Dienstag, 4. Januar 2022

Das Kunsthaus in Zürich im Sperrfeuer der Kritik

 Im Dezember hat das Kunsthaus Zürich und die Stiftung Bührle auf die öffentliche Kritik reagiert. In einer Pressekonferenz, nach der die Heftigkeit der Debatte sich noch steigerte. Denn was dort gesagt wurde, wurde ziemlich einhellig (in den Schweizer Leitmedien) kritisiert. Der Präsidenten der Sammlung Emil Bührle Alexander Jolles äußerte sich dort nämlich so (zitiert aus der Zeitschrift Tacheles vom 17.12.2021):

«Ja, die Schweiz hat Flüchtlinge an der Grenze zurückgewiesen, jüdische und andere, wie wir das in Europa heute überall sehen, in Zeiten des Wohlstandes und des Friedens. Aber Verfolgung, jüdische Verfolgung, staatlich orchestrierte Verfolgung gab es in der Schweiz nicht. Juden in der Schweiz in den Kriegsjahren mussten nicht um ihr Leben bangen, sie mussten nicht um ihr Eigentum, um ihr Hab und Gut bangen, es gab hier keine staatliche Verfolgung und daher ist die Situation anders und soll auch in den Einzelfällen berücksichtigt werden. Klar, wenn jemand kein anständiger Marktwert erhalten hat, klar, wenn jemand übers Ohr gehauen wurde oder unfair und unrichtig behandelt worden ist, dann muss man das heute berücksichtigen und muss es werten. Aber es ist nicht so, dass jedes Rechtsgeschäft, das ein jüdischer Emigrant in der Schweiz und in den USA und in anderen nicht besetzten Gebieten getätigt hat, dass jedes dieser Rechtsgeschäfte verdächtig ist und primär einmal als verfolgungsbedingt erzwungen betrachtet werden kann, sondern wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, es gab einen ordentlichen Handel. Millionen von Leuten haben im Krieg gelitten haben ihr Leben verloren, haben ihr Hab und Gut verloren, aber Millionen haben weitergelebt und in einem ordentlichen normalen Handel weitergelebt, in der Schweiz und anderswo. Das muss auch berücksichtigt werden.»

Tacheles war daraufhin Jolles Antisemitismus vor und die Künstlerin Miriam Cahn kündigte an, ihre Werke - immerhin an die vierzig -, aus dem Kunsthaus abzuziehen. Auch sie nimmt das Wort Antisemitismus in den Mund.

Aus der Dokumentation zu Bührle, seiner Biografie, seiner Sammlung. Foto: GF 2021

Kaum hatte sich Debatte angesichts der Feiertage abgekühlt, und konnte sich die NZZ mit der (m.M. eher nicht so interessanten Frage) nach der Person Bührles beschäftigen (also eher ausweichen), zündete der Direktor Christoph Becker des Kunsthauses den nächsten Feuerwerkskörper. Er habe sich unter anderem während der Planungen namentlich des Dokumentationsraumes zur Bührle-Sammlung mit Ronald S.Lauder beraten. Also mit dem Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses. Der ließ umgehend dementieren. So ein Gespräch habe es nicht gegeben. Die Pressestelle des Kunsthauses beharrte weiter auf der Sichtweise des Direktors. Der Tagesanzeiger ließ Becker daraufhin ausrichten, er möge seinen Platz der designierten Nachfolgerin möglichst sofort überlassen.

Die Zeitung fasst die jüngsten Ereignisse als "kommunikatives Desaster" zusammen. Das ist es auch, aber es ist auch ein Beharren auf historisch und ethisch unhaltbaren Positionen. Tacheles resümiert so: "Primär allerdings geht’s darum, wie eine Stadt mit einem belasteten Erbe, mit Nazi-Geschichte im öffentlichen Raum umgeht und sich dieser nicht stellt."

Montag, 3. Januar 2022

Aktuell (Sokratische Frage 72)

Wem soll das Museum dienen?

