Dienstag, 30. Dezember 2014

Montag, 29. Dezember 2014

Propter Homines. Etwas zu Privatisierung.

Erschienen in: derdiedas bildende. Akademiezeitung No.2, 2014, S.8/9


Proper Homines bezeichnet - in Goldbuchstaben an eine Wand appliziert - einen Veranstaltungsraum in der Albertina in Wien. Übersetzt heißt das Der Menschen wegen, etwas freier Zum Wohl der Menschen. Die unübersehbare Inschrift hat eine doppelte Funktion. Sie würdigt die Stiftung, die die Errichtung dieses Raumes ermöglicht hat, eine Stiftung, die denselben Namen trägt: Proper Homines und damit die Person des Stifters und Vorsitzenden der Stiftung, Herbert Batliner. Das Motto würdigt Stiftung und Stifter gleichermaßen und weist dem Engagement, das bei der Alberten auch in der Leihgabe von Gemälden aus der Sammlung Batliner besteht, eine allgemeine Bedeutung zu: Zum Wohl der Menschen.
Herbert Batliner ist Rechtsanwalt in Lichtenstein. Er gilt als Erfinder von Stiftungskonstruktionen, die die Umgehung der Steuerpflicht zum Beispiel für deutsche Staatsbürger erlaubte. Im großen Maßstab, wie die Übermittlung von gut gehüteten Daten seiner Kunden an die deutschen Finanzbehörden zeigte. Batliner vermied eine drohende Verurteilung durch freiwillige Zahlungen. Proper Homines?  Ja. Wenngleich nur für wenige und sehr Begüterte.
Die Albertina ist eine weltberühmte grafische Sammlung und ein staatliches Museum. Batliner ist Privatmann. Ein staatliches Museum ist als öffentliche Einrichtung zwingend verpflichtet, sich an das Gesamt der Staatsbürger_innen zu adressieren. Propter homines ist keine Wahl dieser oder jener Museums-Konzeption oder eines Mission Statements, das auch anders lauten könnte. Es ist eine gesellschaftliche, von staatlicher Politik und Verwaltung treuhänderisch wahrgenommene Verpflichtung. Jeder hat das Recht die im Besitz des Staates befindliche Sammlung zu nutzen. Aber Öffentlichkeit erschöpft sich nicht darin, sie charakterisiert alle wohlfahrtsstaatlichen Einrichtungen, die zum Wohle – die frühesten republikanischen Verfassungen kennen hier an Stelle des Wortes „Wohl“ noch das des „Glücks“ -, der Gesellschaft installiert wurden.
Ein Stifter, ein Mäzen, ein Sammler, ein Förderer kann das Wohl aller im Blick haben, er muss aber nicht. Wie man es auch wendet und dreht, seine Interessen bleiben privat. Die staatlichen müssen öffentlich sein, also nicht (nur) im Sinne von öffentlich und allgemein zugänglich, sondern im Sinne von zum Nutzen aller.


Ein Blick auf die Etymologie des aus der römischen Rechtskodifizierung stammenden Wortes privat macht uns sensibel für die Schärfe des Gegensatzes zwischen den beiden Begriffen und Praktiken, die durch sie bezeichnet werden. Da geht es nicht nur um den Gegensatz zwischen der privaten häuslichen Sphäre und den öffentlichen, namentlich politischen Angelegenheiten. Da geht es auch um eine sprachlich vermittelte Wertung, die die res publica, die alle betreffenden Angelegenheiten (die so genannte gemeinsame Sache, also die, die alle angeht und durch deren Vermittlung und Beteiligung an ihrer Ausgestaltung sie von Bürger zu Staatsbürgern und Staatsbürgerinnen warden. Synonym für Gemeinwesen bzw. Gemeinwohl und schließlich auch – als Republik – Staatsform, die vom Prinzip der Volkssouveränität getragen und legitimiert wird) offenbar im Vergleich zum Privaten über das – wörtlich – Geraubte (privare = rauben) setzt.

