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Das wäre eine schöne Frage für Günther Jauchs „Wer wird
Millionär“, eine die die letzte Hürde vor der Million sein müsste: In welchem
der folgenden vier Länder gibt es kein Museum? Ist das A) Tibet B) Monaco C)
Tuvalu D) Eritrea.
Wer glaubt, daß Monaco nur aus Casino, Formel I und
Fürstenpaar besteht, irrt, da gibt es ein Museum, ein berühmtes sogar, das
ozeanografische. Alle europäischen Kleinstaaten, also auch alle europäischen
Staaten haben Museen. (Mit dem Kuriosum des kleinsten Staates, in dem sich eins
der weltweit ältesten, bedeutendsten und größten Museen befindet - der
Vatikan).
Tibet hätte bis vor einigen Jahren wohl gestimmt, in der
traditionellen tibetischen Kultur kann man sich keinen Platz für eine solche
Institution vorstellen. Aber diese Kultur ist dabei, durch die von China seiner
autonomen Region verordneten Modernisierung langsam überlagert und verdrängt zu
werden. Dazu gehört nicht nur der Ausbau des Bildungswesens, der Straßenbau,
die technische Meisterleistung einer Bahnlinie nach Lhasa, sondern auch ein
Museum in der Hauptstadt.
Eritrea? Man könnte wohl auf mehr als nur einen jener
afrikanischen Staaten als ‚museumslos’ verfallen, deren politische und
gesellschaftliche Kohärenz so fragil ist, daß man sich eine so sehr auf
langfristige Pflege und Alimentierung angewiesene Institution wie ein Museum
nicht vorstellen kann. Eritrea ist aber auch falsch.
Richtig ist Tuvalu, der viertkleinste Staat der Erde mit der
drittkleinsten Bevölkerung. Tuvalu ist ein Inselstaat im Stillen Ozean mit
grade mal etwas über 10.000 Einwohnern und erst seit 1978 ein souveräner Staat.
Übrigens einer, der von seiner Umwelt, dem Meer und seinem Ansteigen, als
derart bedroht gilt, daß die Einwohner ernsthaft die kollektive Auswanderung
nach Neuseeland und Australien erwogen haben, und, wie ich grade lese, wiederum
erwägen. Da braucht man nicht unbedingt ein Museum (das es hingegen in allen
anderen Insel-Kleinstaaten in den großen Ozeanen gibt).
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Ich glaube nicht, daß diese Frage in einem Fernsehquiz fair
wäre. Wer soll so etwas wissen, wer hat sich eine solche Frage je gestellt?
Mich hat der Ehrgeiz, das nachzuprüfen auch erst gepackt,
als meine Unterlagen (Reste, Brösel, Abfall aus diversen Recherchen) sich so
verdichteten, daß ich dachte, es sei einfach, die Verbreitung von Museen
weltweit zu evaluieren. Von den 194 derzeit in der UNO vertretenen Staaten der
Welt (und sehr viel mehr Staaten gibt es nicht und das sind dann meist solche
mit einem fraglichen, umstrittenen Status) können wir ja von so viele auf
Anhieb ausschließen, daß der ‚Rest’ doch leicht zu überprüfen sein müsste.
Dachte ich jedenfalls.
Eine viel zu lange dauernde Grippe, während der man zu
intelligenterer Tätigkeit ohnehin kaum fähig ist, habe ich genutzt, um das
Internet heißlaufen zu lassen. Und da zeigten sich dann beträchtliche
Schwierigkeiten, denn an globalen Daten fehlt es oder sie sind, wie bei
Wikipedia, extrem schlampig und unzuverlässig. Wenn man nicht auf
Museumsverbände stößt wie es sie für Afrika (mit bescheidenen Daten) gibt oder
die Pazifischen Inseln, dann muß man jedem Einzelfall nachgehen.
Das Suchen und Recherchieren war übrigens ganz und gar nicht
uninteressant, weil man auf Museen stößt, die interessante Konzepte verfolgen
oder in ungewöhnlichen politischen oder kulturellen Kontexten existieren, fern
von dem, was wir möglichweise als „europäische Norm“ im Kopf haben.
