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Montag, 4. März 2019

Tiefer geht es wohl nicht mehr. Das Kaiserjägermuseum in Innsbruck übertrifft sich selbst.

Mit der Sonderausstellung "Nächstenliebe im Krieg" unterbietet das Kaiserjägermuseum seine ohnehin schon inferiore Qualität noch einmal. Die extrem textlastige Ausstellung mit ihrer bieder-unbedarften Ausstellungsgrafik ist noch das Harmloseste. Der eingeschmuggelte Monarchismus, das Schwarz-Rot-Gold der die Texte rahmenden Bordüren, erinnert daran, wo wir hier sein sollen und hier auch schon immer waren. Daß das Thema es schafft, ausschließlich aus der Perspektive des männlichen Soldaten-Opfers betrachtet zu werden, ist wohl der männlichen Autorschaft geschuldet. Daß die Rolle von Frauen bei der ärztlichen Versorgung weitestgehend ausgeklammert wird, was ein Kuntstück der Extraklasse ist, hat aber die Ausstellungamacher nicht daran gehindert, die Ausstellung mit einem sexistischen Herrenwitz zu beginnen. Das Kaiserjägermuseum ist Teil des Tiroler Landesmuseums und als solches wiederum Teil eines identitätspolitischen Angebots des Landes Tirol, das seit der Übersiedlung des 1809-Panoramas als "Neue Mitte" des landes propagiert wurde. Daß so etwas Aberwitziges möglich ist, macht einen nur noch fassungslos.

Samstag, 13. Oktober 2018

Zwischen Eigensinn und Anpassung. Eine Veranstaltung im Museum der Völker Schwaz



Das MUSEUM DER VÖLKER in Schwaz beherbergt eine ethnografische Sammlung, die sich vor allem aus westafrikanischen und südostasiatischen Objekten zusammensetzt und das Interesse der Sammler widerspiegelt. Mitten im Prozess der Neuausrichtung laden wir zu einer öffentlichen Tagung und einem anschließenden Workshop ein, um den Weg, den das Museum seit der Wiedereröffnung im Herbst 2017 beschritten hat, zu reflektieren.
Dabei sollen ...

... aktuelle Fragen in Bezug auf Sammlungsobjekte außereuropäischer Provenienz, wie Verflechtungen von Kunstmarkt und privaten wie musealen Sammlungen, Kriterien wie Echtheit, Authentizität oder einem näher zu definierenden Kunstbegriff, zu brisanten Artefaktgruppen, die auf koloniale Strukturen verweisen, thematisiert werden.

Wesentlich ist ...

... die Diskussion über Entwicklungspotentiale kulturhistorischer und -anthropologischer Ausrichtungen der Museumstätigkeiten „am Land“. Wir wollen der Frage nachgehen, welchen Beitrag das Museum zur Beziehungsarbeit hier gelebter Kulturen – so genannter autochthoner wie neu hinzukommender – und jener, deren Sammlungsobjekte sich im Museum befinden, leisten kann.


PROGRAMM


MONTAG, 22. OKTOBER 2018
ÖFFENTLICHE VORTRÄGE MIT DISKUSSION
12.00 – 18.30 UHR

12.00 Eintreffen, Kennenlernen

13.00 Begrüßung
Hans Lintner,
Bürgermeister der Stadt Schwaz
Lisa Noggler-Gürtler,
Direktorin Museum der Völker

13.30 Steven Engelsman
Zur Neuorientierung Ethnologischer Museen (Vortrag und Diskussion)

14.30 Pause

15.00 – 17.30 Kurzvorträge
(max. 15 min. mit Diskussion 15 min.)
Regina Wonisch
Zur Lage der ethnologischen Provenienzforschung
Regula Tschumi
Ethnologische Museen und Kunstmarkt am Beispiel Ghana
Alexander Zanesco
Mission und ethnographische Sammlung am Beispiel Tiroler Franziskanermissionen in Guarayos/Bolivien
Stefania Pitscheider Soraperra
Das Museum „am Land“ - ein Ort gesellschaftlicher Relevanz am Beispiel des Frauenmuseum Hittisau

18.00 Résumé

Gottfried Fliedl, Moderation
Anita Berner, Graphic Recording


DIENSTAG, 23. OKTOBER 2018
GESCHLOSSENER WORKSHOP
9.00 – 13.00 UHR

Gottfried Fliedl, Lisa Noggler-Gürtler Moderation

Mit den Vortragenden, weiteren Gästen, dem wissenschaftlichen Kuratorium des Museums zu folgenden Themen:

Was kann und soll ein Museum „auf dem Land“ vermitteln?

