Kunsthaus Graz/Kunsthauscafe, 2015 (Foto GF) |
Mittwoch, 21. Oktober 2015
Dienstag, 20. Oktober 2015
Fristlose Entlassung von Clementine Deliss. Ein Projekt zum scheiterngebracht
Vor kurzem wurde die Leiterin des Frankfurter Weltmuseums (Völkerkundemuseum) von der Stadt fristlos gekündigt. Gründe wurden keine genannt. Clementine Deliss hat die Stadt geklagt und dann wird man erfahren, was passiert ist.
Sie hat das Museum zum Ort des radikalen Nachdenkens über die Rolle ethnologischer Museen gemacht. Da ein Erweiterungsbau nicht genehmigt wurde, gescheitert vermutlich am Einspruch nicht ganz einflussloser Nachbarn, und daher auch keine neue Dauerausstellung möglich war, bestand die Arbeit des Museums in einer buchstäblich produktiven Auseiandersetzung von Künstlern, Designern, Wissenschaftern usw. mit Objekten und Objektgruppen.
Ich habe die Ausstellung im Vorjahr gesehen, sie war im Umfang bescheiden, bestand aus sehr unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten und Vermittlungsformen. Mich hat vieles beeindruckt, ganz besonders die literarischen und wissenschaftlichen Texte, poetisch wie rabiat, genau wie klar und stringent. Die Ausstellung drehte sich unter anderem um den Erwerb der Sammlung (die bereits durch Kauf, und nicht sammeln, auf einschlägig zugeschnittenen Märkten aufgebaut gemehrt wurde), um ethnologische Fotografie, um die Frage der Restitution (mit der Einsicht, dass die Restitution eher von Archivalien als von Objekten zunächst sinnvoll erscheint) oder um Formen des musealen Zeigens.
Sie hat das Museum zum Ort des radikalen Nachdenkens über die Rolle ethnologischer Museen gemacht. Da ein Erweiterungsbau nicht genehmigt wurde, gescheitert vermutlich am Einspruch nicht ganz einflussloser Nachbarn, und daher auch keine neue Dauerausstellung möglich war, bestand die Arbeit des Museums in einer buchstäblich produktiven Auseiandersetzung von Künstlern, Designern, Wissenschaftern usw. mit Objekten und Objektgruppen.
Das bislang aufwändigste Projekt galt der Recherche der Gründungsumstände des Museums. Über ein Jahr lang arbeiteten KuratrInnen, Schriftsteller, Ethnologen, Künstler usw. An dem Projekt, das in eine Ausstellung mündete.
Ich habe die Ausstellung im Vorjahr gesehen, sie war im Umfang bescheiden, bestand aus sehr unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten und Vermittlungsformen. Mich hat vieles beeindruckt, ganz besonders die literarischen und wissenschaftlichen Texte, poetisch wie rabiat, genau wie klar und stringent. Die Ausstellung drehte sich unter anderem um den Erwerb der Sammlung (die bereits durch Kauf, und nicht sammeln, auf einschlägig zugeschnittenen Märkten aufgebaut gemehrt wurde), um ethnologische Fotografie, um die Frage der Restitution (mit der Einsicht, dass die Restitution eher von Archivalien als von Objekten zunächst sinnvoll erscheint) oder um Formen des musealen Zeigens.
Ein begleitendes Buch dokumentiert nicht bloß die Ausstellung sondern auch den ganzen vorangehenden Reflexionsprozess. Ein wunderbares Buch, weil es zeigt, wie fruchtbar und an Einsichten reich ein vorurteilsloses Abarbeiten an der Vergangenheit einer Institution sein kann.
Dabei ging's ja keineswegs nur um das Frankfurter Musum. Was Frau Deliss, die ich vor einigen Jahren kennengelernt habe, als ich sie in die Sommerakademie der Museumsakademie des Joanneum eingeladen habe, angestoßen hat, betraf den Museumstyp des "Völker"Museums insgesamt, seine Herkunft aus Kolonialismus und hegemonialer Politik insgesamt und seine Gegenwartstauglichkeit.
Der Abbruch ihrer Arbeit beendet etwas, was weit über Frankfurt Aufmerksamkeit und lange geduldige Entwicklung ihrer Ideen verdient hätte.
Staat oder Privat? Auch eine Museumsfrage
Chris Dercon hat kürzlich in DIE ZEIT die Eröffnung eines der größten Privatmuseen der Welt, des Broad-Museum in Los Angeles, zum Anlass genommen über das Verhältnis von staatlichen und privaten Museen nachzudenken (Chris Dercon: Strukturwandel des Kunstbetriebs. Viele Sammler träumen vom eigenen Museum, manche bauen es sogar. Wie das die Kunstwelt verändert. In: DIE ZEIT, 24. September 2015, online).
