Freitag, 20. Dezember 2013

Text macht Museum (Texte im Museum 441)

Der "Ausweichsitz der Verfassungsorgane", kurz Regierungsbunker, sollte die Deutsche Regierung 30 Tage lang in einem Atomkrieg überleben lassen und auch Regierungsfähigkeit ermöglichen Und dann? Wir werden es nie erfahren, denn irgendwann begann man den Bunker aufzugeben. 
Aber es gibt offenbar immer Menschen, die der Meinung sind, daß man etwas erhalten muß, was immer es auch sei, anstatt es verschwinden zu lassen. Der lokale Widerstand, der sich gegen die völlige Demontage des unheimlichen Objekts entwickelte, "rettete" einen Rest - als Museum. Eine rasch hingepinselte Schrift (auf die ich durch Jörn Borchert aufmerksam geworden bin), setzt die entscheidende Demarkationslinie. 
Der Schriftzug bringt wie kein anderer "Museumstext" (in meiner Sammlung von Museumstexten in diesem Blog) Musealisierung auf den Punkt: Museum (Musealisierung) ist ein dezisionistischer Entschluss, etwas auf Dauer unverändert zu lassen.




Museumsszenen

Archäologisches Museum Reggio di Calabria - die sogenannten Bronzen von Riace

Weltmuseum - Stadtmuseum

Bekanntlich wurde die Idee, das Wien Museum vom Karlsplatz in die Umgebung des Zentralbahnhofes zu verlegen, aufgegeben. Nachdem die mit der Stadt kooperationswillige Bank, die den Museumsbau in ihre Entwicklungspläne einbeziehen wollte, wegen der Zögerlichkeit der Stadt Wien den Plan nicht weiter verfolgen wollte, verkündete unlängst der Kulturstadtrat das Verbleiben des Museums am alten Standort als wohlüberlegte kulturpolitische Entscheidung.
Soll sein. Offenbar hat man aber nicht parallel zu diesem Wohlüberlegen einen Plan B ausgearbeitet, denn es soll erst 2015 eine Ausschreibung erfolgen. Da ist der derzeitige Direktor in Pension und die Frage offen, wer denn den Wettbewerb vorbereiten wird. Interessant ist das auch deswegen, weil es offenbar kaum die für einen Architektenwettbewerb nötigen inhaltlich-museologischen Entscheidungen gibt. Seit 2009 hatten die Politiker der Stadt Wien, ziemlich vollmundig, ein "Stadtmuseum neu" angekündigt. Viel Zeit ist vergangen um zuzusehen, wie diesem bunten Luftballon langsam die Luft ausgeht - und die Chance vollkommen vergeben ist, die seit 1963 (!) existierende Dauerausstellung endlich zu ersetzen.

Ein paar hundert Meter entfernt dümpelte ein Museum ebenfalls schon lange in einem eher tristen Zustand dahin. Aber dort scheint nun doch, mit dem neuen Direktor und einer 25 Millionen Euro Investition, etwas in Bewegung geraten zu sein. Dort hat man ein Konzept entwickelt, den Wettbewerb durchgefüht und mit der Adaption von Museen erfahrene Architekten gefunden. Nach einer einigermaßen erträglichen Schliesszeit könnte das Museum 2015 wieder offen sein. Da beginnt man bezüglich des Wien Museums grade noch einmal von vorne.

Freitag, 6. Dezember 2013

Gurlitt und die Folgen (2) "Der gute Erbe"

In der Frage der Restitution von in der NS-Zeit geraubtem Eigentum spielt das Verhältnis von privat und öffentlich eine mehrdeutige Rolle. So auch im aktuellen Fall Gurlitt. Die rechtsbrüchige Beschlagnahme von Kunstwerken etwa für das in Linz geplante Führermuseum beendet das private Verfügungsrecht in gewisser Weise im Namen der Allgemeinheit, die Sammlungsobjekte werden in Museen ja zu Staatsbesitz. Also Besitz der Allgemeinheit.
Das ist im Kern kein so großer Unterschied zu anderen rechtsbrüchigen Annexionen, etwa in der Französischen Revolution, wo diese "Veröffentlichung" den Raub legitimierte, oder im Zuge kolonialer Politik.
Restitution bedeutet, das wieder rückgängig zu machen und daher u.U. Kunstwerke der interessierten Öffentlichkeit wieder zu entziehen. Wann etwa je Gustav Klimts Gemälde "Wasserschlangen", das bei der derzeit reichsten Sammlerin der Welt in einem arabischen Emirat gelandet sein dürfte (aus wiener Privatbesitz und mithilfe einer eben erst gegründeten Privatstiftung sowie über ein namhaftes Auktionshaus), je wieder öffentlich zu sehen sein wird, steht in den Sternen.
Im gegenständlichen Fall, ist es offen und umstritten, ob nicht der gesamte von der bayrischen Justiz beschlagnahmete Fundus legitimer Besitz Gurlitts ist und sofort ihm zurückgegeben müsste, oder ob das nur für bestimmte Werke mit bestimmten, u.U. sehr kompliziert zu bewertenden Herkunftsgeschichten gilt.
Einen originellen Beitrag zu diesem Aspekt und zur Privatheit als Merkmal des Sammlers hat Isolde Charim kürzlich in der taz veröffentlicht. Das kleine Psychogramm des Sammelns und der Sammlerpersönlichkeit allgemein entlastet in ihren Augen Gurlitt freilich nicht, der sich zur kultivierten Person stilisiert, sondern lädt ihm Verpflichtungen auf.
"Cornelius Gurlitt ist der Inbegriff des guten Erben. Demgegenüber erscheinen die anderen Erben, jene ohne Rechtstitel, umso leichter als „raffgierig“. Vielleicht gibt es ja kein Rechtsmittel für die Restitution – aber der Blick des einsamen Herrn Gurlitt in seiner Schwabinger cella, dieser Blick ist in seiner ganzen Kunstsinnigkeit ein gestohlener Blick."

