Als ich gemeinsam mit Freunden vor Jahren im Auftrag des Österreichischen Alpenvereins an der Ausstellung "Berge - Eine unverständliche Leidenschaft" arbeitete, beschäftigte uns ein merkwürdiges, ja sogar befremdendes Gemälde aus der Sammlung des AV. Es zeigte einen weißen, weinenden (sic!) Gemsbock vor einer Berglandschaft, aus dessen Wunde Blut fließt, das wiederum eine rote Pflanze emporwachsen läßt.
Martin Scharfe, der an der Ausstellung mitgearbeitet hat, widmet dem Zlatorogbild in seinem Buch "Bilder aus den Aplpen" eine knappe Analyse: 1877 hatte der Schriftsteller Rudolf Baumbach ein umfangreiches Gedicht "Zlatorog. Eine Alpensage" veröffentlicht. Darin ist von jenem "heiligen Tier" die Rede, das wir auf em von Karl Huck gemalten Bild von 1923 vor uns haben, das Tier, das bei Strafe des eigenen Todes nicht erlegt werden darf. Wer gegen das Tabu verstößt, stürzt in die Tiefe oder wird vom (was auf dem Gemälde "ungesagt" bleibt) Tier selbst getötet.
Gestern ist er mir wieder begegnet. Der Zlatorog. Beim Recherchieren zum Salzburger Haus der Natur. Und zwar in einer Publikation von 1930 "Das neue Museum für darstellende und angewandte Naturkunde in Salzburg", an der die vielen Fotografien bemerkenswert sind, die ein frühes Stadium der Entwicklung des heutigen Hauses der Natur dokumentieren.
Da war er wieder, der heilige weiße Gemsbock. Ausgestopft und umfangreich mit Texten kommentiert. Also als "historisches" und nicht legendhaftes Tier. Und: Vom Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand im Blühnbachtal (das man in Salzburg findet) am 27. August 1913 getötet. Ja, genau der Franz Ferdinand, der nicht einmal ein Jahr nach seinem Jagdfrevel tot war. Zunächst dachte ich, daß das Haus der Natur da Mythos und Geschichte vermengt hat, wie es das seit seiner Gründung in verschiedenen Abteilungen zur Jagd oder direkt zu Sage und Märchen ja getan hat. Aber der hstorische Schuß des Thronfolgers fiel wirklich
Den ultimativen und emprisch abgestützten Beweis für die Wirkmacht der legendhaften Überlieferung bietet uns das Schicksal eines Waid- und Staatsmannes, der die Jagdmordlust von Franz Ferdinand womöglich weit übertroffen hat: Nicolae Ceauşescu. Ich zitiere ausführlich aus der Zusammenfassunbg einer historischen Forschung zu Ceauşescu dem Jäger (Siebenbürgische Zeitung vom 7. Februar 2010):
"Es ist kaum anzunehmen, dass in der Geschichte der Menschheit je ein anderes Individuum innerhalb von 24 Jahren rund 3 900 Bären getötet hat, wie die rumänische Jagdzeitschrift „Diana“ (Nr. 1/1990) meldete. Der dringendste Wunsch Ceauşescus war indes, alle „Weltrekorde“ bei den Hochwildarten der Karpaten Rumäniens zu brechen. Dieses Vorhaben ist ihm beinahe gelungen. (...) Es sei erwähnt, dass Ceauşescu aus dem Drang heraus, den vom Kronstädter Weidmann Hessheimer 1934 erlegten weltstärksten Gamsbock zu überbieten, sogar die Autohochstraße „Transfăgărăşan“ bauen ließ, um in das hochgelegene Gämsenrevier „Cumpăna“ zu gelangen. Da der Weltrekord auf sich warten ließ, ersann er eine unweidmännische Jagdmethode: Dank dieser erlegte der Diktator im Januar 1989 in Gegenwart seiner Frau Elena aus der Gondel der Drahtseilbahn im Revier Buşteni (Butschetsch-Gebirge) 66 Stück Gamswild, darunter zwei Albinos. Die alten, erfahrenen Gebirgsjäger, die einst Könige und Kaiser auf Bär- und Gamswild in den Karpaten führten, prophezeiten das Ende des Jägers innerhalb eines Jahres. Und sie hatten Recht! Nach elf Monaten, am 25. Dezember 1989, wurde das Ehepaar Ceauşescu von einem Militärgericht zum Tode verurteilt und danach erschossen.