Etwa drei Jahrhunderte hindurch war Sammeln Privatsache und der Zugang zu Sammlungen und ihre Nutzung (durch Wissenschafter, Künstler, Kenner usw.) hing von der Gunst des Eigentümers ab. Sammlungen im Besitz einer Gemeinschaft, etwa einer Stadt wie Venedig (wo der Doge Domenico Grimani kurz vor seinem Tod 1523 seine Sammlung der Stadt vermacht), Basel (wo der städtische Erwerb der Sammlung des Humanisten Amerbach deren Weiterbestand sicherte) oder Zürich (wo in der sogenannten Wasserkirche 1634ff. eine Bibliothek und eine Sammlung eingerichtet wurden)  sind Ausnahmen. Die Vorstellung eines korporativen Besitzes und Nutzens entwickelte sich in der Aufklärung und voll ausgebildet wird die uns geläufige und im Kern noch gültige Idee des Museums erst in der Französischen Revolution. Bemerkenswert ist, daß es dort zu einer umfassenden (gewaltförmigen, rechtsbrüchigen) Umwandlung privaten Besitzes (Der Königsfamilie, des Adels, der Kirche, der Emigranten) in öffentliches Gut kommt, aus dem (unter anderem) die großen Pariser Museen einschließlich des Louvre gegründet warden können. Der Genuss (ein Wort der revolutionären Praxis) der kulturellen Güter und Werte ist nun nicht von Gunst abhängig, sondern verbrieftes Recht. In Verfassung und Gesetzen niedergelegt, ist dieses allgemeine Recht in seiner frühen Zeit explizit eines, das in seinem zivilisierenden Ritual (Carol Duncan; Sabine Offe) auf die Staatsbürgerlichkeit (im Paris der 1790er-Jahre) bzw. die Humanisierung der Nation (im Berlin der 1830er-Jahre) zielt.
Die allgemeine Zugänglichkeit zu den kulturellen Institutionen und der staatliche Besitz an Kulturgütern - in Italien I beni culturali, in England Heritage, in Frankreich Patrimoine und hierzulande kulturelles Erbe genannt, sind nicht Ziel des Museums, sondern Bedingungen seiner gesellschaftlichen Wirkmächtigkeit.


 In einem vor nicht allzu langer Zeit bei ARTE gezeigten Dokumentarfilm wurden zwei römische Passantinnen gefragt, wem denn das gerade mit Mitteln eines privaten Unternehmers sanierte Kolosseum gehöre. „Mir. Uns“ antworteten die beiden ohne eine Sekunde zu zögern und lachten. Daß ein solches Selbstbewußtsein nicht bloß anekdotisch ist, wird in der Doku im Gespräch mit irischen Bürgerrechtler_innen deutlich, die gegen den Verkauf der staatlichen Forste an private Unternehmen kämpfen und nun in der Verfassung die Umformulierung vom unveräußerlichen Staatsbesitz zum nicht veränderbaren Volksbesitz erzwingen wollen. Die Aktivisten haben ein tiefsitzendes Gefühl für den Wert gemeinschaftlichen Besitzes und für den Bruch, den es bedeuten würde, diesen aufzugeben. Sie wollen nicht, daß das, was ihnen gehört und was sie vielfach genießen und nutzen - was verlorenginge erzählen sie praktisch und anschaulich - enteignet wird, privatisiert, geraubt. Das propter homines muß also wieder in die Verfassung.
Solche Formen der Privatisierung gibt es heute viele und in vielen Formen. Privatisierung bedeutet immer Umwandlung von staatlichem in privaten Besitz. Und nicht überall ist der Bürgersinn so geschärft, für den essentiellen Verlust, für das Ausmaß und die Folgen der Enteignungen, die da im Großmaßstab vorgenommen werden.
In der Praxis ist die Unterscheidung von privat und öffentlich nicht immer einfach. Das Museum des Sammlerehepaares Karl Heinz und Agnes Essl, das diese auf der Basis einer mehrere tausend Kunstwerke umfassenden Sammlung, errichtet haben (in Klosterneuburg bei Wien), unterschied sich für einen Besucher nicht von einem staatlichen Museum. Privat an ihm waren die Auswahl der Sammlung, die Kriterien der Wahl, die Wahl von KuratorInnen usw. Es gibt andere Beispiele für mäzenatisches, also großzügiges Handeln, das sich bewußt und verantwortungsvoll auf das Gemeinwohl bezieht ohne eine Gegenleistung einzufordern oder zu erwarten. Umgekehrt gibt es paternalistisch geführte Museen, wo eine Leitung persönliche Vorlieben und Ideologien zum herrschenden Maßstab für die gesamte Institution macht, unter Umständen sogar bis zur Korruption. Und auch Politiker können sehr einsame Entscheidungen treffen, die man nicht anders als privat bezeichnen kann. Da ist ein Bundeskanzler der einen befreundeten Sänger zum Staatsoperndirektor ernennen will oder eine Stadträtin die eine Fernsehsprecherin zur Museumsdirektorin bestellt hat oder  der Landesrat, der sich be idem ihm unterstellten Museum eine zu seinem Hobby passende Ausstellung bestellt.. Letztlich sind das private Entscheidungen, die keinem gesellschaftlichen Auftrag mehr verpflichtet sind, und die nur durch mediale Thematisierung oder zivilen Einspruch zu verhindern sind. War der Ankauf der Sammlung Leopold, war die Errichtung eines Museums mit Steuergeld wirklich in öffentlichem Interesse? Und auch die Ausnahmekonstruktion eines Bundesmuseums als Privatstiftung? (sic!) es im öffentlichen Interesse, ein Landesmuseum, das Museum der Moderne in Salzburg, so mit einer Sammlung eines riesigen Versicherungskonzerns zum amalgamieren, dass  die meisten symbolischen und materiellen Vorteile auf Seiten des Konzerns und nicht bei der öffentlichen Hand liegen?

