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Montag, 27. Januar 2020

Das Wiener Heeresgeschichtliche Museum. Eine Tagung, ein Medienbericht, ein Shitstorm

Heute morgen erschien im Standard ein Bericht zur Tagung, die sich mit dem heeresgeschichtlichen Museum auseinandersetzte. Stefan Weiss: Kritik an Heeresgeschichtlichem Museum: Initiative will Neuaufstellung lautete die Überschrift und eine Unterschrift ergänzte: Das Haus soll für Ewiggestrige keine Projektionsfläche mehr bieten, fordert eine Initiative, die aufgrund jüngster Vorwürfe eine Tagung abhielt.

Jetzt, keine 12 Stunden später, gibt es über 500 Postings zu dem Artikel, die überwiegend in einem übereinstimmen: in ihrer aggressiven Haltung gegenüber der Tagung, dem Bericht und der Kritik am Museum generell. Jargon, Wortwahl und Themen der Post lassen auf eine überwiegend ideologisch rechts angesiedelte Leserschaft schließen und bekräftigen den Eindruck vom Heeresgeschichtlichen Museum als einem Identifikationsort rechter Ideologie.

Die Heftigkeit und Massivität der Reaktionen ist erschreckend und läßt es dringlicher denn je erscheinen, daß sich das Museum ändern muß. Dabei sollte auch dessen Auflösung als Militärmuseum kein Tabu sein. Es ist fraglich wozu ein neutrales Land mit einem bescheidenen Heer, das keinerlei militärische Ambitionen hegt, ein so großes einschlägiges Museum benötigt.

Das heißt aber nicht, daß man die Sammlung aufgibt. Stattdessen könnte man ja an eine Auflösung in einem umfassenden Geschichtsmuseum denken, was mehr bedeutete, als eine bloße Zusammenlegung mit dem Haus der Geschichte Österreich. Ein solches Museum könnte einen weitaus größeren zeitlichen und geografischen Rahmen haben, als das derzeitige Geschichtsmuseum in der Hofburg und ein enorm erweitertes Themenspektrum.

Man könnte auch daran denken, das Gebäude des Heeresgeschichtlichen Museums dafür zu nutzen, etwa erweitert um einen Neubau etwa auch in Form eines intervenierenden Zubaues à la Dresdner Militärhistorisches Museum der Bundeswehr. Der Einwand, der auch bei der Ansiedlung des Haus der Geschichte Österreich in der Hofburg erhoben wurde, würde auch hier zutreffen: das Gebäude ist derart mit Geschichte kontaminiert, daß er für ein modernes Museum einer demokratischen Gesellschaft nicht geeignet sei. Das wäre aber gerade eine Chance und Aufgabe eines neuen Museums. Die antidemokratische und gegenrevolutionäre Geschichte die dem Museum als Teil des Arsenals anhaftet, zu konterkarieren. Das Arsenal wurde ja als gewaltige militärische Anlage nach der Revolution 1848 geplant um "jegliche Unfälle bei einem Volksaufstand" (so eine der Ziel-Beschreibungen in den Militärakten) künftig zu verhindern.

Um ein solches in vielerlei Hinsicht ambitionierte Projekt zu verwirklichen, müsste man viele Hindernisse überwinden. Eines davon wäre die Herauslösung der Institution aus dem Landesverteidigungsministerium, die andere, nicht mindere Schwierigkeit, die Museumsplanung aus politisch-ideologischem Lagerdenken herauszuhalten (etwas, was beim Haus der Geschichte Österreich nicht gelungen ist und dessen schwerste Hypothek darstellt). Es müßte das Planungsverfahren neuen, hiezulande nicht gebräuchlichen Prinzipien folgen. Die vorbildlich breite Zusammensetzung der Tagung wäre ein Vorbild, diese Mischung aus fachlicher Expertise und zivilgesellschaftlichem Engagement - und das alles ohne Gängelung der Politik und Administration.

