Mittwoch, 9. Mai 2018

Das Museum der Völker Schwaz. Eine Transformation auf der Höhe museologischer Debatten

Das Museum der Völker in Schwaz wurde 1995 vom Fotografen und Autor Gert Chesi gegründet, der auf zahllosen Reisen eine ethnologische Sammlung mit dem Schwerpunkt Afrika und Asien zusammenstellte. 2013 erhielt das Museum einen Erweiterungsbau und wurde inzwischen zu einem von der Stadt Schwaz und dem Land Tirol finanziell unterstütztem öffentlichen Museum. Im September gab es den ersten Leitungswechsel und eine Wiedereröffnung mit neuem Konzept.
Die neue Leiterin Lisa Noggler-Gürtler hat es also mit der Transformation eines typischen Sammlermuseums in eine öffentliche Institution zu tun. Dazu gehört die wissenschaftliche Basisarbeit, die Inventarisierung und Klärung von Provenienzfragen, für die inzwischen Gelder durch den Bund und das Land bereitgestellt wurden. Und ein Ausstellungskonzept, das neue Wege im Ansprechen von Besuchern geht.

Seit meinem ersten Besuch, da das Museum (vor seiner baulichen Erweiterung) noch ganz Gert Chesis Reich war, mit seinen Fotografien und Filmen und einer geografischen Gliederung der Ausstellung, hat sich sehr viel geändert. In nur vier Monaten ist ein einschneidender Wechsel nicht bloß bezüglich der Konzeption sondern auch der Haltung des Museums vollzogen worden.
Nun wird Grundfragen nachgegangen, dem Sterben und dem Tod, der Erinnerung, der Formierung von Identität. Das erlaubt die Auflösung der bislang dominierenden geografischen Ordnung der Sammlung und der vergleichenden Zusammenstellung von Objekten und Ensembles aus völlig unterschiedlichen Herkünften und Zeiten. Objekte - viele davon ästhetisch faszinierend -, werden nun nicht mehr als „Kunst“ gezeigt, sondern als semantisch vielfältige Zeugnisse.


Dabei ist völlig neu das Einbeziehen der eigenen Kultur und damit automatisch auch unserer Gegenwart, was ja angesichts der großen Fragen unausweichlich stattfinden muß. Themen wie Erinnerung oder Tod kann sich wohl niemand entziehen und so eröffnet die Ausstellung reiche Möglichkeiten, sich als Besucher und Betrachter mit eigenen Erfahrungen oder Ängsten zu konfrontieren.

Mir scheint, daß das, was hier gemacht wird, eine jener Möglichkeiten ist, mit der absoluten Fremdheit vieler ethnologischer Sammlungen umzugehen. Sie löst sich zwar nicht auf und muß das gar nicht tun. Das Museum generell und erst ein ethnologisches hat eine seiner besten Aufgaben darin, „Schule des Befremdens“ (Peter Sloterdijk) zu sein. Aber der Vergleich mit dem - mehr oder weniger - Vertrauten des „Eigenen“, schafft einen reziproke Wahrnehmung ermöglichenden „Bedenkraum“, in dem sich im glücklichsten Fall auch der (post)koloniale und hegemoniale Blick aufweicht. Es geht eben nicht nur darum, den „Anderen“ verstehen zu lernen (etwas, was ohnehin immer unvollkommen bleibt), sondern in der Beziehung dazu sich selbst als Individuum, als Kollektiv, als „Stammesangehöriger“ kennenzulernen.


Witzig auf den Punkt gebracht ist dieses Ausstellungsprinzip in einer Grafik, in einer schematischen Landkarte, in der die Ewe, Fante, Ga, Yoruba geografisch verortet werden aber auch die - Tiroler_innen. Diese Gleichsetzung kann einen auf die Idee bringen, das „Eigene“ mit dem Blick der „Anderen“ zu sehen, also eine radikale Vertauschung von (beobachtendem) Subjekt und (beobachtetem, beforschten, beurteilten) Objekt zu versuchen. Ganz so wie das ein schöner ironischer Film, „Das Fest des Huhnes“ (1992) gezeigt hat, wo einige afrikanische „Forscher“ die oberösterreichischen Bierzeltfeste unter die wissenschaftliche Lupe nehmen.
„Der Standort des Betrachters gehört zum beschriebenen Sujet, wie der Aussichtspunkt zur Landschaft“ erfahren wir schon im Foyer. Unterstützt wird der „Blickwechsel“ durch Leihgaben des Innsbrucker Volkskunstmuseums, mit dem das Schwazer Museum eng kooperiert. Die Museumsleiterin im Interview: „Wir arbeiten hier mit dem Volkskunstmuseum Innsbruck zusammen, das auch im wissenschaftlichen Kuratorium des Museums vertreten ist. Das Museum wird künftig nicht mehr geographisch, sondern thematisch geordnet sein. So werden Themen wie Göttervorstellung, Religion, Ahnenkult und vieles mehr miteinander verglichen und in Verbindung gesetzt.“