In den uralten Märchen und Sagen Südost-Europas und des östlichen Alpenraumes rankt sich so manche Legende um den weißen Gamsbock. Der Aberglaube der Jäger und Hirten will es wissen: Wer es wagt, den weißen Bock zu erlegen, ist in Jahresfrist ein toter Mann. Dieser Aberglaube fand neue Nahrung, als Kronprinz Rudolf von Österreich, der eine weiße Gams schoss, innerhalb eines Jahres in Mayerling 1889 (genau 100 Jahre vor Ceauşescus Tod!) tragisch aus dem Leben schied.
Der Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand erlegte am 27. August 1913 eine weiße Gämse und wurde innerhalb der in der Sage bekannten Frist am 28. Juni 1914 in Sarajevo ermordet. Der Anlass für den Ersten Weltkrieg war gegeben! Inzwischen wissen es die Karpatenjäger nun mit höchster Gewissheit: Die Sage stimmt, denn sie wurde durch den gewaltsamen Tod Ceauşescus bestätigt. Die rumänische Jägerschaft hätte dem „größten Jäger aller Zeiten“ (wie Ceauşescu sich gern selbst titulierte) dieses Weidmannsheil schon zu Beginn seiner „Polit-Ära“ gewünscht, wie einer rumänischen Jagdzeitschrift 1990 zu entnehmen ist. Der „Zlatorog“, wie der weiße Gamsbock im Aberglauben der Jäger Südosteuropas heißt, ist mit dem Palladion (Verleiher von Schutz in der griechischen Sage) des weißen Königsmantels gefeit, ist also ein Schützling der Berggeister und Bergfeen. Auch der Teufel zeigt sich bisweilen in der Gestalt des weißen Bockes mit goldenen Hörnern, ist also ein „Satanstier“."
Die Auflösung der Fotos im Salzburger Museumskatalog erlaubt nicht, den umfangreichen Text, der die Albino-Gemse (die sich ja vielleicht im Depot des Museums erhalten hat?) zu entziffern. Man kann nur so viel erkennen, daß dort auch der herrscherliche Jagdeifer mit dem Ausbruch des Weltkeiegs in Zusammenhang gebarcht wurde.
Jetzt verstehe ich, warum die Unterschrift zum bild lautet: "Der 'Zlatorog' der Weltgeschichte"...
Die Revision, die Enthmythologisierung vollzieht sich nicht im frontal artikulierten Widerspruch, nicht in der Anstrengung der rationalen Aufklärung. Sie vollzieht sich unauffällig als Unterminierung, als ironische Auflösung.
Zlatorog ist heute - ein slowenisches Bier...
Mittwoch, 12. Juni 2013
Dienstag, 11. Juni 2013
Selbstverordneter Gedächtnisschwund: Das Haus der Natur in Salzburg
Zum neuesten Stand der
Erforschung, Diskussion und Aufarbeitung der Rolle von Eduard Paul Trat
und des von ihm gegründeten naturmuseums durch das Haus der Natur selbst
siehe den Post „Das Haus der Natur stellt sich zum ersten Mal seiner
Gesichte. Hier: http://museologien.blogspot.co.at/2014/10/das-haus-der-natur-stellt-sich-zum.html
Durch einen Anruf bin ich an meine frühere Beschäftigung mit der Geschichte des Hauses der Natur in Salzburg erinnert worden. Anlaß damals war die Verleihung des Österreichischen Museumspreises an das Museum im Jahr 1991. In der Begründung wurde würdigend der Gründer des Museums, Eduard Paul Tratz einbezogen, der während der NS-Zeit als "Rassenforscher" höchst aktiv war und der dennoch das Haus bis 1976 leitete.
