Mittwoch, 30. Januar 2013

Bahnt sich ein Paradigmenwechsel in den / einigen Bundesmuseen an?

Bahnt sich bei den österreichischen Bundesmuseen etwas Neues an?

Zwei Ausstellungen, die ich kürzlich besucht habe, haben mich mit ihrem Konzept überrascht. In beiden Fällen hatte ich den Eindruck, da geht es um mehr als nur eine kluge Idee und eine durchdachte, geglückte Gestaltung. Sondern es geht nahezu um einen Paradigmenwechsel der Institution.
Das Technische Museum, das einen eher affirmativen bis ästhetisierenden, in Einzelfällen fetischisierenden (Auto-Ausstellung) Blick auf Technik wirft, bringt in der Ausstellung "In Arbeit" (seit 2011) mehrere Ebenen in Verbindung: die kulturanthropologische Frage nach dem was Arbeit eigentlich ist, welche Rolle die die körperliche Ausstattung erweiternden "Werkzeuge" spielen, welche Probleme die Entfesselung dieses Potentials in der industrialisierten Welt hat. Dann die Effekte und Konsequenzen für die, die arbeiten, und das bis in die aktuelle Gegenwart, in der die Frage modifiziert werden muß, zu der, wer denn noch überhaupt welche Arbeit hat.
Und drittens, was Globalität bedeutet, Globalität der Märkte, des Kapitals und der vernetzten Arbeitswelten. Dabei ist die Ausstellung an vielen Punkten ganz nah an der Gegenwart, an sehr heißen Punkten aktueller Entwicklungen, an konfliktträchtigen Problemen.

An der Frage z.B. nach der Gefährdung der Demokratie hat mich ebenso überrascht, daß und wie sie gestellt wurde, aber auch wie sie, von einer durchaus repräsentativen Zahl von Museumsbesuchern beantwortet wurde, nämlich deutlichst pessimistisch.

Ich hoffe, daß ich Zeit und Muße finde, über diese Ausstellung ausführlicher zu schreiben. Das gilt auch für die andere Ausstellung, die noch dazu eine Dauerausstellung ist. Im Naturhistorischen Museum in Wien gibt es seit heute (31.1.2013) wieder anthropologische Schauräume.

Wie hier wissenschaftliches Faktenwissen auf der einen Seite und witzige, ironische Popularisierung auf der andren Seite letztlich zu einer äußerst dichten Information über "uns", unsere "Ahnen" und unsere Herkunft zusammengeführt werden, hat mich beeindruckt. Der erste Eindruck eines mehrstündigen Besuchs war, daß eine ganz erstaunliche Synthese von Wissenschaftspopularisierung, unterhaltsamer und anschaulicher Darstellung anthropologische Grundfragen sowie vielfältiger und sehr reflektierter Einsatz von Medien gelungen ist. Daß der nur zwei Säle umfassende Ausstellungsteil medial der modernste des Museums geworden ist, ist trivial. Doch das Konzept, inhaltlich und medial vielschichtig zu verfahren, damit sehr unterschiedliche Interessen zu bedienen und unterschiedlichen Besuchergruppen entgegenzukommen, so etwas gibt es sonst nirgendwo im Museum. Doch auch davon, hoffentlich bald, mehr...



Traditionspflege auf Österreichisch? (Texte im Museum 373)



Heute im Naturhistorischen Museum in Wien entdeckt. Auf Papier gedrucktes Gebot in vier Sprachen. Möglicherweise aus der "Besatzungsszeit", denn es sind die Sprachen der Alliierten und nicht unbedingt die, in denen man heutige Museumstexte veröffentlichen würde.

Objet trouvé - Uniformierte Aufsicht



Kopfbedeckung des Aufsichtspersonals des Naturhistorischen Hofmuseums zur Zeit seiner Gründung.

Jetzt müsste noch wer wissen, welchen Berufen Ende des 19.Jahrhunderts solche Kopfbedeckungen noch zuzuordnen sind. Leichenträger? Stadtwachen? Oder? Weiß das jemand?

