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Dienstag, 28. Februar 2012

Ein Museum - Das Inkijkmuseum in Eindhoven

Mal ein Museum, daß sich mit Schlittschuhen erreichen läßt...
...oder mit dem Rad. Zu sehen gibt es offenbar...



...in jedem Fenster was.



The Museum is located in the washhouse of the former linen factory Van den Briel & Verster on the Dommelstraat.

The original factory was shut down in 1936, after which the washhouse was abandoned for a time. It was then converted into a bicycle parking area for the city police, then into youth center Effenaar and cultural center Cultureel Centrum 2B. It was also in use as private housing at that time.

The ground floor of the building has been in use as the Inkijkmuseum since March 21, 2004. The idea of the "look-in" museum is to host small exhibits which are viewed by the public from outside the building, by looking in through the windows.

Such a micro-exhibit might consists of works of art, musical instruments, cultural anthropological artifacts or objects linked to a historical event. (Wikipedia)

Sonntag, 13. November 2011

Dienstag, 25. Oktober 2011

Neuer Direktor für das Museum für Völkerkunde in Wien bestellt


Mit der Bestellung von Steven Engelsman zum Direktor des Völkerkundemuseums in Wien ist eine interessante Entscheidung getroffen worden. Engelsman ist kein Ethnologe, sondern Mathematiker und kam über ein Wissenschaftsmuseum zu seiner Museumskarriere, die zuletzt in der Leitung des angesehenen Rijksmuseum voor Volkenkunde im niederländischen Leiden.
Er kommt aus einem Land, wo es zum Unterschied von Österreich eine strukturierte staatliche Museumspolitik gibt, in die er zum Experten für Ausgliederung wurde, ein Prozess, der in den sich in den Niederlanden nicht in bloßem verordneten Sparzwang niederschlug. Er kommt mit Erfolgen im Management von Museen nach Wien.
Von meinem letzten Besuch des Tropenmuseums in Amsterdam weiß ich, daß es aktuell eine intensive und grundsätzliche Debatte um den Status der ethnologischen Meseen gibt.
Vielleicht bringt ja der neue Direktor etwas von dieser 'anderen Museumskultur' nach Wien mit. Man darf gespannt sein und neugierig.


Donnerstag, 26. Mai 2011

Objets trouvés: Der Gipfel

Topje van de Mont Blanc in 1787 afgehakt door De Saussure. Teylers Museum Haarlem. Inventarnummer W47 M3353.
Man kann es drehen und wenden wie man will, was da auf dem Kärtchen mit der Objektbeschriftung steht, kann man nicht anders übersetzen als: Gipfelchen (topje ist das Diminutiv von top = Gipfel, und kann auch mit Zipfelchen übersetzt werden) vom Mont blanc, 1787 abgehackt (oder: abgebrochen) von De Saussure. So stehts da.
In einem anderen Museum, gleich zu Beginn des Rundganges durch das Alpine Museum in München liegt in einer Vitrine ein Geldbeutel aus dem einige Münzen herauskullern. Das war der vom Schweizer Naturforscher Horace Bénédicte de Saussure (1740-1799) 1760 ausgesetzte Preis für die erste Besteigung des höchsten Berges der Alpen, des Mont Blanc.
Saussure hatte eben erst den Doktortitel der Naturwissenschaften erhalten und war zwanzig Jahre alt. Mit 47 wird er selbst auf dem Gipfel des Mont Blanc stehen, nur ein Jahr, nachdem der Berg erstmals erstiegen wurde und begleitet "von einem Bedienten und 18 Führern". Es war dies die erst dritte dokumentierte Ersteigung des Gipfels des Montblanc und Saussure bewies durch Messungen, daß das der höchste Berg Europas sein musste.
Diese Ereignisse gelten als Ursprung des Alpinismus und als eine Zäsur in der Wahrnehmung der Bergwelt wie der Natur überhaupt.  Aber Saussures Preisgeld galt weder sportlichem Ehrgeiz noch irgendeiner Rekordsucht und auch nicht allein der Bergerfahrung um ihrer selbst willen. Seine Motive waren wissenschaftlicher Natur. Mit seiner Initiative begann die vielfältige Erforschung der Bergwelt. Doch eine nachhaltige Konsequenz seiner Ambitionen war dann auch die scheinbar von allen Zwecken freie Anstrengung in die Berge zu gehen, Gipfel, wie man so sagt, zu ‚erobern’ oder zu ‚bezwingen’, also etwas zu tun, was zunächst zur irritierenden, buchstäblich unbeschreiblichen, weil überwältigenden, später zur organisierbaren, kultivierbaren, beschreib- und wiederholbaren Erfahrung sui generis wurde.
Und wie kommt der Stein vom Mont Blanc in die Niederlande, in das Teylers Museum in Haarlem? Nun, das Museum (hier gehts zur wunderschönen Webseite dieses wunderbaren Museums) hatte eine eigene Mont-Blanc - Sammlung mit einem 1799 erworbenen Relief des Gebirges. 1802 erwarb man von Saussures Sohn diesen ausgestellten Stein. Saussure hatte angenommen, daß auf dem höchsten Berg auch das älteste Gestein zu finden sein müsse und deshalb brach er ein Stück - tja - vom Gipfel ab.