Da war Tratz 88 Jahre alt und konnte seinem Wunschnachfolger kurz vor seinem Tod noch brieflich seine Freude übermitteln. Dieser, Eberhard Stüber, war Zeit seiner Direktion enthusiastischer Apologet von Tratz, wenngleich er sich in späteren Jahren, als die Kritik lauter wurde und sich auch die Landespolitik mit Tratz und dem Haus der Natur beschäftigte (hier ein Link zum Antrag der Bürgerliste zur Aberkennung der Ehrenbürgerwürde Tratz. 2012 war Tratz noch immer Ehrenbürger. Ich denke, er ist es auch heute noch) kaum noch zur NS-Geschichte des Museums äußerte.
Eberhard Stüber, einen Schüler von Tratz und dessen Nachfolger als Museumsdirektor, arbeitete auch als Ausbilder von Lehrern und als Umweltanwalt der Landesregierung.
(Hier Dokumente, die das Biologiezentrum des Hauses der Natur auf seiner Webseite anbietet und die die (Ver)Ehrung durch die Landespolitik und durch Stüber belegen, die Tratz entgegengebracht wurde. Ich vermute, daß das Biologiezentrum diese Dokumente nicht in kritischer Absicht ins Internet gestellt hat. Viele Naturschutzorganisationen halten Tratz hoch in Ehren und vergeben nach ihm benannte Preise. Die Untersuchung der Kontinuität des Naturverständnisses seit den 1920er-Jahren, der NS-Zeit, der Zeit der 50er-Jahre bis hin zur Grünen Bewegung bedürften dringend einer Beleuchtung. Wenn man Texte etwa von Tratz aus den 20er-Jahren liest, vor allem solche, die er in pädagogischer Absicht verfasst hat, kommt man aus dem Staunen über die Affinität zur jüngeren Gegenwart kaum heruas.)
Inzwischen gibt es zeitgeschichtliche Forschungen, die die Tätigkeit Tratz sorgfältig dokumentieren (Robert Hoffmann, Ein Museum für Himmler. Eduard Paul Tratz und die Integration des Salzburger „Hauses der Natur“ in das „Ahnenerbe“ der SS. In: Zeitgeschichte, 35 (2008), H. 3, 154-175) und auch museologische Auftragsforschung. Eine Publikation zur Geschichte des Hauses soll angeblich noch in diesem Jahr erscheinen.
Darüber erfährt man aber nach wie vor nichts vom Museum. Die Politik, die betrieben wird, ist die des "Vergessenmachens". Weder Tratz wird auf der Webseite genannt noch wird die einschlägige Geschichte des Hauses referiert. Man findet auch nichts zu einem erhaltenen Kernstück der Tratzschen rassenpolitischen und musealen Betätigung: zu den Tibetdioramen. Nur wenn man den Orientierungsplan des Hauses genau ansieht, entdeckt man die "Tibetschau".
Nur drei kurze Absätze findet man untere der Überschrift "Über uns". Der erste lautet: "Das Naturkundemuseum Haus der Natur besteht seit dem Jahr 1924. Seit seinen Anfängen überrascht es seine BesucherInnen mit einer modernen, lebendigen Museumsdidaktik, die sich mit den Jahren konsequent weiterentwickelt hat." (Webseite des Hauses der Natur, abgerufen 11.Juni 2013)
Inzwischen schreiben wir 2013, ein neuer Direktor, der dem Nachfolger von Tratz, Eberhard Stüber gefolgt ist, ist längst im Amt, einschlägige Forschungen und Debatten sind öffentlich bekannt, aber dennoch, das Museum kann sich immer noch nicht durchringen, sich seiner Geschichte zu stellen.
Hier die Links zu meinen älteren Posts (die übrigens zu den meistgelesenen dieses Blogs überhaupt gehören, vermutlich deswegen, weil sie - noch immer - zu den ganz wenigen leicht zugänglichen Informationen zur NS-Geschichte des Hauses der Natur und zu Eduard Paul Tratz gehören).