Die Antwort auf die Frage, „gibt es Staaten, die kein Museum
haben?“ hat mich selbst ziemlich verblüfft. Die Antwort lautet: unter den etwa 194
Staaten (die Zahl schwankt ja durch Separation, Anerkennung, Dekolonisierung,
unterschiedliche Beurteilung der Selbständigkeit usw. laufend) konnte ich außer
Tuvalu nur noch ein einziges weiteres Land identifizieren, das kein Museum hat:
Dschibuti. Also ein afrikanisches Land mit einer langen
Kolonialisierungsgeschichte und einer aktuell politisch und ökonomisch
depressiven Situation. Dabei bin ich mir in diesem Fall nicht mal restlos
sicher, denn ich bin dort auf Spuren eines möglichweise aus der französischen
Kolonialzeit stammenden Museum gestoßen, konnte aber nicht verifizieren, ob es
noch existiert.
Die richtige Antwort auf die Quizfrage lautet also „Tuvalu“
und: möglicherweise gibt es nur ein einziges Land weltweit, in dem es kein
Museum gibt (und wenn Tuvalu tatsächlich, wie seine Bewohner befürchten, vom
Meer verschluckt wird, ja dann...).
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Ja, und? Was wissen wir jetzt? - Ich denke, es ist nicht
trivial, festzustellen daß eine kulturelle Praxis und Institution sich weltweit
verbreitet und durchgesetzt hat, und das offenbar unabhängig von der
politischen, ideologischen, religiösen und sozialen Verfasstheit und des
jeweiligen staatlichen und gesellschaftlichen Status. Von welcher anderen
(einigermaßen vergleichbaren) Institution (Bibliothek, Konzerthäusern und
Orchestern, Theater, Archiv, Oper usw.) kann man das gleichermaßen sagen?
Dabei sieht es ganz so aus, als würde sich das Museum
unterschiedlichsten Konstellationen anpassen können, ohne seine konzeptuelle
Identität aufgeben zu müssen. Das Museum ist ein Modell, ein Schema, mit einer
Reihe von Eigenschaften und Funktionen, die in ihrem Zusammenspiel seine
gesellschaftliche Rolle ausmachen. Dazu gehört die im allgemeinen Interesse
bewahrte Sammlung, die vermittelt (ausgestellt) wird und daher allgemein
zugänglich sein sollte, um jedermann Wissen, Bildung, Erfahrungen zu
ermöglichen, die aber so etwas wie das bewahrenswerte kulturelle Erbe bildet,
das kollektive Identität stiften soll. Dieser funktionelle Kern läßt sich so
gut wie überall ausmachen.
Ich traue mir das Urteil zu, daß das Museum global
ideologisch und medial ziemlich uniform ist und daß es, von Einzelfällen
abgesehen, keine wirklich alternativen regionalen Museumsentwicklungen gibt.
Sicher, es gibt Staaten, wo Museen eine herausgehobene gesellschaftspolitische
Rolle haben. Wie etwa in Südafrika, wo es eine Reihe von innovativen Museen
gibt, die die konfliktreiche Geschichte und Gegenwart des Landes thematisieren.
Oder Israel, dessen zentrale Museen stark am nation building des jungen Staates
beteiligt waren und sind und die für die Gesellschaft zentrale Erinnerung an
die Shoah aufrechthalten.
Daß Museen weltweit ideologisch und konzeptionell einem
Schema folgen, bedeutet ganz und gar nicht, daß es nicht eine gegen unendlich
gehende Variabilität im Einzelfall gibt, die der Architektur, dem Standort, der
Trägerschaft, dem Thema, der Sammlung, dem Vermittlungskonzept, der Einbindung
in eine spezielle Community und vielem anderem geschuldet sein kann.
So wie „Kopfbedeckungen“ eine geradezu unabschließbare
Variabilität hinsichtlich Form, Ästhetik, Symbolik oder Funktion haben (der Zylinder,
der Stahlhelmelm, das Kopftuch, die Tiara, der Strohhut, die Schirmkappe, die
Pelzmütze, der Turban...), obwohl doch der menschliche Kopf innerhalb einer geringen
Bandbreite ein- und dieselbe ‚Grundlage’ für die Applikation einer ‚Bedeckung’
bietet, so scheint es mir auch bei Museen zu sein.
Das Konzept oder Schema ‚Museum’ kann unter spezifischen
Bedingungen höchst unterschiedlich ausformulierbar sein. Architektonisch-städtebauliche,
ästhetische, gesellschaftspolitische, funktionelle oder symbolische Funktionen
variieren und mischen sich in immer neuen und manchmal sehr überraschender
Weise.