Fragt die heutige Süddeutsche Zeitung

Museumsdebatte. Viel Platz für keine Ideen. Die Süddeutsche Zeitung eröffnet uns zum Jahresbeginn ihre Zukunftsvision der Museen


Die Süddeutsche Zeitung reserviert heute, am 3.1., eine ganze Seite für - wie es im Untertitel heißt -, „Ideen für das Museum der Zukunft“. Ich lese nicht nur den Text, ich überlege, was thematisiert wird und was nicht und wie diese Seite ausgemacht wird. 

Da ist zunächst einmal die Überschrift, „Portikus und Punktbelastung“. Das ist mal unverständlich und schrumpelt im elendslangen Untertitel auf ein Bündel von durcheinendergewürfelten Aspekten: „Museen sollen Mensch und Kunst zusammenbringen. Das Stadtmarketing setzt auf spektakuläre Fassade und teure Gastronomie. Dabei braucht die Kunst etwas ganz anderes“.

Damit noch nicht genug. Es gibt am Kopf der Seite noch eine Überschrift: „Welche Orte braucht die Kunst? Hier einige ganz besondere Museumsbauten - und Ideen für das Museum der Zukunft“.

Es geht also um DIE Kunst und IHREN ORT, um das MUSEUM und das MUSEUM DER ZUKUNFT, um DEN MENSCHEN aber auch ums STADTMARKETING, die MuseumsARCHITEKTUR, also auch den PORTIKUS, als ein typologisches Element von Museumsarchitektur (Aber was ist mit „Punktbelastung“ gemeint?)

So viel Überschrift, die so viele Fragen aufwirft für ganze vier Spalten Text, die bloß ein Drittel der Höhe Seite einnehmen. Eine Glosse, kaum mehr. Die restlichen Drittel der Seite gehören oben einer Zeichnung vom Portikus des Kasselerer Fridericianums und unten Miniporträts von wenigen Zeilen von sechs Museen, jeweils begleitet von einer Zeichnung.

„Museen sollen Menschen und Kunst zusammenbringen“. Der Teil des Überschriftendschungels enthält bereits mehr unaufgeklärte Fragen, als der kurz geratene Artikel beantworten kann. „Menschen“? Alle? Welche? Alle sollen? Ohne Unterschied? Warum? Kunst? Die Kunst oder welche? Alle Kunst für alle Menschen? Sind Museen per Definitionen nun Kunstmuseen oder kommt’s darauf nicht an? Das ist jetzt etwas haarspalterisch argumentiert, denn ist ja offensichtlich, daß dieAutorinnen des Artikels, Catrin Lorch und Laura Weissmüller, Kunstmuseen im Auge haben. Aber die notorische Gleichsetzung von Museum und Kunst/Kunstmuseum nervt.

Der Text beginnt mit einem kurzen Abschnitt zum Fridericianum in Kassel (deswegen die Grafik mit dessen Portikus), das Landgraf Friedrich II. „Als ein Zeichen … für Aufklärung und betont städtische Öffentlichkeit“ errichten ließ „als erstes Museum überhaupt auf dem europäischen Kontinent“.

Das Fridericianum gehört zu einer Reihe deutscher Fürstensammlungen, die eine für sie gebaute Architektur erhielten, wobei die reichen Quellen zur praktischen Nutzung des Museums wenig hergeben, als es im frühbürgerlichen Sinn als öffentlich zu bezeichnen. Die Nutzung unterlag diversen, sozial einschränkenden Regelungen. Diese Museen hatten indes nicht nur mehr fürstliche Repräsentation zum Zweck, sondern schon ein - vom Fürsten definiertes -Staatswohl. Das ist das Fortschrittliche an ihnen. Erst so an die zwanzig Jahre später entstand das, was wir bis heute „Museum“ nennen: die von der öffentlichen Hand getragene, steuerfinanzierte, dem Anspruch nach allen (in Realität bis heute eher wenigen) zugängliche Bildungseinrichtung mit „indirektem Staatznutzen“ (Hermann Lübbe). 

