Sonntag, 22. Dezember 2013

Museum, Politics and power

Museum, Politics and power. Was für ein Programm! Was für eine Steilvorlage! Ich bin sicher, daß ich nicht annähernd einen Überblick habe, was in welcher medialen Form derzeit museologische so jenseits der konventionellen Formen "Buch", "Seminar" oder "Tagung" zirkuliert. Doch so ein programmatischer Titel klingt ja nach Breaking News, so als ob noch nie über das politische des Museums und Macht und Museum diskutiert worden wäre.

Der Blog ist noch frisch! das Ausmaß der Beteiligung ziemlich überschaubar, die Internationalität noch ziemlich begrenzt. hier aber mal der Link und das eröffnende Statemt der Projektbetreiber:

http://museumspoliticsandpower.org

"With the social media project Museum, Politics and Power: An International Conversation we are breaking new ground by accompanying an international ICOM conference with a social media conversation across multiple channels. We’ve taken the tri-national conference as our starting place, but our interests in the topic are global.  No matter where you live or work, we hope you’ll join the conversation.  Here’s what we’ll be doing:

  • Encouraging and leading a discussion to explore what kind of topics connect or separates nations around the world in the arena of museums and politics. Can we really develop transnational and intercultural issues for discussion?

  • Providing information about the conference

  • Sharing background information on the topics closely related to the conference theme “Museums & Politics”/“Museums & Power“

  • Blogging, tweeting and sharing information live from the conference next fall for all colleagues who cannot come to St. Petersburg, Russia.

  • Providing a platform for exchanges among colleagues beyond and after the conference."


Freitag, 20. Dezember 2013

Text macht Museum (Texte im Museum 441)

Der "Ausweichsitz der Verfassungsorgane", kurz Regierungsbunker, sollte die Deutsche Regierung 30 Tage lang in einem Atomkrieg überleben lassen und auch Regierungsfähigkeit ermöglichen Und dann? Wir werden es nie erfahren, denn irgendwann begann man den Bunker aufzugeben. 
Aber es gibt offenbar immer Menschen, die der Meinung sind, daß man etwas erhalten muß, was immer es auch sei, anstatt es verschwinden zu lassen. Der lokale Widerstand, der sich gegen die völlige Demontage des unheimlichen Objekts entwickelte, "rettete" einen Rest - als Museum. Eine rasch hingepinselte Schrift (auf die ich durch Jörn Borchert aufmerksam geworden bin), setzt die entscheidende Demarkationslinie. 
Der Schriftzug bringt wie kein anderer "Museumstext" (in meiner Sammlung von Museumstexten in diesem Blog) Musealisierung auf den Punkt: Museum (Musealisierung) ist ein dezisionistischer Entschluss, etwas auf Dauer unverändert zu lassen.




Museumsszenen

Archäologisches Museum Reggio di Calabria - die sogenannten Bronzen von Riace

Weltmuseum - Stadtmuseum

Bekanntlich wurde die Idee, das Wien Museum vom Karlsplatz in die Umgebung des Zentralbahnhofes zu verlegen, aufgegeben. Nachdem die mit der Stadt kooperationswillige Bank, die den Museumsbau in ihre Entwicklungspläne einbeziehen wollte, wegen der Zögerlichkeit der Stadt Wien den Plan nicht weiter verfolgen wollte, verkündete unlängst der Kulturstadtrat das Verbleiben des Museums am alten Standort als wohlüberlegte kulturpolitische Entscheidung.
Soll sein. Offenbar hat man aber nicht parallel zu diesem Wohlüberlegen einen Plan B ausgearbeitet, denn es soll erst 2015 eine Ausschreibung erfolgen. Da ist der derzeitige Direktor in Pension und die Frage offen, wer denn den Wettbewerb vorbereiten wird. Interessant ist das auch deswegen, weil es offenbar kaum die für einen Architektenwettbewerb nötigen inhaltlich-museologischen Entscheidungen gibt. Seit 2009 hatten die Politiker der Stadt Wien, ziemlich vollmundig, ein "Stadtmuseum neu" angekündigt. Viel Zeit ist vergangen um zuzusehen, wie diesem bunten Luftballon langsam die Luft ausgeht - und die Chance vollkommen vergeben ist, die seit 1963 (!) existierende Dauerausstellung endlich zu ersetzen.

Ein paar hundert Meter entfernt dümpelte ein Museum ebenfalls schon lange in einem eher tristen Zustand dahin. Aber dort scheint nun doch, mit dem neuen Direktor und einer 25 Millionen Euro Investition, etwas in Bewegung geraten zu sein. Dort hat man ein Konzept entwickelt, den Wettbewerb durchgefüht und mit der Adaption von Museen erfahrene Architekten gefunden. Nach einer einigermaßen erträglichen Schliesszeit könnte das Museum 2015 wieder offen sein. Da beginnt man bezüglich des Wien Museums grade noch einmal von vorne.

