Museo Civico e Diecesano, Norcia (Umbrien) |
Dienstag, 14. September 2010
Noch eine Schlossdebatte - Paris
Nur etwas mehr ein Jahrzent Wirklichkeit: Louvre und Tuilerien sind ein einziger Gebäudekomplex |
Der Brand der Tuilerien 1871 |
Ein «Comité national pour la reconstruction des Tuileries» fordert und betreibt die 'originalgetreue' Wiedererrichtung. Die Parallelen zur Berliner Schlossdebatte liegen in der Vorstellung der Rekonstruktion, der vorgeschlagenen musealen Nutzung und eines - natürlich nicht so offen deklarierten - politisch-restaurativen Motivs.
Der große Unterschied zur Berlin ist die eigentümliche Geschichte dieses Baus. Das Schloß wurde als selbständiger Bau dem Louvre gegenüber errichtet. Seit Ludwig XIV. wurden immer wieder Pläne verfolgt, die beiden Gebäude zu einer einzigen, riesigen Anlage zu verbinden. Das geschah z.B. mit der ursprünglich fast 500 Meter langen Grand Galerie. Erst unter Napoleon III. gelang, was hochbarocken Vorstellungen entsprach. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts gelang der Zusammenschluss der inzwischen immer wieder umgebauten Tuilerien mit dem Louvre, der inzwischen ja teilweise bereits Museum war. Die beiden langen Flügel, die den nach einer Seite hin offenen Ehrenhof bilden, in dem heute die gläserne Pyramide das Zentrum bildet, sind ursprünglich die verbindenden Bauten
Das Paradoxe der Situation ist aber die, daß in der Pariser Commune 1871 die Tuilerien durch Brandstiftung so schwer beschädigt wurden, daß man sich einige Jahre später entschloss, den ruinösen Bau abzubrechen. Wenn man heute also den 'Generalplan' des Grand Louvre ins Treffen führt, bezieht man sich auf einen nur wenig mehr als zehn Jahre dauernden Zeitraum, in dem Louvre und Tuilerien tatsächlich einen einzigen Gebäudekomplex bildeten.
Der zweite eklatante Widerspruch der Idee einer Rekonstruktion ist, und das ist auch der zweite große Unterschied zu Berlin, daß ihre Realisierung (deren technisch-handwerkliche Machbarkeit stark bezweifelt wird) eine Zerstörung bedeutete. Denn die mit Napoleons Triumphbogen einsetzende städtebauliche Regulierung würde ihre Funktion einbüssen. Die Blick- und Straßenachse, die bis zum Grand Louvre Mitterands und Peis Grundlage der Neuordnung und -bauten war, wäre vom Louvre wieder abgeschnitten. Sie hatte sich zwar geometrisch auf die Tuilerien bezogen (die sich ganz exakt achsial auf den Louvre ausgerichtet haben), aber längst haben Pei und andere, etwa der Architekt der Grand Arche in La Defense, die Situation neu und in Rückriff auf die Lage beiderBauten interpretiert.
Zitzmann referiert ausführlich die Zerstörung der Tuilerien durch die Commune, erwähnt aber nicht, daß der Louvre gleichzeitig ebenfalls Zielscheibe des Vandalismus war. Da aber auch diese Revolution in ihrer Haltung zum kulturellen Erbe gespalten war, konnte es dem Eingreifen einer Hand voll von Personen gelingen, diesen Bildersturm abzuwenden. (Die betreffenden Militär- und Zivilpersonen haben im Louvre eine Gedenktafel).
Und noch etwas macht die Pariser 'Schlossdebatte' so anders: die Rolle der Tuilerien in der Französischen Revolution. Als es 1792 zur Erstürmung kam, die sich aus dem aussichtslosen Widerstand der Leibwache des Königs entwickelte, wurde die Königsfamilie festgesetzt und Anklage erhoben. Dies war der Beginn der definitiven Abschaffung der Monarchie und das Datum des Sturms auf die Tuilerien wurde ein Jahr später zum Gründungsfest der Republik, ein Tag, an dem auch das Museum im Louvre eröffnet wurde.