Auch an der österreichischen Entwicklung kann man beobachten, daß private Sammler in immer stärkere Konkurrenz zu den staatlichen Museen treten, laut Dercon „Zeichen eines globalen Strukturwandels des Kunstbetriebs.“ Zwar hat der spektakuläre Konkurs des Baumarktkonzerns von Karlheinz Essl das bedeutendste Projekt eines Privatmuseums in Österreich in große Schwierigkeiten gebracht, aber die Ursache der Krise liegt im Missmanagement des Konzerns, nicht in der Entwicklung der Sammlung und des Museums. Die Umstände der Rettung durch den Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner und dessen Konsequenzen für einen weiteren prominenten Kunstplatz zeigen indes annähernd was sich in Zukunft entwickeln könnte: Haselsteinen tauschte die Übernahme der Sanierungskosten des Künstlerhauses in Wien mit dem Recht ein, dort seine eigene Sammlung, die Sammlung Essl zu zeigen und Ausstellungen in Kooperation mit staatlichen Einrichtungen wie der Albertina. Es sind genau diese Facetten, die Dercon in seinem Essay diskutiert.
Doch steht hinter der Frage Staat oder Privat eine ganz grundsätzliche Frage. Denn seit es ab dem späten 14.Jahrhundert Sammlungen kultureller Artefakte überhaupt gibt, sind sie strikt und mit raren Ausnahmen immer privat gewesen bis gegen Ende des 18.Jahrhunderts das Modell des (national)staatlichen, öffentlichen (das heißt staatlich unterhaltenen) Museum entstand. Und das als gesellschaftliches Instrument, bei dem das allgemeine Eigentum am Sammlungsgut, Sammeln im öffentlichen Auftrag und Interesse, unbegrenzter und rechtlich verbriefter Zugang Bedingungen einer gesellschaftlichen Zwecksetzung waren: dem Wohl der Gesellschaft zu dienen. Es blieben dabei immer parallel dazu private Sammlungen und Museen oder etwa Vereinswesen alternative Konzepte, aber erst unter den Bedingungen einer globalisierten und ökonomisierten Kultur erhalten private Sammlungen und Museumsgründungen einen neuen Status.
Private Museen beginnen in Konkurrenz zu staatlichen zu treten und gefährden deren Daseinsberechtigung z.B. durch Übermacht am Kunstmarkt. Wenn kürzlich das Rijksmuseum und die National Gallery gemeinsam eine Gemälde erworben haben, dann ist der bislang einzigartige Fall einer geteilten Erwerbung (die ein geteiltes Ausstellen an zwei Orten nach sich zieht) dieser Entwicklung geschuldet. Museen können - selbst diese beiden Flaggschiffe der Museumslandschaft nicht -, die Preise nicht mehr bezahlen, die zur Weiterentwicklung der Sammlung nötig wären. Das ist nur eine Facette der Entwicklung, die andere, bei Museen zeitgenössischer Kunst, daß Künstler eher mit finanziell potenten Privaten zusammenarbeiten, als mit staatlichen Museen.
Dercon unterstellt Privaten durchaus aggressive Strategien, nämlich Kontrolle über den Kunstmarkt und indirekt damit über staatliche Museen zu bekommen. Und: „Manche Privatmuseen müssen zudem als Manifestationen eines Projekts des Spektakels betrachtet werden. Ihre Betreiber haben begriffen, dass weder jahrelange Erfahrung noch die historische Rekonstruktion, noch das Gedächtnis in Zukunft als Bestandteile der kulturellen Praxis nötig sein werden. Außerdem haben sie die Tauglichkeit der Kunst als Mittel zur Konsumdifferenzierung und Produktivitätssteigerung erkannt.“ Was die Privatisierung mit sich bringt sind „…uferlose Akkumulation von Kunst und die Expansion einer orientierungslosen Vielfalt; die Verschwiegenheit im Hinblick auf Organisation, Vermögen, Kosten und Gehälter; eine geschäftsmäßige Auswahl und von Beratern gesteuerte Ankäufe; Insiderhandel und andere aggressive Geschäftsbeziehungen.“
Worin unterscheiden sich staatliche Institution von diesen Strategien und Ambitionen? „Die Daseinsberechtigung staatlicher Museen“ schreibt Dercon, „besteht darin, die Verfügbarkeit und Sichtbarkeit von Kunstwerken auf lange Zeit zu gewährleisten. Ihr zentraler Auftrag ist es, ein möglichst breites Publikum zu bilden. Das bedeutet heutzutage auch, Urteilsfähigkeit zu vermitteln: einerseits über das ungeheuer weite Feld der zeitgenössischen Kunstproduktion, die immer deutlichere Parallelen zur Produktion von Luxusgütern offenbart, und andererseits über jene Werke, die wirklich eine Kultur formen. (…) Anders als die privaten Sammlungen dürfen wir uns auch nicht erlauben, die Kunst als mögliches Renditeobjekt zu betrachten. Wir produzieren Gedächtnis, das ist unsere Aufgabe. Die staatlichen Museen sind in dieser Sicht das Heilmittel – und nicht eine Ergänzung zum Privatmuseum.“
Was läßt sich gegen die Entwicklung aufbieten? Dercons Rezept ist kurz und prägnant: „Wir (müssen) ganz neue Regeln für die Kooperation zwischen Privatsammlern und staatlichen Museen aufstellen. Diese Kooperation kann nicht nur auf Dankbarkeit und gutem Glauben beruhen. Der Privatsammler, der mit einem staatlichen Museum kooperiert, muss es als einen Hort für einen auf lange Zeit angelegten symbolischen, nicht ökonomischen Wert akzeptieren. Die Museen ihrerseits sollten nur solche Privatsammler ansprechen, die diese Überzeugung teilen. Das staatliche Museum soll den Privatsammler pflegen, der nicht nur die Künste und die Künstler unterstützt, sondern auch die Kultur des staatlichen Museums stärkt. Kultur nämlich entsteht erst durch vereinte Anstrengungen.“
Dercon appelliert somit an zwei strukturelle Elemente des staatlichen Museums, seiner Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber (vereinte Anstrengung) und dem Freihalten eines Raumes vor der Durchdringung rein ökonomischer Rationalität (symbolischer Wert).
