Hundert Tage „Amtszeit“ der Direktorin des Wiener Hauses der Geschichte bieten verschiedenen Tageszeitungen Gelegenheit nachzufragen, wie es denn um das Museum so steht. Nun wird eine Leiterin eines solchen ambitionierten und umstrittenen Projekts kaum selbst Salz in die Wunden des Projekts streuen, sondern im Gegenteil alle kniffligen Probleme als „Vorteile“ sehen wollen. So wird Minister Ostermayers Entscheidung, das Museum in der Neuen Burg einzurichten, als eine Art Überbrückung dargestellt bis ein Neubau errichtet ist. Nur: Von einem Neubau war damals nie die Rede, sondern das was für die neue Burg vorgesehen war, sollte das Museum sein.
Seit nun der Nachfolger Ostermayers, Drozda, das Projekt finanziell um zwei Drittel gekürzt hat und einen Neubau Spiel brachte - natürlich ohne Standort, Zeitpunkt und Finanzierungsmöglichkeiten zu nennen -, ist eine merkwürdige Situation entstanden. Auf dem (Gesetzes)Papier gibt es Haus der Geschichte, aber in der Neuen Burg gibt es vorerst eine Ausstellung zur Republiksgründung. Was danach kommt, ist unklar. Weitere Ausstellungen? Ein provisorisches Museum?
Unlängst hat der Geschäftsführer des Kunsthistorischen Museums, dem die Räume gehören, in dem die Ausstellung stattfindet, gesagt, daß diese Räume für den Eigenbedarf hergerichtet würden. Das klingt danach, als rechne man mit einer Nutzung durch das KHM nach der Ausstellung.
Wenn jetzt Monika Sommer von ihren Vorstellungen spricht, was das Museum sein und leisten soll, sollte man immer im Auge behalten, daß von etwas die Rede ist, was es zumindest in naher Zukunft gar nicht geben wird. So zu tun, als baue man ein Museum auf, etwa durch das Anlegen einer Sammlung, schafft Tatsachen. Aber mit durchaus unsicherem Gewicht für noch fällige politische Entscheidungen.
Zwischen einer Ausstellung und einem Museum ist nun mal ein Unterschied. Ab dem November 2018 wird etwas gezeigt, was um ein bestimmtes Thema kreist, kein Längsschnitt der österreichischen Zeitgeschichte und man entkommt auch vorerst einem Problem, das eine Hypothek der Museumsidee darstellt: für die Ausstellung kann man weit unbeschränkter mit Leihgaben arbeiten, als später in einem Museum, dem ja eine Sammlung noch weitgehend fehlt. Man entkommt vorerst der Erwartung, eine Deutung des großen historischen Bogens der österreichischen Geschichte - programmatisch vorgesehen soll das mit der Mitte des 19.Jahrhunderts einsetzen -, und kann sich mit einer üblichen historischen Ausstellung begnügen.
Also haben alle Erläuterungen zum Konzept eines Museums einen Vorbehalt. "Ich verstehe“ sagt Monika Sommer im Standard vom 26.5. „das Museum des 21. Jahrhunderts als Reflexionsort. Diskurse werden hier angestoßen, aber nicht im Sinne eines Imperativs. Wir wollen die Diskussion zeigen und keine Bilder verfestigen." Sicher, das kann auch eine Ausstellung leisten, aber als Vorschau auf ein Museum ist das ungedeckter Scheck. Ob es je eine langfristig sich entwickelnde Institution geben wird, scheint mir weitaus ungewisser als zum Zeitpunkt als Minister Ostermayer in einem politischen und dezisionistischen Akt das Museum ins Leben rief.
