Freitag, 12. Dezember 2014

Asche zu Asche (Objet trouvé)

Reste von John Baldessaris Werk. Kekse, gebacken aus der Asche aus der Verbrennung seiner bis dahin entstandenen Werke. "Cremation project". 1970.

Lesefolter

Kunsthaus Graz 2014 - Hier hat sich jemand ausgedacht, wie man Lesen möglichst ungemütlich macht. Die Bank ist hart und die beiden Tablets sind fix montiert, zwar drehabr, aber nur wenig, so daß man sich verrenken muß, wenn man lesen will. Preisverdächtig

Donnerstag, 11. Dezember 2014

Steven Engelsman. Direktor des Wiener Weltmuseums. Von der Politik im Stich gelassen

Über Martin Fritz und die eben von ihm und Kolleginnen und Kollegen gestartete Online-Enquete „Zur Zukunft von Weltmuseum, Haus der Geschichte, Neuer Hofburg und Heldenplatz“ bin ich auf einen interessanter Clip (hier, auf YouTube: http://youtu.be/xClJY5jlmxI) aufmerksam geworden. Ein sichtlich angezipfter aber professionell Haltung bewahrender Direktor des Weltmuseums, Steven Engelsman sagt einerseits klar, unter diesen politischen Umständen, dem Stopp durch Minister Ostermeier, müssen wir zurück an den Start. Eben hätte der Umbau, also die Erweiterung und Neugliederung wie Neuaufstellung des Museums beginnen sollen. Nun, man kann sich ja wirklich nicht vorstellen, einfach ein paar Quadratmeter aus den Plänen zu radieren, also heißt das ja noch mal Überarbeiten des Konzepts und das heißt wiederum, daß Zeit verstreicht und sich alles wiederum hinausschiebt.
Was aber darüber hinaus das eigentliche Dilemma ist, dass das Wiener Museum genau das Potential von dem er spricht nicht ausschöpft. Aus der niederländischen Perspektive, wo er manches Museum im Auge haben kann, das in der Tat moderne Museumsarbeit macht, mag er auf die Diskrepanz von Wien zur übrigen Welt hinweisen dürfen, wie er es in dem Interview macht und auf die dringende Notwendigkeit einer Neupositionierung bestehen. Nur so stimmt der Vergleich leider auch nicht. Was ich in Frankreich, der Schweiz oder Deutschland kennengelernt habe, zeugt eher vom Dilemma eines letztlich kolonialen und paternalistischen Museumstyps, kann also mehrheitlich nicht gerade als vorbildlich oder als alternativ zu Wien hingestellt werden. Die derzeit große Ausnahme ist Frankfurt. An ihm könnte man ermessen, wenn jemand den Vergleich überhaupt anstellte, wie groß die Kluft der Ausstellungspraxis des Wiener Museum zu einem Museum wie Frankfurt ist, das in seiner Forschungs- und Ausstellungstätigkeit rabiat neue Wege geht. Schade ist es um die großartige Sammlung, schade um das Potential, von dem der Direktor spricht, angesichts der langen Schließzeit (die kaschiert wird durch die Sonderausstellungen eine Art Preview-Fassung einer künftigen Dauerausstellung, die so nie weiter entwickelt werden wird). Ein zweiter Clip, einer vom Juli 2013, zeigt Direktor Engelsmann noch wesentlich entspannter. Da stellt er das neue Konzept vor und stellt unmissverständlich klar, daß er den herkömmlichen Typ des Völkerkundemuseums für obsolet hält. (Dieser Clip hier: https://www.youtube.com/watch?v=GhefMJWqKeo). Es ist bitter, daß so jemand nicht nur nicht die nötige Unterstützung durch die Politik erfährt, sondern jetzt - mit ungewissem Ausgang - regelrecht ausgebremst wird.

Mittwoch, 10. Dezember 2014

Weltmuseum Wien. Zu wenige Besucher um Investitionen zu rechtfertigen?

Der Stopp des Ausbaues des Weltmuseums (ehemals Völkerkundemuseum) wird nicht nur mit den höheren Betriebskosten des auf das etwa Dreifache der bisherigen Fläche erweiterten Museums begründet. In der Kronzeitung wird, so weit ich sehe, erstmals Quote gegen Investition hochgerechnet. Für 110 Besucher im Durchschnitt lohnten sich 27 Millionen nicht. Die Quotendiskussion nimmt eine neue Qualität an.

