Naturhistorisches Museum. Foto: GF, 2018 |
Mittwoch, 21. Februar 2018
Wozu ein neues Republikmuseum - Österreich hat doch schon eines
Das Museum, das ich meine, hat nur drei Räume, stützt sich vor allem auf Texte, Fotografien und Faksimile von Dokumenten oder Plakaten. In einer Vitrine werden etwa drei Dutzend Objekte zu sehen gegeben. Mehr nicht.
Ich spreche von der Dauerausstellung des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands. Das 1963 gegründete Dokumentationsarchiv beschäftigt sich vor allem mit Widerstand, Verfolgung und Exil während der Zeit des Nationalsozialismus, NS-Verbrechen, NS- und Nachkriegsjustiz, Rechtsextremismus in Österreich und Deutschland nach 1945, Restitution und Wiedergutmachung von NS-Unrecht. Dementsprechend sind auch die Schwerpunkte der Ausstellung gewählt, Verfolgung, Deportation, Widerstand, Zwangsarbeit, Konzentrationslager, Rechtsradikalismus.
Die Ausstellung umfasst nur sieben Jahre, vom Anschluß bis zum Ende des Krieges, wobei kurz auch der "Weg zum Anschluß" und mit den Themen "Entnazifizierung" und "Erinnerungskultur" auch knapp die Zeit unmittelbar nach 1945 behandelt wird.
Die Gestaltung der Räume ist schlicht, es gibt keinerlei inszenatorischen Großaufwand. Träger der Information sind hauptsächlich Texte und meist kleinformatige, der Zeit, Herkunft und Überlieferung entsprechend, auch qualitativ bescheidene Fotografien.
Die Texte sind knapp, sachlich, informativ, den einzigen Einwand, den ich habe, ist eine sehr kleine Schrift, die bei Texten, die gelegentlich nur knapp über Kniehöhe angebracht sind, nur noch mühsam lesbar sind. Nirgends erhebt der Text pädagogisch-moralisch den Zeigefinger - was ihn in meinen Augen umso stärker macht.
So ist etwa der Text zu Rechtsradikalismus eine exzellente Zusammenfassung, eine brauchbare Definition, die man ohne Vorbehalt auch auf heutige Vorkommnisse und Verhältnisse anwenden kann.
Die dreidimsionalen Objekte sind klugerweise nicht in die von Text und Bildern getragenen Erzählung integriert und laufen daher nicht Gefahr, zur bloßen Illustration zu werden. Es sind gerade die kleinen, unscheinbaren Objekte, die einen treffen. Ein Zettel mit einer Nummer, ein überstempelter Ausweis.
Warum soll das ein Republikmuseum sein? Wo es doch von der Zerstörung der Republik und der Demokratie berichtet? Eben deswegen. In dieser Zerstörung und ihrer Dokumentation wird dramatisch - ohne daß die Ausstellung Dramatik forcieren würde -, deutlich, was es bedeutet, wenn eine gesellschaftliche Ordnung gewaltsam zerstört wird, wenn demokratische Verhältnisse zerbrochen werden, wenn Menschenrechte missachtet werden.
Der ältere Herr, der die Gäste begrüßt und hinter dem Büchertisch sitzt meinte, als wir ins Gespräch kamen, "Die Demokratie ist nicht erst 1938 zerstört worden. Das ist schon vorher passiert. Und jetzt haben wir etwas, was wieder so eine Zeit ist, in der es zu spät sein könnte." Ich hoffe, er hat nicht recht. Aber das ist eine der Fragen, für die man solche Orte benötigt, Orte die ein unbedingt wichtiges Wissen bewahren und einem helfen, was aktuell geschieht, zu verstehen und zu bewerten.