Wie lässt sich das Konzept, übergreifender „ethnologischer“ und historisch-anthropologischer Fragen zu thematisieren, weiter entwickeln – wie entwickeln sich „postkoloniale“ ethnologische Museen?

Wie geht man mit der grundlegenden doppelten (durch Musealisierung und Herkunft vermittelten) Fremdheit der Objekte um?

Beratung bezüglich Expertise zu einzelnen Sammlungsgruppen

(bei Interesse senden wir gerne ein „Ergebnisprotokoll“)


VERANSTALTUNGSORT

Museum der Völker
St. Martin 16, A-6130 Schwaz
Tel. +43 (0)5242 66 090
info@museumdervoelker.com
www.museumdervoelker.com


ÖFFNUNGSZEITEN
Donnerstag - Sonntag
10.00 - 17.00 h
letzter Einlass 16.15 h







Freitag, 15. Juni 2018

Tiroler Entsorgung eines Museumsdirektors

Wenns in der Zeitung steht, muß es ja stimmen. Das Land Tirol verlängert den Vertrag mit dem Leiter des Landesmuseums nicht weiter. Als Grund wird dessen Kritik an der geplanten Installierung einer sogenannten Doppelspitze angegeben. Und das soll alles gewesen sein?
Bemerkenswert ist weniger die Nichtverlängerung des Vertrages - da war schon früher vom Ende des Direktors die Rede -, sondern der Tonfall.
„Meighörner hat das umzusetzen, was die Gesellschafter Land und Museumsverein ihm auftragen.“ Das Museum als abhängige Verwaltungseinheit, die Kadavergehorsam leisten soll?
Und woher kommt etwas Neues? Auch von der Politik. Die zuständige Landesrätin wünscht sich ein Haus der Kunst. "Meighörner war ein guter Verwalter, vielleicht aber zu wenig Gestalter.“
Mit dem Bergisel-Museum hat Tirol desaströse Museumspolitik gemacht. Und jemanden kündigen, in Hinblick auf eine Idee, die noch ganz und gar nicht in trockenen Tüchern ist, das ist jüngst in Linz grade schwer in die Hosen gegangen.
Das Verheerendste ist aber die Selbstgefälligkeit und Ahnungslosigkeit, mit der die Politik (nicht nur in Tirol) umspringt, als wäre es Privateigentum der Politik und einzelner Politiker.

Mittwoch, 9. Mai 2018

Das Museum der Völker Schwaz. Eine Transformation auf der Höhe museologischer Debatten

Das Museum der Völker in Schwaz wurde 1995 vom Fotografen und Autor Gert Chesi gegründet, der auf zahllosen Reisen eine ethnologische Sammlung mit dem Schwerpunkt Afrika und Asien zusammenstellte. 2013 erhielt das Museum einen Erweiterungsbau und wurde inzwischen zu einem von der Stadt Schwaz und dem Land Tirol finanziell unterstütztem öffentlichen Museum. Im September gab es den ersten Leitungswechsel und eine Wiedereröffnung mit neuem Konzept.
Die neue Leiterin Lisa Noggler-Gürtler hat es also mit der Transformation eines typischen Sammlermuseums in eine öffentliche Institution zu tun. Dazu gehört die wissenschaftliche Basisarbeit, die Inventarisierung und Klärung von Provenienzfragen, für die inzwischen Gelder durch den Bund und das Land bereitgestellt wurden. Und ein Ausstellungskonzept, das neue Wege im Ansprechen von Besuchern geht.