Mit der Vereinigung ethnologischer und volkskundlicher Sammlungsbestände knüpft das Museum der Völker an ein seit 1878 im Musée d'Ethnographie du Trocadéro in Paris (seit 1937 Musée de l’Homme) an, anthropologische, urgeschichtliche und ethnografische Sammlungen, (die eben auch Frankreich selbst umfassten), zu vereinen. Das wurde nach und nach aufgelöst, endgültig mit der Gründung des Musée du Quai Branly. Die französische ethnografische Sammlung war längst in eine eigenes Museum ausgewandert und vor einigen Jahren nach Marseille übersiedelt. Das Musée de l’Homme wurde im Vorjahr als urgeschichtlich-anthropologisches Museum wieder eröffnet.
Beim seit Jahren heftig umstrittenen riesigen Projekt des „Humboldt-Forums“ in Berlin, das mit der Hypothek (einer unter mehreren) leben muß im teilrekonstruierten Schloß unterkommen zu müssen, wird die Zusammenführung der ethnologischen Sammlung aus Dahlem mit den „volkskundlichen“ heftig eingefordert. Dort wird also die Wiederherstellung einer Einheit aller Kulturen gefordert, während man in Paris gerade die einer Aufsplitterung in mehrere Museen geopfert hat.
Auch in Wien war vor Jahren mal die Zusammenlegung der beiden ethnologischen Museen, Völkerkundemuseum und Volkskundemuseum versucht worden - und scheiterte.
In Schwaz macht man sich also grade dran, genau das, einen so weit als möglich egalitären, vergleichenden Blick, zu entwickeln. Als Vorbild könnte das Musée d’Ethnografie in Neuchatel gelten, das seit vielen Jahren herausragende Ausstellungen macht, die allesamt nichts mehr mit herkömmlicher Präsentation ethnologischer Museen zu tun haben, sondern ungewöhnliche Themen mit ungewöhnlichen Konzepten und ebenso ungewöhnlichen Gestaltungen ausstellen. Bis hin zur die Institution Museum radikal in Frage stellenden Ausstellung „Le Musée cannibale“ (2002/03). Allein der Titel ist schon ingeniös, weil er ein europäisches Vorurteil, die Zuschreibung als unmenschlicher eingestufter kultureller Praktiken gegen die eigenen hochkulturelle Institution kehrt, die ja gerade hinsichtlich ihres expliziten wie impliziten Kolonialismus wahrlich als kannibalisch eingestuft werden kann.


Das Museum in Schwaz wird sich langsam entwickeln und vortasten und hat, so glaube ich, dadurch Vorteile, daß seine Sammlungen und seine räumlichen Ressourcen überschaubar sind und ein flexibles, modulares Entwickeln begünstigen.
Bei meinem kürzlichen Besuch hat mir der Ausstellungsteil zum Erinnern besonders gut gefallen. Es geht um die Beziehung der Lebenden zu den Toten, um das Nicht-Vergessens (ein fundamentale Aufgabe des Museums, die man auch mal selbstreflexiv einbeziehen könnte…), um  - erstaunliche - Praktiken, den Tod in Erinnerungspraktiken und -ritualen zu umgehen, zu überlisten, ums Abschiednehmen, um Formen des Bestattens.
Hier hatte ich nicht nur viele und unglaubliche Informationen vor mir, nicht nur eine Vermischung „ferner, exotischer“ Riten und heutiger, tirolischer oder österreichischer Zeugnisse, sondern alles als Spuren, das eigenes Erinnern und Nachdenken in Bewegung zu setze. Und: ein solches Thema läßt sich in viele Richtungen erweitern, weiter entwickeln, im Detail zuspitzen und, so glaube ich, als „Alltagsthema“ (das freilich von Ängsten und Tabus umstellt ist) auch in Diskussionen wunderbar entfalten läßt. Noggler-Gürtler: „Ich möchte vermehrt wieder die lokale Bevölkerung ins Museum herein holen und mit ihnen über Veränderungen sprechen, nicht nur, was das Museum betrifft, sondern auch in einen Dialog treten, was die Veränderungen in unserer Gesellschaft, in den Kulturen betrifft.“