Dercon bezieht seine Erfahrungen aus der Tätigkeit an Kunstmuseen (zuletzt an der Tate Modern London). Man kann seine Beobachtungen erweitern, vor allem, wenn man einräumt, daß das Modell des staatlichen Museums nicht nur von außen, sondern auch von innen her bedroht ist. Der Einzug eines Managementdenkens, das die Institution von der Spitze her verstärkt einer wirtschaftlichen Rentabilität unterwirft, massiver Ausbau des Marketing, um sich in Konkurrenz zu anderen Institutionen auf dem „Markt der Aufmerksamkeit“ zu behaupten, die Sorglosigkeit wenn nicht Willfährigkeit bei Kooperationen mit Sponsoren und anderes mehr sind Indizien dieser Entwicklung. Das manische Berufen auf die Besucherzahlen kommt überwiegend aus den Museen selbst bzw. wird als ultimative Rechtfertigung ihrer Existenzberechtigung verheerenderweise allgemein akzeptiert.
Hinter der Maximierung der „Quote“ steht aber auch Rentabilität als Maß: denn damit soll nachgewiesen sein, daß die staatlichen Gelder (Steuergelder) insofern gerechtfertigt nur dann sinnvoll eingesetzt worden sind, wenn das „Produkt“ Museum sich über die Quote als angemessen wertvoll erweist. Gerade das aber ist bei steuerlicher Finanzierung kultureller Einrichtungen unmöglich. Es gibt keinen Geldwert, sondern nur einen symbolischen, und der erweist sich als resistent, in einen ökonomischen umgedeutet zu werden.
Daher: Ob es es „uns“ (einer Gesellschaft, einer Gemeinschaft, die ein Museum betreibt) Wert ist, dieses oder jenes Museum zu erhalten, hinge von einer gesellschaftlich vermittelten Entscheidung ab, welches Museum wir bräuchten und welches nicht, und von nichts anderem.
Insofern Museen genau diese Diskussion verweigern, aus Unvermögen oder Angst, daß diese Debatte sich gegen sie wenden könnte, aus Blindheit oder aus dem Fehlen jeglichen Verantwortungsgefühls gegenüber der Öffentlichkeit, und insofern kaum eine fachliche und kaum eine zivilgesellschaftliche Debatte dazu existieren, sieht es für eine widerständige, innovative Museumspolitik nicht gut aus.
Auch an der österreichischen Entwicklung kann man beobachten, daß private Sammler in immer stärkere Konkurrenz zu den staatlichen Museen treten, laut Dercon „Zeichen eines globalen Strukturwandels des Kunstbetriebs.“ Zwar hat der spektakuläre Konkurs des Baumarktkonzerns von Karlheinz Essl das bedeutendste Projekt eines Privatmuseums in Österreich in große Schwierigkeiten gebracht, aber die Ursache der Krise liegt im Missmanagement des Konzerns, nicht in der Entwicklung der Sammlung und des Museums. Die Umstände der Rettung durch den Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner und dessen Konsequenzen für einen weiteren prominenten Kunstplatz zeigen indes annähernd was sich in Zukunft entwickeln könnte: Haselsteinen tauschte die Übernahme der Sanierungskosten des Künstlerhauses in Wien mit dem Recht ein, dort seine eigene Sammlung, die Sammlung Essl zu zeigen und Ausstellungen in Kooperation mit staatlichen Einrichtungen wie der Albertina. Es sind genau diese Facetten, die Dercon in seinem Essay diskutiert.
Doch steht hinter der Frage Staat oder Privat eine ganz grundsätzliche Frage. Denn seit es ab dem späten 14.Jahrhundert Sammlungen kultureller Artefakte überhaupt gibt, sind sie strikt und mit raren Ausnahmen immer privat gewesen bis gegen Ende des 18.Jahrhunderts das Modell des (national)staatlichen, öffentlichen (das heißt staatlich unterhaltenen) Museum entstand. Und das als gesellschaftliches Instrument, bei dem das allgemeine Eigentum am Sammlungsgut, Sammeln im öffentlichen Auftrag und Interesse, unbegrenzter und rechtlich verbriefter Zugang Bedingungen einer gesellschaftlichen Zwecksetzung waren: dem Wohl der Gesellschaft zu dienen. Es blieben dabei immer parallel dazu private Sammlungen und Museen oder etwa Vereinswesen alternative Konzepte, aber erst unter den Bedingungen einer globalisierten und ökonomisierten Kultur erhalten private Sammlungen und Museumsgründungen einen neuen Status.
