Mittwoch, 29. August 2012

Inner meaning (Das Museum lesen 27)

-->


„Art and museum culture is the secular religion of capitalism. 
It provides a space for inner meaning in an otherwise spiritually empty world.“

Gregory Sholette

Hundertwasser (Entrée 74)

Huntertwasserhaus, Wien

Das "globale Museum"


1
Das wäre eine schöne Frage für Günther Jauchs „Wer wird Millionär“, eine die die letzte Hürde vor der Million sein müsste: In welchem der folgenden vier Länder gibt es kein Museum? Ist das A) Tibet B) Monaco C) Tuvalu D) Eritrea.
Wer glaubt, daß Monaco nur aus Casino, Formel I und Fürstenpaar besteht, irrt, da gibt es ein Museum, ein berühmtes sogar, das ozeanografische. Alle europäischen Kleinstaaten, also auch alle europäischen Staaten haben Museen. (Mit dem Kuriosum des kleinsten Staates, in dem sich eins der weltweit ältesten, bedeutendsten und größten Museen befindet - der Vatikan).
Tibet hätte bis vor einigen Jahren wohl gestimmt, in der traditionellen tibetischen Kultur kann man sich keinen Platz für eine solche Institution vorstellen. Aber diese Kultur ist dabei, durch die von China seiner autonomen Region verordneten Modernisierung langsam überlagert und verdrängt zu werden. Dazu gehört nicht nur der Ausbau des Bildungswesens, der Straßenbau, die technische Meisterleistung einer Bahnlinie nach Lhasa, sondern auch ein Museum in der Hauptstadt.
Eritrea? Man könnte wohl auf mehr als nur einen jener afrikanischen Staaten als ‚museumslos’ verfallen, deren politische und gesellschaftliche Kohärenz so fragil ist, daß man sich eine so sehr auf langfristige Pflege und Alimentierung angewiesene Institution wie ein Museum nicht vorstellen kann. Eritrea ist aber auch falsch.
Richtig ist Tuvalu, der viertkleinste Staat der Erde mit der drittkleinsten Bevölkerung. Tuvalu ist ein Inselstaat im Stillen Ozean mit grade mal etwas über 10.000 Einwohnern und erst seit 1978 ein souveräner Staat. Übrigens einer, der von seiner Umwelt, dem Meer und seinem Ansteigen, als derart bedroht gilt, daß die Einwohner ernsthaft die kollektive Auswanderung nach Neuseeland und Australien erwogen haben, und, wie ich grade lese, wiederum erwägen. Da braucht man nicht unbedingt ein Museum (das es hingegen in allen anderen Insel-Kleinstaaten in den großen Ozeanen gibt).
2
Ich glaube nicht, daß diese Frage in einem Fernsehquiz fair wäre. Wer soll so etwas wissen, wer hat sich eine solche Frage je gestellt?
Mich hat der Ehrgeiz, das nachzuprüfen auch erst gepackt, als meine Unterlagen (Reste, Brösel, Abfall aus diversen Recherchen) sich so verdichteten, daß ich dachte, es sei einfach, die Verbreitung von Museen weltweit zu evaluieren. Von den 194 derzeit in der UNO vertretenen Staaten der Welt (und sehr viel mehr Staaten gibt es nicht und das sind dann meist solche mit einem fraglichen, umstrittenen Status) können wir ja von so viele auf Anhieb ausschließen, daß der ‚Rest’ doch leicht zu überprüfen sein müsste. Dachte ich jedenfalls.
Eine viel zu lange dauernde Grippe, während der man zu intelligenterer Tätigkeit ohnehin kaum fähig ist, habe ich genutzt, um das Internet heißlaufen zu lassen. Und da zeigten sich dann beträchtliche Schwierigkeiten, denn an globalen Daten fehlt es oder sie sind, wie bei Wikipedia, extrem schlampig und unzuverlässig. Wenn man nicht auf Museumsverbände stößt wie es sie für Afrika (mit bescheidenen Daten) gibt oder die Pazifischen Inseln, dann muß man jedem Einzelfall nachgehen.
Das Suchen und Recherchieren war übrigens ganz und gar nicht uninteressant, weil man auf Museen stößt, die interessante Konzepte verfolgen oder in ungewöhnlichen politischen oder kulturellen Kontexten existieren, fern von dem, was wir möglichweise als „europäische Norm“ im Kopf haben.