Feierabend im Museum



Environment zum "Feierabend" in der Ausstellung "In Arbeit" im Technischen Museum in Wien

Spiegelschrift (Texte im Museum 372)



Albertina. Wien. "Max Ernst"

Montag, 21. Januar 2013

Die Schrift an der Wand (Texte im Museum 369)

York Museum

Überraschungen beim Erbsenzählen. Noch einmal etwas zur Fragwürdigkeit von "Besucher"zahlen

Ich habe (hier) kürzlich die Veröffentlichung der Besuchsstatistik der Österreichischen Bundesmuseen und ihre Veröffentlichung im Standard kommentiert. Derselbe Journalist, der kürzlich die Zahlen der staatlichen Museen referierte, berichtet jetzt von einem kommunalen Museum, dem Kunsthaus.
Das ist ein Gebäudekomplex, der nach Plänen von Friedensreich Hundertwasser errichtet wurde und z.T. als Kunsthalle genutzt wurde und wird. die Stadt Wien hat das aus dem Nachlass Hundertwassers 2007 erworben. Die Stadt ließ die Öffentlichkeit wissen, daß das Kunsthaus nahezu 400.000 Besucher im Jahr habe und daher keine größeren finanziellen Verpflichtungen entstünden. Das erweist sich zunehmend als falsch, die Förderung wurde gerade, wie Thomas Trenkler im Standard berichtet, verdoppelt. Während man 2007 von 50.000.- gesprochen habe, betrage der Zuschuss derzeit 400.000.
Das ist aber noch nicht mal das Interessanteste. Inzwischen haben Kontrollen ergeben, daß sowohl die Ausstellungsfläche als auch die Besucherzahlen schrumpften, erstere von 4000 Quadratmeter, die der Nachlassverwalter genannt hatte, auf 1600, letztere um gleich 70%.
Das Kunsthaus räumte ein, daß früher eine "großzügige Zählweise" gebräuchlich war. Sie muß sehr großzügig gewesen sein, denn der jetzige Ausstellungsbetrieb erbrachte nie mehr als kanpp 170.000 Besuche(r), während die Wunder der früheren Direktion 490.000 erbracht haben sollen. Dieser Besucherschwund ist übrigens schon lange bekannt.
Das ist nicht nur ein schönes Beispiel dafür, wie mit den Besuchszahlen umgesprungen wird, es ist auch ein bemerkenswertes Beispiel, wie wenig Kontrolle bei einer solchen öffentlichen und städtischen Einrichtung stattgefunden hat.
Was ich nicht verstehe ist, wieso nicht aus den Einnahmen - die konnten ja wohl kaum so leicht und im selben Ausmaß wie die Besuchsstatistik "geschönt" worden sein -, ablesbar gewesen sein soll, daß da keine halbe Million Menschen hinpilgerten.

Lincoln's Watch (Objet trouvée)

Taschenuhr Abraham Lincolns. Chicago History Museum. On February 11, 1861, one day before his fifty-second birthday, Abraham Lincoln boarded a train bound from Springfield, Illinois to Washington, D.C., where he would be inaugurated president on March 4. Before his departure, Lincoln received this beautiful gold watch from the Illinois State Journal, a staunch Republican newspaper that had backed his candidacy. Although they are not visible in this photograph, Lincoln’s initials are engraved on the watch’s front cover.