Über die Wirkung eines Museums entscheidet, leider, nicht seine Qualität. Sondern auch der "Ort", an dem es sich befindet. Das ist topografisch gemeint, aber auch was den institutionellen Rahmen betrifft. So wichtig das Dokumentationsarchiv des Widerstandes ist, das ja Anfang der 60er-Jahre gegründet wurde, um einem reaktionären politischen Diskurs, der massiv von Tätern bestimmt wurde, etwas entgegenzusetzen, es wird immer wieder gezielt angegriffen. Seit der Gründung hat sich viel zum Positiven verändert, aber das Dokumentationsarchiv wird immer wieder und immer noch von rechter Seite attackiert und marginalisiert. Daß jüngst das DÖW eingeladen wurde, sich an der Aufarbeitung der Geschichte der FPÖ zu beteiligen - soll man das schon als Anzeichen einer Wende nehmen? Wie auch immer, die Ausstellung spielt in der öffentlichen Wahrnehmung nicht die Rolle, die sie haben könnte und sollte. Hier drängen sich keine Besuchermassen, hier staut sich auch keine Berichterstattung der Medien. Doch den Vergleich mit den diversen (zeit)geschichtlichen Museen und Ausstellungen, muß es nicht scheuen. Im Gegenteil. Projekte, die im Aufbau sind, wie das Museum in der Hofburg, werden zeigen müssen, ob sie sich mit der nüchterne Genauigkeit und Unbestechlichkeit der Ausstellung des DÖW werden messen können. Ganz zu schweigen von den inferioren Museen in Innsbruck (Berg Isel), Wien (Heeresgeschichtliches Museum) oder St.Pölten (Haus der Geschichte).
Samstag, 17. Februar 2018
Freitag, 16. Februar 2018
WOW! Was alles in öffentlichen und staatlichen geförderten Museen möglich ist
Die Presse-Kritikerin schreibt in Anbetungshaltung (hier), die des Standard spricht Klartext (hier), freilich in Seidenpapier verpackt, der Kurier entlockt im Interview dem Direktor diplomatisches Geschwurbel (hier) und redet aber sonst nicht um den heißen Brei herum (hier).
Diese Quellen genüpgen, um sich über die Ausstellung von Kunstwerken ein Bild zu machen, die die Milliardärin Heidi Horten gesammlt hat, wohl besser: sammeln ließ, und die nun das Leopold Museums zeigt. Ich wiederhole nicht, was man in den genannten Texten lesen kann, auch nicht die Einschätzung zwischen "Eklektizistisch", "Daumenkino" (ein Leserbriefschreiber) oder "Großwildjagd".
Nur noch zwei Anmerkungen: einige Rezensenten erwähnen das Mäzenatentum von Frau Horten, die z.B. einen Gratiseintritt an einem Tag ermöglicht, aber nicht, warum ein steuerfinanziertes Museum einer Milliardärin eine Ausstellung ausrichten soll. Tapfer erwähnen alle den Ursprung des Vermögens aus kollaborativer Geschäfttätigkeit in der NS-Zeit, aber niemand die kritiklose Bewunderung der Sublimationsleistung der Sammlerin, in der ein ästhetisierendes Verträglichmachen der Vergangenheit eingeschrieben ist. Als ihre Privatsache wäre das weitgehend egal, daß ein Museum nun diese Sublimierung öffentlich zelebriert und Anerkennung für die "Leidenschaft" der Betuchten einfordert, "verdanken" wir ausgerechnet dem tief in Arisierungspolitik und Restitution verstrickten Leopold Museum. Österreich hat eigentlich schon genug neoliberale Museumspolitik (Albertina, Essl-Teilübernahme...).
Diese Quellen genüpgen, um sich über die Ausstellung von Kunstwerken ein Bild zu machen, die die Milliardärin Heidi Horten gesammlt hat, wohl besser: sammeln ließ, und die nun das Leopold Museums zeigt. Ich wiederhole nicht, was man in den genannten Texten lesen kann, auch nicht die Einschätzung zwischen "Eklektizistisch", "Daumenkino" (ein Leserbriefschreiber) oder "Großwildjagd".
