Mittwoch, 24. Juli 2013

Das Volk von China erzählt sich seine Geschichte selber (Texte im Museum 422)

Provinzialmuseum Lanzhou, Provinz Gansu, China

Geschichte einholen: Ein jüdisches Museum in Moskau, eine Holocaust-Ausstellung in China

Es sind getrennte Meldungen, aber man kann sie wohl auch komplementär lesen: In mOskau wurde (in einem Bau des russischen Avantgardisten Melnikow) ein Jüdisches Museum eröffnet. Das ist nicht weniger als ein Ort, an dem zum ersten Mal überhaupt die Geschichte des Judentums in Russland im Zusammenhang erzählt wird, und einer, der zumindest im Augenblick frei scheint von politisch-konjunkturellen Einflusnahmen, wie Klaus-Helge Donath in einem sehr lesenswerten Bericht in der taz (hier: http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ku&dig=2013%2F07%2F17%2Fa0106&cHash=a5de478a09da523c2e5ea603a8a77e75) schreibt.
"Seit die Ausstellung Ende letzten Jahres eröffnet wurde, kommen bis zu dreitausend Besucher an Wochenenden, an Werktagen sind es zwei-, dreihundert. Die Museumsmacher sind über den regen Zuspruch sogar ein wenig überrascht. Vor allem über die vielen jungen Leute ohne jüdischen Hintergrund, die Interesse an der gemeinsamen Geschichte zeigen. Das Museum sei von der Bevölkerung sehr gut angenommen worden, meint Baruch Gorin." 

Im staatlichen "Museum zum Widerstandskrieg Chinas gegen Japan" in Peking konfrontiert eine von polnischen Kuratoren kuratierte Schau mit den Konzentrationslagern von Auswitz-Birkenau und damit mit den Verbrechen des Nationalsozialismus, die, folgt man dem Berichterstatter (Johnny Ehrling in der Tageszeitung Die Welt, hier: http://www.welt.de/kultur/article118070840/Das-Grauen-von-Auschwitz-ueberrascht-die-Chinesen.html), in China wenig bewußt seien. China sehe sich selbst als Opfer des 2.Weltkriegs und des japanischen Faschismus. Im Krieg zwischen China und Japan sind an die 10 Millionen allein aus der Zivilbevölkerung umgekommen.
"Polen willigte auch ein, dass das Jüdische Flüchtlingsmuseum in Shanghai einen der Ausstellungsräume selbst gestalten durfte. Es dokumentiert dort mit Fotos, Pässen, Originaldokumenten und Exponaten des Alltagslebens, wie chinesische Diplomaten verfolgten Juden entkommen halfen und welche Rolle der damalige Freihafen Shanghai als Aufnahmeort für mindestens 18.000 zwischen 1933 und 1941 aus Europa geflohene Juden spielte."
Das Museum, das an einem geschichtsträchtigen Ort, einer Brücke, an der ein kleiner Zwischenfall den langen Krieg auslöste, errichtet wurde, veranstaltet eine erstaunliche Ausstellungsreihe. Nach Kooperationen mit Russland und Südkorea soll im kommenden Jahr das Deutsche Historische Museum eine Ausstellung über Hitler und die Deutschen ausrichten.

Das Haus der Natur in Salzburg reagiert auf Kritik und berichtet über sein Projekt zur Erforschung der Geschichte des Museums

Zum neuesten Stand der Erforschung, Diskussion und Aufarbeitung der Rolle von Eduard Paul Trat und des von ihm gegründeten naturmuseums durch das Haus der Natur selbst siehe den Post „Das Haus der Natur stellt sich zum ersten Mal seiner Gesichte. Hier: http://museologien.blogspot.co.at/2014/10/das-haus-der-natur-stellt-sich-zum.html  
 