Seit meinem ersten Besuch, da das Museum (vor seiner baulichen Erweiterung) noch ganz Gert Chesis Reich war, mit seinen Fotografien und Filmen und einer geografischen Gliederung der Ausstellung, hat sich sehr viel geändert. In nur vier Monaten ist ein einschneidender Wechsel nicht bloß bezüglich der Konzeption sondern auch der Haltung des Museums vollzogen worden.
Nun wird Grundfragen nachgegangen, dem Sterben und dem Tod, der Erinnerung, der Formierung von Identität. Das erlaubt die Auflösung der bislang dominierenden geografischen Ordnung der Sammlung und der vergleichenden Zusammenstellung von Objekten und Ensembles aus völlig unterschiedlichen Herkünften und Zeiten. Objekte - viele davon ästhetisch faszinierend -, werden nun nicht mehr als „Kunst“ gezeigt, sondern als semantisch vielfältige Zeugnisse.


Dabei ist völlig neu das Einbeziehen der eigenen Kultur und damit automatisch auch unserer Gegenwart, was ja angesichts der großen Fragen unausweichlich stattfinden muß. Themen wie Erinnerung oder Tod kann sich wohl niemand entziehen und so eröffnet die Ausstellung reiche Möglichkeiten, sich als Besucher und Betrachter mit eigenen Erfahrungen oder Ängsten zu konfrontieren.

Mir scheint, daß das, was hier gemacht wird, eine jener Möglichkeiten ist, mit der absoluten Fremdheit vieler ethnologischer Sammlungen umzugehen. Sie löst sich zwar nicht auf und muß das gar nicht tun. Das Museum generell und erst ein ethnologisches hat eine seiner besten Aufgaben darin, „Schule des Befremdens“ (Peter Sloterdijk) zu sein. Aber der Vergleich mit dem - mehr oder weniger - Vertrauten des „Eigenen“, schafft einen reziproke Wahrnehmung ermöglichenden „Bedenkraum“, in dem sich im glücklichsten Fall auch der (post)koloniale und hegemoniale Blick aufweicht. Es geht eben nicht nur darum, den „Anderen“ verstehen zu lernen (etwas, was ohnehin immer unvollkommen bleibt), sondern in der Beziehung dazu sich selbst als Individuum, als Kollektiv, als „Stammesangehöriger“ kennenzulernen.


Witzig auf den Punkt gebracht ist dieses Ausstellungsprinzip in einer Grafik, in einer schematischen Landkarte, in der die Ewe, Fante, Ga, Yoruba geografisch verortet werden aber auch die - Tiroler_innen. Diese Gleichsetzung kann einen auf die Idee bringen, das „Eigene“ mit dem Blick der „Anderen“ zu sehen, also eine radikale Vertauschung von (beobachtendem) Subjekt und (beobachtetem, beforschten, beurteilten) Objekt zu versuchen. Ganz so wie das ein schöner ironischer Film, „Das Fest des Huhnes“ (1992) gezeigt hat, wo einige afrikanische „Forscher“ die oberösterreichischen Bierzeltfeste unter die wissenschaftliche Lupe nehmen.
„Der Standort des Betrachters gehört zum beschriebenen Sujet, wie der Aussichtspunkt zur Landschaft“ erfahren wir schon im Foyer. Unterstützt wird der „Blickwechsel“ durch Leihgaben des Innsbrucker Volkskunstmuseums, mit dem das Schwazer Museum eng kooperiert. Die Museumsleiterin im Interview: „Wir arbeiten hier mit dem Volkskunstmuseum Innsbruck zusammen, das auch im wissenschaftlichen Kuratorium des Museums vertreten ist. Das Museum wird künftig nicht mehr geographisch, sondern thematisch geordnet sein. So werden Themen wie Göttervorstellung, Religion, Ahnenkult und vieles mehr miteinander verglichen und in Verbindung gesetzt.“


