Donnerstag, 11. Februar 2010
Mittwoch, 10. Februar 2010
Das Motto lautet: Hingehen, entdecken und begeistert sein
Ab Jahresbeginn ist der Eintritt zu Bundesmuseen für Kunder und Jugendliche bis 19 Jahre kostenlos. Das Geld,das den einezelnen Museen dadurch entgeht, wird vom Minsterium refundiert, es soll sich um eine Summe von bis zu drei Millionen Euro handeln.
Kinder und Jugendliche möglichst früh mit musealer Kunst und Kultur in Kontakt zu bringen, ist Auftrag einer zeitgemäßen Kulturpolitik.Mit dieser Maßnahme werden heuer auch 600.000.- Euro in innovative Vermittlungsprojekte investiert. Denn, so wird uns versichert, selbstverständlichen seinen Sammeln und forschen weiterhin wichtige Aufgabe, aber Vermittlung ein zentrales Anliegen des Ministeriums.
Die Bundesmuseen sind außerschulische Orte der Bildung und Räume für die Freizeitgestaltung. (Die Bundesministerien auf der Webseite des Ministeriums mit den originalen Hervorhebungen).
Der Freie Eintritt für die „Altersgruppe der Zukunft“ öffnet die Türen der Museen für unsere Jugend. (...) Neben dem kostenlosen Zugang zu den breiten kulturellen Themenfeldern bieten sie (die Bundesmuseen; GF) umfangreiche und den Altersgruppen entsprechende Vermittlungsprogramme. Der Bogen reicht von Natur und Technik bis zu alter, neuer und neuester Kunst.Die Frage, ob alle Museen und Sammlungen gleichermaßen geignet für diese pauschale Geste sind, stellt sich offenbar niemand. Inhalte, Vermittlungsmethoden und Bildungsstrategien gelten, wenn es um das Museum geht, als außer jede Diskussion gestellte, per se wertvolle kulturelle Einrichtungen, die ein per se sehenswertes und zu würdigendes Erbe bewahrt.
Kulturinteressierte und solche, die es noch werden wollen, sollen die Angebote der Bundesmuseen intensiv nutzen können. Möglichst viele sollen teilhaben an dem kulturellen Erbe und der zeitgenössischen Kunst.Daß die Maßnahme nichts bis fast nichts an der bestehenden massiven der durch Sozialisation und Schule vermittelten sozialen Distinktion ändert, die im Museum weitgehend unbeachtet wirksam wird - wen stört es, wen interessiert es?. Wozu in speziellen Fall noch eine topografische Diskriminierung hinzukommt. Alle von der Aktion profitierenden Museen stehen in Wien und sprechen vor allem die wiener Bevölkerung und Touristen an, nicht die Bundesländer.
Dienstag, 9. Februar 2010
Montag, 8. Februar 2010
Museumskrise? Welche Krise?
Im Juni 2008 veröffentlichte die Unternehmensberaterfirma Arthur D. Little eine Mitteilung zur Situation der Museen in Deutschland mit der Schlagzeile „Mehr Unternehmertum für deutsche Museen“.
Arthur D. Little konstatiert einen „Trend“ zur Erhöhung der Eigenfinanzierung, zur Reduktion der Abhängigkeit von „öffentlichen Subventionen“ und zum „unternehmerischen Handeln“. Gestützt auf eine Untersuchung von „in Europa führenden Museen“ wird der Museumsinsel ein neunter Rang zugewiesen – aufgrund eines einfachen Rankings der Besucherzahlen. Als weitere Indikatoren werden jene Besucher, die mindest einmal im Jahr ein Museum besuchen, im Ländervergleich bewertet. Wenn der „Studienleiter“ Stefan Höffinger aus den Zahlen schließt, dass mehr als die Hälfte der Deutschen in den „letzten zwölf Monaten kein einziges Mal ein Museum besucht“ hat, dann leitet er daraus die Forderung ab, mit einem „attraktiven inhaltlichen Angebot“ die „Erschließung neuer Erlös- und Ertragsquellen“ zu bewirken.
Denn: „Die Bedeutung der öffentlichen Hand in der Kulturförderung geht zurück“. Deshalb müssten „eigene Mittel“, vom Verkauf von Eintrittskarten bis zum Merchandising, akquiriert werden. Dies wird im Text als „unternehmerisches Handeln“ und „Professionalisierung“ bezeichnet und diejenigen Institute als „beste“ hervorgehoben, die eine Eigenfinanzierungsquote von „bis zu 75 %“ haben (Guggenheim Bilbao. Albertina Wien).
Mit Hinweis auf das Museumsquartier Wien empfiehlt das Papier die Schaffung von „Third Places“, „semi-öffentlicher Räume“, wo der „Kunde mit multidimensionalen Bedürfnissen und nicht ‚nur’ als reiner Kunstkonsument betrachtet werden muss“.
In einem Interview in der Tageszeitung Die Presse (23.10.2008) geht Höffinger so weit, den staatlichen Unterstützungsbedarf um damit ‚nicht wirtschaftliche’ Museen, in Frage zu stellen. Gemessen – wiederum am Eigendeckungsgrad – fordert er Museen, die „ausgeglichen wirtschaften“, das „ist die Startlinie für Kultureinrichtungen. Ein Fass ohne Boden kann sich keiner leisten.“
Im Gespräch macht Höffinger das Interesse von Arthur D. Little deutlich als ‚Positionierung einer Marke’ durch ‚fundierte Äußerungen’ zu „Effizienzsteigerung, Erhöhung der Erlöse, Professionalisierung der Führung in der Kultur“.
