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Samstag, 8. Januar 2022

Uns geht es gut! Einige Anmerkungen zum neuen Volkskundemuseum des Universalmuseum Joanneum

Elsbeth Wallnöfer hat mir einen Text angeboten (er findet sich hier), in dem sie die neue Dauerausstellung des Volkskundemuseums in Graz kritisiert. Ich ergänze ihre Kritik mit dem Blick auf einige Texte, die im Museum Orientierung bieten und um ein Objekt. 



Der Text "Uns geht es gut!" stimmt den Grundton der gesamten Ausstellung an. Die Steiermark ist ein Land des Wohlstandes und des Wohlergehens. Es mögen nicht alle daran teilhaben können, aber so wie es ist, ist es gut. Konflikte, Krisen, Spaltungen, Interessensgegensätze - all das existiert nicht.
Als Teil der "Landesausstellung 2021" stand er für "Wie es ist". "Uns geht es gut" ist die Antwort darauf. "Wie es ist, ist es gut".




Es gibt sie also doch: Die Krise. Aber sie liegt in der Vergangenheit. Mit 1945 darf man abbrechen. Doch das Heimatwerk existiert noch immer, Volkskultur hat in der Kulturpolitik der Steiermark einen hohen Stellenwert und ist ein Lieblingsthema der FPÖ. Mit "Aufsteigern" pflegt man ein problematisches Volksfest, das wieder einmal auf "Tracht" und "Steirertum" setzt.
Immerhin: Viktor Gerammt, der in der Vorgänger-Ausstellung noch ungebrochen wohlwollend und las Heros der Volkskunde vorgezeigt wurde, wird in einen historischen Kontext gerückt. Aber ohne, daß sein Deutschnationalismus und seine Versöhnbarkeit mit der NS-Ideologie erwähnt würden. Über Gerambs Ideologie erfährt man nichts und damit nichts über die ideologischen Wurzeln des Volkskundemuseums.


Ein Ort in Veränderung? Ja, sicher. Aber worin die Veränderung bestand und besteht, wird uns in diesem Text nicht erzählt. Die Umstände der Gründung werden komplett ausgeblendet - und damit die Chance vergeben, das heutige Museum in der Differenz zu seiner (Gründungs)Geschichte zu erläutern.
Der Gemeinplatz von den Akteurinnen, die eine Institution prägen gilt also für die Geschichte des Hauses - davon erfahren wir nichts -, wie für die erneuerte aktuelle Version: wer die Akteurinnen (Gruppen, Vereine, Personen, Initiativen) waren, wie man sie ausgewählt hat und wie sie das Museum mit geprägt haben. wird nicht gesagt. Die Frage, die heute unabdingbar im Grunde zu jeder Ausstellung gehört, wird nicht gestellt und nicht beantwortet: Wer spricht?


Der Text setzt Bildungsbedürfnis und Bildungspolitik offenbar gleich, letztere scheint nur. vom Bildungsbedürfnis geleitet. In der Steiermark, so lesen wir, ist das Gleichgewicht zwischen beidem harmonisch und intakt und befindet sich in Einklang mit nationaler Bildungspolitik. Über deren Ziele und Schwerpunkte erfahren wir nichts. Z.B. nicht über die gerade in Österreich sehr stark ausgeprägte Diskriminierung sozialer Gruppen durch das Schulsystem. Über die generell sozial ungleich verteilten Bildungschancen generell fällt kein Wort.



Ein interessantes, anregendes Objekt. Ein Objekt, das aber auch zeigt, daß modernes Marketing in Hinblick auf Reflexivität, Ironie, Rücksicht auf Konsumenten (Publikum) Museen weit voraus sein kann. Daß auch Konsum "geändert" ist und man darauf Rücksicht nehmen muß, das hat SPAR z.B. dem Volkundemuseum voraus, das Identitätsproduktion - "Ich bin eine Steirerin" -, pfiffig und effektiv kommuniziert werden kann, zeigt sich nicht bloß am Text, sondern auch an der landesspezifischen Farbe, dem Grün, das in einem Museumstext ausschließlich affirmativ beschrieben wird. Letztlich zeigt die Tragetasche auch, was kollektive Identität heute ist: Konsumgut. "Die Stiermark gibts bei". 
Reflexivität des Museums auf seine institutionellen Bedingungen hin ist seit Jahrzehnten eine wie ein. Mantra wiederholte Formel, die selten das Ausstellen wirklich prägt. Es ist erstaunlich, daß das Wiener Volkskundemuseum schon vor etwa 20 Jahren durch eine (dezente) Historisieren der wissenschaftlichen Grundlagen, der Volkskunde als Wissensdisziplin, Reflexivität in seine Dauerausstellung einbezogen hat. Unterstützt in manchen Räumen durch einen ostentativen Zeigegestus, der das Museum als Ort des wandelbaren Wissens und des wählenden und deutenden Zeigens kenntlich machte.
Auch im Tiroler Volkskunstmuseums hielt, nicht an jedem Sammlungsabschnitt, Reflexivität Einzug. Eindrücklich und gewitzt durch die verfremdende Beleuchtung der leergeräumten Stuben, deren Authentizität auch dadurch konterkariert wurde, daß man sie als Kulissen wahrnehmen kann. Man sieht das "Gemachte", das Handwerkliche, die Erzeugung der ins Museum. übertragenen Artefakte und bekommt damit eine Ahnung von der grundsätzlichen Performativität des Museums.
Es ist erstaunlich, daß das Grazer Volkskundemuseums auch in seiner zweiten Erneuerung, hinter diesen - selbst schon historisch gewordenen - Ansätzen zurückbleibt. Ganz zu schweigen von der sehr weit gehenden partizipativen "Überarbeitung" oder "Überformung" der Wiener Dauerausstellung unter dem Titel "Die Küsten Österreichs".