Insofern ist die Bezeichnung als „erstes Museum“ irreführend, der Zusatz vom „ersten Museum überhaupt auf dem Kontinent“ schlicht unsinnig, weil die Institution Museum in Europa entsteht und von dort aus, 1810ff. rasch auf alle Kontinente, z.T. als ein Effekt von Kolonialisierung, „exportiert“wird.

Noch im selben Aufsatz lenken die Autorinnen die Aufmerksamkeit der Leser auf die Architektur des Fridericianum, genauer gesagt auf den Portikus, der die antike Tempelfassade zitiert, mit Giebel, Säulen, Treppe. Diese Typologie mache das Fridericianum „zum Vorbild schlechthin für Museen in der westlichen Welt“. Allerdings gehört dieser architektonische Topos auch zum fürstlichen Schlossbau. Eine Überlegung, warum ausgerechnet der antike Sakralbau zum Vorbild der frühen Museumsarchitektur wird, folgt hier nicht. Ich beckmessere jetzt kein zweites Mal und vertiefe mich daher nicht in die etwas komplexere Geschichte der sich entwickelnden Museumsarchitektur, und die diversen architektonischen Lösungen, die für diese Zeit entwickelt wurden, sondern mache mit den Autorinnen den Kopfsprung in den zweiten Absatz mit, der vom Tempel (als bauliches Zitat) zur Metapher des Kunsttempels überleitet. Halsbrecherisch.

Denn: „Die Kulturwelt“ hat „den Kunsttempeln den Kampf angesagt, gelten sie doch als zu elitär“. Ist das so? Hat sich der „Tempel“ nicht wie von selbst im von Museen selbst vorangetrieben Konsumationen Selbstverständnis aufgelöst. Bedurfte es da noch der Kritik? Die Kritik gibt es, ja - aber es gibt auch das Festhalten an einem elitistischen Selbstverständnis von Museen und ihre Verteidiger. Als elitär und als faktisch abweisend erweise sich sowohl die Architektur als auch, etwas überraschend, die hochpreisige Gastronomie in den Museen, „die seit einigen Jahren zum festen Bestandteil jedes neu eröffneten Museum gehört“. Der Elitismus der Museen gründet aber wohl kaum in abweisender Architektur oder hohen Konsumationskosten. Sondern in der sozialen Zugehörigkeit von Menschen. Sie entscheidet über den formalen Bildungsgrad und der wiederum über die Nutzung oder eben Nichtnutzung hoch-kultureller Einrichtungen wie sie auch Museen nun mal sind.

Das Verschweigen dieses Umstandes ist ein „interessiertes Schweigen“ (Pierre Bourdieu) und eines, das nicht nur verschweigt, daß materielle Bedingungen über den Genuss und Bildungswerte in Museen entscheiden, sondern daß diese Werte selbst (der Kanon der Kunstwerke, der Kanon der wertbesetzten kulturellen Güter…) sich elitistischer Wahl verdanken, aber als allgemeine gültig und verbindlich gelten. Deshalb läßt sich ganz in diesem Sinne von den Autorinnen in ihrem Text sagen: „MENSCH und KUNST“ sollen zusammengebracht werden.

Warum? „Wem muß das Museum dienen?“ fragen uns die Autorinnen. Die Antwort ist ein Ausweichen auf eine ganz spezielle, wenn auch wirklich nicht unwichtige Frage. An Gehrys Museum in Bilbao wird das Scheitern einer vom Stadtmarketing gesteuerten Entwicklung dargestellt. Es sei zur Gentrifizierung gekommen und es seien keine neuen Jobs entstanden. Und was wenn das Stadtmarketing solches gar nie im Sinn gehabt hätte. Wenn die Gentrifierung auch anderswo durch Museumsbauten vorangetrieben worden wäre, etwa in London mit der Tate Modern, die dann unter den sechs vorbildlichen Museen genannt wird? Das Stadtmarketing ist ja nicht die Ursache einer Entwicklung sondern ein Werkszeug und Symptom städtebaulicher Entwicklung, die von - in der Regel - anonymen Investoren gesteuert und getrieben wird.