Dem Einwand der Interviewerin (Barbara Petsch), dass ja nicht alle Bereiche eines Museums profitabel seien, wie z.B. die Forschung, hält Höffinger entgegen: „Meiner Meinung nach kann sich allerdings keine einzige gesellschaftliche Dimension, einfach weil sie lustig ist oder sagt, bei uns geht das alles nicht, z.B. bei Kennzahlen, aus der Diskussion ausnehmen.“
Stefan Höffinger und damit Arthur D. Little stellen unverblümt die zentrale institutionelle Basis des Museums infrage: Die staatliche Finanzierung und damit den uneingeschränkt öffentlich-wohlfahrtsstaatlichen Charakter des Museums. Basis der Aussagen und Empfehlungen ist ein aggressives neoliberales Verständnis vom Rückzug des Staates und Überlassung nun auch kultureller Institutionen an Private und private Verwertungsinteressen.
Dabei geht man nicht zimperlich vor: Zu erklären wie man zu den statistischen Grundlagen der Aussagen (Besucherzahlen, Nicht-Besucher) kommt, dazu nimmt man sich nicht die Mühe. Die öffentliche Finanzierung wird irreführend als Subventionen bezeichnet. Indem man von Subvention spricht, kann man leichter deren Sinnhaftigkeit im Ganzen wie in Teilbereichen infrage stellen, mit dem scheinbar stimmigen Argument, auch der Staat müsse sparsam sein.
In nationalstaatlich verfassten Demokratien wird der Staat als ‚Wohlfahrtsstaat’ insofern verstanden, als er allen Bürgern Leistungen zur Verfügung stellt, die ihrem Wohl dienen – von der Wasserversorgung bis zu den Schulen, vom Verkehr bis zu den Theatern und Museen. Dies muss Rentabilitätsdenken und Gewinnabsichten entzogen sein, weil das übergeordnete Ziel Bildungs- und Sozialisierungsprozesse sind. Diese sind noch dazu, beim Museum als Formen der Selbstrepräsentation und Selbstreflexion Bestandteil der demokratischen Kultur, des Ausverhandelns von Identitäten, der Projektion von Zukunftsentwürfen, des Deutens der Vergangenheit, der Reflexion des Andren, des Fremden, ja unter Umständen des Feindes. Darin liegt die zutiefst zivilisierende Funktion des Museums.
Die Empfehlungen sind Teil einer im großen Maßstab, ‚global‘ wie wir wissen, betrieben Ökonomisierung, die Zug um Zug alle Bereiche des Öffentlichen durchdringen möchte oder z.T. schon ‚erfolgreich’ durchdrungen hat, etwa das Gesundheitswesen oder die Universität. Während dort aber immer wieder Konflikte und Debatten entstehen – wie jüngst um die ‚Bologna-Universität‘ -, und so auf das Problem aufmerksam machen und sich dabei immer auch Optionen auf Alternativen abzeichnen, gibt es diese Debatten beim Museum kaum. Welche Krise? kann der Präsident zum Beispiel des Deutschen Museumsbundes fragen. Wenn der Repräsentant einer international agierenden und namhaften Beratungsfirma das steuerfinanzierte wohlfahrtsstaatliche Museum kritisiert ist eigentlich Widerstand angesagt. Auch deswegen weil die Motive dafür – vorgetragen als Sorge um die staatlichen Finanzen – alles andere als selbstlos ist. Der herbeigeredete Zustand ist die Stunde der Berater…
Arthur D. Little konstatiert einen „Trend“ zur Erhöhung der Eigenfinanzierung, zur Reduktion der Abhängigkeit von „öffentlichen Subventionen“ und zum „unternehmerischen Handeln“. Gestützt auf eine Untersuchung von „in Europa führenden Museen“ wird der Museumsinsel ein neunter Rang zugewiesen – aufgrund eines einfachen Rankings der Besucherzahlen. Als weitere Indikatoren werden jene Besucher, die mindest einmal im Jahr ein Museum besuchen, im Ländervergleich bewertet. Wenn der „Studienleiter“ Stefan Höffinger aus den Zahlen schließt, dass mehr als die Hälfte der Deutschen in den „letzten zwölf Monaten kein einziges Mal ein Museum besucht“ hat, dann leitet er daraus die Forderung ab, mit einem „attraktiven inhaltlichen Angebot“ die „Erschließung neuer Erlös- und Ertragsquellen“ zu bewirken.
Denn: „Die Bedeutung der öffentlichen Hand in der Kulturförderung geht zurück“. Deshalb müssten „eigene Mittel“, vom Verkauf von Eintrittskarten bis zum Merchandising, akquiriert werden. Dies wird im Text als „unternehmerisches Handeln“ und „Professionalisierung“ bezeichnet und diejenigen Institute als „beste“ hervorgehoben, die eine Eigenfinanzierungsquote von „bis zu 75 %“ haben (Guggenheim Bilbao. Albertina Wien).
Mit Hinweis auf das Museumsquartier Wien empfiehlt das Papier die Schaffung von „Third Places“, „semi-öffentlicher Räume“, wo der „Kunde mit multidimensionalen Bedürfnissen und nicht ‚nur’ als reiner Kunstkonsument betrachtet werden muss“.