Freitag, 31. Dezember 2021

Die schlechteste Ausstellung 2021. And the winner is: Das GrazMuseum

Die Stadt als Datenfeld. Wie wir in Zukunft leben wollen. GrazMuseum

Ich bin hingegangen, ganz neugierig, etwas über das digitalisierte Graz zu erfahren, über moderne Verwaltung und Kommunikation, über zukunftsträchtige Entwicklung. Weniger optimistisch war ich bezüglich des Untertitels. Wer weiß schon etwas darüber, wie "wir" in Zukunft leben wollen? Ausgerechnet ein Museum?

Nun. Es war die erste Ausstellung, in. der ich sofort derart ratlos umherirrte, daß ich anfing, andere Besucher zu fragen, ob sie verstünden, worum es denn hier grade ginge. Wenn nämlich eine Ausstellung sperrig wird, gebe ich eher mir die schuld, und sage mir, du übersiehst etwas, dir geht der Knopf nicht auf, das Gezeigte überfordert dich.


Peter Weibel erklärt mir da die sogenannte Lieferkette, auf einem Monitor rauschen Zahlenkolonnen von Flügen durch, im Treppenhaus schlingen sich Plastikröhren, die vermutlich das Fließen der Daten veranschaulichen sollen, es gibt eine kleine geballte Ladung Vilem Flusser zu lesen, und war da nicht wo eine Schreibmaschine auf einem Sockel?, irgendwo dreht sich in einem Metallgestell, in dem sonst nichts ist, eine Diskokugel, deren Licht eine im Boden eingelassene Schrift unleserlich macht, in einem Container blenden Sätze übereinander etwas über Sex und Liebe, aber so, daß (für mich) nichts Sinnvolles zu entdecken/entziffern ist und im Eingang zum Museum bekommt die Stadt Graz eine Werbeeinschaltung für ihre Digitalisierungs-Politik. Wahlversprechen im Doppelpack. Ein Schelm, wer daran denkt, daß der ÖVP-Finanzstadtrat in seiner zweiten Eigenschaft als Kulturstadtrat das Museum massiv finanziell fördert. 

Nirgendwo eine These, eine Geschichte, kein Zusammenhang, kein roter Faden, dafür rätselhafte mediale Installationen. Irgendwo gehts um eine Art kommunaler Dystopie. Graz in düstere Zukunftsvisionen getaucht, die sich aber rasch wieder in frühlingshafte Heiterkeit auflösen. Um sich das anzusehen, sitzt man in einer Gartenlaube wie aus einer Operette. Dann ein bissl Kunst dazwischen gestreut. Offenbar ist da und dort was nicht fertig geworden. Off records wird das bestätigt. Tapfer, etwas Unfertiges auf ein Publikum loszulassen! Auch daß es im Museumsteam gerumst haben muß und zum Beispiel die (Chef)Kuratorin die Flucht ergriffen hat. 

Ich versuchs dennoch weiter, drehe noch eine Runde und versuchs noch mal. Ziehe noch mal eine Runde und nochmal. Fragen traue ich mich inzwischen nicht mehr. Das Museum indes ist in den sozialen Medien hellauf von sich selbst begeistert. Der beste Museumsdirektor Österreichs, der kann doch nichts falsch gemacht haben?

Über die Zukunft von Graz, also über das, wie wir leben wollen, habe ich nichts erfahren. 

P.S.: Die von mir nicht namentlich genannte Kuratorin teilt mir mit, daß sie nicht die Flucht ergriffen hat und nach wie vor ein ungetrübtes Verhältnis zum GrazMuseum hat. Meine Informationen sind ein bissl anders gefärbt, aber wie das so ist, bei Quellen (Personen), die man nicht nennen darf, sie taugen nicht so viel. Also schließen wir uns gerne dem Bedürfnis nach Korrektur an und versichern (aus eigener Beobachtung), daß das GrazMuseum ein vollständig intrigenfreier Raum ist. Das durfte ich lernen, seit ich im Zuge der ersten Planungen zur Dauerausstellung selbst "die Flucht ergriff" und zwei weitere KuratorInnen das Weite suchten.