Nur noch zwei Anmerkungen: einige Rezensenten erwähnen das Mäzenatentum von Frau Horten, die z.B. einen Gratiseintritt an einem Tag ermöglicht, aber nicht, warum ein steuerfinanziertes Museum einer Milliardärin eine Ausstellung ausrichten soll. Tapfer erwähnen alle den Ursprung des Vermögens aus kollaborativer Geschäfttätigkeit in der NS-Zeit, aber niemand die kritiklose Bewunderung der Sublimationsleistung der Sammlerin, in der ein ästhetisierendes Verträglichmachen der Vergangenheit eingeschrieben ist. Als ihre Privatsache wäre das weitgehend egal, daß ein Museum nun diese Sublimierung öffentlich zelebriert und Anerkennung für die "Leidenschaft" der Betuchten einfordert, "verdanken" wir ausgerechnet dem tief in Arisierungspolitik und Restitution verstrickten Leopold Museum. Österreich hat eigentlich schon genug neoliberale Museumspolitik (Albertina, Essl-Teilübernahme...).
Samstag, 27. Januar 2018
Das beste Museum Österreichs kommt nach Graz
Das beste Museum Österreichs, das Jüdische Museum Hohenems, *) kommt nach Graz, mit einer seiner erfolgreichsten Ausstellungen, Jukebox! Jewkbox! Also, bestes Museum, tolle Ausstellung. Soll ich jetzt noch extra eine Empfehlung abgeben?! Und wo kann man die Ausstellung sehen? Im GrazMuseum, also im Stadtmuseum (das übrigens auch unter den toop ten meiner fast ewigen Bestenliste ist).
Eröffnung ist am Mittwoch den 7.2. Um 18 Uhr
Und hier der Infotext zur Ausstellung (von der Webseite des GrazMuseums):
1887 revolutionierte der deutsch-jüdische Emigrant Emil Berliner von den USA aus die Populärkultur. Mit seiner Erfindung des Grammophons und der Schallplatte begann das Zeitalter der globalen Massenunterhaltung. 100 Jahre lang waren Schellack und Vinyl die Tonträger der großen Emotionen, der Utopien und Katastrophen, der Illusionen und Hoffnungen des 20. Jahrhunderts. Sie sind zugleich ein Produkt jüdischer Musikschaffender und ein Spiegel jüdischer Geschichte. Jukebox. Jewkbox! ist eine Reise durch die Welt der Musik, die manches Leben verändert hat.
*) Das beste Museum Österreichs ist es, seit ich es vor etwa 10 Tagen in meinem Ranking der 10 besten und der 10 schlechtesten Museen gemacht habe. Hier gehts zum Ranking, und zur Begründung: http://museologien.blogspot.co.at/2018/01/die-zehn-besten-museen-osterreichs-die.html http://museologien.blogspot.co.at/2018/01/die-zehn-besten-museen-osterreichs-die.html
Freitag, 26. Januar 2018
Museum & Politik. Eine goldene Toilette für Trump
Das Weiße Haus um Donald Trump hätte seine vier Wände gerne mit Van Goghs Landschaften geschmückt, doch angeboten bekommet es vom Newyorker Guggenheim Museum stattdessen eine goldene Toilette des Künstlers Maurizio Cattelan, betitelt mit "America".
In einer Email an die Washington Post schrieb die Trump-kritische Kuratorin Nancy Spector:
"Der Künstler ist bereit für eine langfristige Leihgabe seines Werkes an das Weiße Haus" so Spector, "es handle sich um ein wertvolles und fragiles Werk, aber wir würden eine Gebrauchsanweisung für Anschluss und Pflege mitliefern."
In einer Email an die Washington Post schrieb die Trump-kritische Kuratorin Nancy Spector:
"Der Künstler ist bereit für eine langfristige Leihgabe seines Werkes an das Weiße Haus" so Spector, "es handle sich um ein wertvolles und fragiles Werk, aber wir würden eine Gebrauchsanweisung für Anschluss und Pflege mitliefern."
Mittwoch, 24. Januar 2018
Geschichtsschreibung auf Niederösterreichisch. Das "Haus der Geschichte" in St. Pölten
Vor einer Woche erschien im FALTER (Nr.3/18 vom 17.3.2018)mein Text zum "Haus der Geschichte" in St. Pölten, unter dem Titel "Gulasch ohne Saft" - ein Zitat eines niederösterreichischen Landeshauptmannes aus der Ausstellung. Ich stelle den Text nun hier, ergänzt um einige Bilder, online.