In einem Interview in der Tageszeitung Die Presse (23.10.2008) geht Höffinger so weit, den staatlichen Unterstützungsbedarf um damit ‚nicht wirtschaftliche’ Museen, in Frage zu stellen. Gemessen – wiederum am Eigendeckungsgrad – fordert er Museen, die „ausgeglichen wirtschaften“, das „ist die Startlinie für Kultureinrichtungen. Ein Fass ohne Boden kann sich keiner leisten.“
Im Gespräch macht Höffinger das Interesse von Arthur D. Little deutlich als ‚Positionierung einer Marke’ durch ‚fundierte Äußerungen’ zu „Effizienzsteigerung, Erhöhung der Erlöse, Professionalisierung der Führung in der Kultur“.
Dem Einwand der Interviewerin (Barbara Petsch), dass ja nicht alle Bereiche eines Museums profitabel seien, wie z.B. die Forschung, hält Höffinger entgegen: „Meiner Meinung nach kann sich allerdings keine einzige gesellschaftliche Dimension, einfach weil sie lustig ist oder sagt, bei uns geht das alles nicht, z.B. bei Kennzahlen, aus der Diskussion ausnehmen.“
Stefan Höffinger und damit Arthur D. Little stellen unverblümt die zentrale institutionelle Basis des Museums infrage: Die staatliche Finanzierung und damit den uneingeschränkt öffentlich-wohlfahrtsstaatlichen Charakter des Museums. Basis der Aussagen und Empfehlungen ist ein aggressives neoliberales Verständnis vom Rückzug des Staates und Überlassung nun auch kultureller Institutionen an Private und private Verwertungsinteressen.
Dabei geht man nicht zimperlich vor: Zu erklären wie man zu den statistischen Grundlagen der Aussagen (Besucherzahlen, Nicht-Besucher) kommt, dazu nimmt man sich nicht die Mühe. Die öffentliche Finanzierung wird irreführend als Subventionen bezeichnet. Indem man von Subvention spricht, kann man leichter deren Sinnhaftigkeit im Ganzen wie in Teilbereichen infrage stellen, mit dem scheinbar stimmigen Argument, auch der Staat müsse sparsam sein.
In nationalstaatlich verfassten Demokratien wird der Staat als ‚Wohlfahrtsstaat’ insofern verstanden, als er allen Bürgern Leistungen zur Verfügung stellt, die ihrem Wohl dienen – von der Wasserversorgung bis zu den Schulen, vom Verkehr bis zu den Theatern und Museen. Dies muss Rentabilitätsdenken und Gewinnabsichten entzogen sein, weil das übergeordnete Ziel Bildungs- und Sozialisierungsprozesse sind. Diese sind noch dazu, beim Museum als Formen der Selbstrepräsentation und Selbstreflexion Bestandteil der demokratischen Kultur, des Ausverhandelns von Identitäten, der Projektion von Zukunftsentwürfen, des Deutens der Vergangenheit, der Reflexion des Andren, des Fremden, ja unter Umständen des Feindes. Darin liegt die zutiefst zivilisierende Funktion des Museums.
Die Empfehlungen sind Teil einer im großen Maßstab, ‚global‘ wie wir wissen, betrieben Ökonomisierung, die Zug um Zug alle Bereiche des Öffentlichen durchdringen möchte oder z.T. schon ‚erfolgreich’ durchdrungen hat, etwa das Gesundheitswesen oder die Universität. Während dort aber immer wieder Konflikte und Debatten entstehen – wie jüngst um die ‚Bologna-Universität‘ -, und so auf das Problem aufmerksam machen und sich dabei immer auch Optionen auf Alternativen abzeichnen, gibt es diese Debatten beim Museum kaum. Welche Krise? kann der Präsident zum Beispiel des Deutschen Museumsbundes fragen. Wenn der Repräsentant einer international agierenden und namhaften Beratungsfirma das steuerfinanzierte wohlfahrtsstaatliche Museum kritisiert ist eigentlich Widerstand angesagt. Auch deswegen weil die Motive dafür – vorgetragen als Sorge um die staatlichen Finanzen – alles andere als selbstlos ist. Der herbeigeredete Zustand ist die Stunde der Berater…
Sonntag, 7. Februar 2010
Kleine Kritik an kleinen Museen
„Es war schon immer so. Um 1480.“
Vorschlag für eine Objektbeschriftung von Frank Jürgensen
Kleine, nichturbane, oft ehrenamtlich betriebene Museen sind hierzulande der am weitesten verbreitete Museumstyp. Er speist mit seiner Verbreitung statistisch den Museumsboom und kann mit der Summe seiner Besuche mit der großer Museen wetteifern.
Dennoch genießt er wenig öffentliche Aufmerksamkeit und kaum museologisches Interesse, mit Ausnahme vielleicht durch die Volkskunde, für die er wegen des Themenspektrums, des Gegenstandsbereiches und, im bescheidenen Umfang, als berufliches Betätigungsfeld ein Thema ist.
Diese Museen zeichnen sich (sieht man von hochspezialisierten monothematischen Sammlungen ab) durch große Vielfalt der Sammlung aus sowie stereotype Sammlungsschwerpunkte und häufig identische Präsentationsweisen eines überwiegend lokalen geografisch-geschichtlichen Horizonts. Trotz sozial elitärer Formierung (Einzelinitiativen von Sammlern, Lokalhistorikern etc. oder politischen Funktionären) sind sie dennoch oft tief und häufig über verschiedene Formen der Partizipation in der lokalen Community verankert.