Private Museen beginnen in Konkurrenz zu staatlichen zu treten und gefährden deren Daseinsberechtigung z.B. durch Übermacht am Kunstmarkt. Wenn kürzlich das Rijksmuseum und die National Gallery gemeinsam eine Gemälde erworben haben, dann ist der bislang einzigartige Fall einer geteilten Erwerbung (die ein geteiltes Ausstellen an zwei Orten nach sich zieht) dieser Entwicklung geschuldet. Museen können - selbst diese beiden Flaggschiffe der Museumslandschaft nicht -, die Preise nicht mehr bezahlen, die zur Weiterentwicklung der Sammlung nötig wären. Das ist nur eine Facette der Entwicklung, die andere, bei Museen zeitgenössischer Kunst, daß Künstler eher mit finanziell potenten Privaten zusammenarbeiten, als mit staatlichen Museen.
Dercon unterstellt Privaten durchaus aggressive Strategien, nämlich Kontrolle über den Kunstmarkt und indirekt damit über staatliche Museen zu bekommen. Und: „Manche Privatmuseen müssen zudem als Manifestationen eines Projekts des Spektakels betrachtet werden. Ihre Betreiber haben begriffen, dass weder jahrelange Erfahrung noch die historische Rekonstruktion, noch das Gedächtnis in Zukunft als Bestandteile der kulturellen Praxis nötig sein werden. Außerdem haben sie die Tauglichkeit der Kunst als Mittel zur Konsumdifferenzierung und Produktivitätssteigerung erkannt.“ Was die Privatisierung mit sich bringt sind „…uferlose Akkumulation von Kunst und die Expansion einer orientierungslosen Vielfalt; die Verschwiegenheit im Hinblick auf Organisation, Vermögen, Kosten und Gehälter; eine geschäftsmäßige Auswahl und von Beratern gesteuerte Ankäufe; Insiderhandel und andere aggressive Geschäftsbeziehungen.“
Worin unterscheiden sich staatliche Institution von diesen Strategien und Ambitionen? „Die Daseinsberechtigung staatlicher Museen“ schreibt Dercon, „besteht darin, die Verfügbarkeit und Sichtbarkeit von Kunstwerken auf lange Zeit zu gewährleisten. Ihr zentraler Auftrag ist es, ein möglichst breites Publikum zu bilden. Das bedeutet heutzutage auch, Urteilsfähigkeit zu vermitteln: einerseits über das ungeheuer weite Feld der zeitgenössischen Kunstproduktion, die immer deutlichere Parallelen zur Produktion von Luxusgütern offenbart, und andererseits über jene Werke, die wirklich eine Kultur formen. (…) Anders als die privaten Sammlungen dürfen wir uns auch nicht erlauben, die Kunst als mögliches Renditeobjekt zu betrachten. Wir produzieren Gedächtnis, das ist unsere Aufgabe. Die staatlichen Museen sind in dieser Sicht das Heilmittel – und nicht eine Ergänzung zum Privatmuseum.“
Was läßt sich gegen die Entwicklung aufbieten? Dercons Rezept ist kurz und prägnant: „Wir (müssen) ganz neue Regeln für die Kooperation zwischen Privatsammlern und staatlichen Museen aufstellen. Diese Kooperation kann nicht nur auf Dankbarkeit und gutem Glauben beruhen. Der Privatsammler, der mit einem staatlichen Museum kooperiert, muss es als einen Hort für einen auf lange Zeit angelegten symbolischen, nicht ökonomischen Wert akzeptieren. Die Museen ihrerseits sollten nur solche Privatsammler ansprechen, die diese Überzeugung teilen. Das staatliche Museum soll den Privatsammler pflegen, der nicht nur die Künste und die Künstler unterstützt, sondern auch die Kultur des staatlichen Museums stärkt. Kultur nämlich entsteht erst durch vereinte Anstrengungen.“
Dercon appelliert somit an zwei strukturelle Elemente des staatlichen Museums, seiner Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber (vereinte Anstrengung) und dem Freihalten eines Raumes vor der Durchdringung rein ökonomischer Rationalität (symbolischer Wert).
Dercon bezieht seine Erfahrungen aus der Tätigkeit an Kunstmuseen (zuletzt an der Tate Modern London). Man kann seine Beobachtungen erweitern, vor allem, wenn man einräumt, daß das Modell des staatlichen Museums nicht nur von außen, sondern auch von innen her bedroht ist. Der Einzug eines Managementdenkens, das die Institution von der Spitze her verstärkt einer wirtschaftlichen Rentabilität unterwirft, massiver Ausbau des Marketing, um sich in Konkurrenz zu anderen Institutionen auf dem „Markt der Aufmerksamkeit“ zu behaupten, die Sorglosigkeit wenn nicht Willfährigkeit bei Kooperationen mit Sponsoren und anderes mehr sind Indizien dieser Entwicklung. Das manische Berufen auf die Besucherzahlen kommt überwiegend aus den Museen selbst bzw. wird als ultimative Rechtfertigung ihrer Existenzberechtigung verheerenderweise allgemein akzeptiert.