Eine offene, transparente Museumsentwicklung könnte ein Modell für eine neuartige Museumspolitik, und mehr als das für eine demokratische Geschichtskultur sein und dazu beitragen, daß große Teile unserer Geschichte nicht weiter wie geisterndes Untotes und Unaufgearbeitetes mitgeschleppt wird.

Hier der Link zum Standard-Artikel

Montag, 11. März 2019

Irgendwann dann doch mal... (Sokratische Fragen 37)

Neulich, ein Gespräch mit dem Historiker Wolfgang Benz...

Interviewer: "Ich habe oft das Gefühl, diese ganze Debatte erreicht viele Menschen nicht. Sondern nur die, die eh gerne ins Museum gehen und politisch aktiv sind. Wie könnten wir das ändern?"

Wolfgang Benz: "Ich habe immer dafür plädiert, die Geschichte aus den Gedenkstätten herauszuholen. Historisches Lernen nicht nur auf den 9. November und den 27. Januar zu beschränken. Sondern stattdessen den öffentlichen Raum zu nutzen. Was ist zum Beispiel mit Bushaltestellen? Da stehen die Menschen täglich zehn Minuten herum. Da kann man ihnen doch etwas zum Lesen geben. Auch Tafeln an Gebäuden und Stadtmarkierungen finde ich gut. Man muss den Leuten im Alltag klarmachen, was geschehen ist. Vielleicht funktioniert das auch als Trailer, dass die Leute dann irgendwann doch mal ins Museum gehen."

Und jetzt die Sokratische Frage:

Ist die Hoffnung Wolfgang Benz' berechtigt a) daß die Leute irgendwann doch mal ins Museum gehen und b) daß dort historisches Lernen stattfindet?

Mittwoch, 12. Dezember 2018

"Römer oder so". Eine der besten Ausstellungen dieser Jahre nur noch bis 6.Jänner zu sehen!





"Römer oder so" im Vorarlbergergmuseum gehört zum Besten, Klügsten und Witzigsten was ich in den letzten Jahren an Ausstellungen gesehen habe. Kuratiert haben die Ausstellung der Hausarchäologe Gerhard Grabherr und die externe Kuratorin Lisa Noggler-Gürtler.

Vordergründig geht es ein römisches Gräberfeld, um Archäologie als Wissenschaft, um Techniken, Funde und Ergebnisse archäologischer Recherche.
Allerdings hatten die lokalen römischen Ausgrabungen für Bregenz und Vorarlberg schon seit dem 19.jahrhundert eine besondere Rolle. Als Teil der Landesgeschichtsschreibung ging es immer auch um jenes "Land" dessen Identität unter anderem in der Geschichte römischer Besiedlung gesucht wurde und dann mit der Gründung des Landesmuseums einen institutionellen Träger der Geschichtskultur Vorarlbergs fand.
Der Witz der Ausstellung ist, wie sie - ohne Fingerzeig und Belehrung -, zeigt, daß die Suche nach "den" Römern nicht wirklich Eindeutiges ergibt. Wer immer zu jener Zeit da lebte, arbeitete, starb und begraben wurde (und damit, zusammen mit der Bestattung zur - unfreiwilligen - Quelle der Geschichts(er)kenntnis wurde), wer der "eigentlich" war, das kann niemnad sagen. Das "die" Römer gibt es ebensowenig wie "wir" Vorarlberger (Österreicher, Telfser, Lavanttaler, Weinviertler, Europäer...).
Interpunktiert von klugen und unterhaltsamen Zeichentrickfilmen zeigt uns also das ausgebreitete Material nicht nur viel über Leben, Bestatten, Ernährn, Hausen oder Kleiden zur "Römerzeit" und viel von der Archäologie als Arbeit des buchstäblichen Ent- und Aufdeckens von Vergangenheit, sondern vor allem das: Identität ist nichts Eindeutiges, Feststellbares, Sicheres.
Ein zusätzlicher Effekt dieser Haltung ist, daß damit - ohne es ausdrücklich zu thematisieren - auch Museen und Ausstellung und natürlich erst recht das veranstaltende Museum in ihrer Rolle als identitätsstiftende Institutionen relativiert werden. Diese reflexive museologische Funktion, die die Austellung wie gesagt nicht extra und ostentativ vor sich her trägt, macht "Römer oder so" zu einer der anspruchsvollsten Ausstellungen, die ich in einem Österreichischen Museum je gesehen habe.
Die Ausstellung korrespondiert damit seit sie 2013 eröffnet wurde die ein gewissem Maß dieser skeptisch-vorsichtigen Haltung, die auch die historische Hauptausstellung auszeichnet, die mehr ein making of Vorarlbergs ist denn ein "so ist es gewesen".
Und noch etwas: Die Ausstellung funktioniert für alle Generationen, ganz ohne Anbiederung oder "Sonderbehandlung" für Kinder und Jugendliche.
Jetzt erfahre ich grade daß sie nur noch bis 6.Jänner 2019 zu sehen ist. Ich gebe zu, ich finde es schade, obwohl sie doch so lange lief, und ich auch unzählige Mal drinnen war. Der Trost ist, das Team bastelt schon an einer anderen Ausstellung.
Also schüre ich mal Versäumnisängsdte und sage: hingehen! So etwas sieht man nicht so oft.