Der Gegensatz von öffentlich und privat hätte heute nicht eine solche Bedeutung und Dynamik, wenn nicht nahezu alle Sphären von ökonomischen Imperativen durchdrungen wären, die strukturell auf Privatisierung, auf Ballung riesiger Vermögen in wenigen Händen hinauslaufen und die Ziele und Werte des Wohlfahrtsstaates und demokratischer gesellschaftlicher Verfasstheit unterminieren. Im günstigeren Fall ist die Politik neutral, im schlechteren interessiert, die postdemokratische und kasinokapitalistische Dynamik als alternativlos (Angela Merkel) zu fördern. Und klassische diskursive und kritische Öffentlichkeit hat sich gerade im Feld des Ausstellens und der Museen kaum je entwickelt und existiert auch kaum. Es gibt daher kaum so etwas wie kulturelle Gegenöffentlichkeit und Innovation und Experiment findet man eher am Rand oder meist eher jenseits der Institutionen. Und die Museen und Ausstellungshäuser selbst? Sie bilden Kompromisse, um dem Druck der Verknappung der Mittel der sogenannten öffentlichen Hand standhalten zu können (beim Wiener Burgtheater hat sich zum ersten Mal gezeigt, dass das Grenzen hat) oder es werden auf Teufel komm raus Bündnisse geschlossen, die die Privatisierung von innen her vorantreiben und der Öffentlichkeit, etwa als Public Private Partnership, als Ausweg verkauft werden. Anders gesagt: die Museen betreiben eine Politik, die die ihre eigene Grundlage kontaminiert und beschädigt. So beklagen sie die Macht der veröffentlichten Besuchszahlen, rechnen sie selbst aber als Ausweis ihres Erfolges gegen staatliche Fördergelder.
Propter homines. Von einer Inschrift in er Albertina bin ich ausgegangen, um die sehr unterschiedlichen Instrumentalisierungen dieses Mottos zu thematisieren. Eine seiner Bedeutungsfacetten kann man im Shop der Albertina gewahr werden. Dort liegt das Kochbuch von Rita Batliner. Mit Liebe zur Koch-Kunst. 




