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Sonntag, 8. April 2012

Even dead animals need love - Clara und Huberta

Clara wurde 1738 in Bengalen geboren und starb 1758 in London. Im Alter von 13 Jahren betrat sie in Rotterdam europäischen Boden. Im Alter von etwa einem Monat wurde ihre Mutter getötet und von Jan Albert Sichtermann, Leiter der örtlichen Ostindischen Kompanie, adoptierte. Der zähmte sie und verkaufte sie an den Kapitän Douwe Mout, der sie nach Rotterdam brachte.
Clara war das erste Nashorn, das eine solche Verfrachtung nach Europa lange überlebte. Schon in Bengalen gezähmt wurde es mit einem Karren auf Tour geschickt und entgeltlich gezeigt, in Venedig, wo es ein unbekannter Maler auf einem Gemälde darstellte, in Hamburg, Hannover, wo es als hässliches Tier angepriesen wurde, am Jahrmarkt in St. Germain in Paris, wo es wieder zur Ehre eines großen Porträts kommt, das der Hofmaler Jean-Baptiste Oudry anfertigt, Berlin, wo es Friedrich II. besichtigte oder Wien, wo der Besitzer und Schausteller in den Adelsstand erhoben wurde.

Pietro Longhis Gemälde mit der Darstellung des Rhonzeros, ausgestellt in Venedig. (1751)

Ein Flugblatt von 1746 annoncierte das Tier unter anderem so. "Dieses Rhinoceros Nasen-Horn, oder wie es auch sonsten genennet wird, Elephanten:Meister, verdienet von Jederman gesehen oder betrachtet zu werden, weilen es wohl das erste von dieser Sorte ist so jemahlen, will nicht sagen in Teutschland, sondern gar in gantz Europa lebendig gesehen worden. Gegenwärtiges Wunder-Thier ist in Asia in der Landschafft Asem unter die Herrschafft des Groß-Moguls gehörig, mehr als 4000. Meilen von hier entlegen, mit Stricken gefangen, als zuvor die Mutter von den schwartzen Indianern, mit Pfeilen todt geschossen, und wellen es damahlen erst einen Monat alt gewesen, gantz zahm gemacht und gewöhnet worden, in denen Zimmern, wo Damen und Herrn gespeiset, zur Curiosität um den Tisch zu laufen."

Flugblatt zur Ausstellung in Hamburg. 1744

Offenbar gab es schon so etwas wie Merchandising, denn von Venedig, wo das Nashorn zum Karneval gezeigt wurde, waren bald mitgebrachte Souvenirs ausverkauft.
Auf einer Tour nach London verstarb Clara. Der Erhalt eines präparierten Tierkörpers von solcher Größe war damals nicht möglich.

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Hubert (noch), auf Wanderung, 1928 fotografiert

Hubert wanderte auch kreuz und quer, aber freiwillig. Hubert das Flußpferd stammte aus KwaZulu Natal, einer Region Südafrikas und als man begann seine Spur zu verfolgen, die durchs Land führte, sollte es etwa zweieinhalb Jahre dauern, bis man dem zum 'national pet' und 'the union's most famopus' gewordenen Medienstar fand. Tot im Fluß treiben, ermordet!, vermutlich von Jägern. Das war im April 1931.

Hubert / Hubertas Fußspuren, 1929 von der Polizei 'verfolgt'

Der Direktor des Amathole Museums erwarb die sterblichen Überreste von Hubert und entdeckte, daß es sich um ein weibliches Tier handelte, also ab nun um 'Huberta'.
Zum fachgerechten Präparieren wurde die Haut nach London geschickt, wo das Resultat der 'museealen Wiederbelung' temporär ausgestellt wurde, zuerst In Hong Kong, dann in London.

"To some Hindus in Kwa-Zulu Natal, Huberta was a protected animal.  When she arrived near Annerly on the South Coast, the local Indians are said to have ceremonially deified her.  According to contemporary accounts, she was proclaimed "Protector of the Poor" in a service in the Hindu temple.  After her death, prayers were again said for her in the temple. To many, Huberta was the home of "a mighty spirit".  Some Zulus believed the hippopotamus to be the reincarnation of Tshaka.  The Mpondo apparently thought her to be the spirit of a famous traditional doctor, descended from a survivor of the wreck of the Grosvenor.  Some Xhosa felt the animal was the spirit of a great chief - perhaps even Sandile or Hintsa - who had returned to find justice for his people." (Webseite des Amathole Museum)