Das macht das Museum - und die Beschäftigung - mit ihm
kurzweilig.
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Wenn ich die Erfahrungen meiner Beschäftigung mit dem Museum
und der Recherche zum „globalen Museum“ als Maßstab nehme, dann lassen sich
zwei Anforderungen an Museen besonders häufig ausmachen: da ist einmal die
Hoffnung, daß das Museum gesellschaftliche Integrität und Identität, wenn schon
nicht herstellen so wenigstens repräsentieren kann (Nationalmuseen gibt es auch
in den allerkleinsten Staaten und postkoloniale Staaten oder etwa Staaten, die
aus dem Zerfall der Sowjetunion und des kommunistischen Regimes hervorgegangen
sind, schreiben Museen eine besondere Rolle zu).
Und da gibt es zweitens die Hoffnung, daß das „kulturelle
Erbe“ im Museum dauerhaft bewahrt und gepflegt werden kann. Beide Aspekte
gehören zum Kern der europäischen Museumsidee der Aufklärung. Aber ist es nicht
fragwürdig, daß ein einziges Konzept, die Vielfalt der rituellen, memorialen,
ästhetischen und sozialen Praktiken, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt
einmal geleistet haben, zu ersetzen beginnt – überall? (mit Unterstützung von
Organisationen wie ICOM).
Es bleibt ein Unbehagen, oder die Frage, warum das ‚Konzept
Museum’ möglicherweise nicht einfach nur stabil sondern möglicherweise auch so starr
erscheint. Wäre es denn nicht wünschenswert, daß es sich in unterschiedlichen
Situationen neu konfigurieren kann? Ist es nicht problematisch, wenn sich ein
kulturelles Muster buchstäblich weltweit alternativlos durchsetzt?
Alternativlos? Ich bin nicht sicher. Wie wir wissen besitzt
das Museum definitorisch eine beachtliche Randunschärfe. Sehr zum Ärger jener Institutionen
und Interessenvertretung, die innerhalb ihrer Organisationslogik (und weniger
um des Museums willen) eine möglichst einfache Definition benötigen. Denn diese
entscheidet ja über Zugehörigkeit oder Ausgeschlossensein (aus der
Organisation).
Gerade ‚an den Rändern’ findet sich aber das Neue,
Innovative, Zukunftweisende, das möglicherweise nicht nur quantitativ
unterschätzt wird, sondern auch durch das Bemühen um definitorische
‚Sauberkeit’ (ICOM) möglicherweise vorschnell exkludiert bleibt.
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Die „Idee Museum“ hat sich global durchgesetzt? So
statistisch, wie ich das hier vorführe, verfälscht dieser Satz die Tatsachen.
Die Verteilung der Museen weltweit – die einzige Zahl die ich kenne ist an die
15, 20 Jahre alt und da werden 60.000 Museen genannt -, ordnet sich entlang der
politisch-wirtschaftlich dominierenden Staaten und Großregionen: USA, Europa,
Japan, Australien, in jüngerer Zeit in Ostasien - mit der chinesischen
Museumspolitik von 1000 Museums-Gründungen in 10 Jahren. (Ich kenne keine
brauchbare Studie, die diese Ungleichverteilung abbildet).
Diesen Großregionen sind praktisch alle Museen zuzuordnen,
die als weltweit führend, das kulturelle Erbe repräsentierend und schützend
gelten. Dort befinden sich die Museen, die den Museumsdiskurs bestimmen, die
mit der größten medialen Attraktivität und den höchsten Besuchszahlen.
In jeder Hinsicht ist Afrika das Schlußlicht. Nahezu alle
seine einzelnen Staaten bilden in den einschlägigen Wirtschaftsstatistiken die
lange Schlußkolonne. Die große Ausnahme ist das schon früh industrialisierte
und wirtschaftlich prosperierende Südafrika. Die etwa dreihundert Museen, die
es dort gibt, übertreffen die Zahl der Museen im gesamten restlichen Kontinent.
Mein handgestrickter Versuch, mir ein „Bild“ von der
globalen Situation der Museen zu verschaffen, hat mir viele Überraschungen
beschert und den eurozentrierten Blick, den „wir“ haben, gelegentlich kräftig
abgelenkt.
Ich glaube, daß hier ein weites Feld für Forschung und
Recherche brachliegt, etwa für komparatistische Studien, für nationale
Museumspolitiken, für historische Entwicklungen und vieles andere mehr.