Freitag, 26. Dezember 2014

Museumsszene

Immer dieser Ärger mit den "Fremden". In Paris und in Berlin

Kürzlich wurde die Cité nationale de l’histoire de l’immigration durch den französischen Staatspräsidenten eröffnet. Nicht ungewöhnlich, sollte man meinen. Nur - das Museum gibt es seit 2007. Der nachholende Akt kam zustande, weil damals Nikolaus Sarkozy sich weigerte, das Museum zu eröffnen. Das Museum war 1989 von einem algerischen Immigranten, Zaïr Kedadouche, in Zusammenarbeit mit Wissenschaftern konzipiert worden.
Aber am 18. Mai 2007 traten acht Akademiker, die den Gremien der Cité de l’immigration angehörten (Patrick Weil, Gérard Noiriel, Nancy Green, Patrick Simon, Vincent Viet, Marie-Christine Volovitch-Tavarès, Marie-Claude Blanc-Chaléard, Geneviève Dreyfus-Armand), aus Protest gegen die von Nicolas Sarkozy veranlasste Gründung eines Ministère de l’immigration, de l’intégration, de l’identité nationale et du codéveloppement (wörtlich: Ministerium für Immigration, Integration, nationale Identität und Koentwicklung) zurück. Da diese Gründung sich ihrer Ansicht nach in „die Spur eines die Immigration stigmatisierenden Diskurses und in die Tradition eines auf Misstrauen und Feindseligkeit gegenüber Fremden in Krisenzeiten basierenden Nationalismus“ einschreibt. Sarkozy, selbst Sohn einer Immigranten-Familie, eröffnete also das Museum nicht und der Stellvertreter, den er schickte, wurde vom Publikum vertrieben.
Nicht nur die „Verspätung“ der offiziellen Eröffnung spiegelt die zahllosen Probleme wieder, die Frankreich mit der Immigration hat, auch die Geschichte des Museums und die seiner Namensgebung reflektiert den sich wandelnden Diskurs über „die Anderen“. 1931 als Kolonialausstellung an der Porte Dorée begonnen und mit einem eigenwilligen Bau ausgestattet, wurde 1935 das Musée de la France d’Outre-mer daraus, dann 1960 das Musée des Arts africains et océaniens das 1990 als Musée national des Arts d'Afrique et d'Océanie zum Nationalmuseum wurde.
Diese jüngste Entwicklung wurde durch die Planung und Errichtung des Musée du Quay Branly ausgelöst, das Sammlungen aus dem gleichzeitig aufgelösten Museum an der Porte Dorée erhielt. Die Gründung der Cité nationale de l’histoire de l’immigration kann man auch als eine Art Kompensation lesen. Nämlich der der Verweigerung des Musée du Quay Brandy, sich diesen Fragen und denen der Kolonialgeschichte selbst zu stellen. Daß nun Präsident Hollande das Museum eröffnet, das schon sieben Jahre offen ist, schließt als Kuriosum nicht die lange Problemgeschichte ab, die die Errichtung der Cité bezeugt. Die gesellschaftlichen Probleme sind virulenter denn je. Sarkozy spricht inzwischen von Immigration als einer Bedrohung der französischen „Lebensart“. Zumindest an der Spitze der Republik und vor allem an der rechten Partei Front Nationale, wird die postimmigrantische Einsicht nicht ankommen, daß die nationalen Identitäten Frankreichs (zweifellos gibt es die nicht im Singular) ohne Immigration und Immigranten nicht denkbar sei.
Aber immerhin. In Frankreich gibt es, wie die genannten Rücktritte und Proteste sowie die anhaltende Debatte in der akademischen Elite zeigen, ein zivilgesellschaftliches Potential. Man läßt nicht alles über sich ergehen. Auch nicht in der Kultur- und Museumspolitik.
Ortswechsel. Berlin. Dort ist das Schloß in Bau. Als Teilrekonstruktion und moderner Neubau ersteht es wieder und soll künftig als ein Zentrum von Wissenschaft und Kunst werden, alles unter dem Titel „Humboldt-Forum“. Ein Zentrum des Projekts sind Teile der bislang in Dahlem ausgestellten ethnologischen Sammlungen. Gegen diese „Eingemeindung“ gibt es schon lange Protest. Denn es zeichnet sich nicht ab, daß dies unter nachdrücklicher Reflexion der Entstehung und Funktion dieser Sammlungen geschehen wird. Man hat eher den Eindruck, daß sie dazu beitragen sollen, die Repräsentativität des ganzen Museumskomplexes der Museumsinseln zu steigern und das dann riesige Ensemble von Museen zu einer weltweit mit anderen Elite-Adressen konkurrenzfähigen Destination des Kulturtourismus zu machen. Affirmation statt Nachdenklichkeit.
Im Gegenteil, sagen Kritiker, die Unterbringung der Sammlungen restauriere ihren brandenburgisch-preussischen kolonialen Kontext. Außerdem sei die Herkunft sehr vieler Objekte, angeblich von tausenden, unklar, viele seien unter Gewaltanwendung angeeignet worden, könnten also gar nicht als rechtmäßiger Besitz der Stiftung Preussischer Kulturbesitz angesehen werden. Last but not least sei der Namenspatron Alexander von Humboldt am Raub menschlicher Überreste beteiligt gewesen.
Das ist für die Stiftung und ihren Präsidenten aber nun der Kritik zu viel. Eine gemeinsam und lange vorbereitete Diskussion der Stiftung Preussischer Kulturbesitz mit dem in einem Bündnis „No Humboldt 21“ zusammengeschlossenen Kritikern, ließ der Stiftungspräsident Hermann Parzinger platzen. Schluß mit der Debatte. Zumindest vorläufig.