"Blutgebundene Abhängigkeit". Das Haus der Natur in Salzburg wird sich wohl weiter nicht um die Aufarbeitung seiner NS-Geschichte kümmern
Das Haus der Natur in Salzburg als Institut des SS-Ahnenerbes
Durch einen Anruf bin ich an meine frühere Beschäftigung mit der Geschichte des Hauses der Natur in Salzburg erinnert worden. Anlaß damals war die Verleihung des Österreichischen Museumspreises an das Museum im Jahr 1991. In der Begründung wurde würdigend der Gründer des Museums, Eduard Paul Tratz einbezogen, der während der NS-Zeit als "Rassenforscher" höchst aktiv war und der dennoch das Haus bis 1976 leitete.
Da war Tratz 88 Jahre alt und konnte seinem Wunschnachfolger kurz vor seinem Tod noch brieflich seine Freude übermitteln. Dieser, Eberhard Stüber, war Zeit seiner Direktion enthusiastischer Apologet von Tratz, wenngleich er sich in späteren Jahren, als die Kritik lauter wurde und sich auch die Landespolitik mit Tratz und dem Haus der Natur beschäftigte (hier ein Link zum Antrag der Bürgerliste zur Aberkennung der Ehrenbürgerwürde Tratz. 2012 war Tratz noch immer Ehrenbürger. Ich denke, er ist es auch heute noch) kaum noch zur NS-Geschichte des Museums äußerte.
Eberhard Stüber, einen Schüler von Tratz und dessen Nachfolger als Museumsdirektor, arbeitete auch als Ausbilder von Lehrern und als Umweltanwalt der Landesregierung.
(Hier Dokumente, die das Biologiezentrum des Hauses der Natur auf seiner Webseite anbietet und die die (Ver)Ehrung durch die Landespolitik und durch Stüber belegen, die Tratz entgegengebracht wurde. Ich vermute, daß das Biologiezentrum diese Dokumente nicht in kritischer Absicht ins Internet gestellt hat. Viele Naturschutzorganisationen halten Tratz hoch in Ehren und vergeben nach ihm benannte Preise. Die Untersuchung der Kontinuität des Naturverständnisses seit den 1920er-Jahren, der NS-Zeit, der Zeit der 50er-Jahre bis hin zur Grünen Bewegung bedürften dringend einer Beleuchtung. Wenn man Texte etwa von Tratz aus den 20er-Jahren liest, vor allem solche, die er in pädagogischer Absicht verfasst hat, kommt man aus dem Staunen über die Affinität zur jüngeren Gegenwart kaum heruas.)
Inzwischen gibt es zeitgeschichtliche Forschungen, die die Tätigkeit Tratz sorgfältig dokumentieren (Robert Hoffmann, Ein Museum für Himmler. Eduard Paul Tratz und die Integration des Salzburger „Hauses der Natur“ in das „Ahnenerbe“ der SS. In: Zeitgeschichte, 35 (2008), H. 3, 154-175) und auch museologische Auftragsforschung. Eine Publikation zur Geschichte des Hauses soll angeblich noch in diesem Jahr erscheinen.
Darüber erfährt man aber nach wie vor nichts vom Museum. Die Politik, die betrieben wird, ist die des "Vergessenmachens". Weder Tratz wird auf der Webseite genannt noch wird die einschlägige Geschichte des Hauses referiert. Man findet auch nichts zu einem erhaltenen Kernstück der Tratzschen rassenpolitischen und musealen Betätigung: zu den Tibetdioramen. Nur wenn man den Orientierungsplan des Hauses genau ansieht, entdeckt man die "Tibetschau".