Montag, 8. Dezember 2014

Museumsszene. La realitat

MACBA Barcelona. 2014. Foto: GF

Kriterien für ein neuartiges Museumsranking

Spielregeln: Man denke von dem Land aus, in dem man wohnt (Australier nehmen Europa, s.u.) und versuche ein Museum oder mehrere zu den jeweiligen Anforderungen zu finden.

Ein Museum, für das ein befreundetes, an innovativen Museen interessiertes Ehepaar die teure und weite Reise von Australien nach Europa auf sich nimmt.  

Ein Museum, in dem sie ein Zwillingspaar (eineiig, twitteraffin, spätpubertär) zwei Stunden lang von ihren iPhones ablenken können. 

 Ein Museum, das an einem Wochenendtag einer Drei-Generationen-Familie (12-köpfig) Spaß machen würde.

Ein Museum, in das sie selbst gehen würden, selbst dann, wenn freundliches, sommerliches Badewetter herrschte. 

Ein Museum, das eine patriotische Lehrerin (man denke etwa an Gabi Teichert in Alexander Kluges "Patriotin") als geschichtsarchäologisches Feld der subversiven Erforschung der Landesgeschichte nutzen könnte. 

Ein Museum, das ein Attac-Betriebsausflug mit dem Gefühl verläßt, etwas dazugelernt zu haben. 

Ein Museum, dessen Besuch erfreulich verläuft, obwohl es verkehrstechnisch sehr ungünstig liegt, das Wegleitsystem sehr mangelhaft, das Gebäude abweisend, das Personal schlecht gelaunt ist und zu allem Überfluss die Preise überhöht sind.  

Ein Museum, von dem sie beschließen, es unbedingt noch in derselben Woche zu besuchen, obwohl sie es mit Rücksichtnahme auf desinteressierte Begleitung nur eine knappe dreiviertel Stunde sehen konnten.

Ein Museum, von dem sie ziemlich sicher sind, daß sie Freunde, die sie hinschicken, ihnen noch Jahre später von ihrem Besuch erzählen werden. 

Ein Museum, für dessen Besuch sich der Schriftsteler und Schöpfer des "Museums der Unschuld", Orhan Pamuk, der viel Inspiration aus europäischen Museen für sein Museum gezogen hat, anschließend sehr herzlich bedankt. 

Ein Museum, das einen Museologen dazu inspirierten würde, sofort einen gutgelaunten Beitrag für seinen Blog zu schreiben. 

Ein Museum, in dem eine Gruppe politisch aktiver Feministinnen nicht wuterfüllt gegen die Wände treten würden. 

Ein Museum, das für wenigstens kurze Zeit einer Gruppe älterer Menschen, die einen Ausflug aus ihrem Heim gestattet bekommen haben, ihre kleinen und nicht so kleinen Gebrechen vergessen läßt.

Ein Museum, dessen kostenlosen und geführten Besuch sie als Preis für einen Kochwettbewerb von Bäurinnen ausloben könnten. 

Ein Museum, das weder von ICOM Österreich noch vom Österreichischen Museumsbund eine Museumsplakette erhalten würde, dennoch aber viele Besucher erfreut. 

Ein Museum, in dem eine Gruppe eines Volkshochschulkurses vergisst, daß sie anschließend eigentlich noch Töpfern wollten. 

Ein Museum, das dreieinhalb Stunden so vergnüglich ist wie Stefan Herheims „Xerxes“-Inszenierung an der Grazer Oper. 

Ein Museum, das drei befreundete türkische Mittelschülerinnen (17) bei knappem Taschengeld ausnahmsweise einem Discobesuch vorziehen würden. 

Ein Museum, durch das eine Gruppe von vierzig männlichen Mitarbeitern des mittleren Managements einer Großbank geführt werden ohne daß es später am Pissoir zu blöden Sprüchen über den Museumsbesuch kommen würde. 

Ein Museum, das Durchreisende bei einem insgesamt eindreiviertel Stunden dauernden Aufenthalt in einer Mittelstadt zufällig und weil ihnen nichts besseres einfällt, aufsuchen und darüber den Anschlusszug versäumen.