Huberta_Memorial mit Karte der - 1600 Kilometer langen - Wanderung

Huberta war mit ihrem Tod erst recht zum Gegenstand nationaler Aufmerksamkeit geworden, inspirierte Künstler, wurde Adressatin von Gedichten und Briefen. Erst nach Ausstellungen z.B. in der Witwatersrand Agricultural Society und der Rand Easter Show 1932 kam sie in das Museum, wo sie sich noch heute befindet, "enshrined at the entrance of the old Natural History building" des Amathole Museum.
Huberta "enshrined" im Amathole Museum (King William's Town; Südafrika)



Dienstag, 29. November 2011

Aussterbende Art

Eben habe ich bemerkt, daß jemand auf meinem Blog nach den Ursachen des Aussterbens der Dinosaurier gesucht hat.
Hier die Antwort:

View of the Paleontology Hall (or Dinosaur Hall) in the National Museum of Natural History, ca. 1932. At the time of this picture the exhibit of fossil animals was called the "Hall of Extinct Monsters."

Sonntag, 15. Mai 2011

Zweihundert Texte (Texte im Museum 200)

Mit der Sammlung von Museumstexten habe ich mich selbst überrascht. Ich hatte nicht gedacht, in welcher Vielfältigkeit der Funktionen, Platzierungen, Gestaltungsweisen, Typografien, Intentionen und Inhalte Texte im Museum auftauchen können. Es hat sich gezeigt, daß beim Sammlen Quantität in Qualität umschlagen kann: Die Sammlung von bislang zweihundert 'ausgesuchten Exemplaren', dieses kleine Museum der Museumstexte, gibt schon einiges her, um über Museumstexte jenseits ihrer nur ihrer grammatikalischen oder pädagogischen Lesbarkeit nachzudenken.
Das will ich hier aber nicht tun, sondern mit der Inventarnummer 200 ein Prachtexemplar von 'Museumstext' vorstellen, von dem man sich kaum vorstellen kann, wodurch es noch überbietbar wäre.
Es sind vier in die Wände eingelassene steinerne Texttafeln, die sich in der sogenannten Roosevelt-Hall (oder auch Roosevelt-Rotunda) des American Museum of Natural History in New York befinden.
Schon wegen ihres hohen Tons, in dem es um Nation und Männlichkeit, um Natur und Zivilisierung geht, macht sie besonders, besonders sind sie aber auch durch ihre Platzierung, wo sie mit anderen Objekten und auch Räumen ein komplexes Symbolsystem bilden, das hier nicht annähernd aufgeschlüsselt werden kann.
Die Halle betritt man von einem der Haupteingänge her über eine monumentale Treppe, wobei man ein Reiterstandbild passiert, das den 26. Präsidenten der Vereinigten Staaten, Theodore Roosevelt, auf einem Pferd zeigt, flankiert von einem Indianer und einem Afrikaner. Viele Museen haben eine zwischen den Stadtraum und Alltag und das Museum und seine Eigenzeit liminale Inszenierungen. Diese ist besonders reich und komplex.
Der monumentale, klassizierende Eingangsbau mit der Halle stammt aus dem Jahr 1936 und wurde von einem Architekten geplant, der auf Museen und Memorialbauten spezialisiert war, John Russel Pope (er hat unter anderem jene kalte, fast bunkerartige Halle geplant, in der im British Museum bis heute die Elgin Marbles, der Parthenonfries gezeigt wird).
Im Zentrum der Halle steht das, so sagt es einem das Museum, größte freistehende Saurierskelett der Welt, ein Allosaurus, gegen den sich ein Barosoraus verteidigt um ihr Junges zu schützen. Ja, "ihr". Die Texte des Museums verwenden eindeutig die weibliche Form, wir sollen die Gruppe als Mutter die ihr Kind verteidigt verstehen.