Mittwoch, 19. Januar 2011

Museumskrise. Die Niederlande

In einem launig geschriebenen Artikel berichtet Christoph Lüthy in der NZZ über den bevorstehenden Kahlschlag in der niederländischen Bildungspolitik. "Mit einem militärisch anmutenden Zangenangriff wurden da einerseits die Zuschüsse an Theater und Museen dramatisch gekürzt, anderseits wurde die Umsatzsteuer auf deren Eintrittskarten von 6 auf 19 Prozent ebenso eingreifend erhöht. Dass dies das Ende zahlreicher Museen, Orchester, Chöre und Festivals bedeuten wird, nimmt die Regierung hin."
Zugleich wird eine ganz paradoxe Wissenschafts- und Bildungspolitik betrieben. Die Niederlande sollen zu einer der fünf stärksten «Wissensökonomien» (wo man sich Museen offenbar nicht als einer ihrer Bestandteile vorstellen kann) der Welt werden, aber man denkt dran Gewinne aus der Erdgasförderung in Zukunft nicht mehr in die Forschung zu investieren. Wohin denn? Irgendwas wird man mit dem Geld ja machen?!
Wie in Österreich und anderswo (siehe die Streichung der Mittel für die Geisteswissenschaften in Großbritannien) werden besonders die Universitäten ge- und erwürgt: für jeden sogenannten Langzeitstudenten sollen, wenn es nach der Niederländischen Regierung geht 3000 Euro Strafgeld gezahlt werden, an sich schon eine tolle Idee, aber auch die Studenten sollen 3000 Euro zahlen. Ja, eine gerechte Verteilung.,
So und zum Schluß die Rechenaufgabe: fünftbeste Wissensgesellschaft der Welt bei 10 Prozent weniger Mittel für die Forschung, 15 Prozent weniger für den Unterricht und Entlassung von etwa 2500 Professoren und Dozenten.

Montag, 27. Dezember 2010

Atatürk (Texte im Museum 168)

Historisches Museum Amsterdam (2010; Foto: GF)

Über Stadtmuseen oder Wie (nicht nur anlässlich des Wien Museums) über einen sonderbar kriselnden Typ von Museum diskutiert werden könnte.

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Stadtmuseen leisten sich kleine Identitätskrisen. Das zeigten zwei Tagungen, die in jüngerer Zeit in Berlin und in Graz stattgefunden haben. Das Selbstwertgefühl dieser Museen schrumpft, wenn sie sich mit anderen, von Medien und Publikum verwöhnteren Museumstypen vergleichen und auch angesichts der schwindenden finanziellen Mittel der öffentlichen Hand. Davon sind nun gewiss nicht nur Stadtmuseen betroffen, aber es ist vielleicht kein Zufall, daß das erste bedeutendere Museum, das in Deutschland geschlossen werden sollte, ein Stadtmuseum war. Das Altonaer Museum in Hamburg war eins jener typischen lokalhistorischen Museen, die sehr heterogene Sammlungen haben und die sich chancenlos glauben im Wettbewerb gegen neue Gründungen und Konzepte.
Hamburg etwa forciert das Stadtmarketing, und das mit beträchtlicher Auswirkung auf traditionelle Institutionen (Museen, Theater, Bibliotheken, Kinderkultur), denen Einsparungen bis an den Rand des Verkraftbaren zugemutet werden, während spektakuläre, zum Teil private Initiativen, sehr hohe Summen von der Stadt bekamen. Das betraf und betrifft auch weit über Hamburg hinaus bekannte und wirkende Einrichtungen, wie das Deutsche Schauspielhaus oder die Kunsthalle.  Am Beispiel Hamburg wird auch klar, daß es nicht ums Sparen geht, sondern um ein anderes Verteilen der Mittel als bisher. Die prestigeträchtige „Elphilahrmonie“, die eine neue kulturelle Identität Hamburgs als ‚Musikstadt’ beschaffen soll, wird Unsummen bis zur Fertigstellung verschlingen. Die privaten Museen, Schiffahrtsmuseum und Ballin-Stadt, haben sehr hohe Anschubfinanzierungen bekommen und jetzt dürfte die Stadt große Mittel zum Ankauf einer privaten Sammlung zeitgenössischer Kunst locker machen. An traditionellen Institutionen wird der Rotstift angesetzt.
Hamburg ist sicherlich ein besonderer Fall – noch. Man kann an ihm lernen, wie gleichgültig und rücksichtslos eine komplett von wirtschaftlichen Imperativen beherrschte Politik werden kann. Und wie sich Hand in Hand damit ein ideologischer Wandel vollzieht, weniger aufmerksam beobachtet, weniger scharf analysiert als medienträchtige ‚skandalisierbare’ Einsparungsbeschlüsse. Lange aufgebaute kulturelle Vereinbarungen brechen weg oder werden mit einem Handstrich weggewischt und neue etabliert: der ideologisch fragwürdigen Schifffahrtssammlung einen prominenten Platz in der boomenden Speicherstadt einzuräumen und gleichzeitig die traditionellen historischen Museen auf Hungerration zu setzen, ist mehr als nur als ‚Sparsamkeit’, sondern eine zur ökonomischen parallel laufende ideologische Umverteilung.
In einer solchen Situation sind die Institutionen gezwungen, ihre Daseinsberechtigung zu überprüfen, unter Umständen neu zu formulieren und ihre Bedeutung für ihr Publikum praktisch zu beweisen. In Hamburg ist immerhin eine anhaltende Mobilisierung gelungen, die zu einer Lockerung der Sparauflagen – nicht zu deren Aufhebung – geführt hat. Noch interessanter war, daß sich jener ‚Bürgersinn’ formiert hat, dem ja die meisten der erwähnten Einrichtungen ihre Gründung verdanken. Mehr noch und weitaus freier als die der Administration unterstellten Einrichtungen selbst, können Bürgerforen zu herausfordernden Kontrahenten der Politik werden. Das zeigte sich grade an der Entwicklung der Stiftung historischer Museen (zu der das Altonaer Museum gehört und auf das der Sparimperativ ‚verteilt’ wurde, um das Altonaer Museum – vorerst – zu ‚retten’), wo sich ein offenbar nachhaltiger ziviler Ungehorsam etabliert hat. Daß nun die Koalition aus CDU und Grünen in der Stadtregierung gescheitert ist, hat mehrere Gründe, aber das Desaster der Kulturpolitik dieser Koalition hat eine Rolle gespielt. Grund zur Hoffnung?