 

Wird fortgesetzt 

Neue Kriterien werden gerne entgegengenommen

Entdeckerlust durch Texte (Texte im Museum 500). Fünf Jahre "Museumsblog" und 500 "Texte im Museum"


Eine Ausstellung mit Gemälden Paul Cézannes sehen zu können, mit erstrangigen Werken in einem angesehenen Museum, Thyssen-Bornemisza in Madrid (2014), ist eine schöne Überraschung, wenn man touristisch in der Stadt ist und mit dieser Schau nicht gerechnet hat. Noch schöner ist, es wenn man feststellt, daß die Ausstellung einer bemerkenswerten Gliederung folgt, die sparsam und intelligent von Texten unterstützt wird.
Der oben abgebildete Text war der am Eingang, er exponiert eine Frage. Das ist schon einmal bemerkenswert, meist beginnt es doch mit einer Würdigung, Affirmation, Unterstreichung der Bedeutung des Künstlers. Und das gekleidet in kunsthistorisches Fachwissen. Nicht hier. Hier steht zuerst die Auseinandersetzung eines Gegenwartskünstlers mit Cézanne. Aus seinen Beobachtungen werden weitere Entwickelt und dem Besucher als eine Möglichkeit vorgeschlagen, sich die Gemälde anzusehen. Es wird weder etwas behauptet noch bewertet, man bekommt eineige Werkzeuge mit, die man anwenden kann oder nicht. Es wird nicht Wissen vermittelt, sondern eine Ermunterung, selbst zu sehen, ausgesprochen.
Auch die räumliche Ordnung unterstützte diese Vorgangsweise. Der erste Raum war den Wegbiegungen gewidmet - an und für sich schon eine witzige Idee. Wegbiegungen? Warum in aller Welt jetzt das? Noch einmal, aber dann immer sparsamer, unterstützte in diesem Raum ein Text und einoriginales Zitat von Cézanne. Mehr braucht es auch nicht. Die Fragen potenzieren sich, wenn man mal anfängt, sie anzuwenden.
Hier also noch der Text über Wegbiegungen.


Fünf Jahre "Museologien"-Blog

Am 8. Dezember 2009 habe ich meinen ersten Post veröffentlicht. "Jüdisches Museum der Stadt Wien - Ein Opfer populistischer Kulturpolitik?" beschäftigte sich mit der Bestellung von Daniel Spera zur Leiterin des Jüdischen Museums der Stadt Wien. Ich konnte natürlich nicht ahnen, daß viele Monate später das Jüdische Museum monatelang ein zentrales Thema des Blogs wurde. Als nämlich mehr oder weniger über Nacht die Dauerausstellung des Museums abgebrochen wurde und sowohl dieser Abbruch als auch die fadenscheinigen Begründungen durch Frau Spera empörten und heftige Reaktionen auslösten. Der Post vom 8.12.2099 wird, wie andere zum Jüdischen Museum, immer noch abgerufen und hält sich in den "Top ten" der am meisten abgerufenen Texte.

Erst gestern Abend bin ich zufällig auf das "Jubiläum" des Blogs gestoßen. Die Anregung, einen museologischen Blog zu starten kam von einer Kollegin in Deutschland, Nina Gorgus, die schon länger ihren Blog betrieb (und auch noch betreibt). Ich startete ins Unbekannte, hatte weder Ahnung von technischen Möglichkeiten noch praktischen Effekten. Es läßt sich nicht mehr feststellen, wie viele "Leser" der Blog in diesem ersten Monat Dezember 2009 hatte. Jedenfalls steigt die Zahl der Besuche zwar nicht stetig aber insgesamt immer weiter an und zuletzt sogar weit überproportional. Wo überall der Blog gelesen wird, kann ich mangels statistischer Daten, die Google zur Verfügung stellt, nur ahnen, jedenfalls ist es erstaunlich, daß - bei einem deutschsprachigen Blog -, an der Spitze abgesehen von den erwartbaren, Länder wie Norwegen, Russland, Schweden, Belgien dabei sind und neuerdings, für mich in keiner Weise durchschaubar - die Ukraine, ausgerechnet.

"Getragen" wird der Blog vom Spaß am kurzen, manchmal zugespitzten, polemischen Schreiben, der Bemühung, möglichst auch visuell zu informieren und argumentieren und der Überzeugung, daß es viel zu wenig analytischer und kritischer Auseinandersetzung mit den Museen und mit Ausstellungen gibt. Manchmal ist mir der Spaß vergangen und einige Male habe ich auch an Beendigung des Bloggens gedacht. Vielleicht passiert das ja auch mal, bald oder nicht so bald. Noch einmal fünf Jahre? Keine Ahnung!