Als kürzlich Franz
Fischler in einem Zeitungsartikel für ein Ernstnehmen des Wiener Hauses der Geschichte Österreich
argumentierte und dessen Emanzipation aus
einem fragilen Provisorium forderte, erwähnte er mit keinem Wort das bereits
existierende Museum in St. Pölten.
Dabei beansprucht
dieses, die Geschichte Niederösterreichs
eingebettet in die Österreichs und Zentraleuropas darzustellen,
während man sich Wien erst einmal
mit einer Ausstellung von der Republikgründung 1918 bis zur Gegenwart begnügen muss.
In St.Pölten kokettiert man mit dem Adjektiv „erstes Geschichtsmuseum
Österreichs“.
Ein erster, sehr
ausführlicher Besuch zeigt, dass der Anspruch auf Repräsentation der Geschichte
des ganzen Landes schon auf Grund der auf Niederösterreich zugeschnittenen
Sammlung nicht eingelöst wird. Die Ausstellung bleibt am Anfang sehr
kursorisch und wird in viele Themen aufgesplittert, die als einzelne durchaus
interessant gewählt sein können, aber es dem Besucher erschweren, Strukturen
herauszulesen. Erst mit der Aufklärung setzt eine Verdichtung ein, die im
Abschnitt zum eher knapp
abgehandelten Ersten und breit dargestellten Zweiten Weltkrieg zu einer
überproportional breiten Darstellung wird.
Überaus befremdlich ist dort das Motto „Gleichschritt“, das nicht als Kennzeichnung einer militärischen Marschordnung dient, sondern als Gleichsetzung des NS-Terrorsystems mit dem der stalinistischen Sowjetunion benutzt wird. Mehrere Texte behaupten diese Identität und eine riesige Grafik an der Wand versammelt in ein- und demselben Rot markiert alle nur erdenklichen Lager. Die Botschaft ist klar: es gab nur einen Terror.
Was in den Wissenschaften verantwortungsbewusst und differenziert
diskutiert wird, tritt hier als Tatsache auf. Es bleibt überdies unklar, was
diese fragwürdige Gleichsetzung zur Erhellung der (Nieder)Österreichischen
Geschichte beiträgt? Oder geht es nur um die Relativierung des
Nationalsozialismus?
Mit dem Weltkrieg und einem kurzen Exkurs zu unmittelbaren Nachkriegszeit
bricht die Ausstellung überraschend ab, um in
einen ganz anderen Modus zu wechseln. Den der unverblümten (partei)politischen
Sicht auf die Zeit nach 1955. Auf das Trauma der Weltkriege folgt der Triumph
der Moderne, aber in exquisiter niederösterreichischer Tracht. Der in den
Landesfarben blau-gelb gehaltene Saal - unter demTitel „Niederösterreich im Wandel“ - würdigt
in Wort und Text die Heroen der Österreichischen Volkspartei, so sie aus
Niederösterreich kamen. Leopold Figl und Julius Raab gleich in einer Art von
Triumphallee doppelt, jeweils in Gemälden und Skulpturen und einander gegenüber
platziert, so dass ein Fluchtpunkt mit dem Gemälde der Unterzeichnung des
Staatsvertrags gebildet wird. Später werden wir Alois Mock begegnen, in Form profaner Reliquien (seinem Mantel und dem Hebelschneider
vom Durchtrennen des Grenzzauns zu Ungarn). Erwin Pröll überlebensgroß
und, als jüngstem Schaustück, noch einmal auf einem Foto mit der jetzigen
Landeshauptfrau bei der
Machtübergabe. Über allem schweben Politikersätze anderer Landeshauptleute in Leuchtschrift
wie: „Ein Land ohne Hauptstadt, ist wie ein Gulasch ohne Saft“ (Siegfried
Ludwig).