Viele dieser Museen bedienen sich ein- und derselben Fokussierungen der Repräsentation: in schematischer räumlicher Disposition der Ausstellungen finden wir immer wiederkehrende Themen: lokale Natur, Religiosität (fast immer die katholische), Brauchtum als Inbegriff von Tradition, Ursprungsgeschichten in erd- oder frühgeschichtlicher Erzählung, ländlich-bäuerliches Alltagsleben, Brauchtum und Arbeitswelt, von dieser wiederum meist nur das Handwerk (als ‚Zünfte’), bürgerliche Lebenswelt (meist nur die des 19. Jahrhunderts), Gerichtsbarkeit, Herrschaft (diese meist in Form essentialistischer Faktizität).
Das Vergangene wird nahe an der vertrauten Lebenswelt – und so als Heimat – repräsentiert (viele dieser Museen führen ja auch den Namen ‚Heimatmuseum’), mit Hilfe von Objekten, die als ‚Werte an sich’ in stereotype Erzählfragmente und Deutungsmuster integriert werden. Die Vergangenheit wird als Abgeschlossenes behandelt, das in musealer Rückschau betrachtens- und erhaltenswert erscheint. Das Fehlen einer Dialektik Vergangenheit, Gegenwart und vor allem Zukunft, und damit der Mangel an Bildung historischen Sinns über Erfahrung von Zeitdifferenz, verbietet von historischen Museen zu sprechen. Im Gegenteil, oft stellt sich ein heimlich-unheimliches Gefühl der Wiederkehr des Immergleichen ein.
Solche Museen sind allenfalls Mediator einer selektiven lokalen Erinnerungskultur, die das zu bedienen scheinen, was ihnen so gerne – von ihren Gründern und Betreibern, von Vermittlern und Besuchern -, zugesprochen und abverlangt wird: ‚Identität zu stiften’.
Aber im Gegenteil: Da diese Museen zeitliche, räumliche und kulturelle Differenzerfahrung peinlichst vermeiden, erscheint Identität meist in Gestalt einer entgeschichtlicht-entzeitlichen und verdinglichtigten Unwandelbarkeit. Heimatliche Nahwelt erscheint wie eine zweite Natur - von intentionaler, von Interessen, Wünschen oder Hoffnungen geleiteter sozialer Praxis nicht berührt und berührbar, als ‚Essenz’, die uns emotionales Einverständnis abfordert und beruhigend anbietet.
Alles Widersprüchliche, Widerständige, Konfliktträchtige, Sperrige bleibt ausgeklammert (Minderheiten, nichtkatholische Religionen, soziale Konflikte, die Dialektik von Herrschaft und Knechtschaft, die Verschränkung von ‚Welt’ und ‚Heimat’ uvam.), hat in diesen Museen, mit raren Ausnahmen, keinen Platz. Selbst wenn auffallend oft Elend, Armut, das Leben von Unterschichten thematisiert wird, kann man sich fragen, ob hier nicht eine Kontrasterfahrung vermittelt werden soll, die die fragmentarische sozialstaatliche Kittung sozialer Widersprüche und Konflikte heute als glanzvollen und befriedenden Fortschritt feiern helfen soll. Über Kontinuitäten und Ursachen sozialer oder politischer Konstellationen und Konflikte, werden wir hier sicher nichts erfahren, und somit nichts über mögliche Lösungen, Auswege, Utopien.
Selbst wenn vermehrt Industrialisierungsprozesse thematisiert werden (meist begrenzt auf die des 19. Jahrhunderts und sehr selten die der Gegenwart einschließlich ihrer Arbeits(losen)welt), Tourismus, die besondere Lebens- und Arbeitswelt von Frauen, die beiden Weltkriege (ohnehin meist nur in Form von Trophäen präsent) uam., kann man davon ausgehen, daß solche Themen harmonisiert, entschärft und in ihrem Erfahrungspotential gnadenlos verstümmelt vorgeführt werden.
Nicht genug damit daß das Museum als solches schon strukturell konservativ ist (als Medium, als Erzählung, als Sammlung scherinbar ‚sprechender Dinge’…), diese Museen sind es zu oft auch ideologisch: in der Wahl der Sammlungsschwerpunkte, in der Zuweisung und Ausklammerung von Bedeutungen, im Verzicht, die zweifellos und vielfach vorhandene Dialektik von Gegenwart und Vergangenheit, zu thematisieren.
Erschienen in: Neues Museum, Nummer 4, 2008, S.2-7
Samstag, 6. Februar 2010
Je näher man ein Wort ansieht, desto ferner sieht es zurück: Museum (Was ist ein Museum 03)
Die selbstbewußte Feststellung des Indian Museum in Kalkutta, das neuntälteste Museum der Welt zu sein, hat uns zu der Frage geführt, welches denn das erste wäre und in der Folge zu einer kleinen Studiensammlung von ‚Ersten Museen’, was wiederum schnell gezeigt hat, daß ‚Museum’ höchst unterschiedliche Praktiken des Sammelns, Zeigens und Wissens über einen sehr langen Zeitraum hinweg bezeichnet. Ein einziges Wort, um den humanistischen Wissensraum und das nationale Sammlungs- und Schaumuseum zu bezeichnen? Kompliziert wird die Angelegenheit noch dadurch, daß das Wort auch noch ganz andere Dinge bezeichnet. Es hat mythologische, religiöse, wissenschaftliche oder zum Beispiel literarische Konnotationen.