Hinter der Maximierung der „Quote“ steht aber auch Rentabilität als Maß: denn damit soll nachgewiesen sein, daß die staatlichen Gelder (Steuergelder) insofern gerechtfertigt nur dann sinnvoll eingesetzt worden sind, wenn das „Produkt“ Museum sich über die Quote als angemessen wertvoll erweist. Gerade das aber ist bei steuerlicher Finanzierung kultureller Einrichtungen unmöglich. Es gibt keinen Geldwert, sondern nur einen symbolischen, und der erweist sich als resistent, in einen ökonomischen umgedeutet zu werden.
Daher: Ob es es „uns“ (einer Gesellschaft, einer Gemeinschaft, die ein Museum betreibt) Wert ist, dieses oder jenes Museum zu erhalten, hinge von einer gesellschaftlich vermittelten Entscheidung ab, welches Museum wir bräuchten und welches nicht, und von nichts anderem.
Insofern Museen genau diese Diskussion verweigern, aus Unvermögen oder Angst, daß diese Debatte sich gegen sie wenden könnte, aus Blindheit oder aus dem Fehlen jeglichen Verantwortungsgefühls gegenüber der Öffentlichkeit, und insofern kaum eine fachliche und kaum eine zivilgesellschaftliche Debatte dazu existieren, sieht es für eine widerständige, innovative Museumspolitik nicht gut aus.
Montag, 19. Oktober 2015
Das Lebendig-Werden der Kunst
Van Gogh als Garten, Feld der was immer. Ein Herr Sten Herd hats gemacht, ein was? Ein Künstler und wo? In Minnesota. Weitere Bilder und eine Animation wo man dem "Gemälde" beimWachsen zusehen kann hier. |
Samstag, 17. Oktober 2015
Schreien oder quieken, das ist hier die Frage?
Albertina, Wien. Ein zur Munch-Ausstellung angebotenes Merchandising-Produkt. Quiekt, wenn man drückt.
Freitag, 16. Oktober 2015
Mittwoch, 14. Oktober 2015
Haus der Geschichte. Mein "nein" dazu
Am Montag fand in der Akademie der Wissenschaften in Wien eine Veranstaltung zum "Haus der Geschichte" statt. Siebzehn Referentinnen und Referenten sprachen zum Thema und diskutierten mit dem Publikum.
Hier mein Beitrag:
Für ein Museum des Konflikts
Ein Museum kann nicht nur von Demokratie sprechen, wie es im Konzept für ein Haus der Geschichte in der Neuen Burg der Fall ist, es muss auch selbst demokratisch sein.
Was das bedeutet, das ist mein einziges Thema.
I
Museen sind Orte der Selbstdarstellung und Selbstauslegung von Gesellschaften und Gemeinschaften. In Museen sammeln sich Menschen um Gesammeltes. Es geht ums Sammeln und ums Sich-Sammeln. Kaum ein Museum verzichtet auf Räume, die dem durch Architektur und Dekor praktisch wie symbolisch Rechnung tragen.
Über Gegenstände und ihre Ausstellung und Ordnung deuten Menschen ihre Herkunft und Zukunft vor allem aber den Grund ihrer Zusammengehörigkeit. Darin unterscheidet sich das Baldramsdorfer Handwerksmuseum nicht vom British Museum.
Als Versammlung um eine Sammlung bilden die Beteiligten ein zivilisierendes Ritual, deren Feinheiten wir alle kennen und internalisiert haben und abrufen, sobald wir Museumsbesucher sind. Zivilisierend sind diese Rituale vor allem dann, wenn sich körperliche und affektive Involvierung mit kognitiver Reflexion mischt, in der der Wahrheits- und Geltungsanspruch des Verhandelten geprüft und abgewogen wird.
Dies nennt man liberale bürgerliche Öffentlichkeit, mit der das Museum genealogisch verbunden ist und durch das es selbst politisch und demokratisch wird, wenn es aus dem Diskurs dem Anspruch nach niemanden ausschließt.
Öffentlich ist das Museum aber keineswegs wegen dieser allgemeinen also auch sozialegalitären Zugänglichkeit. Der Sinn des Museums erschöpft sich keineswegs in der statistisch erhobenen Vielzahl der Besucher.
Denn öffentlich nennen wir Institutionen, die der Staat im Interesse der Wohlfahrt der Gesellschaft einrichtet, treuhänderisch verwaltet und aus Steuermitteln erhält.
Es gibt Einrichtungen, deren Zugänglichkeit wir nur ungern in Anspruch nähmen würden, wie Gefängnisse, die dennoch öffentlich im genannten Sinn sind.