Eine Rekonstruktion der Tuilerien hätte also reichere und virulentere symbolische und politische Bedeutung als die des Berliner Schlosses. Der große Ton, den das "Comite" lanciert wird aber wohl nicht dazu führen, daß man ein Schloß wiedererrichtet, dessen Ästhetik und Funktion immer schon problematisch war: «Wider jeden Defaitismus" zitiert es Marc Zitzmann, "wird der französische Genius hier die Gelegenheit finden, sich in einer grossen Causa auszudrücken und die ruhmvollen Kompetenzen zahlreicher Berufsstände aufglänzen zu lassen.»
Wie im Berliner Fall möchte man sagen: hoffentlich nicht.
Montag, 13. September 2010
Spurenlese
Das eine Beispiel stammt aus dem Museum Allerheiligen in Schaffhausen,
das andere aus dem Rosgartenmuseum in Konstanz.
Beidemale werden die Objekte wie alle anderen Objekte gezeigt, ohne eine besondere Akzentuierung. Dabei scheinen sie mir mehrfach übercodiert. Zunächst mal als Dokumente demokratischer Bekenntnisse und Hoffnungen - dazu gibt es in einschlägigen Musenn in der Regel nicht so viel zu sehen. Dann aber durch den Umstand, daß in beiden Fällen dieses Bekenntnis, verheimlicht, versteckt wurde (übrigens zweimal 'auf dem Dach....').
Es sind Zeugnisse der Unterdrückung und der unterdrückten Hoffnungen.
Aber in beiden Fällen ist es auch Flaschenpost (die eine noch dazu in Blei gehüllt, unzerstörbar sollte sie sein)), eine Botschaft an die Zukunft, an künftige Generationen, die Hoffnung, die sich aktuell nicht verwirklichen läßt, dereinst einzulösen.
Museen sind Spezialisten für solche Botschaften - sie nehmen nur diese Aufgabe selten an oder übersehen sie. Das Uneingelöste individuellen Lebens und kollektiver Wünsche geistert entweder weiter unerlöst in den Museumsräumen - oder man gibt ihnen einen entschiedeneren Platz - im buchstäblichen wie metaphorischen Sinn - als das hier geschieht.
An der Dialektik von bloßem Aufbewahren einerseits und Weitergeben einer Botschaft, einer Hoffnung, eines Begehrens entscheidet sich die soziale Sinnhaftigkeit des Museums.
Anschauung / Geschichtserfahrung / Heimat
Für den Schulunterricht bestimmtes Relief Kärntens. Handwerksmuseum Baldramsdorf |
Auf der Glasplatte der Vitrine liegt ein Artikel zum Geoplasten P. Oberlercher |
Text von Utz Jeggle: Subjektive Heimat - objektive Musealität. Zum Verhältnis von subjektiver Erlebnisfähigkeit und objektiven Ereignissen, Heimat im Museum, Koblenz 1984, S.11ff.
Freitag, 10. September 2010
"Museum" (Texte im Museum 110)
Fundsache - "Scarpa femminile..."
Museo Civico Montefalco
Eine signifikante Eigentümlichkeit italienischer Museen ist ihre Beziehung zum Ort und zur Geschichte. Der Bruch, der Musealisierung strukturell immer auszeichnet, ist hier abgeschwächt weil Kunstwerke oder kulturelle Artefakte sehr häufig 'in situ' gezeigt werden können, nicht selten sogar in einer seit ihrem Entstehen unveränderten Zusammenhang.
Auch wenn jede Musealisierung eine Zäsur bedeutet (der Moment, wo das Wort 'Museum' über der Pforte angebracht, Eintrittsgeld erhoben, eine Beleuchtung und Beschriftung installiert wird und vieles andere mehr.