2
Aus der Hamburger Entwicklung lassen sich eine Reihe von Lehren ziehen, keine aber, wie mir scheint, die eine Antwort auf die eingangs benannte ‚Krise’ der Stadtmuseen bietet. Das Altonaer Museum war um 1900 eine inhaltlich, medial und methodisch hochinnovative (ideologisch dagegen problematisch durchwachsene) Gründung, die weit über die Region und Deutschland hinaus Modellcharakter hatte. Von der Resonanz, die das Museum damals hatte, kann man sich kaum eine Vorstellung machen, der enorme Anfangserfolg ermöglichte sogar eine erhebliche, der Gründung rasch folgende bauliche und sammlungspolitische Erweiterung. Das Museum der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts muß ein vitaler sozialer und kultureller Umschlagplatz gewesen sein. Auf Kongressen wurde es als nachahmenswertes Beispiel herumgereicht und sein Leiter und ‚Erfinder’ wurde von weit her eingeladen, um das Museumskonzept zu erläutern.
Was es heute im Altonaer Museum zu sehen gibt (ich war erst vor wenigen Monaten und zufällig wenige Wochen vor dem politischen Entscheid, es mit Jahresende zu schließen, dort), erinnerte an diese Vitalität nicht mehr. Das war ein spärlich besuchtes Haus, durch dessen vielfältige Sammlungen kein rechter Zusammenhang, keine rechte Haltung mehr erkennbar war. Manche der Sammlungen der Museums-Gründungszeit hatten sich wie Denkmäler ihrer selbst erhalten, interessant anzuschauen für jemanden wie mich, der an der Geschichte von Museen interessiert ist. Sperrige, unklare Übergänge, offensichtlich fragmentierte Ausstellungsteile vermittelten den Eindruck, daß das Museum ein Notprogramm fuhr, was dann auch durch eine kleine Ausstellung bestätigt wurde, in der der politische Umgang mit dem Museum direkt thematisiert wurde.
Einerseits war das eine schon recht verzweifelte Aktion, in die die Ohnmacht des Museums eingeschrieben war, direkt aus dem Museum heraus gegen die Förderpolitik zu polemisieren. Andrerseits warf der in Form einer Ausstellung erhobene Notschrei der Kuratoren die Frage auf, warum das Museum offenbar alleine war oder sich alleingelassen fühlte und (bis dahin) keine öffentliche Mobilisierung angestoßen hatte.
Diese setzte ein, als es ernst wurde und der alle überraschende Schließungsauftrag erteilt wurde - jetzt mobilisierten das Museum u n d die Bevölkerung. Und mit Erfolg. Jetzt entstand jene zivilgesellschaftliche Öffentlichkeit, die auf die Bedeutung des Museums hinwies, zum Beispiel auf die Funktion des Museums als lokal bedeutsamer kultureller und sozialer Raum, wo die Erinnerung an Altonas kommunale Selbständigkeit (zur Zeit der Museumsgründung) in Form eines wiedererwachenden lokalen Geschichtsbewußtseins erneuert wurde. Mit welcher Nachhaltigkeit das alles ausgestattet ist, das wird man sehen.

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Wenn ich über Stadtmuseen nachdenke und über Ihre Besonderheit, also auch darüber, worin ihre ‚besondere’ Krise denn liegen könnte, dann denke ich am ehesten genau an diese Wechselbeziehung von Museum und gesellschaftlichem Umfeld. Jedes Museum hat sein Publikum, hat es vielleicht organisiert, in Museumsvereinen, hat möglicherweise Veranstaltungen, Events usw., um es an sich zu binden, seine Loyalität zu pflegen. Aber bei keinem Museumstyp ist diese Wechselbeziehung so zwingend, wie bei den Stadtmuseen.
Einer meiner kunsthistorischen Lehrer hat das Wiener Kunsthistorische Museum (und er meinte es sicher nicht herablassend), ein „gutes zweitklassiges“ genannt. Gemeint war damit die Sammlung, ihre Bedeutung im Kanon der kulturellen Werte. Da hat dieses Museum nun mal nicht jene Dichte an erstrangigen Gemälden und nicht jene Repräsentativität der diversen Epochen und Schulen wie etwa die National Gallery in London oder der Madrider Prado.
Was ich damit sagen will, dieser Museumstyp hat ein Bezugssystem, das außerhalb jeder politischen Topografie liegt und das allein seine Situierung im Feld der kulturellen Werte bestimmt. Selbstverständlich ist es (auf eine widersprüchliche Weise) das ‚österreichische’ (und damit eine Art ‚nationales’) Museum, aber es könnte seinen ‚Platz’ wechseln, ohne daß dessen Bedeutung Schaden nimmt. So wie es ja auch neuerdings geschieht und der Louvre (Teile davon) nach Dubai geht oder die Eremitage nach Amsterdam. Das ist denkbar. (Das wäre auch bei einem technischen Museum denkbar, bei einem naturhistorischen usw.).
Sich das Musée Carnavalet nach Stockholm oder das Amsterdams Historisch Museum nach Dresden versetzt zu denken, wäre blanker Unsinn. Diese Museen sind mit dem ‚Ort’, an dem sie sich befinden in einer so vielfältigen Weise verbunden, daß sie auch nur an diesem Ort Sinn machen.
Umgekehrt kann man sich fragen, ob man es dem ‚Ort anmerken würde’, wenn diese Museen einfach verschwinden würde – würde man es Paris oder Amsterdam anmerken, oder Altona? Oder Wien? Andersrum gefragt: spiegeln diese Museen etwas von den für ihre Existenz notwenigen sozialen, topografischen, historischen, politischen usw. Kontexten dem Ort zurück, der Bevölkerung, ihrem Publikum?