Mit der Berufung von Lisa Noggler-Gürtler hat man einen Glücksgriff gemacht. Sie kommt aus Schwaz und kennt die lokalen v.a. politischen Verhältnisse gut. Sie bringt eine komplexe Ausbildung und vielfältige Erfahrungen mit, und hat als Abteilungsleiterin am Technischen Museum und als Mitarbeiterin am ZOOM-Kindermuseum verantwortungsvolle Positionen gehabt. Sie ist in der Vermittlungs- und Forschungsarbeit versiert. Und sie ist, das ist meine persönliche Einschätzung, einer der besten Ausstellungsmacherin in Österreich. Die noch laufende Ausstellung im vorarlberg museum „Römer oder so“ gehört zum Besten und Gewitztesten, was in den letzten Jahren in Österreich produziert wurde. Im Vorjahr hat sie in der großen Islam-Ausstellung auf der Schallaburg den überhitzten öffentlichen Debatten eine nüchterne, wissensbasierte, viele authentische Stimmen einbeziehende Ausstellung gemacht. In Erinnerung ist mir auch die 1911 in der Haller Psychiatrie gezeigte Ausstellung „Ich lasse mich nicht länger zum Narren halten“ wegen des erstaunlich kreativen Umgangs mit einem spröden, schwierig vermittelbaren Thema in Konzept und Gestaltung.

Eben kommt mit einer vom Frauenmuseum Hittisau übernommenen, von der Architektin Cornelia Faißt kuratierten Ausstellung eine weitere, für das Museum völlig neue Facette zum Konzept des Museums hinzu. „Baumeisterinnen aus Ololosokwan“ führt eine eine Kultur des Serengeti-Hochlandes vor, wo sich Maasai-Frauen den Bau und den Erhalt ihrer Behausungen selbst verantwortlich sehen. Die Ausstellung führt vor Augen, dass es eine "andere Geschichte" der Maasai gibt - jenseits des vielfach völlig außer Raum und Zeit gehandelten Klischees des "edlen Kriegers".

In nur wenigen Monaten hat sich eine dichte Packung an experimentellen Vermitteln, neuartigen Themen, klugem Ausschöpfen des Sammlungspotentials und sich selbst und das Publikum fordernden Ansprüchen entwickelt. Für derart rabiate Konzepte eines Völkerkundemuseums neu ist Tirol nicht grade das ideale Umfeld.
Kurt Tucholsky hat mal geschrieben „Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel“. Das könnte man paraphrasierend auf die Museumsarbeit in Schwaz anwenden (beileibe nicht nur in Schwaz, dergleichen passiert regelmäßig). „Wenn bei uns einer tolle Museumsarbeit macht, dann sitzt die halbe Bevölkerung auf dem Sofa und nimmt übel.“
Im Ernst: Die Transformation, von der ich gesprochen habe, die notwendig ist, die überfällig war, hat vor der Bestellung von Lisa Noggler-Gürtler keineswegs planvoll begonnen. Daß ein wesentlicher Teil einer Sammlung aus einem von der öffentlichen Hand (mit)finanzierten Museum heraus verkauft und dadurch wieder privatisiert wurde, ist schwer nachvollziehbar. Auch scheint die rechtliche Konstruktion des Museums schwierig zu handhaben sein und öffnet Missverständnissen und Konflikten manche Hintertür. Außerdem ist das Museum unterdotiert und hat eindeutig zu wenig Personal.


Die zuständigen öffentlichen Instanzen in Politik und Verwaltung, die mit der Finanzierung der nötigen Grundlagenforschung schon ein positives Zeichen gesetzt haben, tun gut daran, das Museum und seine Leiterin zu unterstützen und mit jenem vollen Vertrauen auszustatten, die eine zentrale Grundlage guter Museumsarbeit ausmacht. Dann gäbe es bald etwas, wovon es in Österreich nicht genug geben könnte: ein Museum, das weit über die Grenzen hinaus Bekanntheit und Anerkennung findet. Und das vielleicht noch etwas mehr und anderes leistet. Kaum ein Museumstyp ist derzeit so breit in Diskussion und auch umstritten wie das sogenannte Völkerkundliche Museum. Ein modellhaftes Museum - ist das kein Motiv für (Kultur)Politiker, das Projekt energisch und nachhaltig zu fördern?
Nachdem in Wien eine erstaunlich tiefgreifende Transformation stattgefunden hat und das dortige „Weltmuseum“ im deutschsprachigen Raum ziemlich konkurrenzlos und vorbildlich dasteht, könnte im lokalen Zusammenhang ein zweiter, ein anderer Modellfall gelingen, an dem etwas Neues und Aufregendes verwirklicht wird.