Typische Schaffensphase eines Bloggers



Samstag, 6. Dezember 2014

Museumspolitik in der Globalisierung. Am Beispiel Parthenon-Fries

Er bewegt sich doch! Der Parthenonfries. Wenigstens Stückweise. Unter strengster Geheimhaltung, so kann man lesen, wurde eine Figur von London nach St. Petersburg in die Eremitage gebracht. Warum? Weil, so die Frankfurter Allegmeine Zeitung, das "Petersburger Museum die Ideale der Aufklärung [verkörpert], die das gemeinsame europäische Erbe geprägt haben. In diesem Sinne ist auch die Reise des Ilissos zu sehen, zumal vor dem Hintergrund der neuerlichen Spannungen zwischen Moskau und dem Westen."

Die zaristische Kunstsammlung ein Inbegriff der Aufklärung? Und was meint genau dieses Raunen aus dem Hintergrund der Spannungen...? Ausgeliehen wird das Objekt aus Anlaß des 250ten Jubiläums der Eremitage. Neil McGregor bringt dieses Datum mit dem Gründungsdatum des British Museum in einen zeitlichen und damit ideellen Zusammenhang. Beide Museen seien frühe bedeutende Institute der Aufklärung. Er weiß es natürlich besser. (1) Dem British Museum liegt ein Parlamentsbeschluss zugrunde, aus einer privaten Sammlung eine staatlich erhaltene Institution zu machen, das "Jubiläumsdatum" der Eremitage bezieht sich auf das Entstehen einer kaiserlichen, exklusiven und privaten Sammlung, die erstmals erst in den 1850er-Jahren öffentlich zugänglich wurde, und auch da sehr restriktiv.

Absolutely not amused zeigt man sich in Griechenland, das ja nach wie vor auf der Rückführung des Frieses besteht. Da geht dann schon mal der Ministerpräsident persönlich vors Mikrophon und empört sich.

Dass ausgerechnet in Zeiten der ökonomischen und politischen Drangsalierung Griechenlands durch die EU den kopflosen Flußgott Illissos verschickt, ist schon seltsam. Es ist außerdem das erste Mal, daß ein Objekt aus dem Fries das British Museum verlassen hat.

Der Direktor löst das Problem gegenüber der Öffentlichkeit so auf: hier ginge es um eine kuratoriale Entscheidung im Rahmen der üblichen Usancen, mit der sich Museen wechselseitig Objekte ausleihen, um die politischen Streitigkeiten müsse man sich dabei nicht kümmern.

Der Flußgott mit Zwiebelgemüse in der Eremitage (Foto: The Guardian)

Laut BBC hatte der Direktor des Museums noch etwas Feinsinniges in Richtung Griechenland zu sagen, was man dort sicher sehr erfreut aufgenommen haben mag: "I hope that they'll be very pleased that a huge new public can engage with the great achievements of ancient Greece. People who will never be able to come to Athens or to London will now here in Russia understand something of the great achievements of Greek civilisation."

Und auf die Frage, ob man denn Objekte auch an Griechenland ausleihen würde: Sie haben nicht angefragt. Das wird Griechenland angesichts der aufrechten Rückgabeforderung auch nicht tun, und man kann schwer um eine Leihgabe bitten, wenn man das Eigentumsrecht des British Museum anfechtet. Da hat Herr MacGregor schon seinen sehr eigenen Humor. Und (nicht zum ersten Mal) ein imperales paternalistisches Verständnis vom British Museum: "The British Museum is a museum of the world, for the world and nothing demonstrates this more than the loan of a Parthenon sculpture to the State Hermitage Museum in St Petersburg to celebrate its 250th anniversary."

(1) Cultural Property: "By the way, Catherine the Great's keep-up-with-the-Enlightenment kunstkabinett in the Small Hermitage was a private collection in 1759. The museum only "opened its doors" by Nicholas I in 1852, a century later. McGregor is making up history here." Der Guardian berichtet ausführlich vom intensiven Bemühen Griechenlands um eine Mediation, für die international besetzte Gremien bereitstehen. Seit 18 Monaten sei eine Antwort Englands auf das Ersuchen Griechenlands ausständig.