Dienstag, 23. Dezember 2014

Die Toten des Holocaust werben für die Grazer Museumsakademie


Holocaust-Deknmal Berlin als Teaser der Museumsakademie des Universalmuseum Joanneum auf deren Webseite
Ein Teaser [tiːzɐ] (von engl. tease „reizen, necken“) oder Anrisstext ist in der Werbe- und Journalismussprache ein kurzes Text- oder Bildelement, das zum Weiterlesen, -hören, -sehen, -klicken verleiten soll. Der Begriff Teaser stammt aus dem Marketing. Teaser sollen den Kunden neugierig machen und zur gewünschten Aktion führen. (Wikipedia)

Ausstellungstipp in letzter Minute: Weltkulturenmuseum Frankfurt mit "Ware & Wissen"

Sehr angetan haben es mir die Texte in der Ausstellung. Es sind, vor allem im ersten Raum, sehr viele und von Künstlern, Schriftstellern, Wiisenschaftern und der Leiterin des Museums verfasst. Alleine diese Collage aus Texten ist dermaßen reich an Informationen und Fragen, an Reflexion und Nachdenklichkeit, daß ich gerne einen halben Tag dort verbracht hätte, mit dem Katalog durchs Haus flanierend, mit Notizbuch im Foyer sitzend, vielleicht auch im Gespräch mit MitarbeiterInnen. Unglücklicherweise kollidierten meine Reiseplanung mit der Schließzeit des Museums, daß es dann nur zwei, drei Stunden sein konnten.

 Nur noch bis zur ersten Jännerwoche (4.1.) ist im Frankfurter Museum der Weltkulturen die Ausstellung "Ware & Wissen (or the stories you wouldn't you tell a stranger) zu sehen. Die Ausstellung ist der vorläufige Schlußpunkt einer etwa ein Jahr dauernden Recherche zur Geschichte des Hauses und eine vielfältige Selbstbefragung der historischen Sammlungen und der gegenwärtigen Aufgabe des Museums. Unter den ethnologischen Museen, die ich kenne, nimmt das Frankfurter Museum unter Clementine Delisse eine Avantgardeposition ein. Die Selbsterforschung fiel radikal aus und die Debatten, die der Ausstellung vorangingen (und vorbildlich im Katalog eingearbeitet sind) und die Ausstellung sind vielstimmig, facettenreich und originell. Wers gar nicht schafft nach Frankfurt sollte sich unbedingt den tollen Katalog beschaffen. Hier werden Wege angebahnt, wie man mit dem fragwürdigen und problembeladenen Museumstyp 'Völkerkundemuseum' - vielleicht - weitermachen und vor allem weiterkommen kann.

Nur ein Fisch (Objet trouvé)

Über dieses Bild ließe sich viel schreiben. Die gesamte Planungs- und neuere Nutzungsgeschichte des sogenannten Joanneumsviertels in Graz könnte man an Hand des Bildes dieser Vitrine, ihrer Aufstellung und ihren Zweck abhandeln. So viel Zeit habe ich grade nicht.
Ich würdige dieses etwas grimmig aussehende Präparat, für dessen "Echtheit" (also Anteil an Papiermache, Drahtgeflecht, Gips, Farbe etc.) ich nicht die Hand ins Feuer legen werde, als Versuch des Naturkundemuseums im Universalmuseum Joannem, die Aufmerksamkeit der Besucher zu lenken. Und zwar wegzulenken von den Kunstsammlungen und hinzulocken zu den derzeit ausgestellten "griechischen Tellern".


Die Vitrine wurde erst kürzlich in das unter der Erde liegende Foyer gestellt, nahe einer der konischen Glasöffnungen, die der Belichtung des unterirdischen Gebäudeteils dienen. Sie steht zwar etwas abseits, aber vielleicht geht die Wirkung ja von der "Anmutungsqualität" (Gottfried Korff) des einzigen Originalobjektes aus, das bislang im Foyer ausgestellt wurde?
Vor der Vitrine sinnierte ein junger Mann, "erstklassiger Fisch für eine Boullabaise". Das war eine sicher nicht im Sinne der Erfinder liegende aber recht passable Assoziation, die mich mit einem ausgebildeten Koch und Teilzeitmitarbeiter des Hauses ins Gespräch brachte, nicht über Fische oder Fischgerichte, aber über die Arbeitsverhältnisse in der Gastronomie.
Da sieht man mal wieder, was man nicht alles lernen kann im Museum.