Die Antwort auf die Frage, „gibt es Staaten, die kein Museum haben?“ hat mich selbst ziemlich verblüfft. Die Antwort lautet: unter den etwa 194 Staaten (die Zahl schwankt ja durch Separation, Anerkennung, Dekolonisierung, unterschiedliche Beurteilung der Selbständigkeit usw. laufend) konnte ich außer Tuvalu nur noch ein einziges weiteres Land identifizieren, das kein Museum hat: Dschibuti. Also ein afrikanisches Land mit einer langen Kolonialisierungsgeschichte und einer aktuell politisch und ökonomisch depressiven Situation. Dabei bin ich mir in diesem Fall nicht mal restlos sicher, denn ich bin dort auf Spuren eines möglichweise aus der französischen Kolonialzeit stammenden Museum gestoßen, konnte aber nicht verifizieren, ob es noch existiert.
Die richtige Antwort auf die Quizfrage lautet also „Tuvalu“ und: möglicherweise gibt es nur ein einziges Land weltweit, in dem es kein Museum gibt (und wenn Tuvalu tatsächlich, wie seine Bewohner befürchten, vom Meer verschluckt wird, ja dann...).
3
Ja, und? Was wissen wir jetzt? - Ich denke, es ist nicht trivial, festzustellen daß eine kulturelle Praxis und Institution sich weltweit verbreitet und durchgesetzt hat, und das offenbar unabhängig von der politischen, ideologischen, religiösen und sozialen Verfasstheit und des jeweiligen staatlichen und gesellschaftlichen Status. Von welcher anderen (einigermaßen vergleichbaren) Institution (Bibliothek, Konzerthäusern und Orchestern, Theater, Archiv, Oper usw.) kann man das gleichermaßen sagen?
Dabei sieht es ganz so aus, als würde sich das Museum unterschiedlichsten Konstellationen anpassen können, ohne seine konzeptuelle Identität aufgeben zu müssen. Das Museum ist ein Modell, ein Schema, mit einer Reihe von Eigenschaften und Funktionen, die in ihrem Zusammenspiel seine gesellschaftliche Rolle ausmachen. Dazu gehört die im allgemeinen Interesse bewahrte Sammlung, die vermittelt (ausgestellt) wird und daher allgemein zugänglich sein sollte, um jedermann Wissen, Bildung, Erfahrungen zu ermöglichen, die aber so etwas wie das bewahrenswerte kulturelle Erbe bildet, das kollektive Identität stiften soll. Dieser funktionelle Kern läßt sich so gut wie überall ausmachen. 
Ich traue mir das Urteil zu, daß das Museum global ideologisch und medial ziemlich uniform ist und daß es, von Einzelfällen abgesehen, keine wirklich alternativen regionalen Museumsentwicklungen gibt. Sicher, es gibt Staaten, wo Museen eine herausgehobene gesellschaftspolitische Rolle haben. Wie etwa in Südafrika, wo es eine Reihe von innovativen Museen gibt, die die konfliktreiche Geschichte und Gegenwart des Landes thematisieren. Oder Israel, dessen zentrale Museen stark am nation building des jungen Staates beteiligt waren und sind und die für die Gesellschaft zentrale Erinnerung an die Shoah aufrechthalten.
Daß Museen weltweit ideologisch und konzeptionell einem Schema folgen, bedeutet ganz und gar nicht, daß es nicht eine gegen unendlich gehende Variabilität im Einzelfall gibt, die der Architektur, dem Standort, der Trägerschaft, dem Thema, der Sammlung, dem Vermittlungskonzept, der Einbindung in eine spezielle Community und vielem anderem geschuldet sein kann.
So wie „Kopfbedeckungen“ eine geradezu unabschließbare Variabilität hinsichtlich Form, Ästhetik, Symbolik oder Funktion haben (der Zylinder, der Stahlhelmelm, das Kopftuch, die Tiara, der Strohhut, die Schirmkappe, die Pelzmütze, der Turban...), obwohl doch der menschliche Kopf innerhalb einer geringen Bandbreite ein- und dieselbe ‚Grundlage’ für die Applikation einer ‚Bedeckung’ bietet, so scheint es mir auch bei Museen zu sein.
Das Konzept oder Schema ‚Museum’ kann unter spezifischen Bedingungen höchst unterschiedlich ausformulierbar sein. Architektonisch-städtebauliche, ästhetische, gesellschaftspolitische, funktionelle oder symbolische Funktionen variieren und mischen sich in immer neuen und manchmal sehr überraschender Weise.