Freitag, 5. Dezember 2014

Der Alpenverein hat ab sofort kein Museum mehr. Die Ausstellung "Berge. Eine unverständliche Leidenschaft" hat geschlossen



Ende Oktober schloß die Ausstellung "Berge. Eine unverständliche Leidenschaft". Eine weitere Verlängerung der Ausstellung war nicht mehr möglich, weil die Hofburg die Räume für andere Ausstellungen benötigt. Der Alpenverein, in dessen Auftrag de Ausstellung entstand und dessen Sammlung den Grundstock bildete, hat ab sofort keine Ausstellung mehr, keine Nachfolge für sein Museum, das anlässlich der Übersiedlung der Zentrale aus der Stadtmitte aufgelöst wurde und das gewissermassen auf Zeit durch die Ausstellung "ersetzt" wurde. Es gibt auch keine konkreten und vor allem keine kurzfristig realisierbaren Pläne für ein neues, anderes Museum und auch eine neue Ausstellung dürfte sich nicht schnell und wenn nur mit Kompromissen realisieren lassen. Der Alpenverein ist zwar eine große Organisation, aber sein Hauptaugenmerk gilt natürlich nicht dem Museum. Trotz vorhandener Entscheidungsgrundlagen hat der Vorstand des Vereins keine Entscheidung gefällt und es verabsäumt, rechtzeitig nach der Schließung für etwas Neues zu sorgen. So könnte es dazu kommen, daß der große Verein zwar eine Sammlung besitzt, die anlässlich der Übersiedlung ein modernes Depot erhielt und nun besser denn je (im Zuge der Ausstellung) aufgearbeitet wurde, aber dass es eben beim Deponireren bleibt.

Parallelaktion ums Haus der Geschichte/Republikmuseum

Kann ja kein Zufall sein, oder? Zeitgleich mit dem Planungsstopp, das Minster Ostermeyer übers Weltmuseum verhängt, der als Rechtfertigung einen Untoten aus der Gruft zerrt, den Plan eines Hauses der Geschichte, wird eben dieses, ein Haus der Geschichte, aus den Reihen einer Forschergruppe lanciert, mit einem Standort, Überraschung, in der neuen Hofburg. Einen, den, Überraschung! auch Minsiter Ostermeyer genannt hat. Noch ist es nur ein Raunen und ein Ausstreuen von Gedankenbröseln, aber schon demnächst solls mehr geben. Wir spitzen inzwischen unsere Ohren.

Dienstag, 2. Dezember 2014

Vom Vormund Pubertierender zum Universalarrangeur der Lebenswelt: Der Kurator

Eine Breitseite, aber eher eine harmlose, läßt Joachim Güntner in der Neuen Zürcher Zeitung vom 18.11.2014 los. Ja, es ist schon wahr, "kuratiert" wird nahezu alles und manchmal hat man den Eindruck, das ist ein neuer Schlüsselberuf.
Güntner macht sich weidlich über die Epidemie des Kuratierens lustig aber er steuert auch Historisches bei: "Das Verb ist ganz jung, das Nomen alt. Kuratoren kannten schon die Römer, und zwar in grosser Zahl und Zuständigkeit. Unter Kaiser Augustus waren es mit Machtfülle ausgestattete Aufsichtsbeamte, denen das Regiment über Wege und Landstrassen übertragen war und die sich darum kümmerten, dass der Tiber nicht verdreckte. Auch mit Erhaltung und Ausbesserung der Wasserleitungen, Brücken, Tore, Mauern waren curatores beauftragt. Ihnen oblag die Kontrolle aller öffentlichen Gebäude, namentlich der Tempel, Gerichte und Theater. Curatores überwachten Versteigerungen und vertraten Dritte in Rechtsangelegenheiten. In Zedlers «Universal-Lexikon aller Wissenschaften und Künste» von 1733 füllt die Aufzählung ihrer Metiers drei Spalten. Dem voran stellt Zedler den Hinweis auf den Curator als Vormund, «der eines in die Pubertät getretenen Jünglings Güter und Geschäfte zu administrieren auf sich nimmt".
Was ist er heute? Die Bundesagentur für Arbeit informiert uns: Kuratoren und Kuratorinnen betreuen Sammlungen in Museen und organisieren Ausstellungen sowie Sonderaktionen. Kuratoren und Kuratorinnen arbeiten in Museen und bei Betreibern historischer Stätten, in Kultur- und Freizeitämtern, bei Landes- oder Stadtverwaltungen oder in Bibliotheken und Archiven. Auch bei Kulturvereinen können sie tätig sein.

Die Kuratoren-Epidemie kommt also durch eine Ausweitung der Anwendung zustande. Kuratiert wird alles, Modescahuen oder Parkanlagen, so Güntner, Literaturhäuser und Festivals. "Rhetorischer Quark." (Güntner).
Der Autor hat auch eine These, warum das so ist. "Die chaotische Fülle des Netzes ruft nach Pflege (cura) via Smartphone und Selfies. Na ja.