Mit der Vereinigung ethnologischer und volkskundlicher Sammlungsbestände knüpft das Museum der Völker an ein seit 1878 im Musée d'Ethnographie du Trocadéro in Paris (seit 1937 Musée de l’Homme) an, anthropologische, urgeschichtliche und ethnografische Sammlungen, (die eben auch Frankreich selbst umfassten), zu vereinen. Das wurde nach und nach aufgelöst, endgültig mit der Gründung des Musée du Quai Branly. Die französische ethnografische Sammlung war längst in eine eigenes Museum ausgewandert und vor einigen Jahren nach Marseille übersiedelt. Das Musée de l’Homme wurde im Vorjahr als urgeschichtlich-anthropologisches Museum wieder eröffnet.
Beim seit Jahren heftig umstrittenen riesigen Projekt des „Humboldt-Forums“ in Berlin, das mit der Hypothek (einer unter mehreren) leben muß im teilrekonstruierten Schloß unterkommen zu müssen, wird die Zusammenführung der ethnologischen Sammlung aus Dahlem mit den „volkskundlichen“ heftig eingefordert. Dort wird also die Wiederherstellung einer Einheit aller Kulturen gefordert, während man in Paris gerade die einer Aufsplitterung in mehrere Museen geopfert hat.
Auch in Wien war vor Jahren mal die Zusammenlegung der beiden ethnologischen Museen, Völkerkundemuseum und Volkskundemuseum versucht worden - und scheiterte.
In Schwaz macht man sich also grade dran, genau das, einen so weit als möglich egalitären, vergleichenden Blick, zu entwickeln. Als Vorbild könnte das Musée d’Ethnografie in Neuchatel gelten, das seit vielen Jahren herausragende Ausstellungen macht, die allesamt nichts mehr mit herkömmlicher Präsentation ethnologischer Museen zu tun haben, sondern ungewöhnliche Themen mit ungewöhnlichen Konzepten und ebenso ungewöhnlichen Gestaltungen ausstellen. Bis hin zur die Institution Museum radikal in Frage stellenden Ausstellung „Le Musée cannibale“ (2002/03). Allein der Titel ist schon ingeniös, weil er ein europäisches Vorurteil, die Zuschreibung als unmenschlicher eingestufter kultureller Praktiken gegen die eigenen hochkulturelle Institution kehrt, die ja gerade hinsichtlich ihres expliziten wie impliziten Kolonialismus wahrlich als kannibalisch eingestuft werden kann.


Das Museum in Schwaz wird sich langsam entwickeln und vortasten und hat, so glaube ich, dadurch Vorteile, daß seine Sammlungen und seine räumlichen Ressourcen überschaubar sind und ein flexibles, modulares Entwickeln begünstigen.
Bei meinem kürzlichen Besuch hat mir der Ausstellungsteil zum Erinnern besonders gut gefallen. Es geht um die Beziehung der Lebenden zu den Toten, um das Nicht-Vergessens (ein fundamentale Aufgabe des Museums, die man auch mal selbstreflexiv einbeziehen könnte…), um  - erstaunliche - Praktiken, den Tod in Erinnerungspraktiken und -ritualen zu umgehen, zu überlisten, ums Abschiednehmen, um Formen des Bestattens.
Hier hatte ich nicht nur viele und unglaubliche Informationen vor mir, nicht nur eine Vermischung „ferner, exotischer“ Riten und heutiger, tirolischer oder österreichischer Zeugnisse, sondern alles als Spuren, das eigenes Erinnern und Nachdenken in Bewegung zu setze. Und: ein solches Thema läßt sich in viele Richtungen erweitern, weiter entwickeln, im Detail zuspitzen und, so glaube ich, als „Alltagsthema“ (das freilich von Ängsten und Tabus umstellt ist) auch in Diskussionen wunderbar entfalten läßt. Noggler-Gürtler: „Ich möchte vermehrt wieder die lokale Bevölkerung ins Museum herein holen und mit ihnen über Veränderungen sprechen, nicht nur, was das Museum betrifft, sondern auch in einen Dialog treten, was die Veränderungen in unserer Gesellschaft, in den Kulturen betrifft.“


Mit der Berufung von Lisa Noggler-Gürtler hat man einen Glücksgriff gemacht. Sie kommt aus Schwaz und kennt die lokalen v.a. politischen Verhältnisse gut. Sie bringt eine komplexe Ausbildung und vielfältige Erfahrungen mit, und hat als Abteilungsleiterin am Technischen Museum und als Mitarbeiterin am ZOOM-Kindermuseum verantwortungsvolle Positionen gehabt. Sie ist in der Vermittlungs- und Forschungsarbeit versiert. Und sie ist, das ist meine persönliche Einschätzung, einer der besten Ausstellungsmacherin in Österreich. Die noch laufende Ausstellung im vorarlberg museum „Römer oder so“ gehört zum Besten und Gewitztesten, was in den letzten Jahren in Österreich produziert wurde. Im Vorjahr hat sie in der großen Islam-Ausstellung auf der Schallaburg den überhitzten öffentlichen Debatten eine nüchterne, wissensbasierte, viele authentische Stimmen einbeziehende Ausstellung gemacht. In Erinnerung ist mir auch die 1911 in der Haller Psychiatrie gezeigte Ausstellung „Ich lasse mich nicht länger zum Narren halten“ wegen des erstaunlich kreativen Umgangs mit einem spröden, schwierig vermittelbaren Thema in Konzept und Gestaltung.