Das macht das Museum - und die Beschäftigung - mit ihm kurzweilig.
4
Wenn ich die Erfahrungen meiner Beschäftigung mit dem Museum und der Recherche zum „globalen Museum“ als Maßstab nehme, dann lassen sich zwei Anforderungen an Museen besonders häufig ausmachen: da ist einmal die Hoffnung, daß das Museum gesellschaftliche Integrität und Identität, wenn schon nicht herstellen so wenigstens repräsentieren kann (Nationalmuseen gibt es auch in den allerkleinsten Staaten und postkoloniale Staaten oder etwa Staaten, die aus dem Zerfall der Sowjetunion und des kommunistischen Regimes hervorgegangen sind, schreiben Museen eine besondere Rolle zu).
Und da gibt es zweitens die Hoffnung, daß das „kulturelle Erbe“ im Museum dauerhaft bewahrt und gepflegt werden kann. Beide Aspekte gehören zum Kern der europäischen Museumsidee der Aufklärung. Aber ist es nicht fragwürdig, daß ein einziges Konzept, die Vielfalt der rituellen, memorialen, ästhetischen und sozialen Praktiken, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt einmal geleistet haben, zu ersetzen beginnt – überall? (mit Unterstützung von Organisationen wie ICOM).
Es bleibt ein Unbehagen, oder die Frage, warum das ‚Konzept Museum’ möglicherweise nicht einfach nur stabil sondern möglicherweise auch so starr erscheint. Wäre es denn nicht wünschenswert, daß es sich in unterschiedlichen Situationen neu konfigurieren kann? Ist es nicht problematisch, wenn sich ein kulturelles Muster buchstäblich weltweit alternativlos durchsetzt?
Alternativlos? Ich bin nicht sicher. Wie wir wissen besitzt das Museum definitorisch eine beachtliche Randunschärfe. Sehr zum Ärger jener Institutionen und Interessenvertretung, die innerhalb ihrer Organisationslogik (und weniger um des Museums willen) eine möglichst einfache Definition benötigen. Denn diese entscheidet ja über Zugehörigkeit oder Ausgeschlossensein (aus der Organisation).
Gerade ‚an den Rändern’ findet sich aber das Neue, Innovative, Zukunftweisende, das möglicherweise nicht nur quantitativ unterschätzt wird, sondern auch durch das Bemühen um definitorische ‚Sauberkeit’ (ICOM) möglicherweise vorschnell exkludiert bleibt.
5
Die „Idee Museum“ hat sich global durchgesetzt? So statistisch, wie ich das hier vorführe, verfälscht dieser Satz die Tatsachen. Die Verteilung der Museen weltweit – die einzige Zahl die ich kenne ist an die 15, 20 Jahre alt und da werden 60.000 Museen genannt -, ordnet sich entlang der politisch-wirtschaftlich dominierenden Staaten und Großregionen: USA, Europa, Japan, Australien, in jüngerer Zeit in Ostasien - mit der chinesischen Museumspolitik von 1000 Museums-Gründungen in 10 Jahren. (Ich kenne keine brauchbare Studie, die diese Ungleichverteilung abbildet).
Diesen Großregionen sind praktisch alle Museen zuzuordnen, die als weltweit führend, das kulturelle Erbe repräsentierend und schützend gelten. Dort befinden sich die Museen, die den Museumsdiskurs bestimmen, die mit der größten medialen Attraktivität und den höchsten Besuchszahlen.
In jeder Hinsicht ist Afrika das Schlußlicht. Nahezu alle seine einzelnen Staaten bilden in den einschlägigen Wirtschaftsstatistiken die lange Schlußkolonne. Die große Ausnahme ist das schon früh industrialisierte und wirtschaftlich prosperierende Südafrika. Die etwa dreihundert Museen, die es dort gibt, übertreffen die Zahl der Museen im gesamten restlichen Kontinent.
Mein handgestrickter Versuch, mir ein „Bild“ von der globalen Situation der Museen zu verschaffen, hat mir viele Überraschungen beschert und den eurozentrierten Blick, den „wir“ haben, gelegentlich kräftig abgelenkt.
Ich glaube, daß hier ein weites Feld für Forschung und Recherche brachliegt, etwa für komparatistische Studien, für nationale Museumspolitiken, für historische Entwicklungen und vieles andere mehr.