Sonntag, 21. Dezember 2014

Ansichtssachen. Das nagelneue Musée des Confluences. Teuer und was eigentlich außerdem noch?

2001 wurde das Siegerprojekt ermittelt, dreizehn Jahre später wurde es nun eben eröffnet, das Musée des Confluences, nach Plänen des österreichischen Architektenbüros Coop Himmelb(l)au und ungleich teurer als veranschlagt.
Wieder mal ein Museum, das einer Großstadt an einem ihrer problematischen Punkte (Autobahn, Eisenbahn, Flußlandschaft, ziemlich häßliche Umgebung...) "stadträumliche und volkswirtschaftliche Schubkraft" verleihen soll. Wieder mal ein Wissenschaftsmuseum. Mit möglichst beträchtlicher Tourismusattraktivität. Vielleicht. Dafür also, weils in Bilbao ja geklappt hat, oder?, ein "Signature-Building im Dienste der Stadtreparatur". Reparatur heißt, die Stadt soll nicht mehr ganz so hässlich aussehen wie vorher.
"Du hast einen Gehry? Wir kriegen einen Prix. Baust du eine Hadid, besorgen wir uns einen Nouvel. Das sind nicht nur gute Architekten. Es sind auch Renditeversprechen."
Die Rendite wirds geben. Irgendwer muß ja schließlich an der Kostenexplosion verdient haben, statt 60 Millionen Euro fünf Mal so viel. Nicht schlecht. Und jahrelange Bauverzögerung.
Der Rezensent ist angetan einerseits, von der Architektur, andrerseits wundert er sich über so viel investiertes Geld, die exorbitante Kostensteigerung und die Melange aus "Staunen-Wollen (Stadt Lyon) und Staunen-Liefern (Coop) (...) also aus Profilierungssehnsucht, Bauherrenambition und Politikerehrgeiz. Aus Architekturkönnen obendrein."
Und warum wird so etwas eigentlich dermaßen teuer? "Gründliche Voruntersuchungen und Kostenkalkulationen hat es vorab kaum gegeben. Unberücksichtigt blieb zum Beispiel die an einem solchen Bauplatz unabdingbare Baugrunduntersuchung. Auch wurde das Verfahren zur Bauleitplanung mehrfach geändert, die Zuständigkeiten wechselten - dann wurde das Ganze auf Eis gelegt. Für Jahre. Dann wurde das Raumkonzept geändert. Dann kamen weitere Sonderwünsche hinzu. Dann wurden die Sicherheitsrichtlinien verändert - versicherungstechnisch."
Was mir aufgefallen ist (der ich nur Fotos sehe und Texte lese, aber das Museum klarerweise nicht kenne). Es gibt jede Menge an Ansichten von Außen, Pläne, Skizzen, Animationen, Fotos, einige sehr wenige von Innenräumen (die extra trostlos aussehen, aber wer weiß?) und kein einziges (ich habe keines gefunden, das Auskunft über das Zusammenspiel von Exponaten und Architektur gibt. Der Rezensent, den ich hier zitiere, erwähnt auch mit keinem Wort, worum es denn nun geht im Museum, was es denn zu sehen, zu erfahren, zu "lernen", zu "wissen" gilt. Nichts.
Und. Wie sehr ich mich - mit Hilfe der zahllosen Fotos auch um das Museum herumbewege, die diversen Ansichten studiere, mich drehe und wende, ansprechend ist es nicht. 