In wenigen Monaten gibt es Nationalratswahlen und wie wahrscheinlich ist es, daß es über die Wahl hinaus inneren sehr wahrscheinlich neuen Regierungskonstellation eine Kontinuität in der Kultur- und Museumspolitik der Republik geben wird? Wer weiß schon, wie andere Parteien mit diesem Projekt - zwischen Abwicklung und ideologischer Instrumentalisierung - umgehen werden? Da könnte den „Erfindern“ des Projektes die für ein Bundesmuseum ganz ungewöhnliche Politikabhängigkeit ganz schön auf den Kopf fallen. Die direkte Ungebundenheit ans Bundeskanzleramt und das eindeutig der SPÖ zuzuordnende Umfeld, das das Museum protegiert und entwickelt, werden in einer anderen politischen Konstellation zur weiteren Hypothek fürs Museum. Die typisch österreichische Koalitionäre „Arbeitsteilung“ zwischen dem „konservativen“ Haus in St. Pölten und dem „sozialdemokratischen“ in Wien wird möglicherweise nicht mehr funktionieren.
Über das was alles an konzeptuellen Ideen angekündigt wird, wird man erst urteilen können, wenn die erste Ausstellung eröffnet wird. Dann erst wird man sehen wie Versprechen eines „demokratischen Museums“, eines Ortes wo „Identität verhandelt“ wird, eingelöst werden. Wie soll etwa das „Verhandeln“ aussehen, wenn es um die begriffliche Deutungshoheit über "Austrofaschismus" und "Ständestaat" geht? Das soll, liest man, nicht im Museum entschieden, sondern „offen zur Schau gestellt“ werden. Sommer: "Hier wird dann an die eigene Urteilskraft der Besucher appelliert“. Was mich dann interessieren wird, ob man Diskussionen „zeigen“ kann, ob es genügt konfligierende Fakten zu präsentieren oder ob es dann nicht auch neuer Gefäße bedarf, in denen sich der beschworene Diskurs überhaupt erst entfalten kann. Überhaupt klingt das danach, als könne sich das Museum auf eine wissenschaftlich gefestigte Position zurückziehen und die Deutung den Besuchern überlassen. Aber diese gefestigten wissenschaftlichen Positionen gibt es oft nicht und ein Museum kann nie der Deutung entkommen, die allein schon durch Wahl der Objekte, ihr Arrangement und ihre textliche Kommentierung unvermeidlich ist.
Was mich auch bei anderen Konzepten stört, hier aber ganz besonders, ist, wie sehr auf Jugendliche als Zielgruppe geachtet wird. „Die Jugend“ war nie hauptverantwortlich für all den gesellschaftspolitischen Schlamassel, den wir nachträglich als historisiert mit Entsetzen oder Kopfschütteln als „unsere Geschichte“ wahrnehmen. Wieso wendet sich das Museum nicht auch - und energisch - gerade an diejenigen, die in Entscheidungsfunktionen sind, an der Wahlurne, in Ämtern und Kammern, in Gemeindestuben, in Vorständen, in Familienbetrieben, in Landtagen…?
Mit der Fokussierung auf Jugendliche, so scheint mir, kommen gleich zwei fragwürdige Vorentscheidungen ins Museum. Einmal die, das Museum nicht wirklich ernsthaft als gesamtgesellschaftlichen Ort des Diskurses zu sehen wollen, sondern eher als pädagogische Anstalt, wo die jüngeren Generationen gleichsam zur Demokratie erzogen werden sollen. Und: steckt da nicht ganz pragmatisch die Strategie dahinter, wie andere Museen das auch tun, sich der Jugendlichen als zählbares Publikum zu versichern zumal die z.T. ja Zwangsbesucher sind, etwa als Schulklassen. Jedenfalls ist auffallend, daß hier die Pläne zur Rekrutierung - in Kooperation mit einschlägigen Organisationen - weitaus konkreter sind, als die, die Auskunft geben könnten, was denn das nun für ein Museum werden wird. Die Frage des Zeithistorikers Gerhard Botz nach der ideologisch-politischen Zielsetzung, also nach dem gesellschaftspolitischen Zweck des Ganzen bleibt ebenso unbeantwortet wie die Entscheidung (die daraus abzuleiten wäre), was es denn nun für ein Museumstyp werden soll: ein Museum der politischen also Herrschaftsgeschichte, der Sozial- oder Kulturgeschichte, eines der Lebenswelten der österreichischen Bevölkerung, eines der zunehmenden globalisierten Vernetzung des Landes?