Montag, 26. November 2012

Vom Nutzen und gesundheitlichen Nachteil beim Betrachten von Kunstwerken und Sehenswürdigkeiten

Jerusalem-Syndrom

Das Jerusalem-Syndrom bezeichnet eine psychische Störung, von der jährlich etwa 100 Besucher und Einwohner der Stadt Jerusalem betroffen sind. Die Erkrankung besitzt den Charakter einer Psychose und äußert sich unter anderem in Wahnvorstellungen: Der oder die Betroffene identifiziert sich vollständig mit einer heiligen Person aus dem Alten oder Neuen Testament und gibt sich als diese aus.
Sehr prominente und wichtige biblische Personen werden dabei besonders häufig zum Objekt einer solchen Identifizierung, so zum Beispiel Mose und König David aus dem Alten Testament oder Paulus und Johannes der Täufer aus dem Neuen Testament.
Die Identifizierung als biblische Person geht einher mit einer entsprechenden Selbstdarstellung und wird oft begleitet von öffentlichen Predigten oder Gebeten des Erkrankten. Auch legen diese häufig ihre Kleidung ab und hüllen sich stattdessen in weite Gewänder oder Bettlaken.
Die Bezeichnung Jerusalem-Syndrom stammt vom israelischen Arzt Yair Bar El, der Anfang der 1980er Jahre als erster dieses Krankheitsbild diagnostizierte und seitdem über 400 Betroffene in der psychiatrischen Klinik „Kfar Shaul“ behandelt hat. Grundsätzlich ist die Erkrankung nicht gefährlich und die Betroffenen sind in der Regel nach wenigen Tagen vollständig genesen.

Paris-Syndrom

Als Paris-Syndrom wird eine vorübergehende psychische Störung bezeichnet, die meist Japaner beim Aufenthalt in Paris trifft. Als Auslöser des Paris-Syndroms gilt die starke Differenz zwischen der Erwartungshaltung der Touristen und der Realität der Stadt.
Das Paris-Syndrom ist durch einige psychische Symptome gekennzeichnet: akute Wahnzustände, Halluzinationen, Verfolgungswahn, Derealisation, Depersonalisation, Angst sowie psychosomatische Manifestationen wie etwa Schwindel, Tachykardie oder Schwitzen.
Es sind vor allem japanische Frauen in ihren Dreißigern betroffen. Es wird nerichtet, daß 73 % der Patienten junge Frauen seien, die eine geringe Motivation besitzen, die Sprache Französisch zu lernen, jedoch durch die finanzielle Unterstützung ihrer Familie in Paris leben können. Auch junge Frauen aus diesen familiären Verhältnissen, die mit „romantischen Vorstellungen“ etwa Kunstgeschichte in Paris studieren wollen, fallen in dieses Muster.

Stendhal-Syndrom

Der Begriff bezieht sich auf eine Notiz aus der 1817 veröffentlichten Reiseskizze Reise in Italien (Originaltitel: Rome, Naples et Florence), in der der französische Schriftsteller Marie-Henri Beyle, bekannt unter dem Pseudonym Stendhal, seine Eindrücke bei seinem Besuch in der italienischen Stadt Florenz beschrieb. Schon bei der Ankunft in der Stadt fühlte er sich wie in einem Wahn und konnte keinen klaren Gedanken fassen.Bei der Besichtigung der Kirche Santa Croce, berühmt für die Grabmäler von Florentinern wie Michelangelo, Dante Alighieri oder Galileo Galilei, steigerte sich seine Begeisterung:„Ich befand mich bei dem Gedanken, in Florenz zu sein, und durch die Nähe der großen Männer, deren Gräber ich eben gesehen hatte, in einer Art Ekstase. […] Als ich Santa Croce verließ, hatte ich starkes Herzklopfen; in Berlin nennt man das einen Nervenanfall; ich war bis zum Äußersten erschöpft und fürchtete umzufallen.“ Stendhal fühlte sich wie ein Verliebter und genoss die „angenehmen Sensationen“, zeigte sich in seiner Schilderung aber gleichzeitig bestürzt über seinen Erschöpfungszustand.
Der italienischen Ärztin Graziella Magherini fielen während ihrer Tätigkeit als Leiterin der psychologischen Abteilung des Florentiner Krankenhauses Santa Maria Nuova einander ähnelnde Krankheitsfälle unter ausländischen Touristen auf, die sie als eine Reaktion auf die Fülle an Kunstwerken und -eindrücken in Florenz deutete. In Anlehnung an die Reiseberichte Stendhals nannte sie 1979 diese psychosomatische Störung Stendhal-Syndrom. In den folgenden Jahren studierte Magherini mit ihrem Team zahlreiche Fälle von Patienten, die unter dem Stendhal-Syndrom litten. 106 dieser Krankengeschichten wurden von Magherini im Januar 1989 in der Monografie La Sindrome di Stendhal veröffentlicht, wodurch der Begriff „Stendhal-Syndrom“ einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde.
Merkmal des Stendhal-Syndroms sei ein „Verlust der Kohäsion des Selbst“. Bei einer Gruppe von Patienten äußerte sich das Stendhal-Syndrom durch Störungen des Denkens und der Wahrnehmung, die Halluzinationen und wahnhafte Stimmungen sowie tiefe Schuldgefühle bei den Betroffenen auslösten. Eine zweite Gruppe entwickelte affektive Störungen, die sowohl zu Allmachtsphantasien als auch zur Erkenntnis der eigenen Bedeutungslosigkeit angesichts der Fülle an Kunstschätzen führten. Bei einer dritten Gruppe von Patienten trat das Stendhal-Syndrom als eine Panikattacke auf, die mit erhöhtem Blutdruck, Ohnmachtsanfällen, Bauchschmerzen und Krämpfen verbunden war. Die meisten der vom Stendhal-Syndrom betroffenen Touristen waren zwischen 26 und 40 Jahre alt und unverheiratet. Alle Patienten waren Ausländer, zumeist aus den Vereinigten Staaten und der Nordhälfte Europas.