heiß! (Texte im Museum 317)

Museum Sensenhammer Deutschfeistritz

Montag, 27. August 2012

Musealisierung als Ausrottung

(...) So hat man vor kurzem die gesamte Wissenschaft und Technik mobilisiert, um die Mumie von Ramses II zu retten, nachdem man sie einige Jahrzehnte im hintersten Winkel eines Museums hat verfaulen lassen. Bei der Vorstellung, nicht retten zu können, was die symbolische Ordnung während 40 Jahrhunderten zu konservieren wußte ‑ allerdings dem Licht und dem Blick entzogen ‑,wird das Abendland plötzlich von Panik ergriffen. Ramses hat für uns heute keine Bedeutung mehr, nur die Mumie ist von unschätzbarem Wert, denn sie ist der Garant für den Sinn der Akkumulation. Unsere gesamte lineare und akkumulative Kultur bricht zusammen, wenn sich die Vergangenheit nicht für alle sichtbar speichern läßt.
Um diesen Zusammenbruch zu verhindern vertreibt man die Pharaonen aus ihrem Grab und die Mumien aus ihrer Stille. Dafür exhumiert man sie und läßt ihnen militärische Ehren zuteil werden. Sie sind gleichzeitig Beute der Wissenschaft und Beute der Würmer. Nur das absolute Geheimnis sichert ihnen diese tausendjährige Macht ‑ die Herrschaft über die Fäulnis, die zugleich die Herrschaft des totalen Tauschzyklus mit dem Tod ist. Wir können unsere Wissenschaft nur noch in den Dienst der Wiederherstellung von Mumien stellen, d.h. eine sichtbare Ordnung restaurieren.
Demgegenüber war die Einbalsamierung eine mythische Arbeit mit dem Ziel, eine verborgene Dimension zu verewigen. Wir benötigen eine sichtbare Vergangenheit, ein sichtbares Kontinuum, einen sichtbaren Ursprungsmythos, der uns über unser Ende beruhigt. Denn im Grunde haben wir nie daran geglaubt. Warum das historische Schauspiel bei der Ankunft der Mumie am Flughafen? Weil Ramses eine große despotische und militärische Figur war? Ganz sicher. Doch vor allem, weil unsere Kultur davon träumt, hinter dieser verstorbenen Macht, die sie sich einzuverleiben sucht, eine Ordnung zu besitzen, die mit ihr nichts zu tun hätte. Sie träumt davon, weil sie diese Macht als/wie ihre eigene Vergangenheit durch Exhumieren ausgerottet hat.
Wir sind von Ramses fasziniert, wie die Christen der Renaissance von den Indianern Amerikas, jenen (menschlichen?) Wesen, die nie etwas vom Worte Christi gehört haben, fasziniert waren. In den Anfängen der Kolonialisierung gab es einen Augenblick der Bestürzung und des Taumels angesichts der Möglichkeit, selbst dem universellen Gesetz des Evangeliums zu entkommen. Nur eines war möglich: entweder man gab die Nicht‑Universalität dieses GESETZES zu, oder aber man rottete die Indianer aus, um alle Beweise dafür zu vernichten. Im Allgemeinen gab man sich damit zufrieden, die Indianer zu bekehren, oder einfacher noch, sie zu entdecken, was ausreichte, um sie allmählich auszurotten.
So wird es ausreichen, Ramses zu exhumieren, um ihn durch Museifizierung auszurotten. Denn Mumien verfaulen nicht an Würmern: Sie sterben, weil man sie aus der verschlafenen Ordnung des Symbolischen ‑ Herr der Fäulnis und des Todes in die Ordnung der Geschichte, der Wissenschaft und des Museums transhumiert, eine Ordnung, die nichts mehr beherrscht, die lediglich das ihr Vorausgegangene weihevoll der Fäulnis und dem Tode überantwortet und anschließend mit Hilfe der Wissenschaft wieder zum Leben erweckt. Nicht wieder gutzumachende Gewalt gegenüber allen Geheimnissen, Gewalt einer Kultur ohne Geheimnis, Haß einer ganzen Zivilisation auf ihre eigenen Grundlagen.