Die vier von Theodore Roosevelt stammenden, appelativen Texte gebe ich kommentarlos wieder. Sie erschließen sich weitgehend von selbst. Was zum Verständnis hilft, sind einige Hinweise auf die Bedeutung Theodore Roosevelts für das Museum. Dieses wurde in der Nachkriegszeit des Civil War gegründet und zwar im Privathaus der Roosevelts, einer niederländischen Einwandererfamilie, die bereits im 17. Jahrhundert nach Amerika ausgewandert war. Roosevelt verkörperte vor allem mit seinen vom Smithonian Institute und dem American Museum of Natural History finanzierten Expeditionen, die er nach seiner Präsidentschaft organisierte, "um noch einmal Junge sein zu können" (Zitat) einer sich in der Natur bewährenden Männlichkeit und eines antizivilisatorischen und -urbanen paradisischen Naturbegriffs. Er war maßgeblich an der Gründung mehrerer Nationalparks begründet und war ein bedeutender Protege jenes Museums, das ihn mit der großen Empfangshalle ehrt. Aber nicht nur mit dieser. Das Natur- und Männlichkeitsbild, das nicht nur Roosevelt verkörperte sondern auch der Taxidermist und Schöpfer der Dioramen, Carl Akeley, wird im berühmtesten Saal des Museums, dem der Säugetier-Dioramen, gewürdigt und zelebriert. Und es gibt noch einen weiteren Saal, der Roosevelt gewidmet ist, einer der unter anderem Dioramen zur Geschichte der Vereinigten Staaten enthält und jene Sammlung, die der Neunjährige bereits als Roosevelt-Museum anlegte und mit 20 an das Museum übergab.
Die Geschichten sind damit noch lange nicht erschöpft, aber sie sollen hier erst mal genügen, um mit dem Pathos der Texte umgehen zu können.


Nature
There is a delight in the hardy life of the open.
There are no words that can tell the hidden spirit of the wilderness, that can reveal its mystery, its melancholy and its charm.
The nation behaves well if it treats the natural resources as assets which it must turn over to the next generation increased; and not impaired in value.
Conservation means development as much as it does protection.
Manhood
A man's usefulness depends upon his living up to his ideals insofar as he can.
It is hard to fail, but it is worse never to have tried to succeed.
All daring and courage, all iron endurance of misfortune-make for a finer, nobler type of manhood.
Only those are fit to live who do not fear to die and none are fit to die who have shrunk from the joy of life and the duty of life.
Youth
I want to see you game, boys, I want to see you brave and manly, and I also want to see you gentle and tender.
Be practical as well as generous in your ideals. Keep your eyes on the stars and keep your feet on the ground.
Courage, hard work, self-mastery, and intelligent effort are all essential to successful life.
Character, in the long run, is the decisive factor in the life of an individual and of nations alike.
The State
Ours is a government of liberty by, through, and under the law.
A great democracy must be progressive or it will soon cease to be great or a democracy.
Aggressive fighting for the right is the noblest sport the world affords.
In popular government results worth while can only be achieved by men who combine worthy ideals with practical good sense.
If I must choose between righteousness and peace, I choose righteousness.







Mittwoch, 29. Dezember 2010

Beachtlich!

Dem Wiener Naturhistorischen Museum ist eine ungewöhnliche klare Webseite geglückt. Schnörkellos, einfach, auch in die Tiefe gut zu navigieren und übersichtlich. Knappe Informationen, auch (ausführlich) zur wissenschaftlichen Arbeit, zu den Sammlungen sowie (weniger ergiebig)  zur Geschichte und zur Architektur. Schwachpunkt: wenige und nur briefmarkengroße Fotos ohne jede Erläuterung. Aber das kann ja noch kommen.

Mittwoch, 15. Dezember 2010

In Memory of Marcel Broothaers (Texte im Museum 161)

Und abermal bin ich für eine Spende von Annina Zwettler dankbar, wiederum Fotos aus dem Museum of Natural History, London, der "Kathedrale der Schöpfung" (auch der unfrisertest aussehenden...).

Donnerstag, 29. Juli 2010

Lazarisation (Museumsphysiognomien 8)