Nur drei kurze Absätze findet man untere der Überschrift "Über uns". Der erste lautet: "Das Naturkundemuseum Haus der Natur besteht seit dem Jahr 1924. Seit seinen Anfängen überrascht es seine BesucherInnen mit einer modernen, lebendigen Museumsdidaktik, die sich mit den Jahren konsequent weiterentwickelt hat." (Webseite des Hauses der Natur, abgerufen 11.Juni 2013)
Inzwischen schreiben wir 2013, ein neuer Direktor, der dem Nachfolger von Tratz, Eberhard Stüber gefolgt ist, ist längst im Amt, einschlägige Forschungen und Debatten sind öffentlich bekannt, aber dennoch, das Museum kann sich immer noch nicht durchringen, sich seiner Geschichte zu stellen.
Hier die Links zu meinen älteren Posts (die übrigens zu den meistgelesenen dieses Blogs überhaupt gehören, vermutlich deswegen, weil sie - noch immer - zu den ganz wenigen leicht zugänglichen Informationen zur NS-Geschichte des Hauses der Natur und zu Eduard Paul Tratz gehören).
"Blutgebundene Abhängigkeit". Das Haus der Natur in Salzburg wird sich wohl weiter nicht um die Aufarbeitung seiner NS-Geschichte kümmern
Das Haus der Natur in Salzburg als Institut des SS-Ahnenerbes
Das Berliner Schloß wird tatsächlich wiedererrichtet
Nicht untergehen sollte, daß in Berlin in diesenm Tagen ein "Projekt von nationaler Tragweite" begonnen wird. Das Projekt heißt (in etwa): wir bauen ein Schloß, teilweise rekonstruiert, teilweise neu geplant, wieder auf, um darin etwas unterzubringen, wovon wir noch nicht wissen was.
Der Bundespräsident wird einen Grundstein legen zu etwas, was "in der üblichen emotionalen Verklemmtheit" Humboldt-Forum heißt, und eben nicht: Stadtschloß, was selbstverständlich ein Akt der "Preußen-Austreibung" ist.
"Gleichviel! Für eine Gesellschaft, die sich mal mehr, mal weniger explizit dafür entschieden hat, die Jahre 1933 bis 1945 für den Fluchtpunkt ihrer Geschichte zu halten, ist bereits viel gewonnen, wenn an so markanter Stelle in Berlin ein Baudenkmal wieder erstehen kann, das für eine Epoche der deutschen Geschichte steht, in der die Barbarei der Nationalsozialisten noch nicht im entferntesten denkbar war."
So schreibt Tilman Krause in der Tageszeitung Die Welt am 10.06.2013 und zieht den führ ihn desperablen Schluß, daß eines sicher nicht (dort) passieren wird, nämlich die Einrichtung eines Museums für jene Dynastie, der das Schloß seine Entstehung verdankt.
Ältere Post zum Thema:
Stadtschlosswiederaufbauaufschubentscheid. Noch einmal: Der Wiederaufbau des Berliner Schlosses und das Humboldt-Forum.
Der Bundespräsident wird einen Grundstein legen zu etwas, was "in der üblichen emotionalen Verklemmtheit" Humboldt-Forum heißt, und eben nicht: Stadtschloß, was selbstverständlich ein Akt der "Preußen-Austreibung" ist.
"Gleichviel! Für eine Gesellschaft, die sich mal mehr, mal weniger explizit dafür entschieden hat, die Jahre 1933 bis 1945 für den Fluchtpunkt ihrer Geschichte zu halten, ist bereits viel gewonnen, wenn an so markanter Stelle in Berlin ein Baudenkmal wieder erstehen kann, das für eine Epoche der deutschen Geschichte steht, in der die Barbarei der Nationalsozialisten noch nicht im entferntesten denkbar war."
So schreibt Tilman Krause in der Tageszeitung Die Welt am 10.06.2013 und zieht den führ ihn desperablen Schluß, daß eines sicher nicht (dort) passieren wird, nämlich die Einrichtung eines Museums für jene Dynastie, der das Schloß seine Entstehung verdankt.
Ältere Post zum Thema:
Stadtschlosswiederaufbauaufschubentscheid. Noch einmal: Der Wiederaufbau des Berliner Schlosses und das Humboldt-Forum.