Das Museum ist eine Institution unter vielen anderen öffentlichen, wie etwa Schulen, Universitäten, Spitäler oder Verkehrsmittel und dient mit ihnen der Verwirklichung eines Gesellschaftszieles. Seit den frühen republikanischen Verfassungen wird dieses Ziel mit allgemeiner und sozialer Wohlfahrt beschrieben.
II
Wenn das Museum aber nur eine unter sehr vielen Einrichtungen ist, die der allgemeinen Wohlfahrt dienen, warum hat es eine derart ausgezeichnete, überdeterminierte Stellung, als monumentale und expressive Architektur, als städtebauliche Landmark im Zentrum der Metropolen, als hochkulturelle Instanz?
Warum dieser Rang von Institution, Bau und Ort?
Um diese Frage zu beantworten werde ich einen kurzen Blick auf die Entstehungsgeschichte des modernen Museums werfen und auf ein herausragendes Datum: Die Gründung des Museum français im Louvre im Paris des Jahres 1793, am 10.August.
Wenige Monate davor hatte man Ludwig den XVI. hingerichtet.
Der Schnitt durch den Körper des Bürgers Capet, als der er angeklagt worden war, zerstörte auch den transzendentalen Leib des Königs und die Konfiguration der Macht des alten Staates und beraubte damit die neue Gesellschaft eines Halt und Ausdruck gebenden „Objekts“.
Der Bruch mit der alten Herrschafts-, ja kurzzeitig sogar Zeitordnung, setzt eine Dialektik in Bewegung, die eine Schließung der entstandenen Leere zum Ziel hatte. Man darf spekulieren, ob das Museum und seine Sammlung, dieses Ding das sammelt nicht eine Form der Substitution des Mangels sind. Ist es nicht symptomatisch, daß man den architektonisch und städtebaulich zentralen Herrschaftsbau, das Königsschloß, zum Museum macht?
Dieselbe Dialektik ist während der Vorgeschichte der Museumsgründungen der Revolution am Werk. Das Verschwinden der kulturellen Dinge - der frühe Bildersturm ist blanke Zerstörung -, das Verschwinden der Zeichen, die verhasst sind, die Plünderung der Gräber, der Abbruch von Kirchen führt zu einer sorgenvollen Debatte der Volksversammlung, die eine komplette Inversion der Kulturpolitik einleitet.
Dem Furor des Verschwindens wird eine Politik des Erbes entgegengesetzt, die ihre Kulmination in der Gründung einer Denkmalpflegebehörde und von Museen findet und in der Adaption eines neuen Wortes für das Gesamt der kulturellen Überlieferung: Patrimoine.
Dieses Erbe ist in rechtsbrüchigen und gewaltförmigen Prozessen wie Säkularisierung, Beschlagnahme, Enteignung usw. entstanden um nun in den Besitz des Volkes zu gelangen. Dieses Strukturmerkmal, das Museum als Gemeinbesitz, haben öffentliche Museen bis heute und dort erfolgt auch, nebenbei sei das eingefügt, der zentrale Angriff der gegenwärtigen Ökonomisierung.
III
Wenn meine Überlegungen zutreffen, dann wäre das Museum ein Schauplatz der Vergesellschaftung, ein Ort der symbolischen und rituellen Vergemeinschaftung, der im Frankreich der Revolution, inmitten der umfassenden Krise den Zusammenhalt herzustellen und zu stabilisieren versucht.
Eine solche Annahme wird mit dem Blick auf zwei weitere Ereignisse des Gründungstages des Museums gestützt. Da ist einmal die feierliche Deklaration der Verfassung, der ersten republikanischen Frankreichs und ein Fest, das abertausende Franzosen in einer Prozession durch die Straßen von Paris vereint und in einem Eid der Abgeordneten der Departements gipfelt.
Die Teilhabe der Bürger an diesem Gründungsakt einer Nation macht sie zu Staatsbürgern, und der Umstand, daß dieses Ereignis geplant und überlegt mit der Museumsgründung zusammengelegt wird, bedeutet, daß auch das Museum als zivilisierendes Ritual dieselbe politische und soziale Funktion haben soll. Es ist erstmals einer der Orte, an dem die Gesellschaft zu sich kommt und wo der Einzelne sich durch Teilhabe zum gesellschaftlichen Subjekt macht womit er seinerseits wieder zur Formierung der Gesellschaft beiträgt.
Alle drei Ereignisse, Verfassungsdeklaration, Nationalfest und Museumsgründung lassen sich als performative Akte verstehen, die um die Leerstelle kreisen, die sich in der Mitte der Gesellschaft geöffnet hat. Dieser Prozess ist widersprüchlich. Denn die Frage nach dem Grund der Gesellschaft, nach ihrem Zusammenhalt, zielt einerseits auf eine Antwort die definitiv ist, aber damit den Platz, der leer ist, besetzen würde. Das darf aber andrerseits nie gelingen. In der Demokratie darf und kann es kein Objekt geben, das den Platz der Macht auf Dauer besetzt. Der geregelte und kontinuierliche Wechsel der Macht ist ein essentielles Strukturmerkmal von Demokratien.