Mittwoch, 2. Mai 2018

"Höflichkeit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr" (Texte im Museum 673)

Schattenburg Feldkirch. Foto GF 2018

Masse statt Klasse? (Texte im Museum 672)

Ausstellung "Achthundert Jahre Vorarlberg". Foto: GF, 2018

Wollen wir? (Texte im Museum 671)

Ausstellung "Achthundert Jahre Feldkirch". Foto: GF 2018

Was ich schon immer mal im Museum lesen wollte... (Texte im Museum 670)

Museum der Völker, Schwaz. Foto: GF 2018

Der Standort des Betrachters (Texte im Museum 669)

Museum der Völker Schwaz. Foto: GF 2018

Ga, Yoruba, Tirolerinnen und andere unerforschte Sämme (Texte im Museum 668)

Museum der Völker, Schwaz. Foto: GF 2018

Donnerstag, 19. April 2018

Die zehn besten Museen Österreichs. Die zehn schlechtesten Museen Österreichs. Resonanz und Staunen

Heute hat mein Post mit den zehn besten und den zehn schlechtesten Museen Österreichs den zehntausendsten Zugriff gehabt. Über Facebook gab es mindestens noch einmal so viele Zugriffe. Damit ist dieser Post der meistgelesene in meinem Blog seit seinem Bestehen.

Die persönlichen Reaktionen mir gegenüber waren auch dementsprechend zahlreich, überwiegend positiv und insofern ermutigend, weil ein Defizit an analytischer und kritischer Beschäftigung mit den Museen sichtbar wurde.

Hier der Link für die, die diesen Post noch nicht kennen:  https://museologien.blogspot.co.at/2018/01/die-zehn-besten-museen-osterreichs-die.html

Wie geht es weiter? - Ich denke, daß ich im Juni, eher im Juli eine "zweite Auflage" des Ranking veröffentlichen werde (an dem ich schon arbeite), mit mehr Museen, wahrscheinlich auch mit einer differenzierteren Abstufung - aber bei Beibehaltung der sehr subjektiven Auswahl und Beurteilung.

Also, ein wenig warten, dann gibts Neuigkeiten, vielleicht sogar mehr gute, denn mir fallen mehr "gute" Museen in letzter Zeit auf, als "schlechte" (die sind dann aber wirklich unterirdisch). Wir hören und lesen voneinander...!

Ein Schloß, ein Präsident, eine Kanzlerin. Museumspolitik im Großmaßstab.

Ich arbeite gerade an einem Text zum Berliner Humboldt-Forum (ohne Auftrag, ohne Vorstellung, wo ich das veröffentlichen könnte), eien Text zur politisch-ideologischen Bedeutung dieses Großprojektes, mit dem sich die Berliner Republik unter die führenden Museumsnationen einschreiben und eine strahlende, selbstbewußte staatliche Identität gegenüber der Welt geltend machen will.
Und ich staune nicht schlecht, als ich in ZDF "Heute" (vom 19.4.2018) Macron und Merkel, Staatspräsident und Kanzlerin, vor einer riesigen Bildtapete, die das Berliner Schloss zeigt, ihre Pressekonferenz zu EU-Fragen und zur EU-Reform abhalten sehe.

Pressekonferenz Emanuel Macron, Angela Merkel vor einer Fototapete des Schlosses, inklusive Fahnen.

Das läßt keinen Zweifel an der identitätspolitischen Bedeutung, die die deutsche Bundesregierung dem Museumsbau und der Teilrekonstruktion des Schlosses zumißt. Das hat sogar etwas von jener Großzügigkeit, wenn man so will auch vom Pomp, mit dem in Frankreich seit Jahrzehnten präsidiale Museumsprojekte lanciert und gefeiert wurden. Mit dem Höhepunkt des Ausbaues des Louvre zum Grande Louvre unter Mitterand mit seiner berühmten Pyramide und der Eröffnung im Jahr der 200. Wiederkehr der Französischen Revolution.
Unter dem Eindruck dieser Pläne soll Helmut Kohl die Gründung des Deutschen Historischen Museums angeordnet haben, das zunächst ja in einem Neubau untergebracht werden sollte, nach der Wiedervereinigung aber im barocken Zeughaus etabliert wurde, also in unmittelbarer Nachbarschaft zum jetzt teilrekonstruierten Schloß.
Daß Deutschalnd auf seine preußische also auch militärische und koloniale Vergangenheit zurückgreift (in dem Schloß residierte auch Wilhelm der II., in dessen "Amtszeit" die Deutsche Kolonialpolitik fällt) ist angesichts der Gespräche, in der es um eine Reform der EU geht, schon bemerkenswert und interpretationsbedürftig. Die, die der Spiegel anbot, frei praphrasiert "über die Baustelle EU wird eben in einer Baustelle gesprochen", dürfte nicht ausreichen.