aus: Jean Baudrillard: Ramses oder die jungfräuliche Wiederuaferstehung

Kaiserliche Bahnhofstasse (Texte im Museum 316)

Museum am Ostwall, Dortmund

Besuchen Sie Ihr Museum! (Museumsphysiognomien)


Das Universalmuseum Joanneum in Graz wirbt derzeit mit großen Plakaten. "Besuchen Sie Ihr Zeughaus!", "Besuchen Sie Ihr Schloss!", "Besuchen Sie Ihr Palais". Gemeint sind die einzelnen Sammlungsstandorte mit ihren Dauerausttellungen, das Schloss Eggenberg und eben das Museum im Palais.
"Ihr Museum" ist im rechtlichen Sinn korrekt, denn die Sammlungsobjekte sind bei einem öffentlichen Museum wie diesem Landesmuseum Gemeingut, sie gehören jedermann. Das allerdings nur abstrakt. Wer ins Depot ginge, um sich dort für einige Monate ein biedermeierliches Aquarell oder einen Römerkopf zur repräsentativen Ausstattung seiner Wohnung abzuholen, würde auf keine Herausgabebereitschaft stoßen.
Umgekehrt kann aber das Museum auch nichts veräußern, von dem, was es treuhänderisch verwahrt, es sei denn mit höchster politischer Erlaubnis in Ausnahmefällen. Ein bisschen Budgetsanierung mit dem Verkauf eines Objekts, das geht (normalerweise) gar nicht.
Es ist aber nicht anzunehmen, daß die Marketingfachleute oder das Designbüro, die das Plakat entworfen haben, mit dem "Ihr" diesen rechtlichen Besitz an Kulturgütern ansprechen wollen, (der den meisten auch gar nicht bewußt sein dürfte) sondern wohl eher performativ eine Identifikation mit dem Museum als Ganzes herzustellen beabsichtigen. Etwa im Sinn, "das Museum ist für Dich da, es ist Deines, also geh doch (wieder) mal hin".
So etwas kann man aber nicht einfach appelativ herstellen, auch nicht mit einem Rufzeichen am Ende des Satzes. Identifikation mit Museen ist etwas, was langsam aufgebaut und sorgfältig gepflegt werden muß und es natürlich alles andere als gleichgültig, wie und was gezeigt wird.
An Museen in England oder Schottland kann man das Resultat einer solch lange gewachsenen Museumskultur studieren: populäre Museen mit bunten Besuchermassen, die sich wie selbstverständlich durch das Museum bewegen als sei es - eben ihrs.
Nun gut, vielleicht ist ja die Plakatserie ein Teil oder der Beginn einessolchen'Audience Development', also ein Stück Bewirtschaftung öffentlicher Aufmerksamkeit für dieses bestimmte Museum.
Nicht unterschätzen sollte man, daß in dem Appell an die Identifikation schon immer auch der Ausschluß steckt. Denn ein großer Teil der Bevölkerung, die hier angesprochen werden soll, geht nicht etwa deswegen nicht ins Museum, weil sie die Inhalte nicht interessieren oder die Objekte oder die Programme. Sie gehen deswegen nicht hin, weil das Museum als für sie bedeutsamer kultureller Ort schlicht und einfach nicht existiert. Niemand hat das so präzise und empirisch wie theoretisch fundiert beschrieben, wie der französische Soziologe Pierre Bourdieu.
Es gibt einen fundamentalen Ausschluß, der über die Produktion und Verteilung von Wissen und Bildung (schon früh, in Familie und Schule) zustandekommt und dazu führt, daß, wie uns Museumssoziologen versichern, für bis zur Hälfte einer Bevölkerung "das Museum nicht existiert". Es ist nicht "Ihrs".