Die parteipolitische Penetranz, die hier regiert, ist in der Gründung des Museums verankert. Die lange Jahre dauernde Debatte über ein Republikmuseum nützte Erwin Pröll geschickt, um das Projekt nach Niederösterreich zu holen und die “Verantwortung” für Österreichs erstes Geschichtsmuseum an sich zu ziehen. Die parteipolitische Färbung findet sich nicht bloß im erwähnten Abschnitt, sie bildet eine subkutane Struktur des Museums, insofern mit der Erinnerung an die vermeintliche “Bollwerkfunktion” des “Kernlandes” Niederösterreich an ideologische Versatzstücke erinnert werden, die, und das habe ich in einer Diskussion des Ausstellungsteams an der Uni Graz erfahren, seinerzeit in der Parteileitung der ÖVP entwickelt wurden. Wie auch die nach dem Beitritt Österreichs zur EU modernisierte Selbstdefinition als “Brücke”. „Brücken bauen", so ist denn auch der letzte Ausstellungsteil benannt.
Methodisch begehen die Ausstellungsmacher ausgetretene Pfade. Träger der Informationen sind überwiegend die Texte, Objekte erscheinen illustrativ, wie Alibis, aber werden ihrem ästhetischen Eigensinn kaum genutzt. Da leiht man sich eine zeitgenössische Darstellung der Menschenrechte vom Pariser Musée Carnavalet, aber versteckt sie regelrecht unter anderen Objekten, lässt diesen Gründungstext Europas unübersetzt und macht auch sonst nirgendwo klar, welche epochale Zäsur das Zeitalter der Aufklärung bedeutet.
Ausstellungen sollten
Deutungsangebote sein, bei denen die Autorschaft und der Standpunkt der Autoren
ausgewiesen ist. Nichts davon findet man hier, eine Anonymisierung der
Sprecherposition - „was will
das Haus der Geschichte?“ (Abschnitt 01) - das fragt uns eigentlich wer? Eine verdinglichte Sprache riegelt die Informationen und
Aussagen weitgehend gegen Interpretation durch den Besucher ab. Vieles wird als
abgeschlossene Tatsache, also als Sachwissen vermittelt, wo eigentlich
Reflexionswissen gefragt wäre. Methodisch ist das folgenreich, denn diese
positivistische Informativität über eine wie abgeschlossen erzählte Vergangenheit
hindert den Besucher daran, Verknüpfungen zur Gegenwart zu finden. So stammt das jüngste Objekt zu „Überwachung“ aus
den 30er-Jahren. Der naheliegende Anschluss mit der brisanten
Gegenwartsentwicklung wird erst gar nicht versucht.
Dazu kommt, dass die Konzentration auf Niederösterreich in der
Darstellung der Zweiten Republik, ein weiteres
Hindernis ist, die vorhergehenden
zeitlichen Etappen der mit der Gegenwart zu verknüpfen. Und so über die
Erfahrung von Zeitdifferenz Orientierungs-
und Reflexionswissen zu gewinnen. Erst das machte Probleme der Gegenwart -
Sozialabbau, Gefährdung demokratischer Errungenschaften, Rechtsradikalismus und
Rassismus, Fremdenfeindlichkeit u.a.m. verständlicher.
Denn wie könnte ein
österreichisches Museum, ein “Nationalmuseum” gar?, uns denn anders gelegen kommen, wenn nicht
als ein entschieden diskursiver, demokratischer, Gegenwart aufklärender Ort, an
dem wir begreifen dass und wie Vergangenheit jetzt wirkt und wie wir vernünftig
gesellschaftlich handeln können und wollen.
Freitag, 19. Januar 2018
Das Museumsranking. Nachwort in eigener Sache
Das Echo auf das „Ranking“ österreichischer Museen nach „besten“ und „schlechtesten“ ist erstaunlich. Seit ich den Blog betreibe, hat es erst einmal einen Post mit so vielen „Besuchen“ gegeben. Das war am Höhepunkt des Skandals um den Abbruch der Dauerausstellung des Jüdischen Museums der Stadt Wien.
Warum gibt es diese Resonanz? Hat es mit der Beliebtheit von Listen zu tun? (101 Most beautiful places you must visit before you die). Oder mit dem Phänomen, daß schlechte Nachrichten faszinieren - was nur den zweiten Teil des Rankings betrifft. Oder genereller damit, daß man wissen will, ob man (als MitarbeiterIn eines Museums z.B.) „dabei“ ist oder weil man sich die kleine Schäbigkeit gönnen will, andere auf der (Negativ)Liste zu ertappen.