Eben kommt mit einer vom Frauenmuseum Hittisau übernommenen, von der Architektin Cornelia Faißt kuratierten Ausstellung eine weitere, für das Museum völlig neue Facette zum Konzept des Museums hinzu. „Baumeisterinnen aus Ololosokwan“ führt eine eine Kultur des Serengeti-Hochlandes vor, wo sich Maasai-Frauen den Bau und den Erhalt ihrer Behausungen selbst verantwortlich sehen. Die Ausstellung führt vor Augen, dass es eine "andere Geschichte" der Maasai gibt - jenseits des vielfach völlig außer Raum und Zeit gehandelten Klischees des "edlen Kriegers".

In nur wenigen Monaten hat sich eine dichte Packung an experimentellen Vermitteln, neuartigen Themen, klugem Ausschöpfen des Sammlungspotentials und sich selbst und das Publikum fordernden Ansprüchen entwickelt. Für derart rabiate Konzepte eines Völkerkundemuseums neu ist Tirol nicht grade das ideale Umfeld.
Kurt Tucholsky hat mal geschrieben „Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel“. Das könnte man paraphrasierend auf die Museumsarbeit in Schwaz anwenden (beileibe nicht nur in Schwaz, dergleichen passiert regelmäßig). „Wenn bei uns einer tolle Museumsarbeit macht, dann sitzt die halbe Bevölkerung auf dem Sofa und nimmt übel.“
Im Ernst: Die Transformation, von der ich gesprochen habe, die notwendig ist, die überfällig war, hat vor der Bestellung von Lisa Noggler-Gürtler keineswegs planvoll begonnen. Daß ein wesentlicher Teil einer Sammlung aus einem von der öffentlichen Hand (mit)finanzierten Museum heraus verkauft und dadurch wieder privatisiert wurde, ist schwer nachvollziehbar. Auch scheint die rechtliche Konstruktion des Museums schwierig zu handhaben sein und öffnet Missverständnissen und Konflikten manche Hintertür. Außerdem ist das Museum unterdotiert und hat eindeutig zu wenig Personal.


Die zuständigen öffentlichen Instanzen in Politik und Verwaltung, die mit der Finanzierung der nötigen Grundlagenforschung schon ein positives Zeichen gesetzt haben, tun gut daran, das Museum und seine Leiterin zu unterstützen und mit jenem vollen Vertrauen auszustatten, die eine zentrale Grundlage guter Museumsarbeit ausmacht. Dann gäbe es bald etwas, wovon es in Österreich nicht genug geben könnte: ein Museum, das weit über die Grenzen hinaus Bekanntheit und Anerkennung findet. Und das vielleicht noch etwas mehr und anderes leistet. Kaum ein Museumstyp ist derzeit so breit in Diskussion und auch umstritten wie das sogenannte Völkerkundliche Museum. Ein modellhaftes Museum - ist das kein Motiv für (Kultur)Politiker, das Projekt energisch und nachhaltig zu fördern?
Nachdem in Wien eine erstaunlich tiefgreifende Transformation stattgefunden hat und das dortige „Weltmuseum“ im deutschsprachigen Raum ziemlich konkurrenzlos und vorbildlich dasteht, könnte im lokalen Zusammenhang ein zweiter, ein anderer Modellfall gelingen, an dem etwas Neues und Aufregendes verwirklicht wird.