Hier wird schon wieder das Thema gewechselt. Was denn nun mit dem Publikum ist, oder wohin denn die durch Gentrifizierung vertriebenen Menschen gehen, ist weniger interessant, als die Sorge um die Kunst, die in den „gebauten Spektakeln“ schlecht untergebracht sind. „Wie viel Schutz die Kunst braucht“ fragen sich und uns die Autorinnen, „Wie viel Licht?“ oder „welche Grundrisse?“ „Wäre nicht viel mehr die technische Ausstattung in Zeiten von Installations- und Medienkunst wichtig? Die CO2-Bilanz oder eine hauseigene Cloud?“ Und das senkt die zitierte „Schwellenangst“, das macht die Zukunft des Museums aus?

Was macht denn nun ein Museum aus, das auf seine Zukunft weist? Dazu gibt es sechs Beispiele, die „ nicht als Kunst-Kulissen geplant“ wurden und wo die „Räume“ ihre „Wirkung im Wechselspiel mit der Kunst - und ihrer Zeit - entfalten.“

Am Kunstmuseum in São Paulo sind es nicht die Ausstellungsräume, die interessieren, sondern der Platz unter dem Museum, wo Märkte, Konzerte, Demonstrationen stattfinden. An der Tate Modern interessiert allein die gigantische Halle, für die jährlich ein Werk konzipiert wird. Ist das nicht gerade der Spektakel, den die Autorinnen kritisieren? Die zum Museum umgebaute Brauerei Wiels in Brüssel überzeugt durch den „Charme der unprätentiösen Ausstellungsräume“, wo, leider bloß als Behauptung und nicht weiter erläutert gerühmt wird. dort „dürfe“ sich „eines der spannendsten Programme der zeitgenössischen Kunst überhaupt“ entfalten. Das zu beurteilen (mit welchen Argumenten?) ist den „Eingeborenen der Bildungselite“ (noch einmal Pierre Bourdieu) vorbehalten. Der Louvre Lens hat wiederum eine zentrale Eigenschaft, die die Autorinnen doch eben kritisiert hatten: „Etwas Spektakuläres“ habe die stützendes Halle. Doch die eigentliche Qualität liegt in der Galerie der Zeit, einer Sammlung von zweihundert Objekten aus 5000 Jahren, der „vergleichendes Sehen“ ermögliche, das „die Kunst der Stunde“ sei. 

Ist das vergleichende Sehen eine allen gegebene optische Ausstattung oder nicht doch eine höchst ungleich verteilte kulturell vermittelte Begabung? Das eben eröffnete, zugängliche Depot des Boymans-Museums in Rotterdam hat viel Aufmerksamkeit in den Medien auf sich gezogen. Aber etwas anderes als ein zugängliches Depot ist es eben nicht - mit der Möglichkeit, Techniken der Konservierung, Deponierung und auch Restaurierung kennenzulernen. Warum nicht? Aber welchen anderen Zugang zur Sammlung bietet so ein Schaudepot? (Als das es nicht neu ist). Angesichts fehlender Deutung und Kontextualisierung bietet sich als Veredelung des Ortes der schlichten Aufbewahrung die Metapher des Schatzes an. Nein, mehr als das, der „Schätze der Welt“, vom „Bruegel-Gemälde über Keramik aus Asien bis zum Alu-Rennrad“. Muß sich diese Metaphorik vom Museum als Schatzhaus - noch dazu „der Welt“ -, nicht langsam auflösen unter dem Druck postkolonialen Debatten, wo die Praktiken der „Schatzbildung“ mehr und mehr fragwürdig werden? 