Dienstag, 26. Juni 2018

Unser Doktor Dollfuß oder: Wie in der Republik mit deren Bedrohung und Beseitigung umgegangen wird


Kassette mit Erde aus dem Grab von Engelbert Dollfuß
Holz, Erde, Produzent unbekannt
Österreich, 1935 Dr. Engelbert Dollfuß-Museum, Texing / Foto: ÖMV

Die Gemeinde Texingtal (Niederösterreich) will sich 2018 kritisch mit dem Erbe von Engelbert Dollfuß auseinandersetzen. Dollfuß ist in dieser Gemeinde geboren. In seinem Geburtshaus wurde 1998 ein Dollfuß-Museum eingerichtet.
„Wir müssen diese Jubiläumsjahre nutzen," sagt der Bürgermeister, "um uns mit unserer eigenen Geschichte zu beschäftigen“. Dazu ist das Museum da: „Dort wird das Historische gut erarbeitet und kritisch behandelt. Wir müssen die Thematik immer wieder diskutieren und aus den Fehlern der damaligen Zeit lernen.“
Der Manker SP-Stadtrat Anton Hikade, über dessen Zuständigkeit in dieser Angelegenheit man via Niederösterreichische Nachrichten nichts erfährt, meint hingegen: "Die Präsentation ist (...) ein Totenkult des Diktators.“
Allerdings hat Stadtrat Hidake das Museum nie gesehen. „Ich war einmal dort, da war aber geschlossen. (...) Es ist ja kein Museum zur geschichtlichen Weiterbildung. Und wozu sollte ich als Sozialdemokrat eine Kultstätte der ÖVP besuchen?“
Mank, die Heimat des Museumskritikers Zikade, hat kein Dollfuß-Museum dafür einen Dollfuß-Platz. Über eine Umbenennung wird im Gemeinderat diskutiert. Hikade ist für die Umbenennung und für eine Überarbeitung des Museums in der Nachbargemeinde: „In Zeiten, in denen es in Österreich einen gestiegenen Wunsch nach einem starken Mann gibt, wäre es höchst an der Zeit, der Öffentlichkeit auch den Führerstaat unter Dollfuß zu erklären.“
Der Texinger Bürgermeister kontert: "Ich lade alle ein, sich ohne Schaum vor dem Mund ein Bild zu machen. Die Zeit ist darin entsprechend dokumentiert.“ Die Frau Landeshauptmann wurde auch schon eingeschaltet. Was mit dem Museum wird, ist derzeit offen.
"Auf nön.at stimmten (laut NÖN.at, 3.5.2017) 65.7 Prozent gegen die Umbenennung des Dollfuß-Platzes in Mank."
Laut Google-Maps existiert der Platz noch. Als - Achtung! - Doktor-Dollfuß-Platz. Ehre wem Ehre gebührt.