So können auch kleine italienische Museen, die bei uns Dorf-, Stadt- oder Heimatmuseen genannt werden (nicht, daß es nicht auch Vergleichbares gäbe), auf eine derartige typologische Bezeichnung verzichten, weil ihre geschichtliche Tiefendimension und der kulturelle Raum, den sie repräsentieren, einen so ungleich weiteren Horizont hat.
Wer eins dieser Museen betritt, sieht sich unversehens ins 13. Jahrhundert (mit einem Altarbild), ins spätrömische Zeit (mit einer Kleinplastik) oder in die etruskische Epoche versetzt (mit einem Urnengefäß). Solche Museen sind auch nicht immer frei von lokaler Begrenztheit, um nicht zu sagen Beschränktheit, vom typischen Lokalpatriotismus, von unreflektiertem Sammeleifer. Aber in der Regel verbietet sich angesichts des riesigen kulturellen Feldes, aus dem die meisten schöpfen, jede Borniertheit.
Ein besonders sympathisches Beispiel eines solchen Museums findet sich in Montefalco. Diese kleine umbrische Stadt, etwa 20 Kilometer von Foligno entfernt auf einem Hügel gelegen, von dem man weite Ausblicke hat, lockt mit einem besonderen Rotwein Touristen an. (Dessen Variante, ein moussierender süßer Sagrantino passito ist eine ziemlich wüste Droge).
Die werden dann gut organisiert ins Museum umgeleitet. Da ist zunächst die Kirche San Francesco, die offenbar nicht mehr als solche fungiert, denn es gibt keinen Hochaltar. Da die Ausstattung der Kirche San Francesco nirgends einheitlich wirkt, sondern wie ein Puzzle aus vielen Teilen, kann man sie wie Werke in einer Galerie betrachten und so sind sie auch beschriftet. Das verleiht dem Ensemble ein wenig den Charakter einer Kunstgalerie, auch deswegen, weil Kappellen und Fresken(reste) durch den Erhaltungszustand zufällig wie jeweils gegeneinander abgrenzbare Einzelwerke wahrgenommen werden können. Mehrere Maler waren hier am Werk, Benozzo Gozzoli hat das "Das Leben des heiligen Franziskus" (1452) dargestellt, und es gibt Gemälde von Perugino so wie von Malern, die ein Reiseführer berühmt und umbrisch nennt, Tiberio d’Assisi und Niccolò Alunno.
Dann gibt es ein Lapidarium, mit der wir einige Jahrhunderte tiefer in die Vergangenheit und auch tiefer unter die Kirche steigen - eine Sammlung mit bescheidenen Werken und einer umso expressiveren Zeigemaschinerie. Ein kleine Pinakothek in einem oberen Geschoss zeigt Gemälde von eher lokalem Interesse.
Schließlich gibt es noch eine Abteilung, die man am ehesten als so etwas wie ein Stadtmuseum identifizieren könnte. Aber es sind offenbar zufällig überlieferte Objekte, die hier keinerlei erzählerische oder dokumentierende Funktion haben. Es geht hier nicht darum, einen Sinn für die Geschichte der Stadt zu entwickeln.
Es ist ein Sachensucher, wahrscheinlich eher ein Sachenfinder-Museum. Ein winziges Glas aus Murano, ein Frauenschuh aus dem 18. Jahrhundert, kein Paar, ein einzelner Schuh, ein Blasinstrument, ein Wams, eine Art Trompete, Spieße. Nichts durfte weggeworfen werden. Auch nicht das, was von den Wein erzeugenden Mönchen blieb, Pressen, Fässer, das kann man dann zuunterst im Museum besichtigen.
Das Museo Chiesa, wie es sich auch nennt, ist in sehr gutem Zustand, wohl gepflegt, nicht nur die Region, auch die EU haben hier investiert, gleich drei freundliche Damen nehmen einen in Empfang, helfen einem bei der Orientierung, erkennen sogar meinen vom Gebrauch abgeschabten ICOM-Ausweis.