Und dann: es ‚passt’ nicht. Es deckt gar nicht die moderne Idee des allgemein zugänglichen Sammlungsortes ab, den eine Gesellschaft in repräsentativer und diskursiver Absicht einrichtet und unterhält.
Deswegen kommt es am Beginn des 19. Jahrhunderts, also zu dem Zeitpunkt wo sich dieses neue Modell kultureller Selbstdarstellung und Selbstvergewisserung entwickelt und durchsetzt, zu einer Kritik des Begriffs. Bei der Errichtung einer königlichen Antikensammlung in München verzichtet man auf ihn und wählt das Kunstwort Glyptothek. Während der Errichtung des zeitgleich entstehenden Königlichen Museum in Berlin (heute: Altes Museum) beginnt man sich zu fragen, ob es denn je in der Antike eine Praxis, eine Institution gegeben hat, die dem entspricht, was man grade dabei ist zu verwirklichen. Es kommt zu einem kurzen gelehrten Disput in die Akademie der Wissenschaft eingeschaltet wird. Und das Resultat der Debatte ist: nein, so etwas wie ein allgemein zugängliches Haus, das dazu da ist, daß überlieferte, historische Kunst zum Zweck der Bildung auf Dauer bewahrt und ausgestellt würde, so etwas kannten ‚die Alten’ nicht.
Museum würde "im ganzen Alterthume" nur Orte der Wissenschaft bezeichnen, solche zur "Aufbewahrung von archäologischen oder Kunstgegenständen" niemals.
Man entscheidet sich dennoch für ‚Museum’, um in der (lateinschen) Stifterinschrift an der Fassade des Baues den Zweck des Ganzen zu bezeichnen. Und zwar indem man sich auf eine ‚ältere’ Bedeutung des griechischen Wortes beruft. Freilich ohne diese Bedeutung zu erläutern.
Mit der Benennung des Museums der Revolutionszeit im königlichen Schloß, dem Louvre, als ‚Museum Française’ (und nicht als Musée, und das macht einen Unterschied – davon vielleicht ein andermal), war der latinisierten Übertragung des griechischen ‚museion’ zur Bezeichnung der staatlichen Sammlung und des nationalen Museums bereits der Weg geebnet.
Aber ich denke, daß die Entscheidung, die man in Berlin traf, noch einmal eine wichtige für die ab nun usuelle Bezeichnung war, und zwar, weil es sich um den ersten Museumsbau (Karl Friedrich Schinkel) handelte (in einer bedetenden Stadt und für eine bedeutende Sammlung), der den Funktionen des Museums architektonisch Ausdruck gab: praktisch, symbolisch und performativ.
Ist die Geschichte damit zu Ende?
Keineswegs. Denn was verstand man in Berlin wohl unter der ‚älteren Bedeutung’ des Wortes Museum? Warum die Wahl eines eingestandenermaßen ‚unpassenden’ Wortes? Und warum übersetzte man dieses Wort (entgegen der Wortbedeutung) so ins Deutsche: Ruheort (nämlich der Kunst)?
FRIDERICVS GVILELMMVS III STVDIO ANTIQVITATIS OMNIGENAE ET ARTIVUM LIBERALIVM MVSEVM CONSTITVIT MDCCCXXVIII - Friedrich Wilhelm III hat dem Studium jeder Art Alterthümer und der freien Künste diesen Ruheort gestiftet 1828.
Fortsetzung folgt.
Und dann: es ‚passt’ nicht. Es deckt gar nicht die moderne Idee des allgemein zugänglichen Sammlungsortes ab, den eine Gesellschaft in repräsentativer und diskursiver Absicht einrichtet und unterhält.
Deswegen kommt es am Beginn des 19. Jahrhunderts, also zu dem Zeitpunkt wo sich dieses neue Modell kultureller Selbstdarstellung und Selbstvergewisserung entwickelt und durchsetzt, zu einer Kritik des Begriffs. Bei der Errichtung einer königlichen Antikensammlung in München verzichtet man auf ihn und wählt das Kunstwort Glyptothek. Während der Errichtung des zeitgleich entstehenden Königlichen Museum in Berlin (heute: Altes Museum) beginnt man sich zu fragen, ob es denn je in der Antike eine Praxis, eine Institution gegeben hat, die dem entspricht, was man grade dabei ist zu verwirklichen. Es kommt zu einem kurzen gelehrten Disput in die Akademie der Wissenschaft eingeschaltet wird. Und das Resultat der Debatte ist: nein, so etwas wie ein allgemein zugängliches Haus, das dazu da ist, daß überlieferte, historische Kunst zum Zweck der Bildung auf Dauer bewahrt und ausgestellt würde, so etwas kannten ‚die Alten’ nicht.
Museum würde "im ganzen Alterthume" nur Orte der Wissenschaft bezeichnen, solche zur "Aufbewahrung von archäologischen oder Kunstgegenständen" niemals.
Man entscheidet sich dennoch für ‚Museum’, um in der (lateinschen) Stifterinschrift an der Fassade des Baues den Zweck des Ganzen zu bezeichnen. Und zwar indem man sich auf eine ‚ältere’ Bedeutung des griechischen Wortes beruft. Freilich ohne diese Bedeutung zu erläutern.