Wenn ich in Paris bin, versäume ich es möglichst nie, ins Musée Carnavalet zu gehen. Das hat sehr viel mit einer besonderen Art von Nostalgie zu tun, mit der einem Geschichte hier entgegentritt. Das von einem Massenpublikum verschonte, ein wenig verträumte, ausstellungstechnisch altmodische Museum, habe ich als ein Puppenhaus der Vergangenheit in Erinnerung. Es ist ein Gang durch die bekannte Enfilade der kulturgeschichtlichen Epochen, die mit der für viele Stadtmuseen typischen Exponatklasse instrumentiert wird, die aber auch eine ihrer Hypotheken ist. Möbel und Kleider, Kandelaber und Degen, Tafelsilber und Memorabilia, Gemälde und Stiche, Rüstungen und Porzellan, Ansichtskarten und Schreibtische, Geräte und Uhren...
Der leise Ton der vergangenen und beruhigten Zeiten liegt auch über jener Epoche, die so ganz und gar das Gegenteil von ruhig und beherrschbar war. Die wenigen Räume, die der Großen Revolution gewidmet sind, erzählen sie aus der Perspektive der kleinen Dinge. Die Aktentasche Bareres, die Bastille als Nippes, der Abbruch einer Kirche als Kabinettstück. Die Revolution – ein kunstgewerbliches Arrangement mit nostalgischem Charme.

Nicht viel anders ging es mir kürzlich in Amsterdam. Auch dieses Stadtmuseum besuche ich immer und immer wieder. Und jedesmal bin ich von der komplizierten Wegführung veblüfft und eingeschüchtert, die einen durch vier (oder mehr?) Geschosse führt, auf und ab, bis man jede Orientierung verwirrt hat und sich mit eiserner Entschlossenheit dem Leitsystem ausliefern muss, will man nicht verloren gehen zwischen den Gruppenporträts des ‚Goldenen Zeitalters’, der Darstellung der langsamen ‚Landnahme’ der Stadt an der Amstel oder der bemerkenswert ausführlichen Dokumentation der sozialfürsorglichen Institutionen der historischen Zeit.
Für hartnäckige Museumskunden läßt sich, wenn man zwischen den Zeilen liest und die fordernde Qualität der Gemälde gegen den Strich liest, manches erfahren über die sozialen und politischen Grundlagen des Goldenen Zeitalters, darüber, daß etwa fünf Familien die Niederlande ‚regierten’, oder daß in Amsterdam die größte Schiffswerft der Welt stand, die potenter war als das Arsenal in Venedig wo man immerhin zeitweilig ein Schiff pro Tag fertigstellen konnte. Da kann man, wenn man scharf aufpasst, weit auseinanderliegende Informationen zusammenfügen, etwa, daß die mindersten, gesundheitsschädlichen Arbeiten in der Werft von Waisen verrichtet wurden, die gegen Geld vermietet wurden. Das relativiert dann ein wenig den Glanz der Münzen, die den Altruismus des Bürgertums auf großformatigen Gemälden feiern.
Nur – was hat das mit Amsterdam zu tun?

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Ist das die Stadt, die ich besuche? Ist das die Stadt, in der die Amsterdamer leben. Schön, ganz am Schluß des Rundganges (wenn man sich bis dahin nicht im Labyrinth der Räume verheddert hat), da kommen die vor, die Amsterdamer, in ihrer ethnischen, dem Kolonialismus geschuldeten Buntheit, mit ihren Geschichten, ihren Ansichten, ihren Sorgen. Gleich daneben geht’s dann auch (ein ganz klein wenig) um Drogen, um den Verkehr, die Stadtplanung und – Ajax Amsterdam. Ich lerne (in einem Kurzfilm, der zugleich ein schönes Stück Kulturgeschichte des Fußballs darstellt), daß das ‚niederländische System’ den Spitzen-Weltfußball prägt. As you may know: Bayern München, FC Barcelona...
Das wahre Stadtmuseum finde ich (diesmal) in einem ganz anderen Museum, das allerdings auch ‚Stadt’museum heißt, aber eigentlich ein (eins der bedeutendsten) Museum Moderner Kunst ist. Die nagelneue Direktorin hat sich entschlossen, die wegen Umbau und neuem Zubau jahrelange Schließzeit des Stedelijk Museum kurzfristig zu unterbrechen. Es gibt im Haus eine Reihe von Installationen, den großen Saal im Stockwerk hat Barbara Kruger mit einer ihrer monumentalen Textinterventionen erobert. In ihrer Nachbarschaft gibt es einige interessante, witzige, bemühte Reflexionen des Museums als solches. Roman Ondrak läßt die Besucher vermessen, Luise Lawler hat aus den Namen ihrer männlichen Künstlerkollegen ein irrwitziges Vogelgezwitscher collagiert und Willem de Rooij hat, nachdem er das 1993 schon mal gemacht hat, 2010 noch einmal die leeren Ecken der Ausstellungssäle fotografiert...
Im Erdgeschoß aber sind unter dem Titel Monumetalism Arbeiten von in Amsterdam lebenden, jungen Künstlerinnen und Künstlern zu sehen. Was für eine Ausstellung! Keines der großen und brennenden Zeitthemen wird ausgespart, Nationalismus, die Ökonomie des Kleptokapitalismus, Alterität und Identität, die Traumata der Kolonialzeit, postkommunistische Erinnerung. Und all das in ästhetisch wie intellektuell fordernden, vielschichtigen Arbeiten. Eine Ausstellung, die derart dicht an der Zeit, so ermutigend reflexiv agiert, habe ich noch nie gesehen.
Sicher, die Ausstellung könnte auch in München oder in Mailand gezeigt werden, aber es ist, jedenfalls war es das für mich, auch eine Ausstellung, die etwas über die Stadt Amsterdam (vielleicht über Stadt überhaupt) aussagte: über die Kraft und das (künstlerische) Potential, Gegenwart analytisch zu erfassen und zur Diskussion zu stellen.
Das hier war das Amsterdamer Stadtmuseum. So stelle ich mir ein Stadtmuseum (auch) vor.
Und noch in einer anderen Hinsicht war die Ausstellung bemerkenswert. Monumentalism verhandelte, wie ihr Untertitel bedeutete, Geschichte und nationale Identität in der zeitgenössichen Kunst und – sie bestand (als ein jährlich wiederkehrendes Ausstellungsritual) aus den „Proposals for Municipial Art Acquisitions 2010“, war also die Ausstellung, die, von der Stadt Amsterdam gefördert, die – öffentlich sichtbare und zur Diskussion gestellte – Grundlage der Erwerbungen des Stedelijk Museum 2010 bildete.
Die Ausstellung realisierte also ein Stück weit jene einzigartige Beziehung von Museum, Ort und Öffentlichkeit, die Stadtmuseen womöglich ausmacht – und das aktiv und von sich aus und auf den Ebenen Werk, Zeitbezug und Kommunikation zugleich.
So einfach / schwierig kann’s sein...