A gold watch owned by Abraham Lincoln bears a message marking the start of the U.S. Civil War, but the president never knew of the "secret" inscription. The engraving, by watchmaker Jonathan Dillon, is dated April 13, 1861, and reads in part: "Fort Sumpter was attacked by the rebels" and "thank God we have a government."
The American Civil War began when Confederate troops opened fire on Fort Sumter in Charleston, South Carolina, on April 12, 1861. Forty-five years later, Dillon the watchmaker told The New York Times that he was repairing Lincoln's watch when he heard that the first shots of the Civil War had been fired. Dillon said he unscrewed the dial of the watch and used a sharp instrument to mark the historic day on the president's watch. He told the newspaper that, as far as he knew, no one had ever seen the inscription.
Lincoln was elected the 16th president of the United States in November 1860. In the leadup to the Civil War, South Carolina and six other states seceded from the Union before Lincoln's inauguration in March 1861.
"Lincoln never knew of the message he carried in his pocket," Brent Glass, director of the National Museum of American History said in a statement. "It's a personal side of history about an ordinary watchman being inspired to record something for posterity."
Stephen Spielberg in seinem Interview zu seinem Film "Lincoln": Als George Stephens den Film „Das Tagebuch der Anne Frank“ drehte, reiste er nach Amsterdam und nahm auf Tonband das Läuten der Kirchenglocken auf, die man in Annes Dachbodenversteck durch das Fenster hören kann. Im Film hören wir dieselben Glocken, die Anne während des Holocaust gehört hat. Das hat mich sehr beeindruckt, als ich davon erfuhr. So habe ich eine einfache Frage gestellt: Wo ist Lincolns Taschenuhr, von der er sich niemals trennte? Im Museum in Chicago. Wir erhielten eine Sondererlaubnis, die Uhr aufzuziehen. Sie war fünfzehn Jahre lang nicht aufgezogen worden. Wenn die Uhr tickt, sollten die Zuschauer wissen, dass sie dasselbe Geräusch hören, das Lincoln vor hundertfünfzig Jahren gehört hat.

Samstag, 19. Januar 2013

Image (Entrée 93)


Frauenpower (Entrée 92)


Saisonkarte (Entrée 91)


Das Barbarische der Museen (Das Museum lesen 31)


"Man braucht nur irgendeinen Ort zu betreten, an dem Meisterwerke in großer Zahl zusammengebracht wurden, um diese Art Museumskrankheit zu erfahren, ähnlich der Übelkeit, die einem im Gebirge überkommt, aus Schwindel und Atemnot, dem jedes Glück des Sehens und jeder Wunsch, sich berühren zu lassen, sehr schnell zum. Opfer fallen. Zugegeben, im ersten Augenblick, welche Erschütterung, welche physische Gewißheit einer gebieterischen Präsenz,· einmalig, obgleich endlos vervielfältigt. Die Malerei ist wahrhaft da, leibhaftig, (en personne). Aber es ist eine Person, so sicher ihrer selbst, so zufrieden mit ihrem Nimbus und ihrem Gepränge, die sich durch einen solchen Willen zum Schauspiel imponiert und exponiert, daß sie, verwandelt in eine Theaterkönigin, uns unsererseits in Zuschauer verwandelt, sehr leidenschaftliche, dann ein wenig verstörte und dann ein wenig angeödete. Ganz offensichtlich hat das Gewöhnliche der Museen etwas unerträglich Barbarisches an sich. Wie konnte man es soweit kommen lassen? Wie hat sich die einsiedlerische, ausschließende, einem geheimen Punkt, den sie uns kaum bezeichnet, entschieden zugewandte Bejahungen jedem gemalten Bild auf diese spektakelhafte Vergemeinschaftung, diese lärmende und vornehm tuende Zusammenkunft die man eben Kunstschau (salon) nennt, eingelassen? Die Bibliotheken haben auch ich weiß nicht was an Überraschendem, aber zumindest zwingt man uns nicht, all die Bücher zugleich zu lesen (noch nicht). Warum haben die künstlerischen Werke diese enzyklopädische Ambition, die sie veranlaßt, um gemeinsam gesehen zu werden, zusammen unter einen so allgemeinen, so konfusen und so schwachen Blick verfügt zu werden, daß daraus offensichtlich nur die Zerstörung jeder wahren Kommunikationsbeziehung folgen kann?"

Aus: Maurice Blanchot: Museumskrankheit (1950)