(Wikipedia; gekürzt)




Sorgen (Texte im Museum 352)

Hygienemuseum Dresden

Museum ohne Haftung (Texte im Museum 351)

Militärhistorisches Museum Dresden

Sitzen a la Libeskind kann Ihre Gesundheit beeinträchtigen (Sitzen im Museum)


Militärhistorisches Museum Dresden

Objet trouvée, verrostet, aber aus dem Führerbunker...

Schreibmaschine aus dem "Führerbunker". Militärhistorisches Museum Dresden

Dienstag, 20. November 2012

Leverian Museum London (Entrée 85)


FC Barcelona (Entrée 84)


Bücherecke (Texte im Museum 350)


Was man unter Kunst versteht (Texte im Museum 349)

Maria Lassnig - Ausstellung - Neue Galerie Graz



Tipp: Maria Lassnig in der Neuen Galerie Graz


Mikroausstellung "Heilige Schauer"

Heilige Schauer hat Vitus H. Weh im neuen Meteoritensaal des Naturhistorischen Museums. So viel Museumsglück läßt sich mit ihm in artmagzine teilen: http://www.artmagazine.cc/content65496.html

Der Meteoritensaal 1903

Der Meteoritensaal vor der Umgestaltung

Der neugestaltete Meteoritensaal

Samstag, 17. November 2012

Das Irgun-Museum (Etzel-Museum) in Tel Aviv

Während ich diese Zeilen schreibe, beschießt die israelische Luftwaffe Ziele im Gaz-Streifen und feuert die Hamas Raketen auf Israel. Wie sich das entwickeln wird, weiß niemand, woher es kommt, kann man sagen. Vielleicht stimmt es, was man lesen kann, daß ein Ministerpräsident und seine Partei ein frivoles Wahlkampfspiel treiben - aber auf dem Rücken der eigenen Bevölkerung und unter Inkaufnahme zahlloser toter Palästinenser? Aber das ist ohnehin "nur" ein Anlaß, der Grund ist bekannt und liegt Jahrzehnte zurück.

Die von der Sehnsucht in das "Gelobte Land" zurückkehren zu können und von Pogromen verursachten Einwanderungswellen nach Palästina lösten nur sehr vereinzelt Konflikte aus, aber mit der in den 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts realisierbar erscheinenden Gründung eines National- und Territorialstaates Israel (nach einem sehr komplizierten diplomatischen Prozess) verschärfte den Konflikt zwischen Juden und Arabern.

England, seit 1917 so etwas wie eine Schutzmacht in Palästina, versuchte militärisch und diplomatisch die beiden Gruppen auseinanderzuhalten. Es gab verschiede Versuche, eine Koexistenz herzustellen und zu sichern. Als die englischen Truppen die Einwanderung einschränken und die Ansiedelung in Palästina nach ihren Plänen regeln wollten, kam es zur Gründung paramilitärischer Untergrundorganisationen, wie Hagana und Irgun (gegründet 1931, auch Etzel genannt, politisch verfolgte Irgun umstrittene Ziele und gilt als Keimzelle der knoservativen politischen Partei), die Anschläge auf englische Einrichtungen verübte. Die Eskalation dieser Anschläge nach dem zweiten Weltkrieg trug dazu bei, daß die britischen Truppen abzogen. (1)