"Chrtliches Gedenken"an den "Heldenkanzler". Dollfuß-Museum Texing

 P.S.: Eine ausführliche Kritik des Museums aus dem Jahr 2016 erschien in der Zeitschrift der Österreichischen Hochschülerschaft "progress" (hier). Zitat: "Für eine geschichtsinteressierte Person gibt es so gut wie nichts her: keine Hintergründe, keine differenzierte Auseinandersetzung. Es herrscht ein Mangel an Informationen sowie kritischer Distanz, der fast schon unterhaltsam ist: Dollfuß kam aus bescheidenen Verhältnissen, sammelte ein wenig Tand an, arbeitete hart und fleißig als Landwirtschaftsminister, wurde IRGENDWIE Kanzler, um dann von Nazis erschossen zu werden. Wer eine Ahnung von österreichischer Zeitgeschichte hat, muss schon eine Vorliebe für plumpe Aussparungen und Euphemismen haben, um dem Museumsbesuch etwas abgewinnen zu können. Wer keine hat, lernt auf Wikipedia wesentlich mehr."
Die Autoren der Museumskritik, Georg List und Michael Gruber weisen auf die finanzielle Förderung des Museums durch das Land Niederösterreich und das Unterrichtsministerium hin und zitieren aus dem Gästebuch: „In Zeiten von Freihandelsabkommen und Massenmigration braucht es wieder einen starken Führer.“

Eine massive Kritik am Museum und am "Dollfuß-Mythos" findet sich im gleichnamigen Buch von Lucile Dreidemy. Dazu (hier) die Renzension von Peter Huemer im "Falter" aus dem Jahr 2015.

Samstag, 25. Februar 2017

Auch eine Zukunft des Museums...

Visitors wear headsets as they experience a virtual reality tour depicting Jerusalem as it was two millennia ago, at a visitors center near some of the world's most sacred sites holy to Jews, Muslims and Christians, in Jerusalem's Old City, on February 20, 2017 (via "The Atlantic"

Mittwoch, 26. Oktober 2016

Haus der Geschichte Österreich. Ein Vorschlag


Und was kommt dann ins Haus der Geschichte? 
Ein Tintenfass vom Kaiser Franz Josef 
Die Peitsche vom Fiaker Bratfisch 
Ein Hut von der Schratt 
Eine Bartbinde vom Renner 
Ignaz Seipels Rosenkranz 
Die Uniformjacke vom Dollfuss (Größe XS) 
Ein russisches Schnapsglas (unzerbrochen) aus dem Nachlass von Leopold Figl 
Schuhe vom Kreisky 
Der Koffer von Bela Rabelbauer 
Die Brille vom Sallinger und die Hosenträger vom Benya 
Kurt Waldheims Satteltaschen 
Erwin Proells Exemplar von "Der Schatz im Silbersee" 
Der Trachtenjanker von Joerg Haider 
10 Mascherln von Wolfgang Schuessel 
Werner Faymanns Taxischein 
Die Modelleisenbahn von Christian Kern.


Poster/in "mape 2301" im "Standard" von heute, "Nationalfeiertag", 31.10.2016

Donnerstag, 28. Januar 2016

Haus der Geschichte - mit drei Fragezeichen

Demnächst erscheint, basierend auf einer Tagung im Herbst 2015, ein Band mit Beiträgen zum "Haus der Geschichte Österreich".

Winkelbauer, Thomas (Hrsg.): Haus? Geschichte? Österreich?
Ergebnisse einer Enquete über das neue historische Museum in Wien
ISBN: 978-3-7003-1965-8
New Academic Press
Als Erscheinungstermin wird der kommende Mai angegeben