Sonntag, 22. Oktober 2017

Museumsgütesiegel. Die ausgezeichneten Museen Österreichs

Auf der Webseite des Museumsbundes liest man:
"In Österreich ist der Begriff Museum rechtlich nicht geschützt und an keinerlei Auflagen gebunden. (...) Der Museumsbund Österreich hat gemeinsam mit allen mit Museumsangelegenheiten befassten regionalen Einrichtungen in den Bundesländern die Museumsregistrierung entwickelt, um Museen (...) von anderen kulturellen, museumsähnlichen Institutionen und Einrichtungen zu unterscheiden."
Der Museumsbund listet derzeit 743 Museen auf, die registriert sind und seinem Selbstverständnis nach tatsächlich Museen sind.
Gleichzeit zeichnen der Museumsbund und ICOM Österreich alljährlich besondere Museen aus, am Österreichischen Museumstag 2017 kamen eben sechs neue hinzu.
Insgesamt gibt es 254 mit dem Gütesiegel ausgezeichnete Museen. Das sind mehr als ein Drittel aller (registrierten) Museen.
Auch das Heeresgeschichtliche Museum hat ein Gütesiegel.
Das Kaiserjägermuseum hat ein Gütesiegel.
Das Museum auf der Schattenburg in Feldkirch hat eins.
Um nur die allerbesten zu erwähnen.
Österreich muß ein Museumswunderland sein.
Da das Gutesiegel seit Anfang 2000 verliehen wird, dürften um 2060 alle österreichischen Museen bestätigtermaßen qulitätvoll sein.
Wie das geht? Indem man verschieden, umfangreiche Formblätter ausfüllen läßt und eine Frage ausläßt: Worin besteht die "Güte" der Museen? Worin besteht - in der Innensicht, in der Beurteilung von außen, deren Qualität?

P.S.:
Kein Museum nach Richtlinien. Aber meinem (und nicht nur meinem) Urteil nach, eine der besten historischen Ausstellungen Österreichs: Das Franz Michael Felder Museum im Vorarlberger Schoppernau. (Foto G.F.)
Kein Museum meiner (und vieler andrer auch) Meinung nach, sondern ein politisch-ideologisch fragwürdiger, museologisch unakzeptabel veralteter , von militarismus, Opferbereitschaft und heroischer Männlichkeit geprägter Ort. der besser heute als morgen geschlossen gehörte, aber der Einschätzung von ICOM Österreich und Museumsbund überdurchschnittliche Qualität hat: das Kaiserjägermuseum am Berrgisel. (Foto: G.F.)

Freitag, 5. Dezember 2014

Der Alpenverein hat ab sofort kein Museum mehr. Die Ausstellung "Berge. Eine unverständliche Leidenschaft" hat geschlossen



Ende Oktober schloß die Ausstellung "Berge. Eine unverständliche Leidenschaft". Eine weitere Verlängerung der Ausstellung war nicht mehr möglich, weil die Hofburg die Räume für andere Ausstellungen benötigt. Der Alpenverein, in dessen Auftrag de Ausstellung entstand und dessen Sammlung den Grundstock bildete, hat ab sofort keine Ausstellung mehr, keine Nachfolge für sein Museum, das anlässlich der Übersiedlung der Zentrale aus der Stadtmitte aufgelöst wurde und das gewissermassen auf Zeit durch die Ausstellung "ersetzt" wurde. Es gibt auch keine konkreten und vor allem keine kurzfristig realisierbaren Pläne für ein neues, anderes Museum und auch eine neue Ausstellung dürfte sich nicht schnell und wenn nur mit Kompromissen realisieren lassen. Der Alpenverein ist zwar eine große Organisation, aber sein Hauptaugenmerk gilt natürlich nicht dem Museum. Trotz vorhandener Entscheidungsgrundlagen hat der Vorstand des Vereins keine Entscheidung gefällt und es verabsäumt, rechtzeitig nach der Schließung für etwas Neues zu sorgen. So könnte es dazu kommen, daß der große Verein zwar eine Sammlung besitzt, die anlässlich der Übersiedlung ein modernes Depot erhielt und nun besser denn je (im Zuge der Ausstellung) aufgearbeitet wurde, aber dass es eben beim Deponireren bleibt.

