegender Zukunft zum Verkauf
anzubieten. Dem Fell verlieh es Glanz und den Muskeln Spannung.
Könige vieler bekannten Reiche der
Geschichte suchten sich mit gezielten, wohldosierten Portiönchen davon vor
Giftanschlägen zu immunisieren, schönheitsbewusste Griechinnen nutzen einstmals
das Mittel, um sich zu enthaaren.
Die kleine, exquiste und überschaubare
Ausstellung von Simon Brugner ist jedoch keine Kulturgeschichte regionaler
Drogen, sie ist eine Kunstausstellung. Seine Fotoarbeiten stellt Brugner von
ihm ausgewählten Objekten aus dem Depot des Hauses gegenüber. Wer gewillt ist,
sich auf eine künstlerische Präsentation, auf eine gewisse Art von Spiegelung
einzulassen, der wird am Ende belohnt. Brugners Arbeiten, Auswahl und
Zusammensetzung beruhen nämlich auf dem Prinzip eines (unbewussten?) Gestaltenwechsels.
Seine, bereits in den Fotografien angelegte, vergleichende Morphologie liegt als
Prinzip auch der Ausstellung zugrunde. Daher scheint es logisch und konsequent,
Votivbilder und Strahlenkränze aus dem Bestand des Hauses in die Schau
aufzunehmen, morphologische Ähnlichkeiten zu seinen Fotografien hin auf subtile
Weise zu offenbaren. Weil es keinen umfassenden Raumtext zur Kulturgeschichte
der Droge Arsenik gibt (was für Unwissende anzubieten eine hilfreiche Geste
wäre), ist der Besucher mehr denn sonst gefordert, sich bedingungslos auf die gebotene
Kunst samt „fremden“, irritierenden Objekten einzulassen. Wem dies gelingt, der
vernimmt auch den sublimen erotischen Charme, der in den Dingen, Bildern, den
religiösen Motiven, angelegt liegt.
Der idealerweise räumlich von der
Ausstellung separierte Lesetisch mit seinen Textkopien wirkt leicht überfordernd
bis tapsig hingestellt. Da wäre doch ein feiner, kulturhistorisch
aufklärerischer Raumtext, der von der Mithradisation, dem Arsenik-Handel der
Steirer, von der Praxis, es als Schönheitsmittel anzuwenden, wie grundsätzlich von
der Faszination des Arsenik- Essens als Droge erzählt, eleganter und hilfreicher
gewesen. So aber finden wir einen, im Charakter einer Kunstkritik gehaltenen,
Text zur Arbeit des Fotografen vor, der etwas einbeinig daherkommt.
Wer sich davon unbeeinflusst auf die
Ausstellung einlässt, zieht Genuss aus der kleinen chiasmatischen Kunstschau.
„Erinnerungen an die steirischen
Arsenikesser“. Volkskundemuseum des Universalmuseum Joanneum, Graz. Kurator: Simon Brugner. Co-Kuratorin:
Birgit Johler. Die Ausstellung läuft noch bis 6. März
2022