Beim letzten genannten Museum, dem New Yorker Guggenheim, wird noch einmal das „Spektakuläre“, das uns doch weiter oben als Fehlentwicklung verleidet werden sollte, gerühmt und selbst das im Argumentationsgang der Autorinnen eigentlich als verheerend einzustufende Urteil der Künstler, der „aufregende Bau“ stehle „der Kunst die Schau“, wird erwähnt. „Allerdings“ - 2011 hat Maurizio Cattelan alle seine Skulpturen unter die Kuppel gehängt. Als frei schwebendes Mobile.

Ja dann! 






Freitag, 31. Dezember 2021

Die schlechteste Ausstellung 2021. And the winner is: Das GrazMuseum

Die Stadt als Datenfeld. Wie wir in Zukunft leben wollen. GrazMuseum

Ich bin hingegangen, ganz neugierig, etwas über das digitalisierte Graz zu erfahren, über moderne Verwaltung und Kommunikation, über zukunftsträchtige Entwicklung. Weniger optimistisch war ich bezüglich des Untertitels. Wer weiß schon etwas darüber, wie "wir" in Zukunft leben wollen? Ausgerechnet ein Museum?

Nun. Es war die erste Ausstellung, in. der ich sofort derart ratlos umherirrte, daß ich anfing, andere Besucher zu fragen, ob sie verstünden, worum es denn hier grade ginge. Wenn nämlich eine Ausstellung sperrig wird, gebe ich eher mir die schuld, und sage mir, du übersiehst etwas, dir geht der Knopf nicht auf, das Gezeigte überfordert dich.


Peter Weibel erklärt mir da die sogenannte Lieferkette, auf einem Monitor rauschen Zahlenkolonnen von Flügen durch, im Treppenhaus schlingen sich Plastikröhren, die vermutlich das Fließen der Daten veranschaulichen sollen, es gibt eine kleine geballte Ladung Vilem Flusser zu lesen, und war da nicht wo eine Schreibmaschine auf einem Sockel?, irgendwo dreht sich in einem Metallgestell, in dem sonst nichts ist, eine Diskokugel, deren Licht eine im Boden eingelassene Schrift unleserlich macht, in einem Container blenden Sätze übereinander etwas über Sex und Liebe, aber so, daß (für mich) nichts Sinnvolles zu entdecken/entziffern ist und im Eingang zum Museum bekommt die Stadt Graz eine Werbeeinschaltung für ihre Digitalisierungs-Politik. Wahlversprechen im Doppelpack. Ein Schelm, wer daran denkt, daß der ÖVP-Finanzstadtrat in seiner zweiten Eigenschaft als Kulturstadtrat das Museum massiv finanziell fördert. 

Nirgendwo eine These, eine Geschichte, kein Zusammenhang, kein roter Faden, dafür rätselhafte mediale Installationen. Irgendwo gehts um eine Art kommunaler Dystopie. Graz in düstere Zukunftsvisionen getaucht, die sich aber rasch wieder in frühlingshafte Heiterkeit auflösen. Um sich das anzusehen, sitzt man in einer Gartenlaube wie aus einer Operette. Dann ein bissl Kunst dazwischen gestreut. Offenbar ist da und dort was nicht fertig geworden. Off records wird das bestätigt. Tapfer, etwas Unfertiges auf ein Publikum loszulassen! Auch daß es im Museumsteam gerumst haben muß und zum Beispiel die (Chef)Kuratorin die Flucht ergriffen hat. 

Ich versuchs dennoch weiter, drehe noch eine Runde und versuchs noch mal. Ziehe noch mal eine Runde und nochmal. Fragen traue ich mich inzwischen nicht mehr. Das Museum indes ist in den sozialen Medien hellauf von sich selbst begeistert. Der beste Museumsdirektor Österreichs, der kann doch nichts falsch gemacht haben?

Über die Zukunft von Graz, also über das, wie wir leben wollen, habe ich nichts erfahren. 