Sonntag, 24. Oktober 2010

Das Museum als Text / Der Text als Museum (Texte im Museum 131)

Barbara Kruger, Stedelijk-Museum 2010

Goldene Zeit mit bleiernem Hintergrund

Cornelis de Man: Walfangstation auf Amsterdam Island/Smeerenburg in der Nähe von Spitzbergen, 1639

Der Kaufmann der Ostindien Compagnie Jacob Mathieusen mit seiner Frau und einem Sklaven; c. 1640-1660
Henrik van Schuylenburg: Faktorey in Hugley. 1665. Hugley war eine Niederlassung der Ostindischen Compagnie in Bengalen und lag am Ganges. Die Ostindische Compagnie war damals das größte Handelsunternehmen der Welt.
Die Erwartung an die interimistische Ausstellung, die das Rijksmuseum während der Jahre seiner Schließung und kompletten Renovierung weckt, sind die einer Perlenreihe der Meisterwerke der niederländischen Malerei, eine Quintessenz der Sammlung. Schließlich gilt es das touristische Interesse zu bedienen und die Einnahmen nicht ins Bodenlose fallen zu lassen. Zum Preis eines normalen Museumseintritts kann man nun in etwa einem Dutzend Räumen tatsächlich das Erwartete sehen, Rembrandt, Vermeer, de Hooch, Hals, Ruisdael, Steen und so weiter.
Die Überraschung ist der Auftakt, der dem ganzen einen Rahmen gibt und der daran erinnert, daß das Rijksmuseum nicht nur ein Kunstmuseum sondern auch ein nationales historisches Museum mit einer einschlägigen Sammlung ist.
Im Gestus eines Geschichtsmuseum wird in den ersten Räumen eine Skizze dessen gegeben, was das "Goldene Zeitalter" der Niederlande ausmachte:
 die Seemacht, der Fernhandel, die Kolonisierung entlegenster Gebiete, die Unterwerfung oder Versklavung der dortigen Bevölkerungen, geschickte Bündnispolitik, die den Kleinstaat lange Zeit in prekärer Balance zwischen den Großmächten hielt, ein Regime der wohlhabenden (männlichen) Bürgerschaft, die jederzeit militant ihre Privilegien und ihren Status zu verteidigen bereit war aber und effizient zu ihrem Vorteil verwaltete.
Nirgends entwickeln die Ausstellungsmacher den Ehrgeiz, aus der Ansammlung von Trophäen und Dokumente eine Gegenerzählung gegen den nationalen Mythos des "golden" genannten Zeitalters zu machen. Aber die Exponate selbst mit ihrer knappen Beschriftung genügen, um einem etwas von der 'anderen Seite' der Macht sehen zu lassen.
Seestücke, als Memorabilia für gefallene Admiräle sind eben auch Dokumente eines Gemetzels unter Schiffen, bei denen alles auf dem Spiel stand; ein Bürgerporträt eines Funktionärs-Ehepaares der Handelsgesellschaft zeigt auch deren Leibsklaven; die minutiöse Schilderung einer kolonialen Siedlung zeigt diplomatische wie gewaltförmige Aspekte der Aufrechterhaltung der Macht und die Instrumentalisierung der Einheimischen für deren eigene Unterdrückung.
Die beispiellose Brutalität, mit der innere Konflikte ausgetragen wurden, wird in einem ebenso beispiellosen Gemälde dokumentiert, das die gefolterten, verstümmelten, ausgeweideten und aufgehängten Körper von Cornelius und Johan de Witt in einem beängstigend beklemmenden Nachtstück zeigt, mit demselben Realismus unbestechlich festgehalten, der die niederländische Malerei jener Zeit so berühmt macht.
Diese hoffnungsvolle Nachwuchskraft malte Bartholomeus van der Hulst 1642. Gerard Bicker wird in die damals mächtigste Familie Amsterdams geboren. Etwa Zehn Patrizierfamilien halten die Macht in der Stadt und in den Niederlanden.
Einige Schritte weiter findet man ein Bild, das eine der schmutzigen, fernen und unsichtbaren Bedingungen des Glanzes zeigt. Ein Gemälde schildert detailversessen eine Walfangstation auf Spitzbergen. Im Meer prustet ein Wal noch Wasser hoch, aber im Vordergrund, am Strand wird schon einer in Stücke geschnitten und im Zentrum des Bildes wird eine Art vorindustrieller Fabrik gezeigt, Fließbandarbeitsplätze im Freien, wo Männer mit dem Zerteilen und Zurechtrichten des Fisches beschäftigt sind. Riesige gemauerte Kessel zum Kochen der Fischteile sieht man, oder die Abfallentsorgung an streunende Hunde, und alles in einer von Schornsteinen und düsterer hügeliger Umgebung geprägter Atmosphäre.
Obwohl dann, im Stockwerk darüber, die Hochkunst ganz bei sich sein darf und die Kunsthistoriker-Texte kaum über die Angaben über Lage des Horizonts, Strich des Pinsels oder Würdigung bestimmter Malweisen hinauskommen, verschiebt sich die Wahrnehmung dennoch. So manches Porträt ist dann eben nicht nur ein malerisches Glanzstück eines glanzvollen Malers, sondern das Dokument patriarchaler, auf Reichtum gegründeter Macht, des Luxus einer kleinen Kaste von Händlern und Geschäftsleuten, des Repräsentationsbedürfnisses von Männern und Männerbünden, deren Eitelkeit heute auch schon mal lächerlich wirken darf. Plötzlich kontrastieren die berühmten Interieurs als detaillierte Schilderungen eines ganz und gar weiblichen Haushaltes mit den offiziös-bombastischen Gruppenporträts.
