Posts mit dem Label Vorarlberg werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Vorarlberg werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Sonntag, 27. Februar 2022

Melkschemel? (Sitzen im Museum)

 

                                            Barockbaumeister Museum Au im Bregenzerwald

Montag, 24. Januar 2022

Die beste Ausstellung 2021

„Man fragt sich, ob die Geschichte nicht im Begriff ist, 

eine geistreiche Synthese von zwei nietzscheanischen Begriffen zu schmieden, 

nämlich die des guten Europäers und die des letzten Menschen. 

Das könnte den letzten Europäer ergeben. 

Wir alle kämpfen darum, nicht zu einem solchen zu werden.“

Walter Benjamin (Zitat aus der Ausstellung)

 

Als ich kürzlich etwas über die (meiner Meinung nach) schlechteste Ausstellung 2021 geschrieben habe, wurde ich aufgefordert mal (und doch besser) über die beste Ausstellung des vergangenen Jahres zu schreiben. Es gibt da für mich sogar mehrere Anwärter, aber ich habe mich für "Die letzten Europäer. Jüdische Perspektiven auf die Krise einer Idee" entschieden. Warum? Weil es ein Beispiel für eine eminent politische Ausstellung ist, die zur Debatte um zeitgenössische Verhältnisse beiträgt. Und die zeigt, wie so etwas mit bescheidenen Mitteln möglich ist.

Ein weiterer Grund für meine Wahl ist, daß sie derzeit in Wien zu sehen ist, am Volkskundemuseum, und zwar bis 18.April. Entstanden ist die Ausstellung am Jüdischen Musuem Hohenems, kuratiert von Michaela Feuerstein-Prasser und Felicitas Heimann-Jelinek.

Die Ausstellung hat zwei Anliegen. Einmal geht es um das - weniger denn je - geeinte Europa, in dem Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit immer mehr zunehmen und damit die Idee einer die Katastrophengeschichte des 20.Jahrhunderts überwindene Gemeinsamkeit bedrohen. Sowie zweitens die Beiträge jüdische Bürger, die maßgebliche ideelle, kulturelle und rechtliche Grundlagen dieser Eingung auf der Grundlage universellen Geltung der Menschenrechte entwickelten.

So bescheiden medial und räumlich die Ausstellung daherkommt (ich wiederhole mich), so sehr dreht sie sich um aktuelle, dringende und in öffentlicher Debatte überfällig auszutragende Themen. Sie ist reich an Information und läßt die Geschichte der Idee der friedlichen, antagonistische Nationalinteressen überwindende europäischen Kooperation sehr gut nachvollziehen.

Ein Konflikt wie der hochaktuelle um die Ukraine, der sich bei der Planung der Ausstellung noch nicht angebahnt hatte, ist ein Beispiel dafür, was da alles auf dem Spiel steht, in und für Europa. Der Katastrophen-, der Erfolgsgeschichte Europas aber auch der Gefährdung der Idee eines friedlichen und geeinten Staatenbundes - dem ist die Ausstellung gewidmet.


Beide Fotos stammen aus der Fassung der Ausstellung, wie sie im Jüdischen Museum Hohenems gezeigt wurde. Fotos:G.F. 2021


Freitag, 25. Juni 2021

"museumdenken" - Was wir vorhaben


Was haben wir vor? Wir, das sind Hanno Loewy (Leiter des Jüdischen Museum Hohenems), Anika Reichwald (Kuratorin am selben Museum) und ich, Gottfried Fliedl, Museologe. 

Wir haben ein Netzwerk von Personen und Institutionen geknüpft, die unsere Vorstellungen teilen und unterstützen. In wenigen Tagen kommt es zum ersten Treffen mit MuseumsmitarbeiterInnen, MuseologInnen, WissenschafterInnen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz. In der kick-off-Veranstaltung wird es um Die Festlegung von Zielen gehen und um Formen der Kooperation. Aber auch um gemeinsame Veranstaltungen.

Seit Wochen ist eine Webseite in Ausarbeitung, die seit wenigen Tagen online ist. www.museumdenken.eu

Auf dieser Webseite gibt es Essays - zunächst zur zentralen Frage einer wünschbaren Zukunft von Museen, einen Blog und ein Glossar mit bereits über einhundert Einträgen. Die Webseite soll eine Plattform der Debatte und der Information werden.

Worum es uns grundsätzlich geht, haben wir in einem "mission statement" zusammengefasst.

Wer mit uns Kontakt aufnehmen will und an Mitarbeit interessiert ist, findet hier die Mailadressen, mit denen man uns erreicht: https://www.museumdenken.eu/post/kontakt


Mittwoch, 30. Dezember 2020

Das Frauenmuseum in Hittisau ist für den Europäischen Museumspreis nominiert


Das Frauenmuseum in Hittisau ist für den Europäischen Museumspreis nominiert. Allein schon diese Nominierung ist eine Auszeichnung. Das Museum besteht nun schon mehrere Jahrzehnte und es hat auch den Österreichischen Museumspreis bekommen. Aber.

Aber: seine finanzielle Basis ist noch immer unzureichend. Trotz der vielen wunderbaren Ausstellungen, trotz der Einzigartigkeit des Museums in Österreich, trotz seines Rufs über Vorarlberg und über Österreich hinaus, trotz der einzigartigen und vorbildlichen Organisationsstruktur, trotz der Arbeit mit vielen Communities, trotz der klugen Partizipation, die ihren Namen verdient - trotz allem lebt das Museum noch immer vor allem mit ehrenamtlicher und zu gering bezahlter Arbeit.