Zur Dialektik von Kontinuität und Bruch, von Bildersturm und Erbepolitik, gehört also die Suche nach diesem unmöglichen Objekt, das man in der Idee des Patrimoine ebenso findet, wie der des Museums. Dazu gehört aber auch die Ahnung, daß es
unmöglich ist, unter demokratischen Bedingungen ein Objekt zu denken und zu konstruieren, das die Gesellschaft repräsentiert, eint, zusammenhält, wie einst der Körper des Königs.
IV
Wie wird das Museum seinem Anspruch gerecht, das fehlende Objekt, diese cosa nostra, zu substituieren, den Skandal der Leerstelle im Zentrum der Gesellschaft zu beheben?
Widersprüchlich und schlecht. Das Museum tendiert dazu, Identität festzustellen, es drängt uns mit seiner verdinglichten, scheinobjektivierenden Struktur Wahrheitserzählungen auf. Während wir etwa im Theater oder beim Film immer der Konstruktivität des Gezeigten gewärtig sind, und wissen, daß es auch anders erzählt und dargestellt werden könnte, fällt gerade das beim Museum aus. Geschickt verbirgt das Museum Autorschaft und die Kontingenz seiner Botschaft.
Deshalb ist das Museum auch so frenetisch beliebt, wenn es um Identität geht. Im Rückgriff auf authentische Objekte scheint sie sich dort wie nach Rezept feststellen, herstellen und behaupten zu lassen.
Vor allem aber ist das Museum hinsichtlich Macht und Identität eins: kein neutraler Ort. Weder Kuratoren noch Ausstellungsmacher noch VermittlerInnen oder wer auch immer sonst, können sich außerhalb des Feldes der Macht positionieren. Verschleiert wird das dadurch, daß die Museumserzählungen und Repräsentationsformen eine allgemeine Gültigkeit und Verbindlichkeit behaupten, obwohl sie immer eine Auswahl darstellen, immer Nicht-Gesagtes enthalten und immer mit Ausschlüssen einhergehen. Museumserzählungen sind Setzung, haben partikulare Geltung, doch behauptet das Museum das Gegenteil, nämlich die allgemeine Verbindlichkeit seiner Werte und Erzählungen.
Das macht sozial und herrschaftstechnisch Sinn. Unter den genannten Bedingungen wirkt das Museum als ideologischer Staatsapparat hegemonial. Auch weil es nicht so sehr ein Ort der Bildung sondern der Gebildeten ist, einer der Wissen und Werte von Eliten forciert und sie an die Eingeborenen derselben Elite weiterreicht.
Das Museum gehorcht Interessen, die als für jedermann gültige verallgemeinert werden. Und das umso wirksamer, je mehr die Mechanismen und Funktionsweisen, mit denen das geleistet wird, verschleiert oder verschwiegen werden. Man denke etwa nur an die Kanonbildung im Bereich der Kunst und Kunstgeschichte sowie in den Kunstmuseen. Erst in jüngerer Zeit wurden die Ausschlüsse, die Künstlerinnen betrafen oder die Marginalisierung nicht-europäischer Kunst thematisiert.
V
Ich habe drei Momente genannt, die so etwas wie ein demokratisches Potential des Museums darstellen. Erstens das Museum als Ort liberaler bürgerlicher Öffentlichkeit. Zweitens als Medium, in dem wohlfahrtsstaatliche Zielsetzungen realisiert werden und drittens als Schauplatz, an dem das identifikatorische Zentrum der Demokratie als paradoxer, weil sowohl einigender als auch leerer Signifikant symbolisch besetzt wird.
Alle drei Momente müssten weiterentwickelt werden. Aus bürgerlicher Öffentlichkeit müssten vielfältige und freie Debattenräume für alle nur erdenkliche Öffentlichkeitsformen entstehen und untereinander konkurrieren; die wohlfahrtsstaatliche Verpflichtung müsste wohl erst aus neoliberalem Managementdenken und den Übergriffigkeiten der Ökonomisierung befreit werden um Freiraum für eine Debatte um den gegenwärtigen und zeitgenössischen Sinn des Museums zu schaffen.
Und drittens müsste man den politisch-demokratischen Kern des Museums wiederentdecken. Die Konflikte, die dort, aber verschleiert und entstellt von einem Museum als Unschuldskomödie virulent sind, müssten offen ausgetragen werden. Was das Museum verdrängt, ungesagt läßt, ausschließt, in narrativer Unschuld verleugnet, muß vor das Forum, das über dem leeren Platz der Macht errichtet wird.
Dies setzt etwas voraus, was immer wieder gefordert, selten aber eingelöst wird: Selbstreflexivität. Das heißt Reflexivität über die Bedingungen, unter denen das Museum als Sammlung, Medium, Ausstellung, Organisation und Institution all diese Anforderungen erfüllen kann.