Montag, 27. Dezember 2021

Museale (Selbst)Infantilisierung. Hansifüttern am Schlossberg

 Hansifüttern am Schlossberg💕 Wie viele und zutrauliche Eichhörnchen es am Schlossberg in den 1950ern gab, sieht man in dieser wunderschönen Bilderserie von einem Winterspaziergang in den späten 1950ern. Vielleicht ist euch bereits bekannt, dass die Grazer Eichhörnchen der Grünräume und Parks seit jeher alle Hansi genannt und auch so gerufen werden.

Das verdanken wir dem GrazMuseum…



Montag, 1. November 2021

Na endlich...!

Statt einer "Gold und.." oder "Gold der..."-Ausstellung mal eine, die sich nur mit Gold beschäftigt. Nicht nur Sex sells.








Dienstag, 26. Oktober 2021

„Museum am Ende der Zeit“. Österreichischer Museumstag 2021

 Am Österreichischen Museumstag, Graz, 2021, wurde der Initiative „museumsdenken“  ein ganzer Tag eingeräumt, um eine Grundsatzdiskussion zu beginnen: welchen Herausforderungen müssen sich Museen stellen angesichts mindestens dreier, miteinander verknüpfter Krisen. Corona-Pandemie, Klimakrise und Erosion des Demokratischen fordern Museen. Antworten lassen sich nicht mehr aus der Museumspraxis und deren partieller Transformation gewinnen, sondern aus der Reflexion der gesellschaftlichen Rolle von Museen.

Acht Expertinnen und Experten diskutierten in zwei Gruppen und es gab Zeit für Teilnehmerinnen, selbst Antworten in Gesprächsrunden zu suchen.

Seit wenigen Tagen ist dieser Tag auf VIMEO online verfügbar: https://vimeo.com/637042992


Montag, 6. September 2021

Politisches Statement (Texte im Museum 1016)

Ein bislang einzigartiges Sammlerstücke in meinem Archiv der Museumstexte: Ein politisches Statement an einem österreichischen Museum. Universalmuseum Joanneum

Samstag, 31. Juli 2021

Glücksspiel Museumsbesuch

 


Wusstest Du das, lieber Museumsbesucher? (Seitensprünge 24)

 


Sicher sitzen mit Erste-Hilfe-Set, Feuerlöscher und Überwachungskamera (Sitzen im Museum)

 


Fünf Regeln für den Museumsbesuch (Texte im Museum 1011)

 

Gesehen in der Neuen Galerie/Bruseum des Universalmuseum Joanneum. Foto: GF, 2021

An den kuratorischen Sprachrändern (Texte im Museum 1010)

 


Infantilisierung. Aber besucherorientiert

 


Montag, 5. Juli 2021

Quote

 

Kunsthaus Graz, neulich
  

Die „Quote“, das heißt der „Besucherumsatz“, die statistische Erhebung der Zahl der Besucher (eigentlich: der Besuche) ist zum Universalmaßstab für die Bedeutung von Museen geworden, eine Rechtfertigung ihrer Existenz, ein Nachweis ihrer demokratischen Funktion – schließlich sind sie ja „jedermann“ (wie die ICOM-Definition weiß) zugänglich.

So problematisch die Methodik und die Manipulationsanfälligkeit der Erhebung ist, inzwischen scheinet die Veröffentlichung von „Erfolgszahlen“ unverzichtbar, vor allem bei großen Ausstellungen, wo es unter sechsstellig kaum noch geht. Dabei wird die schiere Zahl zum Wertmaßstab und ersetzt die Mühsal der Kritik durch eine simple Ziffer. Die „Quote“ treibt die Museen in eine Konkurrenz untereinander und weckt bei potentiellen Museumsbesuchern Versäumnisängste - „muß ich nicht dort gewesen sein?“.

Vor allem aber verdeckt die „Quote“ den Ausschluss, der Museen in sozialer Hinsicht als Voraussetzung ihrer Existenz kennzeichnet. Grob gesagt besuchen etwa 50% einer Stadt, einer Region, eines Landes „ihre“ Museen har nicht und denken auch gar nicht daran. Das sind Menschen, die auf Grund ihrer sozialen Stellung nie in den Genuss einer kulturellen Sozialisation gekommen sind und für die das Museum lebensweltlich schlicht inexistent ist.

Vielleicht kommt einmal die Zeit, da sich die Museumsleiter:innen, die skeptisch sind, durchsetzen und Museen wie Medien verzichten aufs Zählen?!



 

Neulich in Graz.... (Texte im Museum 997)