P.S.: Die von mir nicht namentlich genannte Kuratorin teilt mir mit, daß sie nicht die Flucht ergriffen hat und nach wie vor ein ungetrübtes Verhältnis zum GrazMuseum hat. Meine Informationen sind ein bissl anders gefärbt, aber wie das so ist, bei Quellen (Personen), die man nicht nennen darf, sie taugen nicht so viel. Also schließen wir uns gerne dem Bedürfnis nach Korrektur an und versichern (aus eigener Beobachtung), daß das GrazMuseum ein vollständig intrigenfreier Raum ist. Das durfte ich lernen, seit ich im Zuge der ersten Planungen zur Dauerausstellung selbst "die Flucht ergriff" und zwei weitere KuratorInnen das Weite suchten.


Dienstag, 28. Dezember 2021

Schweizer Museumspolitik für Anfänger. Das gute Land, die bösen Waffen, das viele Geld, die schöne Kunst

Eben wurde eine vom Architekten David Chipperfield geplante Erweiterung des Kunsthauses in Zürich eröffnet. Gezeigt wird dort neben anderen privaten Sammlungen und Beständen des Museums die sogenannte Sammlung Bührle. Bührle war ein "erfolgreicher" Industrieller, der es mit Waffenhandel zu großem Reichtum brachte - und mit seiner Kunstsammlung zu Ansehen. 

So würdigt man einen großen Sohn, ungeachtet des Umstandes, daß seine Geschäfte extrem fragwürdig waren (vor allem die Belieferung des Dritten Reichs), er politisch-ideologisch am äußersten rechten Rand angesiedelt war und großen persönlichen und in Hinsicht auf den öffentlichen Status des Museums fragwürdigen Einfluß auf das Kunsthaus, seine Baupolitik und die Museums- Sammlung nahm.

Die eigene Sammlung mehrte er auch aus arisierten Beständen und aus sogenanntem Fluchtgut, d.h., Objekten, die jüdischen Eigentümern abgepresst wurden im Tauch z.B. für Ausreisemöglichkeiten. Dieser Bestand an Raubgut gilt als - noch von Bührle selbst - restituiert, wobei Bührle einige Bilder zurückkaufte.


Es gab schon mal Ärger mit der Bührle-Sammlung, die als Stiftung unabhängig ist und Teile der Sammlung nun an das Kunsthaus ausgeliehen hat. Nun aber eskaliert der Zoff. Es wird bestritten, daß die Restitutionsforschung ausreichend gewesen sei, es werden Vorwürfe erhoben, daß die Stiftung historische Forschung behindert habe und es werden Fragen gestellt, warum jemandem mit der Biografie eines Bührle die auch aus Steuergeldern finanzierte Ehre eines Museumsbaues erwiesen wird.

Der Streit wird sowohl vom Kunsthaus selbst als auch von der Stiftung durchaus offensiv geführt. Die Restitutionsforschung sei abgeschlossen, es gibt keinen Grund zu Nachforschungen und wenn die Kritik anhalte, werde man sich überlegen, die Sammlung abzuziehen.

Im im Inneren von großer Geste geprägten Bau wird die Sammlung gewissermaßen übercodiert präsentiert: auf jedem, wirklich jedem Bilderrahmen, ist ein Schildchen befestigt "Sammlung Bührle". Die Texte, die man via Code abrufen kann, würdigen Bührle als umsichtig und kunsthistorisch kenntnisreich agierenden Sammler (vor allem französisch-impressionistischer Kunst, die offenbar der Goldstandard einer bestimmten Sammlerklientel ist). Erstaunlicherweise nutzt man das technische Potential überhaupt nicht für sachliche Information zu den Werken. Allerdings gibt es detaillierte Auskunft zur Provenienz, wie Kritiker bemängeln das aber lückenhaft.

Unter dem Druck der öffentlichen Debatte hat das Kunsthaus einen Informationsraum eingerichtet. Texte und Fotografien dokumentieren den Lebensweg Bühles durchaus umfangreich, allerdings wird er als humanistisch orientierter Sammler stilisiert, der verantwortungsvoll und zum Vorteil des Museums und der Stadt wie des Landes agiert habe. Bühles Motiv für den Umgang mit seiner Sammlung, nämlich dadurch Zugang zur "besseren Gesellschaft" zu erhalten, geht in gewisser Weise hier auf. Mag ein Waffengeschäft auch etwas anrüchiges sein, Lebenslauf und Kunstbeflissenheit sollen uns die Sublimierung der politisch-historischen Bedingungen erlauben.