Um die Kassa gibt es einen umfangreichen Shop mit vielen Führern und Kunstbüchern, Sitzgelegenheit. Ein Stockwerk tiefer gibt’s ein Cafe, geräumig, mit etwas Grün nach hinten raus, und Tischchen zur Gasse und einer Leseecke, für die Kunstzeitschriften versprochen werden. Die gabs dann nicht, sondern Bücher über Trüffel, Olivenöl, Restaurants, Wein, Bruschetta und dann noch den aktuellen IKEA-Katalog...
Auch wenn jede Musealisierung eine Zäsur bedeutet (der Moment, wo das Wort 'Museum' über der Pforte angebracht, Eintrittsgeld erhoben, eine Beleuchtung und Beschriftung installiert wird und vieles andere mehr.
So können auch kleine italienische Museen, die bei uns Dorf-, Stadt- oder Heimatmuseen genannt werden (nicht, daß es nicht auch Vergleichbares gäbe), auf eine derartige typologische Bezeichnung verzichten, weil ihre geschichtliche Tiefendimension und der kulturelle Raum, den sie repräsentieren, einen so ungleich weiteren Horizont hat.
Wer eins dieser Museen betritt, sieht sich unversehens ins 13. Jahrhundert (mit einem Altarbild), ins spätrömische Zeit (mit einer Kleinplastik) oder in die etruskische Epoche versetzt (mit einem Urnengefäß). Solche Museen sind auch nicht immer frei von lokaler Begrenztheit, um nicht zu sagen Beschränktheit, vom typischen Lokalpatriotismus, von unreflektiertem Sammeleifer. Aber in der Regel verbietet sich angesichts des riesigen kulturellen Feldes, aus dem die meisten schöpfen, jede Borniertheit.
Ein besonders sympathisches Beispiel eines solchen Museums findet sich in Montefalco. Diese kleine umbrische Stadt, etwa 20 Kilometer von Foligno entfernt auf einem Hügel gelegen, von dem man weite Ausblicke hat, lockt mit einem besonderen Rotwein Touristen an. (Dessen Variante, ein moussierender süßer Sagrantino passito ist eine ziemlich wüste Droge).
Die werden dann gut organisiert ins Museum umgeleitet. Da ist zunächst die Kirche San Francesco, die offenbar nicht mehr als solche fungiert, denn es gibt keinen Hochaltar. Da die Ausstattung der Kirche San Francesco nirgends einheitlich wirkt, sondern wie ein Puzzle aus vielen Teilen, kann man sie wie Werke in einer Galerie betrachten und so sind sie auch beschriftet. Das verleiht dem Ensemble ein wenig den Charakter einer Kunstgalerie, auch deswegen, weil Kappellen und Fresken(reste) durch den Erhaltungszustand zufällig wie jeweils gegeneinander abgrenzbare Einzelwerke wahrgenommen werden können. Mehrere Maler waren hier am Werk, Benozzo Gozzoli hat das "Das Leben des heiligen Franziskus" (1452) dargestellt, und es gibt Gemälde von Perugino so wie von Malern, die ein Reiseführer berühmt und umbrisch nennt, Tiberio d’Assisi und Niccolò Alunno.
Dann gibt es ein Lapidarium, mit der wir einige Jahrhunderte tiefer in die Vergangenheit und auch tiefer unter die Kirche steigen - eine Sammlung mit bescheidenen Werken und einer umso expressiveren Zeigemaschinerie. Ein kleine Pinakothek in einem oberen Geschoss zeigt Gemälde von eher lokalem Interesse.
Schließlich gibt es noch eine Abteilung, die man am ehesten als so etwas wie ein Stadtmuseum identifizieren könnte. Aber es sind offenbar zufällig überlieferte Objekte, die hier keinerlei erzählerische oder dokumentierende Funktion haben. Es geht hier nicht darum, einen Sinn für die Geschichte der Stadt zu entwickeln.