VI
Was läßt sich, ich komme zum Schluß, vor dem Hintergrund meiner Überlegungen zum aktuellen Projekt des Hauses der Geschichte in der Neuen Burg sagen? Seit den Anfängen dieser mehrfach gewandelten Idee, seit Leon Zelmans Forderung nach einem Museum der Toleranz im Palais Epstein, ist es ein paternalistisches Projekt ohne jedes artikuliertes zivilgesellschaftliches Interesse, das ohne die Unterstützung einzelner Politiker nie auch nur einige Wochen überlebt hätte.
Mit der wie eine päpstliche infallible ex-cathedra-Verkündigung vorgetragenen Entscheidung eines Ministers anlässlich des Besuchs einiger Räumlichkeiten der Neuen Hofburg – hierher kommt das Haus der Geschichte! – schlägt der Paternalismus in eine autoritative Setzung um.
Es mag an den Konsequenzen der Entscheidung Kritik gegeben haben, etwa am Kollateralschaden, den andere Sammlungen nehmen könnten, aber die dezisionistische Entscheidung, der meiner Kenntnis nach für Österreich einzigartige Fall einer unmittelbar politisch lancierten Museumsgründung, scheint nirgendwo Anstoß zu erregen. Das läßt auf eine eklatante Schwäche der Zivilgesellschaft schließen.
Ich kenne bis heute auch kein Dutzend Personen, die wirklich leidenschaftlich für das Projekt eintreten, nicht einmal dann, wenn ich die professionell Beteiligten dazuzähle, ich kenne aber auch kein Dutzend wirklich energische, argumentativ gut gerüstete Gegner des Hauses der Geschichte. Kurzum, zivilgesellschaftlich ist das Projekt bedeutungslos.
Es fehlt beiden Konzepten erstaunlicherweise jede Zielsetzungii. Das gilt auch für große Teile der medialen Äußerungen zum Haus der Geschichte. Inhalte gibt es viele, Absichtserklärung zur Funktion ebenfalls. Aber was soll es in den Augen seiner Betreiber und Befürworter sein? Eine nationale Bundeslade, ein Medienverbund zur historischen Bildung Halbwüchsiger, ein touristischer Freizeitvertreib, ein Ort der Popularisierung geschichtswissenschaftlicher Forschung?
Mir wird der gesellschaftliche Sinn dieses Museums durchaus nicht klar.
Mit der Tatsache, daß es zwei Museen geben wird, eines in St. Pölten und eines in Wien, eines von einem sozialdemokratischen und eines von einem christlichsozialen Politiker lanciertes, wird jede Hoffnung, wie ich sie in meinen Überlegungen gewissermaßen provisorisch gehegt habe, völlig obsolet.
Ich erspare es mir auf viele weitere Aspekte hinzuweisen, etwa auf die klandestine Planung, die schubladisierten Expertisen, die selektive Informationspolitik oder das Versprechen, post festum, wenn alles in Gang gesetzt sein wird, werde es auch so etwas wie eine Partizipationsecke geben.
Es geht weder darum, ob eine große Erzählung besser 1848 oder 1918 einsetzt, auch nicht darum, ob man Computer einsetzt oder Archivalien, sich an die Jugend wendet oder an Touristen und sicher nicht um die Erinnerung an einen bestimmten Balkon.
Was wir doch so dringend gebrauchen könnten, ist ein freies Medium der Zeitgenossenschaft, ein nervöses Auffangorgan, das uns hilft, unsere wahrlich krisenhafte Gegenwart handlungsorientierend zu deuten.
Dafür wäre eine unabhängig kuratierte und evaluierte permanente Projektreihe ohne festen Ort, an deren Ausführung sich jedermann beteiligen könnte, vom Bundesmuseum bis zu NGOs, vom freiberuflichen Wissenschaftler bis zur engagierten zivilgesellschaftlichen Gruppe ungleich besser geeignet als das angedachte Museum.
Denn auch das zeichnet das vorliegende Konzept aus, sein altbackener Museumsbegriff, seine erstaunliche museologische Rückständigkeit. Das macht es mit den genannten und anderen Schwächen als Agentur demokratischer politischer Kultur nicht nur unbrauchbar, sondern kontraproduktiv.
Ein klares nein zu diesem Projekt.
07.10.2015
Samstag, 3. Oktober 2015
Das "Haus der Geschichte" im Parlament. Zustimmung sieht anders aus
Bislang ist es nur eine Presseagentur-Meldung, in Tageszeitungen habe ich noch keinen Bericht gefunden: im Kulturausschuss des Parlaments haben sich alle Parteien bis auf eine kritisch zum Haus der Geschichte geäußert. Die eine Ausnahme ist die SPÖ.
Was das bedeutet? Nun sicher einmal, dass er Boden, auf dem das Projekt gedeiht, dünn ist. Nach den Wahlen in Wien in einer Woche könnte der durchbrechen. Was es auch bedeutet: dass mehr denn je deutlich ist, dass das geplante Museum ein ideologisch-parteipolitisch gewünschtes und protegiertes ist und nur deshalb noch am Leben ist. Ein artikuliertes zivilgesellschaftliches Interesse lässt sich weit und breit nicht ausmachen.
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