Gerrit Adriansz Berckheydes Ansicht der Herrengracht - ein besispiellos sachlicher Blick auf eins der größten Immobilienprojekte des Goldenen Zeitalters und der Erweiterung Amsterdams
Und die zwei kleinen Bilder mit der Dokumentation der Herrengracht verdanken ihre unglaubliche Sachlichkeit wohl nicht nur einem Stilwillen eines bestimmten Malers, sondern auch einer Nüchternheit und Rationalität, die diese Veduten komplett vom heutigen romantisierenden Amsterdam-der-Grachten-Blick unterscheidet. Wie ein heutiger Immobilienprospekt zeigt das Gemälde den kostbarsten Baugrund der Stadt und den Fortschritt der aktuellen Bebauung. Fast schmucklose, wiewohl ansehnliche Häuser stehen hier aneinandergereiht, in ökonomisch effizienter Nutzung des kostbaren Baulandes. Rasch werden sich auch die wenigen sichtbaren Baulücken geschlossen sein. Die Molen sind baumlos. Das Wasser ist ein Kanal, der den Transport der Waren erlaubt, die auf der Mole gestapelt sind. Nichts sonst, auch nicht eine Person. Alles unüberbietbar versachlicht.
Solche und andere Werke lassen sich mühelos doppelt lesen: als Dokumente der (Sozial)Geschichte wie der Geschichte ihrer absichtsvollen Repräsentation, aber auch als symptomatische Dokumente, die gleichermaßen ästhetisch faszinieren, wie überraschende Aufschlüsse vermitteln.
Der historische 'Vorspann' ist ganz selbstbewußt unter dem Titel "Weltmacht" zusammengefasst, dennoch betreibt er nicht nur die Affirmation einer historischen 'goldenen Zeit'. Jedes einzelne der Exponate läßt sich so oder so lesen. Der unglaublich kostbare Pokal, der dem siegreichen Admiral von der Stadt gestiftet wurde, ist nicht nur ein Zeugnis höchster Kunstfertigkeit, er macht auch deutlich, wie - buchstäblich - kostbar ein solcher Seesieg war. Das Gemälde, das das neue Rathaus zeigt, einen Bau von unglaublichem Volumen, entpuppt sich beim genaueren Studium des 'Gegenstücks' als Dokument der Transformation des Politischen. Das Gemälde des kleinen mittelalterlichen Rathauses, sichtlich vom Verfall gezeichnet, war mit seinen Arkaden (wie viele Rathäuser in jener Zeit in ganz Europa), Brennpunkt der städtischen Öffentlichkeit. Hier fanden Gerichtsverhandlungen statt - vor dem Volk, hier war die 'Börse' und hier war der Sitz der Verwaltung und des Bürgermeisters. Das bombastische neue Rathaus dagegen ist ein abweisendes Gehäuse für nichtöffentliches Verwalten und für elitistische Politik.
Willem van de Velde: Die Seeschlacht von Terheide, 1653. Die zwei Eckpfeiler des "Goldenen Zeitalters": Die Seestreitkräfte - die größten der damaligen Welt und die Ostindische Compagnie
Eine Studie für den Porträtkopf eines Admirals verweist auf ein ziemlich einzigartiges Monument in der Hauptkirche Amsterdams: Die Würdigung, die dem in einer Seeschlacht vor Syracus (dem sizilianischen heutigen Siracusa), zuteil wurde, läßt sich in der Ausstellung allein gar nicht ermessen. Er wurde in der Nieuwe Kerk bestattet, aber in einem gewaltigen architektonischen und figuralem Aufbau, der an der Stelle platziert wurde, wo der Hochaltar hätte stehen sollen. Damit nicht genug. Unter dem wie ein Altar dreiflügelig gegliederten Aufbau des Grabmals, befinden sich in einer vom Chorumgang aus sichtbaren 'Reliquienschreine'. Die Sicherung der politischen Autonomie und des Welthandels durch militärische Stärke muß das höchste Gut gewesen sein, sonst wäre eine solche Invertierung des Politischen ins Religiöse, die Stilisierung eines Militärs zum Erlöser, nicht verständlich.
Das Wenige, was sich über das dann 'neue' Rijksmuseum derzeit erfahren läßt, protzt mit Quantitäten: Erweiterung der Ausstellungsflächen, auf denen etwa 7000 (!) Objekte gezeigt werden können; aber es wird auch angedeutet, daß die hier im überschaubaren Maßstab eines starken Dutzends von Räumen (wie angenehm, einmal in einer so 'handlichen' Ausstellung zu sehen) gezeigte Durchdringung von historischer und ästhetischer Perspektive beibehalten werden könnte. Die Ausstellung zeigt, wie mit sparsamsten Mitteln, das heißt mit Verzicht auf lange Texte und bemühte Pädagogisierung allein durch Wahl, Hängung und - knappste, gezielte - Betextung, vielfache Wechselbeziehung zwischen Werken und Deutungsmöglichkeiten entstehen können.
Wer tiefergehende Informationen sucht, wird auf der  - technisch tadellosen - Webseite des Rijksmuseum und der Ausstellung fündig. Gleichsam aufeinandergestapelt, mit den einfachsten Informationen ganz 'oben', kann man sich gut in Historische oder Kunsthistorische Fragen einlesen, die hervorragenden und ausreichend großen Reproduktionen nutzen, diverse Register und die Suchfunktion zum Stöbern nutzen und last but not least Texte auch hören.
Bartholomeus van der Helst: Schützenmahlzeit zur Feier des Friedens von Münster, 1648. Dieser Frieden bedeutete die Anerkennung der politischen Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Niederlande.