Mit der Benennung des Museums der Revolutionszeit im königlichen Schloß, dem Louvre, als ‚Museum Française’ (und nicht als Musée, und das macht einen Unterschied – davon vielleicht ein andermal), war der latinisierten Übertragung des griechischen ‚museion’ zur Bezeichnung der staatlichen Sammlung und des nationalen Museums bereits der Weg geebnet.
Aber ich denke, daß die Entscheidung, die man in Berlin traf, noch einmal eine wichtige für die ab nun usuelle Bezeichnung war, und zwar, weil es sich um den ersten Museumsbau (Karl Friedrich Schinkel) handelte (in einer bedetenden Stadt und für eine bedeutende Sammlung), der den Funktionen des Museums architektonisch Ausdruck gab: praktisch, symbolisch und performativ.
Ist die Geschichte damit zu Ende?
Keineswegs. Denn was verstand man in Berlin wohl unter der ‚älteren Bedeutung’ des Wortes Museum? Warum die Wahl eines eingestandenermaßen ‚unpassenden’ Wortes? Und warum übersetzte man dieses Wort (entgegen der Wortbedeutung) so ins Deutsche: Ruheort (nämlich der Kunst)?
FRIDERICVS GVILELMMVS III STVDIO ANTIQVITATIS OMNIGENAE ET ARTIVUM LIBERALIVM MVSEVM CONSTITVIT MDCCCXXVIII - Friedrich Wilhelm III hat dem Studium jeder Art Alterthümer und der freien Künste diesen Ruheort gestiftet 1828.
Fortsetzung folgt.
Freitag, 5. Februar 2010
Glasmurmeln und Kanu
Für manche der schönste belletristische Museums-Text überhaupt - die Passagen aus dem 1951 erschienen Roman Der Fänger im Roggen, in denen der Besuch des Helden des Buches, des 16-jährigen Holden Caulfield, im Museum of Natural History New York geschildert wird. Aus Anlass des Todes des Autors, Jerome David Salinger, hier ein kleines Memorial...
Foto: Schulklasse vor dem indianischen Kanu, 1911 (Foto: MNH New York)
... Der Fußboden war durchgehend aus Stein, und wenn man Murmeln in der Hand hatte und sie fallen ließ, sprangen sie wie verrückt über den ganzen Fußboden und machten einen Heidenlärm, und dann ließ die Lehrerin die Klasse anhalten und ging zurück, um zu sehen, was denn los war. Aber Miss Aigletinger, die wurde nie sauer. Dann kam man an einem ganz langen indianischen Kriegskanu vorbei, das ungefähr so lang war wie drei verfluchte Cadillacs hintereinander, mit ungefähr zwanzig Indianern drin, manche paddelten, manche standen aber auch bloß da und machten einen auf hart, und alle hatten sie Kriegsbemalung im ganzen Gesicht. Hinten im Kanu saß ein sehr gruseliger Typ, der hatte eine Maske auf. Das war der Medizinmann. Bei dem lief's mir kalt den Rücken runter, aber ich mochte ihn trotzdem. Noch was, wenn man im Vorbeigehen eins der Paddel oder was anfasste, sagte einer der Wächter zu einem: »Fasst bitte nichts an, Kinder«, aber das sagte er immer mit einer netten Stimme, nicht wie ein verfluchter Polizist oder was. ...
Foto: Schulklasse vor dem indianischen Kanu, 1911 (Foto: MNH New York)
Feindberührung - Kriegertod
In der heutigen Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung (auch online) findet sich ein bemerkenswert prägnanter Essay zur Repräsentation des Kriegertodes und zu der gesellschaftlicher Gewalt des Schriftstellers Thomas Hettche. Er analysiert das neue Ehrenmal auf dem Gelände des Bundesverteidigungsministeriums in Berlin, stellt die Frage nach der Repräsentierbarkeit des Soldatentodes und verknüpft sie mit der nach der Legitimität und den Konsequenzen des derzeitigen Einsatzes der Bundeswehr im Ausland.
Dabei gehe es vor allem um die Definition des Feindes als "unsere eigene Frage als Gestalt" (Theodor Däubler), um die Begegnung mit ihm, die stellvertretend der Soldat 'im Auslandseinsatz' vollzieht. Und um eine Utopie "es lasse sich diese Begegnung vermeiden und die Zone des Gewaltverbots in der westlichen Zivilisation immer weiter ausdehnen." Von dieser Begegnung kehrt der Soldat wieder als einer der entweder getötet hat oder getötet wurde. In dier Heimkehr "erfährt die Gesellschaft sich selbst als eine, die den Tod zu geben und zu fordern vermochte, erfährt an dessen Unabänderlichkeit ihre eigene Grenze als absolute Souveränität und, nicht zuletzt, als Schuld. Das ist es, wovon das Ehrenmal der Bundeswehr schweigt."
Nicht weit vom Ehrenmal der Bundeswehr findet man den Pergamonaltar: "Dadurch, dass jeder der Sterblichen, der dort stirbt – zertreten, durchbohrt, gewürgt oder zerrissen –, im Moment seines Sterbens aus der Dichotomie von Freund und Feind herausgelöst wird, wird er wieder zu einem Einzelnen, der keiner Armee mehr angehört, ist in seinem individuellen Tod allein und ergreift uns gerade in dieser Einsamkeit." (...) Deshalb "gewährt der Pergamonaltar die Einsicht, worin einzig das Glück angesichts des Krieges bestehen kann: sich nicht ergreifen lassen zu müssen von der Gewalt."