Die Anschläge richteten sich auch gegen die arabische Bevölkerung. Nur etwa einen Monat vor der Staatsgründung richtete die Irgun in einem Dorf ein Massaker mit über hundert Toten an. Die Irgun war maßgeblich mit der Staatsgründung gleichsam zusammenfallenden Vertreibung der Araber aus Jaffa beteiligt. Jaffa war die von der Vertreibung der Araber am stärksten betroffene Stadt, man spricht von etwa 60.000 bis 75.000 Vertriebenen. Diese Vertreibungen war Effekt einer Staatsgründung nach Israels Vorstellung und zugleich der Beginn eines bis heute nicht gelösten Grundkonflikts. Die israelischen und palästinensischen Raketen, die sich heute im Himmel über dem Gazastreifen kreuzen, sind immer noch und wieder, ein Effekt dieses Grundkonflikts.

Heute schwankt, je nach Standpunkt, die Einschätzung dieser Gruppen wie Irgun zwischen Terroristen, Patrioten, Miliz, Untergrundorganisation usw. 1948 mit der Gründung einer israelischen Armee aufgelöst, ist Irgun heute ein Teil des israelischen Geschichtsbildes, trotz der partiellen Verdrängung und Verleugnung mancher Handlungen der Irgun. Das Verdängteste ist die Vertreibung der Araber. (2) Da muss man nur den Text lesen, der im Museum über das größte Massaker "informiert", das Irgun begangen hat, das in Deir Yassin

Genau dort, wo unter anderem Irgun, Jaffa zerstörte, liegt das Irgun (Etzel-)Museum, ein, ich würde vermuten von "Veteranen" betriebenes, von einer Organisation getragenes (3) Museum (gegründet von einem Kommandeur der Irgun). Frei stehend und weithin sichtbar in der Nähe des Strandes im südlichen Tel Aviv hat es einen durchaus prominenten Platz. Das Bauwerk dürfte symbolisch zu lesen sein: über einer Ruine eines aus ottomanischer Zeit stammenden Gebäudes, hat man eine Art Vitrine gestülpt, einen opaken Glaskubus, der den versehrten Unterbau zu einer Trophäe macht.

Das Museum ist ein Ort, den seine Gründer als Gedächtnis an die Opfer konzipiert haben - gemeint sind die bei den Angriffen auf Jaffa getöteten Irgun-Mitglieder. Das Museum rechtfertigt, soll man sagen "selbstverständlich", dieses Opfer, das die Irgun insgesamt als Bedingung für die Existenz des Staates Israel gebracht hat. Alle Text- und Bildinformationen laufen auf diese Sicht der Ereignisse hinaus und die - bescheidene - Staffage aus Waffen und Figurinen unterstreicht das. Irgun hat eine "Mission" im "Unabhängigkeitskrieg" (erfolgreich) erfüllt.
Diese Veteranen-Bastelarbeit hat mich eher gelangweilt. Immerhin, deine Überraschung hatte es für mich: Zeitungsausrisse zu einem Irgun-Anschlag auf das Wiener Parkhotel (dort waren britische Militärs stationiert).


Man kann sich fragen, warum ein solches Museum in einer derartigen Lage denkbar ist, aber man kann in jedem europäischen Land (nicht nur in europäischen) jederzeit ähnlich mufflig-verklemmte "Militärmuseen" finden (Österreich hat sogar eins im Großformat in Wien stehen), an denen es nur um eine einzige Wahrheit geht. In einen Touristenführer würde ich schreiben "Schöner Strandspaziergang".


(1) Ein jüngst auf ARTE gezeigter vierteiliger Spielfilm "The Promise" ("Gelobtes Land") des englischen Regisseurs Peter Kosminsky schildert, detailliert an den Fakten orientiert, diese Jahre unmittelbar vor der Staatsgründung. Die Verschränkung der Erzählung mit der Gegenwart Israels macht den Film zu einem wirklich bemerkenswerten Dokument zum Israelisch-Arabischen Konflikt. Hier ein interessantes Interview mit dem Regisseur zu seinem Film: http://foreignpolicyblogs.com/2012/09/21/an-interview-with-peter-kosminsky-creator-of-the-promise/
(2) ‪List of Arab towns and villages depopulated during the 1948 Palestinian exodus‬: http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Arab_towns_and_villages_depopulated_during_the_1948_Palestine_War
(3) Das Museum wird von ‚The Society for Preservation of Israel Heritage Sites (SPIHS)’ erhalten, wozu es auf deren Webseite heißt „...The SPIHS was established to protect the irreplaceable historical buildings and heritage sites associated with Israel’s re-birth.

Eretz Israel (Entrée 83)


Minimal Label Art (Texte im Museum 347)

Alex Katz - Ausstellung. Essl-Museum, Klosterneuburg