Macron, Merkel und der "Generalintendant" des Humboldt-Forum-Projektes, Neil MacGregor, ehemals Direktor des British Museum, bei einer Führung durch die Schloßbaustelle 19.04.2018
Eine andere Pointe dieses Ereignisses ist die, daß Macron kürzlich eine umfassende Restitution ethnologischer Sammlungsbestände angeordnet hat, während ja grade um das koloniale Erbe, den Umgang damit und die Probleme der Restitution in Berlin ein Streit entbrannt ist. Macron hat dabei ausgerechnet Benédicte Savoy von der TU Berlin  beauftragt, die mit ihrer Kritik an der neokolonialen Politik Mitte 2017 die von Beginn an laute Kritik am neokolonialen Konzept des Humboldt-Forums (Übersiedlung der ethnologischen Sammlungen aus Berlin-Dahlem) dermaßen in Schwung gebracht hat, daß das Triumvirat an der Spitze des Projeketes, einschließlich Neil MacGregor ganz schön in der Defensive ist.
Aber wenns so wichtig ist, wird das, so oder so, schon wie geplant 2019 eröffnet werden. Aber mit welchen Kompromissen? Und wirds der EU helfen?

Freitag, 13. April 2018

Wer weiß etwas? Suchmeldung


Ich bitte die auf Facebook unter der Überschrift „Freunde“ (meine F.) versammelte Schwarmintelligenz um Hilfe.
Im Vorjahr wurde unter skandalösen Umständen (DIE KLEINE) Alexia Getzinger zur Leiterin des Universalmuseum Joanneum ernannt. Seit 1.1.2018 ist sie das.
Was immer ich auch im Internet an Suche ausprobiere, ich komme auf keine einzige Information zur Tätigkeit von Alexia Getzinger am Landesmuseum. 
Ein Grün-Politiker hat wörtlich zu mir gesagt, vor Monaten, nach der Bestellung: „Wir hoffen, das sie nichts macht.“
Das kann aber doch kaum sein?!
Wer weiß etwas über den Verbleib, die Tätigkeit, die Pläne, die Projekte, die Pressemeldungen und -Konferenzen usw. von Frau Getzinger?
Für Hinweise bin ich dankbar, sofern es sich nicht um Gerüchte handelt.

Donnerstag, 12. April 2018

Emigration (Texte im Museum 667)

Cité de la Immigration, Paris. 2017

Das Museum mit Gegenwart (Das Wort zum Tag)



Museen sind heute einer der wenigen Orte, wo man einen unpolemischen und tiefgreifenden Dialog führen kann. Ausstellungen werden politisch gelesen. Das sehe ich positiv. Das bedeutet nicht, dass der politische Kontext à priori einen Schwerpunkt in der Ausstellungsgestaltung darstellen wird.




Max Hollein, frisch bestellter Direktor des Metropiltan Museum New York

Mittwoch, 11. April 2018

Geschichte für Eilige. Das Nürnberger Stadtmuseum

Ein raum, eine halbe Stunde Stadtgeschichte
"Das Stadtmuseum Fembohaus ist das Stadtmuseum zur Geschichte Nürnbergs. 950 Jahre Stadtgeschichte werden anschaulich dargestellt. Es präsentiert in neuartiger Museumsatmosphäre mit ambitionierten Ausstellungen zu aktuellen Themen der Stadtgeschichte einen umfassenden Blick auf die Stadtgeschichte."

So stellt Wikipedia das Nürnberger Stadtmuseum vor.

Das Museum wurde 1953 gegründet, kurz bevor die Reichskleinodien, die in der Zeit des Nationalsozialismus nach Nürnberg gebracht worden waren, wieder nach Wien zurückgegeben wurden. Das Museum befindet sich im sogenannten Fembohaus, einem Haus eines sehr wohlhabenden Kaufmanns, errichtet im Stil der Spätrenaissance.