Freitag, 14. Februar 2014

Der Museum of the Year Award macht sich völlig unglaubwürdig

Das GrazMuseum wirbt seit einiger Zeit mit seiner Nominierung für den Museum of the Year Award, den das Europäische Museumsforum vergibt.
Der Preis sei dem Museum gegönnt, das so manche verdienstvolle Ausstellung in einem schwierigen Umfeld (knappes Budget, chancenlose Konkurrenz durch den Riesen Landesmuseum...) realisiert hat.
Die Dauerausstellung ein "bestes Museum Europas". Eher nicht. Aber da halte ich mich heraus, wegen Befangenheit.
Ziemlich kurios, um nicht zu sagen befremdlich ist die Nominierung eines zweiten österreichischen Museums, des Tirol Panorama und Kaiserjägermuseums in Tirol (Innsbruck). Kein anderes Museum in Österreich ist derart von Nationalismus, Militarismus, Katholizismus, Opferkult, Monarchismus geprägt wie dieses Museum. Und Schicht um Schicht wird dieser Ort bis heute verdichtet und angereichert mit Geschichte und Geschichten, die nie durchdrungen, nie aufgelöst werden und wo Geschichte wie Trümmer aus Blei unerlöst und unerledigt herumliegt.
Das Europäische Museumsforum gibt sich ziemlich bedeckt, was die Kriterien der Vergabe betrifft. The EMF Judging Panel is looking for enterprise and innovation that enhances the public quality of the museum. The judges seek to identify new developments which are likely to have a significant influence in the national and international museum field.
Nichts davon trifft auf den Innsbrucker Un-Ort zu. 
Vollends unglaubwürdig und geradezu lächerlich macht sich das EMF, wenn man ein weiteres Museum nennt, das um den Preis rittert: das Stedelijk Museum in Amsterdam.
Erstens frage ich mich, unter welchem Gesichtspunkt lassen sich die drei Museen denn überhaupt vergleichen?
Da hinkt ja jeder Vergleich, abgesehen davon, daß das Amsterdamer Museum in doch einer ganz anderen Liga spielt. Ich habe im Stedelijk die besten Ausstellungen moderner und zeitgenössischer Kunst gesehen, herausragend durch ihre Konzeption, durch die Qualität der Gestaltung, durch die Qualität der Werke und last but not least durch die offene Politik, die das Haus gegenüber den Besuchern pflegt und mir bei jedem Aufenthalt das Gefühl gegeben hat, ich und alle anderen sind willkommene Gäste des Hauses. Ein Kriterium der Distinktion, das neben den genannten jeden Vergleich mit den österreichischen Museen im Rahmen des Awards unmöglich macht, ist die Geschichte des Hauses, seine Pionierrolle vor allem unter Direktor Willem Sandberg und seine kunst-politische Positionierung. Dieses Museum soll gegen den krachledernen Andreas-Hofer-Patriotismus am Bergisel abgewogen werden und in Konkurrenz stehen mit einem wenige Monate alten lokalen, bescheidenen Stadtmuseum?

Dienstag, 9. Juli 2013

Texte im Museum 419

Tiroler Bauernhofmuseum Kramsach

Museum Tiroler Bauernhöfe, Kramsach





1974 wurde auf private Initiative das bis heute von einem Verein betriebene Museum Tiroler Bauernhöfe gegründet. In der Nähe des Ortes Kramsach, in einer landschaftlich sehr ansprechenden Umgebung, liegen, gewissermassen regional geordnet, auf einem Areal von 8 ha, diverse ländliche Bauten, vor allem Bauernhöfe aber auch eine Mühle, eine Schule, eine Brücke, ein Wasserverteiler u.a.m. Die teilweise ausgestatteten Gebäude kann man zwar betreten, meist aber nur bis in einen Vorraum. Abgesehen von Wegweisern gibt es nur kurze Beschreibungen an den Objekten selbst.


Ursprünglich in Slandinavien und als supranationale Kulturmuseen erfunden, wurden Freilichtmuseen zu typisch nationalen und regionalen Dokumentatiosnmöglichkeiten der bäuerlichen Lebenswelt, deren - problematische - Authentizität aber auch Faszination In der Transferierung ganzer Objekte liegt. Im Freilichtmuseum Stübing nördlich von Graz hat Österreich sogar so etwas wie sein einziges Nationalmuseum, einen von einer Stiftung der Bundesländer und des Bundes getragenen Ort, an dem alle Bundesländer und Südtirol in vermeintlich typischer Baukultur vertreten.