Das scheint aber nicht ganz zu funktionieren. Die jüngste Pressekonferenz der Stiftung ließ selbst die der Stiftung und dem Museum gewogene und konservative Neue Zürcher Zeitung nach Fassung ringen und die Wochenzeitung schrieb als Reaktion unter anderem zusammenfassend: "Das grösste Kunstmuseum der neutralen Schweiz – es würde ohne Krieg und Vertreibung nicht existieren. 

Aufsehen erregten vor allem die Äußerungen des Stiftungspräsidenten und Anwalts Alexander Jolles. Die Wochenzeitung fasste das so zusammen: "In stupender Offenheit, mit geschichtsrevisionistischen und – wie auch das jüdische Wochenmagazin «Tachles» findet – antisemitischen Untertönen fegte er alle Vorwürfe bezüglich der ungeklärten Provenienzen vom Tisch. Raubkunst, Fluchtgut oder NS-verfolgungsbedingter Vermögensverlust: Das seien bloss von Historikern in die Welt gesetzte Begriffe. Mit juristischen Fakten hätten sie nichts zu tun. Wer als Jüdin oder Jude vor deutscher Verfolgung in die Schweiz fliehen konnte, habe hier ungestört Handel treiben, seinen Geschäften nachgehen können. Täter und Opfer, die gebe es heute nicht mehr: Denn Opfer stünden ihnen – Jolles meinte wohl das Kunsthaus und die Bührle-Stiftung – heute keine mehr gegenüber, sondern US-amerikanische Trusts oder «sehr entfernte Verwandte". 

Jetzt ist die Politik am Zug, vor allem die Stadt und der Kanton. Und man fragt sich: Wie wird sie angesichts der Zwickmühle, in der sie steckt, reagieren?

P.S.: So unterschiedlich beide Museumsprojekte sind, eines haben Zürcher Kunsthaus und Humboldt-Forum gemeinsam. Sie werden von einer Debatte eingeholt und permanent in Frage gestellt, in der etwas ganz Grundsätzliches sichtbar wird - und irgendwann auch entschieden werden muss. Soll und darf man Museen als Sublimation-Agenturen betreiben, die die gewaltförmigen Grundlagen ihrer Existenz verschleiern?

Man wird sehen.

Tut sich was? (Sokratische Frage 71)

Gibt es so etwas wie „Entwicklung“, was Museen betrifft.

Sicher.

Nur: worin besteht die? Und entwickelt sich etwas zum Besseren?

Montag, 27. Dezember 2021

Museale (Selbst)Infantilisierung. Hansifüttern am Schlossberg

 Hansifüttern am Schlossberg💕 Wie viele und zutrauliche Eichhörnchen es am Schlossberg in den 1950ern gab, sieht man in dieser wunderschönen Bilderserie von einem Winterspaziergang in den späten 1950ern. Vielleicht ist euch bereits bekannt, dass die Grazer Eichhörnchen der Grünräume und Parks seit jeher alle Hansi genannt und auch so gerufen werden.

Das verdanken wir dem GrazMuseum…



Womit uns Museen wirklich glücklich machen






















Seit letztem Sommer zeigen wir in Schloss Karlsruhe wieder ein absolutes Highlight: den neu präsentierten Thronsaal! Der imposante Thron wurde nach historischem Vorbild in Szene gesetzt und vermittelt beim Besuch den Eindruck einer Audienz mit den Großherzögen von Baden. Dafür wurden Thron und Baldachin aufwendig restauriert. Sogar Wandverkleidung und Boden sind dem Zustand von 1855 nachempfunden, um einen authentischen Einblick in die Vergangenheit zu schaffen.