Ich denke mir, daß es eher mit dem Umstand zusammenhängen könnte, daß man Museen überhaupt nie schlecht findet und daher auch nie einschlägig kategorisiert, anders gesagt, daß es keine Museumskritik gibt und man Museen an sich als sinnvolle und wichtige kulturelle Institutionen ansieht.
Wer das so sieht, den muß allein schon die Tatsache überraschen, daß es eine wertende Beurteilung bei Museen gibt, eine Unterscheidung, nichts anderes meint ja Kritik. Im Internet wird man, etwa bei Tripadvisor, die sehenswerten Museen einer Stadt finden, sicher keine, die man meiden soll, die „schlecht“ sind.
Wenn es so etwas wie Listen oder Rankings zu Museen gibt, dann berufen die sich auf Größe, Besucherzahlen oder Abseitigkeit (The ten weirdest museums in the world, Time Magazine). Oder auf Bewunderung - nicht auf Qualität -, wie bei der Forbes-Liste Ranking The World's Most Admired Art Museums, And What Big Business Can Learn From Them (!). Auf der Liste finden sich achtzehn Museen, durchweg Kunstmuseen und, Überraschung, auch in jeder Besuchsstatistik die vordersten Plätze belegen.
Meine Liste konfrontiert möglicherweise mit der Überraschung, daß es überhaupt so etwas wie Kritik an Museen gibt und daß es daher sehr unterschiedliche Niveaus gibt, sie konfrontiert also mit etwas, was wir z.B. von Filmen gewohnt sind (wo es viele, sehr differenzierte, auch nummerierte Listen - Rotten Tomatoes - gibt), aber vom Museum eigentlich gar nicht. Die Reaktionen auf die Liste sind mehrheitlich positiv, neugierig, überrascht. Einige Leser sind irritiert. Ja, es gibt schlechte Filme, schlechte Theateraufführungen, schlechte Fernsehserien - aber schlechte Museen? Wir sind gewohnt, Besuchszahlen als ultimative Qualitätskriterien anzusehen. Aber ist ein Fußballspiel, das 60.000 gesehen haben besser als eines mit halb so vielen Fans?
Kritik wird oft als Angriff verstanden. Museen scheinen mir, aus den genannten Gründen, besonders empfindlich zu sein. Während meiner beruflichen Tätigkeit habe ich es zwei oder drei Mal erlebt, daß Museen, an denen ich Seminare oder Projekte veranstaltet habe, Kritik als unzuläßig zu unterbinden oder einzuschränken. Dabei ist Kritik eine wichtige Ressource. Museen sollten nicht nur Kritik von außen „dulden“, sie sollten sie annehmen und sie sollten sie selbst organisieren. Aus vielen Gesprächen mit KollegInnen, die in Museen arbeiten, glaube ich zu wissen, daß internes Feedback, sei es während eines Projektes und als ein Teil davon, sei es nach einem Projekt, zwar wünschenswert erschein, sehr selten stattfindet.
Mein „Ranking“ provoziert die Frage nach der Kritisierbarkeit des Museums, die Frage nach der Qualität der Kritik, nach ihren Kriterien, nach ihren Rückwirkungen auf die Museen, nach ihren Effekten auf das Publikum, die Rolle, die sie in den Medien spielt. Anders gesagt, mein Ranking, oberflächlich eine geballte, heftige Ladung harscher, apodiktischer Urteile hat nicht das Ver/Urteilen zum Ziel, sondern die Debatte über den gesellschaftlichen Sinn des Museums und seine Qualitäten.
In mindestens einer Hinsicht unterscheidet sich meine Spielerei, meine knappen Kritiken im Stil „raw and dirty“, mehr ist es nicht, von einschlägigen Restaurantführern. Dort gibt es nur indirekt ein Ranking. Denn Restaurants werden nach Qualitätsgruppen zusammengefasst (mit Ausnahme des erwähnten Tripadvisor, wo man, gestützt angeblich ausschließlich auf die Bewertung von Konsumenten, etwa das 342-beste Restaurant von Paris finden kann).