Schon als bauliches Dokument stellt das Stadtmuseum ein Problem in der (Re)Präsentation der Stadtgeschichte Nürnbergs dar. Es ist ein Zeugnis der Bau- und Wohnkultur der reichsten und lange Zeit allein herrschenden Schicht. Es wurde zwar im zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, konnte aber als in Teilen erhalten und zumindestens teilweise wiederhergestellt werden - als eines jener meist städtebaulich isolierten historischen Bauten inmitten der modernen Bebauung nach 1945, die in der Stadt vorherrscht. Eine Reihe inmitten der modernen Nachkriegsbebauung singulär gewordenen Architekturobjekte behaupten etwas vom einstigen spätmittelalterlichen Glanz der Stadt inmitten ihrer die Geschichte auslöschenden Überbauung über den Kriegsruinen. Sowohl seine sozialhistorische Repräsentativität als auch seine unversehrtes Überdauern vortäuschende Rekonstruktion und Sanierung stellen ein Dilemma dar, dem man im Museum (und in Nürnberg) auch anderswo begegnet.

So beginnt der Rundgang durchs Museum im obersten, vierten Stock (ich komme später zum inzwischen neuesten Ausstellungsraum, der als in sich geschlossene Einheit gesehen werden will, und den man als jetzt als ersten betritt, später zurück), wo man sich vor einem großen Stadtmodell einfindet. Mithilfe eines gesprochenen Textes, an die Wand projizierten Fotos und einem wandernden Spot, der die jeweils angesprochenen Lokalitäten in der Stadt kenntlich macht, wird zunächst die mittelalterliche Geschichte der Stadt andeutungsweise erzählt. Also deren herausgehobene Bedeutung als Kaiserresidenz, Ort von Reichstagen, Stadt des Handels.
Genau diese blühende mittelalterliche Stadt wird ja auch im Modell gezeigt, in den Grenzen der heute noch umfangreich erhaltenen Stadtbefestigung.

Das Schicksal der Jüdischen Bevölkerung wird an den Erläuterungen zum Marktplatz und der Frauenkirche erzählt. An der Stelle des Platzes befanden sich die Häuser der jüdischen Bevölkerung, von denen über 500 in einem Pogrom 1349 getötet wurden. Nur fünfzig Jahre zuvor waren bereits über 600 Juden umgebracht worden. Nun zerstörte man ihre Häuser, an deren Stelle der "Große Markt" angelegt werden konnte und die Synagoge wurde durch die Frauenkirche ersetzt. Erst 1850 konnten durften sich wieder Juden in der Stadt ansiedeln.
Es wurde nun eine dritte, große Synagoge errichtet, die aber noch vor der sogenannten Reichskristallnacht zerstört wurde. Auf dem Stadtmodell sieht man die Synagoge nicht mehr, denn das stammt aus dem Jahr 1939 und zeigt daher eine leere Stelle an dem Ort der kurz zuvor beseitigten Synagoge. So wird ausgerechnet das aus der NS-Zeit stammende, die mittelterliche Stadt wenige Jahre vor ihrer Zerstörung noch intakt zeigende Modell zum Zeugen der antijüdischen Barbarei des NS.

Wer die großflächige Verheerung der Stadt nachvollziehen will, findet einige Räume später ein kleineres, einschlägiges Modell - und dann auch v.a. fotografische Dokumente der verwüsteten Stadt.

Man darf aber nicht glauben, daß die folgenden Ausstellungsteile die Hoffnung auf eine kritische Durchdringung der Stadtgeschichte erfüllen oder auch nur das Versprechen von Wikipedia einlösen wird, in "neuartiger Museumsatmosphäre" (...) "ambitionierte Ausstellungen zu aktuellen Themen" zu bieten.


Wir befinden uns ja in einem sorgfältig restaurierten Patrizierhaus, also in maßstäblich eher "heimeligen" Zimmern und Stuben mit Stuck, Deckenmalerei, Kasettendecken, Kachelöfen, Butzenscheiben-Fenstern, geschnitztem Holz usf. Die Ausstellungsmacher haben sich vom Ambiente zu einer eher altbackenen Gestaltung verführen lassen. Das erlaubt dennoch immer noch überraschende Einsichten, etwa in der knappe Vorstellung mancher Handwerke, wo man schnell begreift, worauf der Erfolg des Nürnberger Handwerks wohl beruht hat. Auf großer Innovativität, eignen Erfindungen, die man sorgsam schützte und einer hoch arbeitsteiligen Herstellung von Waren. Die Informationen zur Sozialstruktur geben eine Ahnung von den Machtverhältnissen in der Stadt und zwischen Stadt und Burg. Aber viele Informationen und Themen haben einen Schwerpunkt bei den reichen Schichten, eine Einseitigkeit, die immer noch viele Museen allein schon auf Grund ihrer langjährigen Sammlungsschwerpunkte pflegen. Aber für eine 2000 eröffnete Ausstellung ist das schon erstaunlich.
So gilt ausgerechnet dem protzigen Bau des allerreichsten Handelsherrn eine umfassende Dokumentation, mit Plänen, Modell und Lebenslauf, in dem aber so viele Fragen, die man gehabt hätte, nicht gestellt werden.