... im passenden Ambiente ... (Ägyptisches Museum München II)
Dass
ein Fahrrad nicht nur ein funktionierendes Transportmittel sein muss,
sondern gleichzeitig auch zum Design- und Kunstobjekt avancieren kann,
zeigen Schindelhauer Bikes während der ersten Munich Creative Business
Week (MCBW) vom 7. bis 12. Februar 2012 in München.
|
|||
Im Rahmen der MCBW zeigt die junge
Magdeburger Fahrradschmiede neben ihrer puristischen Bike-Linie auch ein
neues Concept-Bike, das im passenden Ambiente des neuen Staatlichen
Museums Ägyptischer Kunst inszeniert wird. Zunächst als Designstudie,
stellen Schindelhauer Bikes ihr Thin-Bike, ein 24-Zoll-City-Bike vor,
bei dem der Name Programm ist. Allein mit seinem Look sorgt das extrem
schlanke Bike für Aufsehen, und die ungewöhnlichen Features machen das
Velo zu einer Besonderheit. (Velo-Total) |
Dienstag, 4. Juni 2013
Objet trouvés.Die Laubhütte
Montag, 3. Juni 2013
Sonntag, 2. Juni 2013
Da war doch was?
Da war doch was?
Plötzlich fällt mir ein, es ist Juni 2013 und es gibt noch immer keine Dauerausstellung im Jüdischen Museum der Stadt Wien.
Ende März 2011 wurde die alte Dauerausstellung abgebrochen, mit dem Argument, sie müsse einer neuen Dauerausstellung weichen und ihre Konservierung sei aus technischen Gründen nicht möglich gewesen.
Letzters ist inzwischen widerlegt, ersters noch nicht passiert.
Aber es gibt jetzt ein Datum. Zum Jubiläum des Hauses, im November 2013, zweieinhalb Jahre nach dem Abbruch, soll eine neue Dauerausstellung eröffnet werden.
Plötzlich fällt mir ein, es ist Juni 2013 und es gibt noch immer keine Dauerausstellung im Jüdischen Museum der Stadt Wien.
Ende März 2011 wurde die alte Dauerausstellung abgebrochen, mit dem Argument, sie müsse einer neuen Dauerausstellung weichen und ihre Konservierung sei aus technischen Gründen nicht möglich gewesen.
Letzters ist inzwischen widerlegt, ersters noch nicht passiert.
Aber es gibt jetzt ein Datum. Zum Jubiläum des Hauses, im November 2013, zweieinhalb Jahre nach dem Abbruch, soll eine neue Dauerausstellung eröffnet werden.
Mikroausstellung "Vatertag"
Von oben nach unten: Erzherzog Johann mit seinem Sohn (SalzburgMuseum). Eine Ausstellungseinheit (Werbung und Museums'objekt') Volkskundemuseum Graz. Werbung Landesmuseum Joanneum zum Vatertag 2013 |
"Täuscht euch nicht, Mitbürger, das Museum ist keine
oberflächliche Ansammlung von Luxusgegenständen oder Frivolitäten, die nur der
Befriedigung der Neugier dienen sollen. Es muß eine Ehrfurcht bietende Schule
werden. Die Lehrer werden ihre jungen Schüler hinführen; der Vater seinen Sohn.
Der Jüngling wird beim Anblick der Werke des Genies in sich das Gebiet der
Kunst oder Wissenschaft lebendig werden fühlen, zudem ihn die Natur berufen
hat." Jacques Louis David vor dem Nationalkonvent. 1794
Kulturelle Bildung oder: Alles kann erklärt werden + Das Museum lesen (34)
"In Mexiko besucht Herr Palomar die Ruinen von Tula, der alten Toltekenhauptstadt. Ein mexikanischer Freund begleitet ihn, ein begeisterter und beredter Kenner der präkolumbianischen Kulturen, der ihm wunderschöne Legenden von Quetzalcoatl erzählt. Bevor er ein Gott wurde, war Quetzalcoatl ein König, und hier in Tula stand sein Palast; erhalten geblieben ist davon eine Anzahl stumpf abgebrochener Säulen, die sich rings um ein Impluvium verteilen, ein bißchen wie in einer altrömischen Villa.