Isolde Charim: Gurlitt, der gute Erbe, in: taz (online), 26.11.2013
http://www.taz.de/!128146/ 

Gurlitt und die Folgen (1) Restitution als neue Forschungsdisziplin

Eine der Effekte, den die Entdeckung der jede Menge NS-Raubkunst enthaltenden "Sammlung Gurlitt" in München hat, ist eine intensive, differenzierte und z.T. gründlich recherchierte Berichterstattung in den Medien, die Weit über den Anlass hinaus viele Aspekte des NS-Kunstraubes thematisiert. Etwa die Rolle des Kunsthandels und der Kunsthändler einst und jetzt, der Mangel an gesetzlichen Regelungen in Deutschland, wo die österreichische Gesetzgebung als vorbildlich gilt, die Erörterung der ethischen, historischen und rechtlichen Aspekte.
Eben ist in der Neuen Zürcher Zeitung ein Essay erschienen, in dem die Restitutionsforschung knapp und historisch dargestellt wird, als neuer Forschungszweig, dessen Entstehung sich allein der (späten) Entdeckung der Problematik der NS-Raubkunst verdankt.
Überraschend ist die Auffassung des Autors, die Verschlampung der Herkunftsbezeichnung und -forschung in Museen, wie sie seit langem zu beobachten sei, sei auch der spezifisch deutschen Ideologie der "Kunst für alle" geschuldet -: je "massenmedialer" die Museen wurden, desto eher vernachlässigte man alles Nachdenken über die Herkunft der Objekte.

Joachim Günter: Phantasie darf sein, Pedanterie ist unerlässlich. Aufschwung der Provenienzforschung, in: NZZ online 5.12.2013
http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/kunst_architektur/phantasie-darf-sein-pedanterie-ist-unerlaesslich-1.18198696

Donnerstag, 5. Dezember 2013

Fundsache. Gegen Eventpädagogik

In der heutigen Ausgabe der WELT kritisiert Tilman Krause die Schließung des profilierten Austellungsortes für Literatur, des Strauhofs in Zürich. Was ihn stört, ist das Projekt, das als Ersatz und Fortschritt politisch annonciert ist. Eine Art Schreibwerkstatt für Jugendliche, an der Krause kein gutes Haar läßt: "Beides – Unter- wie Überforderung – ist Ausdruck jener "Eventpädagogik", die auch in Museen und im Literaturbetrieb ihr Unwesen treibt. Natürlich macht es Kindern Spaß, mit Farben rumzuspielen, und den Kick, dies nicht nur zu Hause zu tun, sondern an einem so eindrucksvollen Ort wie einem Museum, sollte man nicht unterschätzen. Doch da, wo Bilder ausgestellt werden, sollten Kinder etwas ganz anderes lernen: konzentriert ein Kunstwerk zu betrachten, um eine erste Grundlage für das ästhetische Formgefühl sowie für ihr Geschmacksempfinden zu legen und langsam an eine sehr spezielle Welt der Erfahrungen und Genüsse herangeführt zu werden. Das geht auch alles ohne Bohei und Tschingderassabum. Kinder haben nicht nur ein motorisches Bedürfnis, sondern auch eines nach innerer Sammlung. Eltern, die ihren Kindern oft vorlesen, wissen das."

Mittwoch, 4. Dezember 2013

Inventar als Neutralisierung

Die technisch hervorragende Webseite der Tate Gallery, mit ihren hervorragend rreproduzierten Kunstwerken, der komplexen Suchmaschine und den umfangreichen Informationen zu Werken und Künstlern inventarisiert ihren Bestand an Werken der Guerilla Girls unter "frustration" und "humour". Man beachte auch das Verhältnis feministischer Kunst zum Gesamtbestand abstrakter Kunst. Der Clou ist aber als "subject" diese die Repräsentation von Frauen kritisierenden Arbeiten unter dem (kunsthistorischen) Terminus "non-representational" einzuordnen. Gut, damit ist Nicht-Abbildlichkeit oder sowas gemeint, aber meine Herren...!



Museumsethik


Erase discrimination (Texte im Museum 438)

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Museumsszene

Antony Gormley: Testing a World View 1993


Sonntag, 24. November 2013

Adoptieren Sie einen Menschenschädel!

Mit 200 Dollar ist man dabei. Das Mütter-Museum in Philadelphia, eine der berühmtesten anatomischen Sammlungen weltweit, besitzt über 130 Schädelskelette des Wiener Anatomen Adolph Hyrtl. Die darf und soll man jetzt adoptieren. Wozu? Das Museum: "Your $200 donation pays for the initial restoration and remounting of a skull of your choosing, and gets your name on a small plaque next to your adopted skull for the next year." Der von Geza Uirmeny scheint schon vergeben. Die moderne saubere Beschriftung gibt den handschriftlich auf den Stirnknochen geschriebenen Text wieder. "Geza Uirmeny, 80; Reformist, herdsman. At age 70 attempted suicide by cutting his throat. Wound not fatal. Lived until 80 without melancholy."