Auf meine Kritik, daß das Haus der Natur in Salzburg sich noch immer nicht seiner Geschichte stellt (hier: http://museologien.blogspot.co.at/2013/06/selbstverordneter-gedachtnisschwund-das.html, einschließlich eines Kommentars von Direktor Windung zu meinen Ausführungen), obwohl doch mehrfach in Publikationen die Rolle des Museums und seines Gründers und langjährigen Leiters, Eduard Paul Tratz dargestellt worden war, hat der Leiter des Museums, Norbert Winding reagiert. Es gibt nun auf der Webseite eine wenn auch knappe so doch unmissverständliche Information (hier: http://www.hausdernatur.at/zeittafel.html) und einen ausführlichen Hinweis zum laufenden Forschungsprojekt und der vorstudie dazu (hier: http://www.hausdernatur.at/geschichtsprojekt.html).
Ich möchte die rasche Reaktion von Direktor Winding ausdrücklich anerkennen, auch als Indiz, daß sich das Museum nun langsam aus seiner Belastung emanzipiert und vielelicht aus einem kritischen Blick auf die Institutionsgeschichte auch Freiräume für neue Strategien gewinnen könnte.

Montag, 22. Juli 2013

"Die Seele der Dinge". Raffael Rheinsberg im Kunstraum Krems-Stein

Der Teaser zur Ausstellung sagt: Der Objektkünstler Raffael Rheinsberg arbeitet als Spurensicherer mit Gedächtnispotenzialen, die in physische Objekte eingeschrieben sind. ... Dabei agiert der Künstler in der Überzeugung, dass jedes noch so unscheinbare, vermeintlich nicht erinnerungswürdige Relikt der Vergangenheit über ein Arsenal gespeicherter Erinnerungen verfügt und damit Symbolwert besitzt. "Jedes Ding", so Rheinsberg, "hat eine Seele".

Raffael Rheinsberg: Die Seele der Dinge. Kunstraum Krems-Stein 18.5.2013 bis 6.4.2014

Aber diesmal sind in den Räumen in Stein industriell gefertigte seriell hergestellte Dinge zu sehen, die kaum noch einen Anteil an menschlicher, an lebendiger Arbeit enthalten, die eher von Blochs technischer Kälte sprechen und die ausschließlich durch ihre Reihung und Ordnung Ausstellungsbedeutung gewinnen.
Allenfalls mit Ausnahmen jener Lappen, die die Spuren von Schmutz, Öl, Russ und Fett tragen und an denen man Reste von etwas entdeckt meint, was wie ein kriminologischer Fingerabdruck die letzte Spur eines menschlichen Kontaktes sein könnte.










Mittwoch, 17. Juli 2013

Freitag, 12. Juli 2013

Entrée 107

Die Unheimlichkeiten des Museums. Eine Sommerlektüre (Das Museum lesen 35)

Kennen Sie das Deutsche Historische Museum? Ich würde Ihnen raten, sich darin einmal umzusehen. Dort ist die Welt, obwohl sie vergangen ist, immer noch nicht in Ordnung, und es gibt Vorgänge, die sich, wenn überhaupt, nur mühsam erklären lassen.

Kennen Sie das Buch Im Museum von Hartmut Lange? Ich würde Ihnen raten, es zu lesen. Denn dort ist das Museum, entgegen allem, was die Museologie weithin behauptet, immer noch nicht in Ordnung und es gibt in den Geschichten dieses Buches 8die alle im Deutschen Historischen Museum in Berlin spielen) Vorgänge, die sich, wenn überhaupt, nur in der Literatur, nicht aber in der Museologie darstellen lassen: die musealisierte Geschichte, die ihre Opfer sucht, das Museum, das seine Besucher nicht wieder hergibt, die Ausstellungsabteilung, die sich nicht mit ihrem Vitrinendasein zufrieden gibt.

2011 schon ist dieses Buch erschienen und es wohlfeil als Diogenes-Taschenbuch sowie als leichte Sommerlektüre erhältlich. Für Museumsbesucher oder Museologen, die noch bereit sind, sich verunsichern zu lassen.