Alle Zitate aus dem Bericht von Gerhard Matzig in der Süddeutschen Zeitung vom 20.12.2014, "Wunder gewünscht, Fiasko bekommen". (Hier)











Mittwoch, 17. Dezember 2014

verstörend (Texte im Museum 503)


Sterbebegleitung fürs Weltmuseum

"Wir werden redimensioniert". "Cover" des Weltmuseum-Blogs

In einer Kultursendung des ORF Fernsehens wurde über den Baustopp berichtet, der genau in dem Moment von Minister Ostermeyer verhängt wurde, als das Museum eben geschlossen hatte, um seinen "Relaunch" zu beginnen. Bislang galt als zentrale Begründung für den Stopp, daß künftige Betriebskosten eines erweiterten Weltmuseums in den Planungen nicht enthalten und nicht finanzierbar seien.
In der TV-Sendung wollte Minister Ostermeyer offenbar das Bild eines visionären Machers präsentieren. Ich bin hingegangen (ins Museum), sagt er, habe mir die Räume angesehen. Und da sei ihm die Erleuchtung einer Win-Win-Situation gekommen.
Wir, in Verschleierungs-Politspeak geschulte Staatsbürger, wissen inzwischen, daß eine Win-Win-Situation etwas wirklich Herrliches sein muß. Warum - ich fahre in der Schilderung des Erweckungserlebnisses von Herrn Minister Ostermeyer fort -, warum sollte man in den mit ministeriellem Besuch nobilitierten Räumen nicht zwei statt bloß einem Museum errichten? Fragt uns der Minister. Eine rhetorische Frage, denn die Antwort ist sonnenklar. Das versteht jeder. Ein Museum ist gut, aber zwei sind natürlich viel besser. Noch dazu, wenn man zwei zum selben Preis bekommt. Denn, so der Minister, um die für den Ausbau vorhandenen Mittel ginge sich auch noch "Haus der Geschichte" aus. In den Räumen, die für die Erweiterung des Weltmuseums geplant seien.
Der Direktor des betroffenen Museums wird - in derselben Sendung - so deutlich wie bisher noch nie. Österreich macht sich lächerlich, sagt er in die Kamera hinein.
Aber da gibt es nun den Sog, der ansonst kluge und besonnene Menschen zur Idee eines "Hauses der Geschichte" zieht und die nicht nur diese Idee an und für sich und ohne jeden Gedanken an Zweck, Sinn, Inhalt, Form, Autorschaft, Interessen, Machtverhältnisse gutheissen, sondern auch den Standort als zentralen Ort der österreichischen Geschichte (ein Historiker) für ideal halten. Daß - einmalig in der Geschichte der Bundesmuseen - zwei Institutionen offen gegeneinander ausgespielt werden, ist eine Sache, eine andere, daß mit dem "Halt" für das Weltmuseum dieses in eine schwierige Lage gebracht wird. Man kann ja nicht einfach jetzt irgendwie an den alten Plänen herumbasteln und die implizite und gewünschte "Redimensionierung" in Angriff nehmen (was Sabine Haag, Direktorin des Kunsthistorischen Museums andeutet. Denn so lange weder ein realisierungsreifer Plan für ein Haus der Geschichte vorliegt, also Raumbedarf, Kosten usw. feststehen, kann im Grunde am Weltmuseum gar nichts getan werden außer die Schließung zu verwalten. Hätte man die Schließung vor dem Stopp bekanntgegeben, hätte das Museum eine Chance, wenigsten in dem provisorischen Rahmen, also mit einem schon veralteten, halbherzig realisierten Daueraustellungs-Fragment und diversen Sonderausstellungen und Veranstaltungen sozusagen am Leben zu bleiben. Ohne Perspektive zu schließen, das Museum mit verstreichender Zeit von seinem Stammpublikum abzukoppeln, schickt es aber auf den Weg in ein langsamen Siechtum. Und auch das ist einmalig. Noch nie ist ein staatliches Museum indirekt mit der "Abwicklung" bedroht gewesen.

Hier der Link zur ORF-Sendung: http://tvthek.orf.at/…/Kulturmont…/1303/Kulturmontag/8947109

Dienstag, 16. Dezember 2014

Der einzige Überlebende (Objet trouvé)



"Comanche, Pferd von Captain Myles Keogh. In der Schlacht bei Little Big Horn 1876, die mit einer der wenigen Niederlagen einer Amerikanischen Militäreinheit im Kampf gegen indianische Stämme endete, wurden etwa zweihundert Soldaten getötet. Die Indianer nahmen alle Pferde mit, nur dieses eine, vielfach verwundet, blieb am Schlachtfeld zurück. Es blieb im Militätrdienst, mit der Auflage, daß es nie mehr geritten werden dürfe und diente als Maskottchen. Nach seinem Tod 1891 wurde es für die Weltausstellung in Chicago 1893 präpariert. Comanche wird heute im University of Cansas Natural History Museum gezeigt.