Freitag, 22. Oktober 2010

Der Museumsshop als eigenständiger Dienstleistungsbetrieb

Der Museumsshop als eigenständiger Dienstleistungsbetrieb. Der Pavillon mit dem gemeinsamen Shop des van Gogh Museum und des Rijksmuseum

van Gogh Museum Amsterdam

"Geld", sagt der Kurator eines großen Amsterdamer Museums, "sollen wir über Geld reden?". "Gibt es denn ein Problem damit?". "Nein". "Das habe ich schon lange nicht mehr gehört. Wenns kein Problem damit gibt, brauchen wir auch nicht darüber zu reden." "Na ja. Wir haben eine neue Regierung." Er schaut mich fragend an. "Wer weiß was da kommt."
Ein paar Stunden davor ein Besuch im van Gogh Museum. Schon kurz nach der Öffnung haben sich kleine Schlangen gebildet, obwohl mehrere Kassen offen sind und man flott ist. Auch die Sicherheitsschleuse, die es auch in anderen Museen hier gibt, hat man rasch passiert. WelcheÄngste hat man hier?

Ich war schon lange in keinem Museum mehr, wo man schon im Foyer merkt, daß man in einem Museum ist, hier deswegen weil der Blick in den Ausstellungsraum freigehalten ist.
Gerrit van Rietveld, der Architekt des Museums, hat offene Räume geschaffen, um einen lichten Hof gruppiert, klar und komplex zugleich und Bildern und Publikum eine Bühne mit vielerlei Auftrittsmöglichkeiten bietet. Immer wieder bleibe ich stehen, um mir die Treppe anzusehen. Sie arbeitet sich in einer Ecke des Lichthofes hoch, frei um einen Pfeiler hochgeführt. Die Konstruktion und Ästhetik erinnert ein wenig an einen Sprungturm eines Freibades und ganz oben gibt es auch eine Plattform, die wie ein Sky Walk in den Raum ragt.
Große Fenster zur Stadt lassen viel natürliches lIcht herein, das sich mit dem Kunstlicht geschlossener Ausstellungsteile mischt. Der Raum ist großzügig ausgelegt, die Besucher verteilen sich locker, nur dort wo relativ schmale Zugänge an Raumecken freigehalten sind, gibt es Stau, erst recht, wenn da gleich die "Kartoffelesser" hängen.

Vor dem großen Text mit dem Foto eines Sebstporträt van Goghs läuft ein wie es scheint permanentes Ritual: Frauen werden hier von ihrer Begleitung fotografiert. Als wär das die Fontana Trevi. Der Repro-van Gogh, allgegenwärtig nicht nur im Shop, darf für ein solches Ritual genügen.
Geld. Soll man hier, im van Gogh-Museum, über Geld reden? Kaum. Die Museumskrise, wenn es je eine echte geben wird, wird viele Museen verschlingen, aber das van Gogh Museum wird es so lange geben, wie sich Japaner, Amerikaner, Spanier, Brasilianer, Österreicher, Luxemburger, Inder, Schweizer die Fahrt nach Amsterdam leisten können. Konjunkturischerer ist kaum ein Museum. Allerdings gibt es da ja den Zubau und der wird für Sonderausstellungen genutzt, auch für solche, die wenig bis nichts mit van Gogh zu tun haben. Zuletzt habe ich hier eine Ausstellung über Max Beckmann's Zeit des Exils in Amsterdam gesehen, eine sehr informative Ausstellung mit einer Vielzahl eindrucksvoller Bilder.
Kann man aus der Existenz dieser 'Expositur fürs Ephemere' schließen, das auch ein van Gogh-Museum Dauerausstellungen benötigt, um Besucher immer neu zu motivieren und zu mobilisieren? Reichen die T-Shirts, Moleskine-Notizbüchlein, Puzzle, Halstücher mit Lilien und Blumen nicht, um das Museum zu erhalten.

Und wie geht es van Gogh selber, in seinem Museum? Schwer zu sagen. Die Dauerausstellung ist chronologisch gegliedert, folgt der Topografie, die das Leben des Malers gezeichnet hat und interveniert gelegentlich mit Biografischem, Zitate aus den Briefen, Äußerungen von Freunden, Fotografien - worunter die zu Plakatgröße aufgeblasene, die van Gogh während der Zeit seiner malerischen Betätigung zeigt, wie es heißt und die als solche die einzig erhaltene ist, symptomatisch gelesen werden darf. An einem Fluß in einer Vorstadt sitzt van Gogh einem seiner Malerfreunde auf einem Klappsessel gegenüber, in eine Gespräch vertieft. Er kehrt dem Betrachter (und Fotografen) den Rücken zu.
Das Museum kann mit vielen Werken aus der eigenen Sammlungen einen kunstgeschichtlichen Kontext darstellen und damit das Klischee des nie akademisch ausgebildeten 'Naturgenies' zurechtrücken. Anregungen, Effekte auf zeitgenössische Malerei können an erstrangigen Werken gezeigt werden. Doch Vorurteile Biografie und Werk betreffend und die Kanonisierung eines Werkes, oder soll man sagen - seine andauernde Rehabilitierung im Kanon der Hochkunst der Moderne verstellen einem eher den Blick.