Das Museum der vergessenen Geräusche

Conserve the sound ist eine wunderbare, ansprechend gestaltete und einfach strukturierte Webseite, ein Online-Archiv, in dem verlorengegangene Geräusche gesammelt werden. Abgerufen werden können Bilder und Geräusche, mit der netten Option, daß nicht nur das jeweilige Betriebsgeräusch zum Beispiel einer Kaffeemühle, sondern auch die Geräusche die die Handhabung erzeugt, ebenfalls dokumentiert werden, wie z.B. das Öffnen und Schließen eines Deckels oder das Befüllen mit Kafeebohnen. Und das Archiv überrascht mit Dingen, die man vor kurzem vielleicht noch benutzt, aber, überrollt von neuen Entwickjlungen, auch schon wieder vergessen hat: Autofenster, die man von Hand hoch- oder runtergekurbelt hat, Schneebesen, die man mit Hand in schnelle Drehung versetzte, Diabetrachter, mit denen man kleine Bildserien durchklicken konnte, das scharrende Geräusch einer Schmalfilmkamera... Schlicht, elegant, witzig, klug!

Hier der Link zu Conserve the sound.



Mittwoch, 10. Juli 2013

Was kann Ausstellungskritik - Eine Ausstellung in der Cité de l'Architecture in Paris

So rar wie brauchbare Ausstellungskritiken ist kaum etwas. In der heutigen Neuen Zürcher Zeitung kann man eine Ahnung davon bekommen, was eine Kritik leisten könnte. Marc Zitzmann hatte nicht sehr viel Platz, um eine Schau zu besprechen, die dem Architekten Rudy Ricciotti gewidmet ist, der weit über Frankteich hinaus durch das eben eröffnete Musée des civilisations de l'Europe et de la Méditerranée in Marseille bekannt wurde. Die Ausstellung widmet ihm eine Institution, die zwar eine mehrschichtige ehrwürdige Tradition hat, in ihrer jetzigen komplexen institutionellen Struktur aber selbst noch recht jung ist: Die Cité de l'architecture & du patrimoine in Paris. Deren politische Instrumentalisierung ist der Ausgangspunkt für die Kritik an der dem Autor misslungen erscheinden Ausstellung. Zwar kann er die verschiedenen Aspekte, aus denen sich die Kritik zusammensetzt, nur knapp anreißen, aber die Engführung von politischen, institutionellen, expositorischen, konzeptuellen und personellen läßt in Umrissen ahnen, worauf es ankommt. Nur in der Wahrnehmung gesellschaftlicher und politischer Ansprüche, der Schaffung einer institutionell angemessenen Struktur und einer konzeptuell und gestalterisch klaren Umsetzung von Zielen und programmatischen Überlegungen kann man Ausstellungskritik beschreiben. Da beschämt Zitzmann die Cité und den Ausstellungskurator, indem er das fehlende Konzept gleichsam in Stichworten nachliefert und die Qualitäten des Architekten gleich an dessen aktuellem Hauptwerk, dem Museum in Marseille, wiederum nur sehr knapp, erläutert.
Hier der Link http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/kunst_architektur/rudy-ricciotti-ein-igel-mit-beton-stacheln-1.18113693


Dienstag, 9. Juli 2013

Texte im Museum 419

Tiroler Bauernhofmuseum Kramsach

Museum Tiroler Bauernhöfe, Kramsach





1974 wurde auf private Initiative das bis heute von einem Verein betriebene Museum Tiroler Bauernhöfe gegründet. In der Nähe des Ortes Kramsach, in einer landschaftlich sehr ansprechenden Umgebung, liegen, gewissermassen regional geordnet, auf einem Areal von 8 ha, diverse ländliche Bauten, vor allem Bauernhöfe aber auch eine Mühle, eine Schule, eine Brücke, ein Wasserverteiler u.a.m. Die teilweise ausgestatteten Gebäude kann man zwar betreten, meist aber nur bis in einen Vorraum. Abgesehen von Wegweisern gibt es nur kurze Beschreibungen an den Objekten selbst.


Ursprünglich in Slandinavien und als supranationale Kulturmuseen erfunden, wurden Freilichtmuseen zu typisch nationalen und regionalen Dokumentatiosnmöglichkeiten der bäuerlichen Lebenswelt, deren - problematische - Authentizität aber auch Faszination In der Transferierung ganzer Objekte liegt. Im Freilichtmuseum Stübing nördlich von Graz hat Österreich sogar so etwas wie sein einziges Nationalmuseum, einen von einer Stiftung der Bundesländer und des Bundes getragenen Ort, an dem alle Bundesländer und Südtirol in vermeintlich typischer Baukultur vertreten.