Es ist ein Sachensucher, wahrscheinlich eher ein Sachenfinder-Museum. Ein winziges Glas aus Murano, ein Frauenschuh aus dem 18. Jahrhundert, kein Paar, ein einzelner Schuh, ein Blasinstrument, ein Wams, eine Art Trompete, Spieße. Nichts durfte weggeworfen werden. Auch nicht das, was von den Wein erzeugenden Mönchen blieb, Pressen, Fässer, das kann man dann zuunterst im Museum besichtigen.
Das Museo Chiesa, wie es sich auch nennt, ist in sehr gutem Zustand, wohl gepflegt, nicht nur die Region, auch die EU haben hier investiert, gleich drei freundliche Damen nehmen einen in Empfang, helfen einem bei der Orientierung, erkennen sogar meinen vom Gebrauch abgeschabten ICOM-Ausweis.
Um die Kassa gibt es einen umfangreichen Shop mit vielen Führern und Kunstbüchern, Sitzgelegenheit. Ein Stockwerk tiefer gibt’s ein Cafe, geräumig, mit etwas Grün nach hinten raus, und Tischchen zur Gasse und einer Leseecke, für die Kunstzeitschriften versprochen werden. Die gabs dann nicht, sondern Bücher über Trüffel, Olivenöl, Restaurants, Wein, Bruschetta und dann noch den aktuellen IKEA-Katalog...
Donnerstag, 9. September 2010
Das Jüdische Museum der Stadt Wien. Eine neue Entwicklung oder eine Zeitungsente im Sommerloch?
Das Jüdische Museum der Stadt Wien geistert durch das Sommerloch. In der gestrigen Ausgabe der "Presse" gleich in zwei Varianten. Während die Printausgabe eher in nüchternem Berichtston den Wunsch von Ariel Muzikant (Präsident der Wiener Kultusgemeinde) referiert, das Museum zu verlegen und neu zu bauen, verknüpft die Onlineausgabe den Vorstoß mit derselben Idee des Direktors des Wienmuseum, Wolfgang Kos, auf dem sogenannten Morzinplatz ein Museum zu bauen.
Nur reden die beiden von zwei verschieden Museen, jeder von 'seinem'.
Während aber Wolfgang Kos als Direktor legitimiert und verpflichtet ist, über Perspektiven der Entwicklung des von ihm geleiteten Museums nachzudenken, ist die Wortmeldung eines Präsidenten der Kultusgemeinde eine Intervention.
Die Online-Ausgabe der Presse spitzt diese Tatsache gleich zum Konflikt zu: Die Schlagzeile "Muzicant sorgt sich um Speras Museum" setzt voraus, daß es etwas gibt, worum man sich sorgen machen muß und legt nahe, daß dies etwas mit der Direktorin zu tun hat, die in journalistisch nicht ungewöhnlicher Plakativität gleich als 'Besitzerin' (ihr Museum) apostrophiert wird.
Den beiden Presse-Artikeln ist nur ein Motiv zu entnehmen, warum Ariel Muzkant sich eine Absiedlung und einen Neubau wünscht: Wir haben die zweitgrößte jüdische Sammlung in ganz Europa und haben überhaupt keinen Platz, sie darzustellen."
Die Art und Weise, wie er sein Anliegen - eine erstaunliche Präjudizierung -, mit einem Urteil über die Leiterin verknüpft, kann man vor dem Hintergrund einschlägiger Gebräuche im Umgang mit Personen und Taktiken, sie zu beschädigen, schwerlich anders als - gelinde gesagt - Warnung verstehen. "Man muss ihr eine Chance geben, neu zu beginnen." Er erwarte "jede Menge Neuheiten" und er habe auch betreffend des Neubaues "volles Vertrauen, dass die Frau Dr. Spera das gut machen wird".