Wie man in der Van-Gogh-Museumsmaschinerie noch zu einem eigenen Blick kommen kann, weiß ich nicht. Selbst die Kinder werden zum Van-Gogh-Malen angehalten. Und last but not least: die Museen arbeiten mit ihrem marketing und ihren Gadgets und Nippes in den Shops selbst an jener infantilisierenden Sicht der Dinge, die sie als Agenturen bürgerlicher Hochkultur von innen her anfrisst wie ein Hausschwamm. Wer Sonnenblumen-T-Shirts sät wird Jungs in Sonnenblumen-T-Shirts ernten, die vor Sonnenblumenrepros Teenies in Sonnenblumen-T-Shirts knipsen.
So schrecklich wird das ausgehen. Jawoll.

Ein bisschen Geschichte... (Texte im Museum 128)

Edutainment

Schon im dem Museum benachbarten Cafe mehr Kinder als Erwachsene. Aber das Maritim Museum Rotterdam ist kein Kindermuseum. Im Foyer des Museums dann fast nur Kinder. An langen Tischen basteln und malen sie. Die Orientierung ist leicht. Eine Rampe erschließt die Stockwerke. Das erste ist dem Hafen gewidmet der mit einem saalgroßen Modell und die Wände bespielenden Filmprojektionen vorgestellt wird. Dann ein wenig Geschichte der Schiffahrt, mit den üblichen Verdächtigen bestritten: Modelle, Fragmente, Werkzeuge, Gemälde, Dokumente, Bücher. Der offene Raum ist mit Stellwänden unterteilt, die ein wenig wie Staffeleien gestaltet sind. Hier eine echte Prinzessin im Tonfilm, dort eine kleine Vitrine zur Sklaverei, 1 Text, 1 Objekt.
Noch ein Stock höher eine extra Abteilung nur für Kinder, eine Mode-Ausstellung, die um 'maritime' Bekleidung kreist, aber weder historisch plausibel ist noch als 'Modenschau'. Daneben eine zweite Wechselausstellung zur Organisation der Handelsschiffahrt, so langweilig, wie man eine solche Ausstellung nur machen kann. Bild-Text-Dokument-Bild-Text-Dokument…
So, da waren wir also schon im Maritimen Museum gewesen. - Nicht ganz. Denn vorm Museum gibt es einen Leuchtturm, Leuchtbojen und vor Anker liegende, betretbare Schiffe.
In den Niederlanden gibt es eine lange Tradition solcher explizit didaktischer Museen, die eher für ein jugendliches (schulisches) Publikum gedacht sind. Ich erinnere mich an den lange zurückliegenden Besuch des Museon in den Haag, das ja als Schulmuseum gegründet wurde, und daß mich ob der Naivität seines pädagogischen Anspruch schon damals perplex gemacht hat.
In Rotterdam war ich eher frustriert, fühlte mich getäuscht. Ein Museum wie ein Kinderbuch, hier ein nettes Objekt, dort was zum Klappen, Drehen, Schauen, hier ein bisschen echte Prinzessin.

Im Museumsladen bin ich in die Falle getappt. Ich frage nach einer Publikation zum Museum. Gibt es nicht. Der Ladenbesitzer erklärt mir wortreich, es gibt Ausstellungen und Kataloge dazu, das Museum zeige halt nicht alles was es hat usw. Wir kommen auf keinen grünen Zweig. Doch, ja, vor zwei Jahren sei ein kleines Büchlein erschienen. Man bringt mir das Heft strahlend und überreicht es mir. "Ist gratis". Und handelt von einem der Museumsschiffe vor der Tür.
Solche Museen müssen keine historische Identität ausbilden, wahrscheinlich brauchen sie überhaupt keine, es sind bestenfalls Orte des Edutainments, die ab und zu in ihrem Design und mit neuesten Medien aufgefrischt werden müssen, um ihre Funktion der unterhaltenden und zerstreuenden Belehrung gerecht zu werden.
Ich hätte besser auch malen sollen.

Samstag, 17. Juli 2010

Fundsache: "Hat Saussure den Gipfel des Mont Blanc nicht nur bestiegen, sondern auch geklaut?"









Man kann es drehen und wenden wie man will, was da auf dem Kärtchen mit der Objektbeschriftung steht, kann man nicht anders übersetzen als: Gipfelchen (topje ist das Diminutiv von top = Gipfel, und kann auch mit Zipfelchen übersetzt werden), vom Mont blanc 1787 abgehackt (oder: abgebrochen) von De Saussure.
Und dann sieht dieser im Teylers Museum in Haarlem ausgestellte Stein auch noch so aus, als wäre er die Spitze...
Der Schweizer Naturforscher Horace Bénédicte de Saussure hatte, im Alter von 20 Jahren, 1760 einen Preis für die erste Besteigung des höchsten Berges der Alpen, des Mont Blanc, ausgesetzt. Mit 47, nach mehreren vergeblichen Versuchen, wird er selbst auf dem Gipfel des Mont Blanc stehen, nur ein Jahr, nachdem der Berg erstmals erstiegen wurde. Es war dies die erst dritte dokumentierte Ersteigung des Gipfels.

Das Teylers Museum (hier gehts zur wunderschönen Webseite dieses wunderbaren Museums) hatte eine eignene Mont-Blanc Sammlung mit einem 1799 erworbenen Relief des Gebirges. 1802 erwarb man von Saussures Sohn diesen Stein. Saussure hatte angenommen, daß auf dem höchsten Berg auch das älteste Gestein zu finden sein müsse und deshalb brach er ein Stück - tja - vom Gipfel ab.