Freitag, 6. Dezember 2013

Gurlitt und die Folgen (2) "Der gute Erbe"

In der Frage der Restitution von in der NS-Zeit geraubtem Eigentum spielt das Verhältnis von privat und öffentlich eine mehrdeutige Rolle. So auch im aktuellen Fall Gurlitt. Die rechtsbrüchige Beschlagnahme von Kunstwerken etwa für das in Linz geplante Führermuseum beendet das private Verfügungsrecht in gewisser Weise im Namen der Allgemeinheit, die Sammlungsobjekte werden in Museen ja zu Staatsbesitz. Also Besitz der Allgemeinheit.
Das ist im Kern kein so großer Unterschied zu anderen rechtsbrüchigen Annexionen, etwa in der Französischen Revolution, wo diese "Veröffentlichung" den Raub legitimierte, oder im Zuge kolonialer Politik.
Restitution bedeutet, das wieder rückgängig zu machen und daher u.U. Kunstwerke der interessierten Öffentlichkeit wieder zu entziehen. Wann etwa je Gustav Klimts Gemälde "Wasserschlangen", das bei der derzeit reichsten Sammlerin der Welt in einem arabischen Emirat gelandet sein dürfte (aus wiener Privatbesitz und mithilfe einer eben erst gegründeten Privatstiftung sowie über ein namhaftes Auktionshaus), je wieder öffentlich zu sehen sein wird, steht in den Sternen.
Im gegenständlichen Fall, ist es offen und umstritten, ob nicht der gesamte von der bayrischen Justiz beschlagnahmete Fundus legitimer Besitz Gurlitts ist und sofort ihm zurückgegeben müsste, oder ob das nur für bestimmte Werke mit bestimmten, u.U. sehr kompliziert zu bewertenden Herkunftsgeschichten gilt.
Einen originellen Beitrag zu diesem Aspekt und zur Privatheit als Merkmal des Sammlers hat Isolde Charim kürzlich in der taz veröffentlicht. Das kleine Psychogramm des Sammelns und der Sammlerpersönlichkeit allgemein entlastet in ihren Augen Gurlitt freilich nicht, der sich zur kultivierten Person stilisiert, sondern lädt ihm Verpflichtungen auf.
"Cornelius Gurlitt ist der Inbegriff des guten Erben. Demgegenüber erscheinen die anderen Erben, jene ohne Rechtstitel, umso leichter als „raffgierig“. Vielleicht gibt es ja kein Rechtsmittel für die Restitution – aber der Blick des einsamen Herrn Gurlitt in seiner Schwabinger cella, dieser Blick ist in seiner ganzen Kunstsinnigkeit ein gestohlener Blick."

Isolde Charim: Gurlitt, der gute Erbe, in: taz (online), 26.11.2013
http://www.taz.de/!128146/ 

Gurlitt und die Folgen (1) Restitution als neue Forschungsdisziplin

Eine der Effekte, den die Entdeckung der jede Menge NS-Raubkunst enthaltenden "Sammlung Gurlitt" in München hat, ist eine intensive, differenzierte und z.T. gründlich recherchierte Berichterstattung in den Medien, die Weit über den Anlass hinaus viele Aspekte des NS-Kunstraubes thematisiert. Etwa die Rolle des Kunsthandels und der Kunsthändler einst und jetzt, der Mangel an gesetzlichen Regelungen in Deutschland, wo die österreichische Gesetzgebung als vorbildlich gilt, die Erörterung der ethischen, historischen und rechtlichen Aspekte.
Eben ist in der Neuen Zürcher Zeitung ein Essay erschienen, in dem die Restitutionsforschung knapp und historisch dargestellt wird, als neuer Forschungszweig, dessen Entstehung sich allein der (späten) Entdeckung der Problematik der NS-Raubkunst verdankt.
Überraschend ist die Auffassung des Autors, die Verschlampung der Herkunftsbezeichnung und -forschung in Museen, wie sie seit langem zu beobachten sei, sei auch der spezifisch deutschen Ideologie der "Kunst für alle" geschuldet -: je "massenmedialer" die Museen wurden, desto eher vernachlässigte man alles Nachdenken über die Herkunft der Objekte.

Joachim Günter: Phantasie darf sein, Pedanterie ist unerlässlich. Aufschwung der Provenienzforschung, in: NZZ online 5.12.2013
http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/kunst_architektur/phantasie-darf-sein-pedanterie-ist-unerlaesslich-1.18198696