Dabei gehe es vor allem um die Definition des Feindes als "unsere eigene Frage als Gestalt" (Theodor Däubler), um die Begegnung mit ihm, die stellvertretend der Soldat 'im Auslandseinsatz' vollzieht. Und um eine Utopie "es lasse sich diese Begegnung vermeiden und die Zone des Gewaltverbots in der westlichen Zivilisation immer weiter ausdehnen." Von dieser Begegnung kehrt der Soldat wieder als einer der entweder getötet hat oder getötet wurde. In dier Heimkehr "erfährt die Gesellschaft sich selbst als eine, die den Tod zu geben und zu fordern vermochte, erfährt an dessen Unabänderlichkeit ihre eigene Grenze als absolute Souveränität und, nicht zuletzt, als Schuld. Das ist es, wovon das Ehrenmal der Bundeswehr schweigt."
Nicht weit vom Ehrenmal der Bundeswehr findet man den Pergamonaltar: "Dadurch, dass jeder der Sterblichen, der dort stirbt – zertreten, durchbohrt, gewürgt oder zerrissen –, im Moment seines Sterbens aus der Dichotomie von Freund und Feind herausgelöst wird, wird er wieder zu einem Einzelnen, der keiner Armee mehr angehört, ist in seinem individuellen Tod allein und ergreift uns gerade in dieser Einsamkeit." (...) Deshalb "gewährt der Pergamonaltar die Einsicht, worin einzig das Glück angesichts des Krieges bestehen kann: sich nicht ergreifen lassen zu müssen von der Gewalt."
Donnerstag, 4. Februar 2010
'ndrangheta - Museum in Reggio di Calabria. Das Museum als zivilisatorische Agentur
Was es nicht alles für Museen gibt! Ein 'ndrangheta - Museum, ein Museum, das zivilgesellschaftliche Öffentlichkeit gegen die kalabrische Mafia bilden und organisieren soll. Gegründet im vorigen Jahr und getragen von der Stadt, Provinz und Region Reggio sowie von der dortigen Universität.
Hochinteressant scheint mir das - ungewöhnlich ausführlich (auf der Webseite) - dargelegte und ambitionierte Konzept.
Der Ausgangspunkt ist der identitätsbildende Wunsch der Zugehörigkeit, und der, so wird argumentiert ist sowohl in der Außenwahrnehmung als in der Selbstrepräsentation mit der 'ndrangheta verknüpft - keine kalabrische Identität ohne diese Organisation.
Dieses doppelt codierte Image Kalabriens, seine Geschichte und sein Mythos, das stellt sich dem Museum als Aufgabe. Sowohl der long term als auch die Synchronizität dieser Geschichte und Mythe liegt im Rechercheinteresse des Museums, aber das Projekt ist wesentlich ehrgeiziger: es geht um den transformierenden und akkulturierenden Prozess, mit dem diese Mythologisierung wirksam wird, vor allem bei der Jugend.
Dabei ist man sich der Tatsache bewußt, daß das Primat der Bekämpfung der kriminellen Organisation bei der Polizei liegt und außerdem, daß es sehr schwierig sei, unter gegenwärtigen ökonomischen und politischen Bedingungen, kulturelle Modelle zu entwickeln, die Enthusiasmus und Zustimmung erzeugen könnten.
Was über das Museum erreicht werden soll, ist offenbar nicht mehr und nicht weniger, als in die Narrationen und Rituale, in die Mythologie und das Geschichtsbewußtsein einer Gesellschaft einzugreifen, um das zu verändern, was - derzeit - 'nicht gesehen wird', gewissermaßen eine Erinnerung an das, was 'wir nicht sind'.
Folgerichtig zieht man in dem Grundsatztext den Schluß, daß eine solche Ambition Folgen für das Selbstverständnis des Museums haben muß. Neu ist das nicht, was man an dieser Stelle liest, aber vor dem Hintergrund des gesellschaftspolitischen Ziels erscheint der museological turn, den man vollziehen möchte, besonders dramatisch. Im Grunde bedeutet das, daß das Museum eine Art von Gegenöffentlichkeit organisiert mit partiell subversiven Qualitäten aber hoher ethischer Selbstlegitimierung.
Dieses Mission Statement oder ideologisches Grundsatzpapier bleibt erstaunlich - als durchdachte und avancierte theoretische Grundlegung und als gesellschaftspolitische Ambition. Wenn es gegen Schluss heißt, A museum exhibit a society but at the same time it is a product of that same society, dann hat man in Reggio nicht weniger vor, als ein Museum als gesellschaftliches 'Organ' zu implementieren, das diese Logig zumindest auf Zeit oder partiell durchbricht und einen die Gesellschaft verändernden und meliorisierenden 'Zivilisierungsprozess' intiiert.
Das war aber immer schon die zentrale Idee des bürgerlich-aufklärerischen Museums.
PS.: Am 11.3.2010 erschien in der taz ein Interview mit zwei der Initiatoren des Museums, in dem die aktuelle Situation beschriebn wird
Hochinteressant scheint mir das - ungewöhnlich ausführlich (auf der Webseite) - dargelegte und ambitionierte Konzept.