Mittwoch, 22. August 2012

Ein Museum: eines am Ender Welt



In der südlichsten Stadt Argentiniens, Ushuaiha, findet man das Museo del Fin del Mundo. Ende der 70er-Jahre wurde es gegründet und bietet einen alten Kaufladen, eine Ausstellung über das Gefängnis von Ushuaia, eine über die Vögel Feuerlands, sowie eine Bibliothek zum Thema Feuerland. Und für den, der an das Ende der Welt (virtuell) reisen möchte, hat es auch eine Internetadresse. Die allerdings nicht über dieses schaurig-schöne 'Titelbild' hinausführt:




Ein Palast und seine Eintrittskarte (Entré 72)



Dienstag, 21. August 2012

Der Text, der alles zus sagen scheint (Texte im Museum 316)


Die Schrecken der österreichischen Museums- und Kulturpolitik

Durch Zufall bin ich auf eine Webseite ohne Impressum mit Artikeln ohne Datierung gestoßen, die allerdings den Vorteil haben, alle um Kulturpolitik und Museumspolitik zu krreisen und ziemlich harsch Kritik zu üben. Die Seite heißt "Texte zur Kulturpolitik" und ist hier zu finden.


"Unlängst." So schreibt Marlene Streeruwitz. "Bei einer Ausstellungseröffnung in einem der großen staatlichen Museen in Wien. Die Direktorin sitzt mit ihrem Team in der Mitte des Saals. Auf Goldstühlchen. Auf Zuruf werden Einzelne in diesen Kreis geholt. Aufgenommen. Alle anderen müssen rundum stehen." Von dieser Beobachtung aus dröselt sie soziale Distinktionen, hegemoniale Strukturen und die Grundierung unserer Kulturpolitik seit der austrofaschistischen Antiaufklärung auf.

Monika Mokres Auseinandersetzung mit dem Museumsquartier läßt schon mit dem Titel keinen Spielraum für das, wie es gemeint ist: "Wo rechtskonservative Kulturpolitik passiert." Sie schreibt "die Geschichte eines spektakulären und in all seinen Phasen abgefeierten kulturpolitischen Scheiterns."

Und da ist dann noch Thomas Trenkler, der die Geschichte der Ausgliederung der Bundesmuseen zusammenfasst, unter dem Titel "Mär der Erfolgsgeschichte". Ein Text, der einem wieder in Erinnerung bringt, was da alles warum und wie falsch angegangen wurde. Und ein Autor, der weit und breit keien Indizien dafür findet, welche Erfolgsgeschichte (die sie für ihre Erfinder ist) das sein soll.

Starke Texte, starke Kritik.