Ein Frauenproblem? Nein. Ein Problem, das Männer mit Frauen haben? Schon eher. Das Männermuseum (eins wie kaum ein zweites, boys tos) in Frastanz bekommt mehr Landesgelder als alle Zuwendungen, die das Frauenmuseum insgesamt bekommt.

Das darf man ja mal sagen und noch einmal und noch einmal. Obwohl es das Frauenmuseum nicht verdient mit einem derart fragwürdigen Museum (das eigentlich keines ist, sondern eine Sammlung ohne Erzählung, ohne Botschaft, ohne Bildungsidee) verglichen zu werden.

Was man für das Museum tun kann? Nun, sobald das wieder möglich ist, hingehen und ansehen. Die durch Corona unterbrochenen Ausstellung "Geburtskultur. Vom Gebären und Geborenwerden" ist eine der besten Ausstellungen, die ich im Frauenmuseum gesehen habe. Sie zeigt sehr viele Aspekte ihres Themas auf, sie kümmert sich um Frauen- und Männersichtweisen, sie zieht weite kulturhistorische Kreise und vor allem: sie kümmert sich, basierend auf einer sorgfältigen partizipatorischen Vorbereitung, um die Gegenwart, um Anliegen und Fragen, die heute im Land Vorarlberg virulent sind. Sie schafft Öffentlichkeit in einem Bereich, der viele Frauen beschäftigt und der öffentliche Debatte nötig hat.

Die Ausstellung soll bis Ende Oktober laufen. Also: nicht versäumen! 


Montag, 2. November 2020

Wie man intelligent Fragen stellt (Texte im Museum 973)

Aus der Ausstellung "Geburtskultur" des Frauenmuseum Hittisau. Foto GF 2020

 

"Geburtskultur". Das Frauenmuseum in Hittisau feiert sein 20-jähriges Jubiläum

Das Frauenmuseum Hittisau nimmt sich unter dem Titel „Geburtskultur“ derzeit eines Themas an, dessen Bedeutung mit einem einzigen Satz in der Ausstellung deutlich wird und der sinngemäß lautet: wir alle haben zwei Dinge gemeinsam - daß wir sterblich sind und daß wir geboren worden sind.

In mehreren Abschnitten nimmt sich die Ausstellung dieser Universalität des Themas an, kulturgeschichtliche, soziologische, künstlerische, medizinische und andere Diskurse um Gebären und Geborenwerden werden geführt, mit sorgfältig verfassten und klug hinsichtlich ihres Informationsgehaltes gestaffelten Texten und mit sehr vielen Objekten. Beeindruckend sind die einerseits sehr knappen andrerseits ein Thema in seiner Fülle absteckenden Einführungstexte aber auch der enorme Gestaltungstreichtum der diversen Textsorten.



Es gibt zwei Qualitäten, die die Ausstellungen des Frauenmuseums immer auszeichnen: die Verschränkung mit aktuellen Fragen und Problemen - nie agiert man nur in der historischen Perspektive allein - und das Ausmaß der Beteiligung Betroffener und Kompetenter.

Die Aktualität der Ausstellung wird einem wiederum an nur zwei Fakten sofort klar: es gibt in ganz Vorarlberg nur noch eine einzige Hebamme und von den einst existierenden Geburtshäusern existiert keines mehr. Ein Gespräch mit einer jungen Frau, die mit ihren drei noch sehr kleinen Töchtern gerade die Ausstellung zu besichtigen beginnt und mit der Ich und meine Begleiterin ins Gespräch kommen, macht klar, welche Transformation in der „Geburtskultur“ stattgefunden hat und welche Wünsche jemand hat, der sich eine andere, vielfältigere, auf Bedürfnisse und Wünsche von Frauen und Eltern eingehende Kultur wünscht.


Und: Ausstellung wie diese werden sorgfältig vorbereitet, unter Beteiligung aller, die Expertinnen sind, ein Wort, das hier nicht bloß institutionelle Expertise meint, sondern alle einschließt, die aus ihrer Betroffenheit heraus agieren und sich engagieren wollen und die Erfahrungen beisteuern können.

Wie schon seit Gründung des Museums korrespondiert diese Inklusion mit der Organisationsstruktur des Museums. Es gibt zwar formell eine Leitung, aber die gesamte Arbeit des Museums wird gemeinsam getragen, von einer Gruppe von Frauen, die sich aus unterschiedlichsten Lebenssituationen heraus engagieren.


Jetzt, wo das Museum seinen 20. Geburtstag feiert, feiert man auch sich selbst, diese große Anzahl von Mitarbeiterinnen, die seit Beginn an der Entwicklung und der Arbeit des Museums beteiligt waren und sind.

Was oft theoretisch gefordert wird, aber praktisch kaum realisiert wird, hier gehört es zur Philosophie und Praxis des Museums: Inklusion, Beteiligung, flache organisatorische Hierarchie, Wahrnehmung von Problemen, gesellschaftliches Engagement.

Das Frauenmuseum in Hittisau ist innerhalb der österreichischen Museumslandschaft ein einzigartiger Ort. Und den Besuch der Ausstellung, das dürfte schon klar geworden sein, kann ich nur herzlich und nachdrücklich empfehlen. (Sobald das Coronaregime sich wieder gelockert hat).