Der Zug der Tiere im Pariser Muséum d' Histoire naturelle gehört zu den einprägsamsten 'Bildern', die die jüngere Museumsgestaltung zu bieten hat. Es gab zwei wesentliche Inszenierungsformen der Fauna in Naturmuseen: die Aufstellung nach Spezies und Arten, der wissenschaftlichen Klassifikation folgend. Ein Beispiel sind bestimmte weitgehend original erhaltene Säle des Naturhistorischen Museums in Wien. Und eine ambientale Aufstellung, bei der die natürliche Umgebung der jeweiligen Tierarten simuliert wurde. Das konnte im kleinen Maßstab einer angedeuteten Szene ebenso geschehen wie in enorm aufwendigen und kunstfertigen Dioramen, für die die im New Yorker Naturmuseum das berühmteste Beispiel sind.
In Paris ging man einen dritten Weg (nicht zufällig war ein Filmregisseur Autor der Installation) und gruppierte die sorgfältig präparierten Tiere als Zug, der sich im großen Bogen durch die riesige, zentrale Halle des Museums bewegt. Alles was tapsen, schleichen, trampeln, kriechen, staksen kann, bewegt sich in eine Richtung. Die großen Tiere vorne (wie immer), die Elefanten.
Das Bild ist paradox, weil sie den toten Tieren Lebendigkeit zurückgibt, Bewegung, Aufbruch. Sie stehen uns nicht gegenüber als vitrinifizierte Exempla, sondern als vergesellschaftete Individuen, die gemeinsam eine Aufgabe haben.
Eine Aufgabe? Ja - jeder (jeder?) erkennt, daß es sich um das 'Bild', die 'Metapher' der Arche Noah handelt. Also um jene Tiere, die, zusammen mit dem Menschen, das Überleben der Gattung wie der Welt sicherten. In gewisser Weise beansprucht ja auch das Museum, so etwas zu sein. Ein Hort der Dinge, deren 'Überleben' gesichert wird, auf lange, unbestimmte (?) Dauer. Mit dem Museum der Moderne kommt dann - mit dem Begriff der 'Geschichte' und dem der 'Gattung Mensch' -, tatsächlich die Denkfigur dazu, daß alles Einzelne, Individuelle im Gattungszusammenhang gleichsam aufgehoben ist und bleibt, und sei es 'nur' als Erinnerung. Es mag untergehen, verschwinden, sterben, geopfert werden - immer bleibt es in das Ganze der Gattung eingeschrieben.
Das Bild der Arche Noah wird auf das Sammeln seit dem 16. Jahrhundert und später auf das Museum angewendet. Die Tradescants verstanden ihr Haus und ihre Tätigkeit ganz im Sinn des rettenden Tradierens und des Weitergebens, ganz praktisch, wenn es um exotische Pflanzen ging, die man in England erfolgreich ansiedelte und vermehrte.
Im modernen Museum fungiert das Bild der Arche, und so ist es wohl in Paris in erster Linie gemeint, als Metapher für das Museum als Ort der dauerhaften Bewahrung bis in die Zukunft hinein. Indes besitzt diese Vorstellung eine prekäre Ambivalenz. Denn generell kommen 'die Dinge' nur ins Museum, um den Preis ihres Funktions- und meistens auch des Bedeutungsverlustes (um dort mit anderen, neuen Bedeutungen ausgestattet zu werden). In diesem Sinn ist das Museum nicht nur Arche sondern Mausoleum, eine Grabstätte der toten Dinge, bzw. der Dinge, deren Tod die Bedingung für ihre 'Museumswürdigkeit' ist.
Nur wenige Schritte vom Muséum d' Histoire naturelle kann man einen alten und authentisch erhaltenen Teil des Museums besichtigen, die Galerie de paléontologie et d’anatomie comparée (hier, in diesem Blog), deren Versammlung der Skelette einem diese Tatsache unverblümt, vielleicht auch erschreckend zu Bewußtsein bringt. Auch das ist ein Zug, aber nun unzweideutig einer der toten oder gar der ausgestorbenen Lebewesen und sie bilden einen Leichenzug. Man kann den aber auch anders lesen, nämlich so, wie man eigentlich den neuen im Haupthaus lesen soll, nämlich als Galerie d' Evolution. Denn an der Spitze des Zuges befindet sich der Mensch, als, wie man so sagt, Krone der Schöpfung, mit dem Rücken zu den Totenwesen, die ihm folgen…
Das will uns das neue Bild im Haupthaus nicht zumuten. Wie in einem Wiedererweckunsakt, einer durch Wunder bewirkten lazarisation, kommen sie hier noch mal auf die Beine, all die Tiere, auch wenn sie überwiegend aus Plastik, Gips, Draht, Stoff bestehen und kaum noch aus - einst lebendiger - organischer Materie.
Ein wenig ist das auch eine Legitimation der Institution: wir bewahren - und deswegen sind wir auch ein 'lebendes Museum'. Eine schöne museologische Notlüge (weitverbreitet).
Nur. Wohin ziehen all diese Tiere? Nun, aus dem Museum raus.
Nur dort scheint es 'Überleben', wenn nicht 'Erlsösung' zu geben…