Ich habe mir überlegt, ob man das mit Museen auch machen könnte. Nicht mit Hauben, Gabeln oder einem Punktesystem, sondern mit einer Art von Typologie, die man auch ohne Probleme über die herkömmliche Typolgie (Kunstmuseen, Heimatmuseen usw.) drüberlegen könnte.
Etwa „Museen, die sich erfolgreich aufgegeben haben“. „Museen, die um sich kämpfen.“ „Museen, die an ihr Publikum Anforderungen haben“. Museen, an denen man rumkaut, als hätte man zu viele Gummibären im Mund". „Museen, die infantilisieren“. „Museen, die sich selbst nicht verstehen.“ „Museen, die niemand in ihrem Schlaf stören will“. „Museen, die man besser nicht besuchen sollte“. „Museen, die für“ hier darf man selbst ein Wort einsetzen, „eine Bereicherung sind“. "Museen für deren Besuch man getrost einen 700.- Euro Flug buchen sollte".
Wer Museen kennt, oder besser noch, wer ein Museum als Arbeitsplatz hat, kann die Fragen ja mal im anonymen, stummen Selbstversuch testen.
Ich bleibe dran, und habe noch weitere, neue Ideen und habe in Gesprächen, die großen Spaß machten, die Ausbaufähiggkeit des „Rankings“ entdeckt. Und die gute Nachricht zum Schluß: Ich arbeite schon an der „zweiten Auflage“ und bei mir wird mn nicht, wie beim Gault Millau ein Jahr warten müssen, meine überarbeitete und erweiterte Liste wird früher kommen!
P.S.: Ich nehme gerne Anregungen für „gute“ wie für „schlechte“ Museen entgegen und mir ist auch Kritik an meiner Liste willkommen. So habe ich, auf eine Anregung hin, ein Museum ausgetauscht.
Warum gibt es diese Resonanz? Hat es mit der Beliebtheit von Listen zu tun? (101 Most beautiful places you must visit before you die). Oder mit dem Phänomen, daß schlechte Nachrichten faszinieren - was nur den zweiten Teil des Rankings betrifft. Oder genereller damit, daß man wissen will, ob man (als MitarbeiterIn eines Museums z.B.) „dabei“ ist oder weil man sich die kleine Schäbigkeit gönnen will, andere auf der (Negativ)Liste zu ertappen.
Ich denke mir, daß es eher mit dem Umstand zusammenhängen könnte, daß man Museen überhaupt nie schlecht findet und daher auch nie einschlägig kategorisiert, anders gesagt, daß es keine Museumskritik gibt und man Museen an sich als sinnvolle und wichtige kulturelle Institutionen ansieht.
Wer das so sieht, den muß allein schon die Tatsache überraschen, daß es eine wertende Beurteilung bei Museen gibt, eine Unterscheidung, nichts anderes meint ja Kritik. Im Internet wird man, etwa bei Tripadvisor, die sehenswerten Museen einer Stadt finden, sicher keine, die man meiden soll, die „schlecht“ sind.
Wenn es so etwas wie Listen oder Rankings zu Museen gibt, dann berufen die sich auf Größe, Besucherzahlen oder Abseitigkeit (The ten weirdest museums in the world, Time Magazine). Oder auf Bewunderung - nicht auf Qualität -, wie bei der Forbes-Liste Ranking The World's Most Admired Art Museums, And What Big Business Can Learn From Them (!). Auf der Liste finden sich achtzehn Museen, durchweg Kunstmuseen und, Überraschung, auch in jeder Besuchsstatistik die vordersten Plätze belegen.
Meine Liste konfrontiert möglicherweise mit der Überraschung, daß es überhaupt so etwas wie Kritik an Museen gibt und daß es daher sehr unterschiedliche Niveaus gibt, sie konfrontiert also mit etwas, was wir z.B. von Filmen gewohnt sind (wo es viele, sehr differenzierte, auch nummerierte Listen - Rotten Tomatoes - gibt), aber vom Museum eigentlich gar nicht. Die Reaktionen auf die Liste sind mehrheitlich positiv, neugierig, überrascht. Einige Leser sind irritiert. Ja, es gibt schlechte Filme, schlechte Theateraufführungen, schlechte Fernsehserien - aber schlechte Museen? Wir sind gewohnt, Besuchszahlen als ultimative Qualitätskriterien anzusehen. Aber ist ein Fußballspiel, das 60.000 gesehen haben besser als eines mit halb so vielen Fans?