Ariel Muzikants Kompetenz in Museumsfragen muß nicht groß sein, solange er sich nicht derart eingreifend äußert. Seine Maxime, 'die Sammlung muß gezeigt werden' ist an Schlichtheit aber nicht so weit entfernt von jenen Ideen, die Daniel Spera, z.B. in persönlich eingefärbten Interviews und Lifestyle-Magazinen wie nebenbei einflicht. Sie muss, so kurz nach Amtsantritt, noch kein konzises Konzept haben, aber die Äußerungen lassen vermuten, daß das Museum ohne Not seine wesentlichen Qualitäten einbüßen könnte. Beiden, Muzikant und Spera, scheint es nicht sehr viel zu kümmern, was das Museum war und ist, eines der bedeutenden Museen europaweit, und beiden scheint die Verantwortung nicht so ganz bewußt zu sein, nur dann etwas Neues zu machen, wenn es eine neue, über das bisherige hinausreichende Qualität hat.
Nur reden die beiden von zwei verschieden Museen, jeder von 'seinem'.
Während aber Wolfgang Kos als Direktor legitimiert und verpflichtet ist, über Perspektiven der Entwicklung des von ihm geleiteten Museums nachzudenken, ist die Wortmeldung eines Präsidenten der Kultusgemeinde eine Intervention.
Die Online-Ausgabe der Presse spitzt diese Tatsache gleich zum Konflikt zu: Die Schlagzeile "Muzicant sorgt sich um Speras Museum" setzt voraus, daß es etwas gibt, worum man sich sorgen machen muß und legt nahe, daß dies etwas mit der Direktorin zu tun hat, die in journalistisch nicht ungewöhnlicher Plakativität gleich als 'Besitzerin' (ihr Museum) apostrophiert wird.
Den beiden Presse-Artikeln ist nur ein Motiv zu entnehmen, warum Ariel Muzkant sich eine Absiedlung und einen Neubau wünscht: Wir haben die zweitgrößte jüdische Sammlung in ganz Europa und haben überhaupt keinen Platz, sie darzustellen."
Die Art und Weise, wie er sein Anliegen - eine erstaunliche Präjudizierung -, mit einem Urteil über die Leiterin verknüpft, kann man vor dem Hintergrund einschlägiger Gebräuche im Umgang mit Personen und Taktiken, sie zu beschädigen, schwerlich anders als - gelinde gesagt - Warnung verstehen. "Man muss ihr eine Chance geben, neu zu beginnen." Er erwarte "jede Menge Neuheiten" und er habe auch betreffend des Neubaues "volles Vertrauen, dass die Frau Dr. Spera das gut machen wird".
Ariel Muzikants Kompetenz in Museumsfragen muß nicht groß sein, solange er sich nicht derart eingreifend äußert. Seine Maxime, 'die Sammlung muß gezeigt werden' ist an Schlichtheit aber nicht so weit entfernt von jenen Ideen, die Daniel Spera, z.B. in persönlich eingefärbten Interviews und Lifestyle-Magazinen wie nebenbei einflicht. Sie muss, so kurz nach Amtsantritt, noch kein konzises Konzept haben, aber die Äußerungen lassen vermuten, daß das Museum ohne Not seine wesentlichen Qualitäten einbüßen könnte. Beiden, Muzikant und Spera, scheint es nicht sehr viel zu kümmern, was das Museum war und ist, eines der bedeutenden Museen europaweit, und beiden scheint die Verantwortung nicht so ganz bewußt zu sein, nur dann etwas Neues zu machen, wenn es eine neue, über das bisherige hinausreichende Qualität hat.
Museo Civico Siena
Daß auch das Museo Civico mit seinen historischen Räumen des Palazzo Publico in demselben abgelebten, 'abgewohnten' Zustand ist, wie die Pinacoteca, ist schon erstaunliche. Der Palazzo Publico ist doch das historische Herz der Stadt und ist noch immer ihr Zentrum und auch noch der Sitz der Stadtverwaltung.