Der Ausgangspunkt ist der identitätsbildende Wunsch der Zugehörigkeit, und der, so wird argumentiert ist sowohl in der Außenwahrnehmung als in der Selbstrepräsentation mit der 'ndrangheta verknüpft - keine kalabrische Identität ohne diese Organisation.
Dieses doppelt codierte Image Kalabriens, seine Geschichte und sein Mythos, das stellt sich dem Museum als Aufgabe. Sowohl der long term als auch die Synchronizität dieser Geschichte und Mythe liegt im Rechercheinteresse des Museums, aber das Projekt ist wesentlich ehrgeiziger: es geht um den transformierenden und akkulturierenden Prozess, mit dem diese Mythologisierung wirksam wird, vor allem bei der Jugend.
This is the framework around the initiative of the Museum of ‘ndrangheta and the functions it will perform: as an archive of memory, it will be a place where the symbolic reach of the ‘ndrangheta phenomenon can be defined with precision; as an economic enterprise, it will be an institution capable of translating a complex subject into several languages; as “center”, the museum will indicate a “permanent emergency”, in order to avoid the silence that surrounds and favours all types of mafia.Worum es sich dabei dreht, ist der Aufbau einer starken Gegenidentität, die, so die These des Museums, deswegen kaum ausgebildet sei, weil die 'gut arbeitende Akkulturierung' der 'ndrangheta sich fast unsichtbar und lautlos bilde und weiterbilde. Die 'ndrangheta werde deswegen weitgehend ignoriert, ja man habe nicht mal richtig Angst vor ihr, stattdessen gäbe es eine 'Vor-Angst', vor allem eine 'Pre-Omerta', eine Verschwörung des Schweigens.
Dabei ist man sich der Tatsache bewußt, daß das Primat der Bekämpfung der kriminellen Organisation bei der Polizei liegt und außerdem, daß es sehr schwierig sei, unter gegenwärtigen ökonomischen und politischen Bedingungen, kulturelle Modelle zu entwickeln, die Enthusiasmus und Zustimmung erzeugen könnten.
Was über das Museum erreicht werden soll, ist offenbar nicht mehr und nicht weniger, als in die Narrationen und Rituale, in die Mythologie und das Geschichtsbewußtsein einer Gesellschaft einzugreifen, um das zu verändern, was - derzeit - 'nicht gesehen wird', gewissermaßen eine Erinnerung an das, was 'wir nicht sind'.
Folgerichtig zieht man in dem Grundsatztext den Schluß, daß eine solche Ambition Folgen für das Selbstverständnis des Museums haben muß. Neu ist das nicht, was man an dieser Stelle liest, aber vor dem Hintergrund des gesellschaftspolitischen Ziels erscheint der museological turn, den man vollziehen möchte, besonders dramatisch. Im Grunde bedeutet das, daß das Museum eine Art von Gegenöffentlichkeit organisiert mit partiell subversiven Qualitäten aber hoher ethischer Selbstlegitimierung.
In a museum context, the problem becomes this: does an object that is displayed express the logic of those who made it, of those who selected it and decided to exhibit it, or of those who observe it through the glass? Who decides what is important to display? Is a museum an intellectual operation directed at an audience of experts or it can become a centre for the promotion of culture also for the inhabitants of the place? Who owns the copyright for memory? Finding answers to these and other important questions raised in this context means to take part in an International debate. It also means to connect to wider circuits and insert a place into them that is usually “far away”: Calabria. This part of the Mediterranean must not be betrayed in its specificity, it must not be observed through the looking-glass of a superficial modernism that would reject folklore out of hand in the hope of changing what we have been. We have to find ways of narrating ourselves because existing often means to be able to narrate yourself.Fällt damit das Konzept nicht unweigerlich auf die autoritative Perspektivität der meisten Museen zurück? Wie kann es eine derart starke Botschaft entwickeln und vermitteln ohne gleichzeitig nur (s)einen Blick zu verabsolutieren? Hier fällt die Antwort eher zurückhaltend aus.
Greenblatt, the museologist, speaks of a museum that can invite to resonance or wonder. A museum functions, in our opinion, when resonance and wonder are well designed by the curator who has to be aware of the fact that he cannot represent a culture, but that he can offer many possibilities to visitors - to their aesthetic sense, their intelligence, their emotions – that, well combined, can give account of many aspects of a culture.Und wenn dann, als Abschluss, auf Multimedialität gesetzt wird (Multimedialität als etwas, was dem Museum schon immmer inhärent ist und nicht einfach nur als technische Apparatur gemeint), dann spitzen sich die Zweifel an der Verhältnismäßigkeit von Ziel und Mittel zu.
Dieses Mission Statement oder ideologisches Grundsatzpapier bleibt erstaunlich - als durchdachte und avancierte theoretische Grundlegung und als gesellschaftspolitische Ambition. Wenn es gegen Schluss heißt, A museum exhibit a society but at the same time it is a product of that same society, dann hat man in Reggio nicht weniger vor, als ein Museum als gesellschaftliches 'Organ' zu implementieren, das diese Logig zumindest auf Zeit oder partiell durchbricht und einen die Gesellschaft verändernden und meliorisierenden 'Zivilisierungsprozess' intiiert.
Das war aber immer schon die zentrale Idee des bürgerlich-aufklärerischen Museums.
PS.: Am 11.3.2010 erschien in der taz ein Interview mit zwei der Initiatoren des Museums, in dem die aktuelle Situation beschriebn wird
Dienstag, 2. Februar 2010
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