Kritik wird oft als Angriff verstanden. Museen scheinen mir, aus den genannten Gründen, besonders empfindlich zu sein. Während meiner beruflichen Tätigkeit habe ich es zwei oder drei Mal erlebt, daß Museen, an denen ich Seminare oder Projekte veranstaltet habe, Kritik als unzuläßig zu unterbinden oder einzuschränken. Dabei ist Kritik eine wichtige Ressource. Museen sollten nicht nur Kritik von außen „dulden“, sie sollten sie annehmen und sie sollten sie selbst organisieren. Aus vielen Gesprächen mit KollegInnen, die in Museen arbeiten, glaube ich zu wissen, daß internes Feedback, sei es während eines Projektes und als ein Teil davon, sei es nach einem Projekt, zwar wünschenswert erschein, sehr selten stattfindet.
Mein „Ranking“ provoziert die Frage nach der Kritisierbarkeit des Museums, die Frage nach der Qualität der Kritik, nach ihren Kriterien, nach ihren Rückwirkungen auf die Museen, nach ihren Effekten auf das Publikum, die Rolle, die sie in den Medien spielt. Anders gesagt, mein Ranking, oberflächlich eine geballte, heftige Ladung harscher, apodiktischer Urteile hat nicht das Ver/Urteilen zum Ziel, sondern die Debatte über den gesellschaftlichen Sinn des Museums und seine Qualitäten.
In mindestens einer Hinsicht unterscheidet sich meine Spielerei, meine knappen Kritiken im Stil „raw and dirty“, mehr ist es nicht, von einschlägigen Restaurantführern. Dort gibt es nur indirekt ein Ranking. Denn Restaurants werden nach Qualitätsgruppen zusammengefasst (mit Ausnahme des erwähnten Tripadvisor, wo man, gestützt angeblich ausschließlich auf die Bewertung von Konsumenten, etwa das 342-beste Restaurant von Paris finden kann).
Ich habe mir überlegt, ob man das mit Museen auch machen könnte. Nicht mit Hauben, Gabeln oder einem Punktesystem, sondern mit einer Art von Typologie, die man auch ohne Probleme über die herkömmliche Typolgie (Kunstmuseen, Heimatmuseen usw.) drüberlegen könnte.
Etwa „Museen, die sich erfolgreich aufgegeben haben“. „Museen, die um sich kämpfen.“ „Museen, die an ihr Publikum Anforderungen haben“. Museen, an denen man rumkaut, als hätte man zu viele Gummibären im Mund". „Museen, die infantilisieren“. „Museen, die sich selbst nicht verstehen.“ „Museen, die niemand in ihrem Schlaf stören will“. „Museen, die man besser nicht besuchen sollte“. „Museen, die für“ hier darf man selbst ein Wort einsetzen, „eine Bereicherung sind“. "Museen für deren Besuch man getrost einen 700.- Euro Flug buchen sollte".
Wer Museen kennt, oder besser noch, wer ein Museum als Arbeitsplatz hat, kann die Fragen ja mal im anonymen, stummen Selbstversuch testen.
Ich bleibe dran, und habe noch weitere, neue Ideen und habe in Gesprächen, die großen Spaß machten, die Ausbaufähiggkeit des „Rankings“ entdeckt. Und die gute Nachricht zum Schluß: Ich arbeite schon an der „zweiten Auflage“ und bei mir wird mn nicht, wie beim Gault Millau ein Jahr warten müssen, meine überarbeitete und erweiterte Liste wird früher kommen!
P.S.: Ich nehme gerne Anregungen für „gute“ wie für „schlechte“ Museen entgegen und mir ist auch Kritik an meiner Liste willkommen. So habe ich, auf eine Anregung hin, ein Museum ausgetauscht.
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