Die Frankfurter Allgemeine Zeitung bietet ihren Kulturfabriken Lesern Überbrückungshilfe in Zeiten der Coronakrise an - eine Serie unter dem Titel „Meine liebste Ausstellung“. Der redaktionelle Begleittext zur lesenswerten Serie ist ein einziges Playdoyer für die Erfahrung des originalen Kunstwerkes im Museum. Mit James Bind als Kronzeugen.
Wer Bond sagt, denkt zu allererst an Verfolgungsjagden und Gekuschel in Hotelbetten, an raffiniertes Waffenzubehör und Martinis in den berühmtesten Bars der Welt. Eine der schönsten Szenen aller James-Bond-Filme allerdings spielt im Museum, in „Skyfall“ – vor einem Original in Londons National Gallery: dem Gemälde „The Fighting Temeraire“ von William Turner, auf dem das alte Holzschiff von einem modernen Dampfschlepper zum Abwracken bugsiert wird. Q und Bond sitzen davor, und Q sagt zu dem noch etwas derangierten und eben erst wieder in Dienst gestellten Agenten: „Welche Melancholie! Ein großes altes Schlachtschiff, auf dem Weg zur Verschrottung. Die Unvermeidbarkeit der Zeit, finden Sie nicht? Was sehen Sie, Bond?“ Er: „Ein Schiff. Und noch ein Schiff.“ Obwohl der nach Bonds Meinung zu junge Quartiermeister computeraffin ist, hätte die Szene vor einem digital eingespielten Bild nicht die Hälfte ihrer Wirkung entfaltet. Trotz großem Einsatz hat bislang keine digitale Präsentation von Museumsbeständen verfangen. Kunstwerke müssen in ihrer körperlichen Präsenz gefühlt werden, denn ja: Gemälde etwa bilden mit ihrer organischen Leinwand und dem Holzrahmen einen physischen Gegen- und Widerstand aus. Wir müssen vor ihnen stehen, ihre Abmessungen wahrnehmen und vor allem mit den Augen über ihre Oberflächen wandern und auf den Farbreliefs eine Berg- und Talfahrt vollführen. All diese unmittelbaren Reize können uns nur Originale verschaffen, und so ersehnen wir die Wiedereröffnung der Museen herbei.