Objekte werden einzeln - z.B. historische Gemälde - oder in Gruppen als kunsthistorische oder auch historische Zeugnisse vorgeführt aber je näher es zur Gegenwart geht, desto weniger ergibt das noch so etwas wie eine anschauliche Erzählung. Fürs 17. Jahrhundert gibt es ein großformatiges Gemälde, das ein aus Anlass des Westfälischen Friedens gehaltenen Mahles entstanden ist, fürs 18.Jahrhundert muß ein bedeutender Landkarten-Verlag herhalten, der allerdings auch hier, im Fembohaus seinen Sitz hatte. Das ist interessant, aber eben nur eine Facette der Stadtgeschichte.

Ausgerechnet die Industrialisierung "entfällt" - bis auf dokumentarische Fotografien, ich glaube nicht einmal die älteste deutsche Eisenbahn wird erwähnt (?) die von Nürnberg nach Fürth führte, damit entfällt auch die moderne sozial-, alltags und politische Geschichte. Und das geht nun doch bei einer Stadt wie Nürnberg gar nicht. Für den NS und die verheerende Zerstörung der Stadt stehen wiederum nur dokumentarische Fotos zu Verfügung.
Wer wirklich etwas über Nürnberg in der NS-Zeit erfahren will, über die Stadt der Reichsparteitage und die Instrumentalisierung der Stadt im NS, der muß das Dokumentationszentrum in den Ruinen des Reichsparteitag-Geländes zu besuchen.

Doch inzwischen hat man einen neuen Ausstellungsabschnitt geschaffen, der aus einem einzigen großen Raum besteht. Ihn betritt man, so wird es einem beim Betreten nahegelegt, über die Sonderausstellungsräume und verläßt ihn dann über einen Lift, mit dem man vors Stadtmodell im vierten Stock kommt. Es ist also einerseits der erste Raum zur Stadtgeschichte, andrerseits gehört er nicht wirklich zur permanenten Ausstellung, denn er bildet so etwas wie ein abstract.


Nur 30 Minuten zum Stadtexperten

Atemlos durch die Geschichte
Vorher/Nachher. Zerstört/Wieder aufgebaut
Dieser Raum ist eher ein Schrein, ein großer Raum voller Dokumente, Repros, Fotos, Büsten, Fakes usw. dicht an dicht und an allen Wänden appliziert und von Gewölben - Fotoreproduktionen mittelalterlicher Architektur -, herabhängend, hüllt einen immersiv mit Stadtgeschichte ein. Hier werde man, versprechen einem Plakate in der Stadt, in einer halben Stunde zum Experten. "Nürnberg auf einen Blick" steht auf anderen Plakaten zu lesen. Und ein Motto hat diese Wunderkammer auch, nämlich "Krone - Macht - Geschichte". Ein Motto, das einen grübeln läßt, ob hier bloß die Macht der Krone gemeint sein könnte, das "kaiserliche" Nürnberg und daher nur "ihre" Geschichte.

Nun, es gibt eine Vitrine im Raum, und in ihr werden der Kronschatz gezeigt, als Replik, die Originale befinden sich ja in der Wiener Schatzkammer. Für Nürnberg (für wen genau eigentlich?) scheint der "Verlust" dieser Zimelien ein fortdauerndes Trauma, mindest eine Kränkung zu sein. Gleich mehrere Objekte beziehen sich auf das Kaisertum, aber insgesamt ist dieses Pasticcio aus Originalgemälden, Fotos, Büsten, Faksimiles - eines vom Heiltum in Wandhöhe -, usw. "ausgewogener" als die Dauerausstellung. Indes, es können die vielen Themen nur angerissen werden, ein bisschen NS hier, ein bisschen sozialdemokratisches Nürnberg dort, ein bisschen mittelalterliche Religiosität.