Der Tempel
des Morgensterns ist eine abgeflachte Stufenpyramide, auf deren breiter
Plattform sich vier hohe zylindrische Säulenfiguren erheben, sogenannte
»Atlanten«, die den Gott Quetzalcoatl als Morgenstern darstellen (indem sie
einen Schmetterling, das Symbol des Sterns, auf dem Rücken tragen), außerdem
vier Reliefpfeiler, die den Gefiederten Schlangengott darstellen, also wieder
denselben Gott, diesmal in Tiergestalt.
All das kann
man einfach nur glauben. Andererseits wäre es schwierig, das Gegenteil zu
beweisen. In der altmexikanischen Archäologie stellt jede Figur, jeder
Gegenstand, jedes Detail eines Flachreliefs etwas dar, alles bedeutet etwas,
das etwas bedeutet, das seinerseits etwas bedeutet. Ein Tier bedeutet einen
Gott, der einen Stern bedeutet, der ein Element bedeutet oder eine menschliche
Eigenschaft, und so weiter. Wir befinden uns in der Welt der Bilderschrift.
Wenn die Tolteken schreiben wollten, zeichneten sie Figuren, aber auch wenn
sie einfach nur zeichneten, war es, als ob sie schrieben: Jede Figur erscheint
wie ein Bilderrätsel, ein zu entziffernder Rebus. Selbst noch die
abstraktesten, rein geometrischen Friese auf einer Tempelwand können als
Sonnenstrahlen gedeutet werden, wenn man darin ein Motiv mit unterbrochenen
Linien sieht, oder man kann eine Zahlenabfolge in ihnen lesen, je nachdem, wie
sich die Mäander verschlingen. Hier in Tula wiederholen die Flachreliefs
stilisierte Tiere: Jaguare, Coyoten. Der mexikanische Freund erklärt Herrn
Palomar jeden Stein, übersetzt ihn in kosmische Mythenerzählungen, Allegorien,
moralische Reflexionen.
In den
Ruinen zieht eine Schülergruppe umher: schmächtige Buben mit indianischen
Zügen, vielleicht Nachkommen der Erbauer dieser Tempel, gekleidet in eine
schlichte weiße Uniform mit blauen Halstüchern, wie sie die Pfadfinder tragen.
Ein junger Lehrer führt sie umher, nicht viel größer als die Buben und kaum
viel älter, mit dem gleichen runden und ruhigen braunen Gesicht. Sie steigen
die hohen Stufen zur Plattform der Pyramide hinauf und scharen sich um die
Säulen, der Lehrer erklärt, zu welcher Kultur die Säulen gehören, aus welchem
Jahrhundert sie stammen, aus welchem Stein sie gehauen sind, dann schließt er:
»Man weiß nicht, was sie bedeuten«, und die Schülerschar folgt ihm wieder
hinunter. Zu jeder Statue, zu jeder Figur in einem Flachrelief oder auf einer
Säule macht der Lehrer ein paar knappe sachliche Angaben, und jedesmal fügt er
dann unweigerlich hinzu: »Man weiß nicht, was es bedeuten soll.«
Hier zum
Beispiel ist ein sogenannter Chac-mool, ein Statuentypus, dem man recht häufig
begegnet: eine halb liegende Menschenfigur, die eine flache Schale trägt. Auf
diesen Schalen, sagen übereinstimmend die Experten, wurden die blutigen Herzen
der bei den Menschenopfern Getöteten präsentiert. An und für sich könnte man
in diesen Figuren auch gutmütige, komisch-groteske Fratzen sehen, aber
jedesmal, wenn Herr Palomar eine sieht, läuft ihm unwillkürlich ein Schauder
über den Rücken.