Ich denke, daß ich bei diesem Besuch zum ersten Mal den Ort als Museum, als 'Stadtmuseum', wahrgenommen habe. Der Palazzo Publico ist auch für mich als Tourist so sehr mit dem Leben der Stadt verbunden, z.B. in den Tagen des Palio, daß selbst die jahrhundertealten Räume so etwas wie Gegenwart sind.
Am stärksten gilt das für mich für jenen Saal, der dem Traum der befriedeten zivilien Stadt galt. In den 1330er Jahren entwarfen hier die Brüder Lorenzetti - buchstäblich - ein Panorama der politischen und gesellschaftlichen Ängste und Träume. Auf der einen Seite die bedrohliche, zivilisierend überwundene zwieträchtige, gewaltförmige Stadt, gegenüber die befriedete, von Handel und Wandel erfüllte Stadt, im balancierten Austausch mit dem umgebenden Land gezeigt. Und einer erstaunlichen Utopie: die Figurengruppe, die bedeutungsperspektivisch die wichtigste ist, sind Frauen die zu Musikinstrumenten am Platz vor der Häuserzeile tannzen und singen.
Zwischen den beiden Fresken die Allegorie all jener verwaltungstechnisch-politischen Errungenschaften, die aus Siena für einige Jahrzehnte zu einer der bedeutendsten und mächtigsten Stadtrepubliken des Mittelalters machten: Verwaltung, Rechtssprechung, ein von Außen angeworbener, also 'neutraler' 'Bürgermeister' (Podesta), Sicherheit für mittel- und langfristige Handelsgeschäfte, für Handwerk und später auch für Bankgeschäfte.
Im Saal davor das gewaltige Marienbild, das der Schutzpatronin der Stadt galt, die den Sienesen bei der Schlacht von Montaperti half, die rivalisierende Stadt Florenz zu besiegen, wovon ein weiteres berühmtes Marienbild zeugt, das aus Dankbarkeit bei Duccio in Auftrag gegeben, als Hochaltar im Dom diente ehe es, wohl aus konservatorischen Gründen, ins Dommuseum gebracht wurde.
Da hatte aber schon die Emanzipation der weltlichen Macht von der Kirche begonnen, die großen Versammlungen fanden nicht mehr im Dom statt, sondern vor dem Palazzo Publico, am Campo, also einem Feld, später dann ein gepflasterter Platz.
Seit dem 16. Jahrhundert findet hier alljährlich und zweimal der Palio statt, ein Wettstreit der Contraden (der Stadtviertel) in Form eines Pferderennens. An diesem so lebendigen wie komplexen Fest scheint mir das Bemerkenswerteste, daß es ganz und gar von der Dialektik von Differenz, Konflikt einerseits und Gemeinschaftlichkeit andrerseits bestimmt ist. Es gibt die jährlichen Sieger, aber nie den Sieger, der Wettstreit läßt sich nie befrieden, er ist notwendig, er wird im 'Kampf' - der im Rennen sehr erbittert sein kann -, ausgetragen, gleichzeitig aber sublimiert in seiner Funktion, die Stadt zu erneuern und zu repräsentieren.
Wo es andernorts, vor allem in totalitären oder autoritativen Gesellschaften, das Opfer ist, das die Vergesellschaftung symbolisch oder auch praktisch (im Faschismus, im Nationalsozialismus) bewerkstelligt, ist es hier das Spiel, auch eine Tradition der protodemokratischen Geschichte der Stadt, die hier lebendig gehalten wird.
Deswegen ist der Palazzo Publico (und nicht nur deswegen) und das Museum der zentrale Ort von Siena, den ich jedem Besucher zu allererst empfehle.
wieder meine Reverenz erwiesen und die Maesta gewürdigt, aber dann, als ich den Nebenräumen war, hab ich bald die Flucht ergriffen, in Richtung Café am Campo.