Die einzige Struktur ist eine lockere Chronologie und neun oder zehn Biografien, alles Männer, überwiegend politisch Mächtige, Kaiser, Bürgermeister - und Künstler, etwa Richard Wagner. Keine Frau. Kein Durchschnittsbürger.

Mit einem Audioguide dürfte das dann wirklich auf in einer halben Stunde zu schaffen sein. Also für ausländische Touristengruppen, die es eilig haben, weil sie noch Lebkuchen kaufen und Rostbratwürste essen gehen müssen. Für südkoreanische Touristen, die selbst für Wien nur vier Stunden haben, könnte das für Nürnberg genügen.

Stadtmuseen scheinen ein Problem zu haben. Es hat in den letzten jähren mehrere Veranstaltungen gegeben, in denen sie sich versammelt haben, um sich ihre Wunden zu zeigen. Eine dieser Veranstaltungen habe ich moderiert, aber mir ist auch da nicht so recht klar geworden, was das Problem ist gerade dieser Museen ist. In der Konkurrenz mit urbanem Kulturangebot und größeren, namhafteren Museen, namentlich den klassischen und moderne Kunstmuseen, scheinen sich Geschichtsmuseen als häßliche Entlein der Museumslandschaft zu sehen. Das ist vielleicht (auch) eine Frage des Selbstbewusstseins. Das andere Problem könnte sein, daß die Stadtmuseen kein rechtes Verhältnis zu "ihrer" Stadt finden. Wie auch, wenn die Gegenwart einer Stadt überhaupt nicht vorkommt, wie etwa im Nürnberger Museum. Auf die Schnelle fällt mir überhaupt nur ein einziges Museum ein, in dem Gegenwart ausdrücklich und ausführlich stattfindet. Das ist das Amsterdamer Stadtmuseum. Da habe ich gelernt, daß das berühmte Tiki-Taka des FC Barcelona bei Ajax Amsterdam erfunden und von Spielertrainern, die nach Spanien gegangen sind, als extrem beweglicher, schneller, athletischer Fußball exportiert wurden. Cool. Das war aber nicht alles. Dort traten mir Bewohner und Bewohnerinnen Amsterdams entgegen, über die ich etwas erfahren konnte und damit über deren Alltag und somit weiter über die Stadt als heutigen Lebensraum.

Womit sich alle diese Museen sehr schwer tun, ist die sinnvolle Verknüpfung von Gegenwart und Vergangenheit. Dazu kommt die finanzielle und politische Abhängigkeit, die es schwer macht, sich mit konflikthaltigen Gegenwartsfragen zu beschäftigen.

Das erste, was zu tün wäre, wäre das "Historische" an diesen Museen, die Differenzerfahrung, in der Einsichten über Ursachen, Wirkungen, Lösungen zu forcieren. Ein Beispiel. Im Nürnberger Stadtmuseum Stadtmuseum stößt man auf eine ökologische Krise: die Waldgebiete schrumpften und damit die extrem wichtigen Holzvorräte. Da erfindet ein Nürnberger eine Methode der rationellen gewinnung von Baumsamen und Methoden der rationellen Aufforstung. Diese wird erfolgreich lange geheim gehalten und sichert Nürnberg einen weiteren "Standortvorteil". Das erinnert doch an etwas?! Da könnte man doch Anknüpfen, oder? Aber ein solcher Faden bleibt lose liegen.

Das gilt erst recht über alle Machtfragen. Wie ein Museum mit Machtverhältnissen umgeht, für die kann man die Frage in jedem Museum wie einen Lackmustest anwenden. Da setzt es meist ganz aus und wer eine historische Ausstellung "evaluieren" will (nicht nur in Stadtmuseen), der soll sich die Frage der Macht an Hand der gezeigten Dokumente und "Erzählungen" und Deutungen stellen. Da gabs doch einen Handwerkeraufstand, der die göttliche Nürnberger Gesellschaftsordnung für einen Herzschlag aussetzen ließ? Aber in all der feierlichen Vorführung patrizischer Kultur hats dafür keinen Platz im Museum.
Und Gegenwart? Die, in der ich mich als Tourist bewege. Die gibt es im Nürnberger Stadtmuseum nicht.





Freitag, 30. März 2018

Jeder? (Sokratische Fragen 31)


Jeder,

sagt Kollegin A.J.,

kann Ausstellungen machen.


Na gut.


Aber gibt es dann eine Unterscheidungsmöglichkeit

zwischen Ausstellungen, die Fachleute gemacht haben

und solchen die von Laien gemacht wurden?

Was jetzt? (Sokratische Frage 30)



Brauchen die Museen uns
mehr als wir Sie?