Die
Schülerschar kommt vorbei. Der junge Lehrer erklärt: »Esto es un chac-mool. No
se sabe lo que quiere decir«, und geht weiter.
Immer
wieder begegnet Herr Palomar, obwohl er den Erläuterungen seines Freundes
folgt, am Ende der Schülergruppe und hört auf die Worte des Lehrers. Er ist
fasziniert von der Fülle an mythologischen Querverweisen, mit denen sein
kundiger Freund zu hantieren weiß, das Spiel des Interpretierens, die
allegorische Deutung sind ihm stets als eine souveräne Übung des Geistes erschienen.
Doch er fühlt sich auch von der entgegengesetzten Haltung des Schullehrers
angezogen. Was ihm zunächst als ein schroffer Ausdruck von Desinteresse
erschienen war, enthüllt sich ihm langsam als ein wohlüberlegter pädagogischer
Plan, eine bewusst gewählte Methode dieses ernsten und gewissenhaften jungen
Erziehers, eine Regel, von der er nicht abgehen will: Ein Stein, eine Figur,
ein Zeichen, ein Wort, die uns isoliert von ihrem Kontext erreichen, sind
nichts als eben nur dieser Stein, diese Figur, dieses Zeichen oder Wort; wir
können versuchen, sie als solche zu definieren und zu beschreiben, aber mehr
nicht; wenn sie hinter dem Antlitz, das sie uns zeigen, noch ein verborgenes
Antlitz haben, muss es uns verborgen bleiben. Die Weigerung, mehr zu begreifen
als das, was diese Steine uns zeigen, ist vielleicht die einzig mögliche Art
und Weise, ihr Geheimnis zu achten. Es erraten zu wollen, ist Anmaßung, Verrat
an ihrer verloren gegangenen wahren Bedeutung.
Hinter der
Pyramide gelangt man in einen Gang oder Korridor zwischen zwei Mauern, eine aus
gestampftem Lehm, die andere aus behauenem Stein: die Mauer der Schlangen. Sie
ist vielleicht das schönste Stück in Tula: ein Fries als Flachrelief, bestehend
aus lauter Schlangen, von denen jede einen menschlichen Schädel im Maul hält,
als wollte sie ihn gerade verschlingen.
Die Schüler
kommen vorbei. Der Lehrer erklärt: »Dies ist die Mauer der Schlangen. Jede
Schlange hält einen Schädel im Maul. Man weiß nicht, was sie bedeuten.«
Herrn
Palomars Freund kann nicht länger an sich halten: »Aber ja doch, das weiß man
sehr wohl! Es ist die Kontinuität von Leben und Tod, die Schlangen bedeuten
das Leben und die Schädel den Tod: das Leben, das Leben ist, weil es den Tod in
sich trägt, und den Tod, der Tod ist, weil es ohne Tod kein Leben gibt ...«
Die Schüler
stehen baff mit offenem Mund, die schwarzen Augen weit aufgerissen. Herr
Palomar denkt: Jede Übersetzung verlangt nach einer weiteren Übersetzung
und so
fort. Er fragt sich: Was bedeuteten Tod und Leben, Kontinuität und Übergang für
die alten Tolteken? Und was können sie für diese Kinder bedeuten? Und für mich?
— Doch er weiß: Nie könnte er das Bedürfnis in sich ersticken, zu übersetzen,
überzugehen aus einer Sprache in eine andere, .von konkreten Figuren zu
abstrakten Worten, von abstrakten Symbolen zu konkreten Erfahrungen, wieder und
wieder ein Netz von Analogien zu knüpfen. Nicht zu interpretieren ist
unmöglich, genauso unmöglich wie sich am Denken zu hindern.
Kaum sind
die Schüler um eine Biegung verschwunden, hebt die beharrliche Stimme des
kleinen Lehrers wieder an: »No es verdad, es ist nicht wahr, was dieser Senor
euch gesagt hat. Man weiß nicht, was sie bedeuten.«"
Aus: Italo Calvino: Herr
Palomar. München, Wien: Carl Hanser Verlag 1985
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