Ich denke, daß ich bei diesem Besuch zum ersten Mal den Ort als Museum, als 'Stadtmuseum', wahrgenommen habe. Der Palazzo Publico ist auch für mich als Tourist so sehr mit dem Leben der Stadt verbunden, z.B. in den Tagen des Palio, daß selbst die jahrhundertealten Räume so etwas wie Gegenwart sind.
Am stärksten gilt das für mich für jenen Saal, der dem Traum der befriedeten zivilien Stadt galt. In den 1330er Jahren entwarfen hier die Brüder Lorenzetti - buchstäblich - ein Panorama der politischen und gesellschaftlichen Ängste und Träume. Auf der einen Seite die bedrohliche, zivilisierend überwundene zwieträchtige, gewaltförmige Stadt, gegenüber die befriedete, von Handel und Wandel erfüllte Stadt, im balancierten Austausch mit dem umgebenden Land gezeigt. Und einer erstaunlichen Utopie: die Figurengruppe, die bedeutungsperspektivisch die wichtigste ist, sind Frauen die zu Musikinstrumenten am Platz vor der Häuserzeile tannzen und singen.
Zwischen den beiden Fresken die Allegorie all jener verwaltungstechnisch-politischen Errungenschaften, die aus Siena für einige Jahrzehnte zu einer der bedeutendsten und mächtigsten Stadtrepubliken des Mittelalters machten: Verwaltung, Rechtssprechung, ein von Außen angeworbener, also 'neutraler' 'Bürgermeister' (Podesta), Sicherheit für mittel- und langfristige Handelsgeschäfte, für Handwerk und später auch für Bankgeschäfte.
Im Saal davor das gewaltige Marienbild, das der Schutzpatronin der Stadt galt, die den Sienesen bei der Schlacht von Montaperti half, die rivalisierende Stadt Florenz zu besiegen, wovon ein weiteres berühmtes Marienbild zeugt, das aus Dankbarkeit bei Duccio in Auftrag gegeben, als Hochaltar im Dom diente ehe es, wohl aus konservatorischen Gründen, ins Dommuseum gebracht wurde.
Da hatte aber schon die Emanzipation der weltlichen Macht von der Kirche begonnen, die großen Versammlungen fanden nicht mehr im Dom statt, sondern vor dem Palazzo Publico, am Campo, also einem Feld, später dann ein gepflasterter Platz.
Seit dem 16. Jahrhundert findet hier alljährlich und zweimal der Palio statt, ein Wettstreit der Contraden (der Stadtviertel) in Form eines Pferderennens. An diesem so lebendigen wie komplexen Fest scheint mir das Bemerkenswerteste, daß es ganz und gar von der Dialektik von Differenz, Konflikt einerseits und Gemeinschaftlichkeit andrerseits bestimmt ist. Es gibt die jährlichen Sieger, aber nie den Sieger, der Wettstreit läßt sich nie befrieden, er ist notwendig, er wird im 'Kampf' - der im Rennen sehr erbittert sein kann -, ausgetragen, gleichzeitig aber sublimiert in seiner Funktion, die Stadt zu erneuern und zu repräsentieren.
Wo es andernorts, vor allem in totalitären oder autoritativen Gesellschaften, das Opfer ist, das die Vergesellschaftung symbolisch oder auch praktisch (im Faschismus, im Nationalsozialismus) bewerkstelligt, ist es hier das Spiel, auch eine Tradition der protodemokratischen Geschichte der Stadt, die hier lebendig gehalten wird.
Deswegen ist der Palazzo Publico (und nicht nur deswegen) und das Museum der zentrale Ort von Siena, den ich jedem Besucher zu allererst empfehle.
wieder meine Reverenz erwiesen und die Maesta gewürdigt, aber dann, als ich den Nebenräumen war, hab ich bald die Flucht ergriffen, in Richtung Café am Campo.
Mittwoch, 8. September 2010
Fundsache - "Erzählautomat"
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